Die Aktivistin: Der Widerstand beginnt - Thomas Sailer - E-Book

Die Aktivistin: Der Widerstand beginnt E-Book

Thomas Sailer

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Beschreibung

Gibt es bald kein Bargeld mehr? Wie aus dem Nichts verlautbart das EU-Parlament die komplette Abschaffung von Bargeld im gesamten Euroraum. Die supranationale Regierung preist die Währungsreform als großen Fortschritt an und setzt eine riesige PR-Maschinerie in Gang, aber nicht jeder lässt sich davon täuschen: Viele wissen, dass diese Neuerung in Wahrheit vor allem mehr Überwachung und eine höhere Steuerlast bedeutet. Die Studentin Johanna Perl beginnt im Internet gegen den Beschluss aus Brüssel zu protestieren - und stößt auf unerwartet große Resonanz.

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Thomas Sailer

DIE AKTIVISTIN

Der Widerstand beginnt

Erstausgabe 2014 erschienen bei serendii publishing

© 2019 Thomas Sailer

Umschlaggestaltung: serendii publishing

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7497-1266-3

Hardcover:

978-3-7497-1267-0

e-Book:

978-3-7497-1268-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

1. Ein folgenschwerer Beschluss

2. Johannas Weblog

3. Das Interview

4. Das Treffen im Tatragebirge

5. Die Widerstandsbewegung

6. Der EU-Kommissar

7. Das verhängnisvolle Artefakt

8. Hinter Schloss und Riegel

9. Die Februarrevolution

10. Die Nachbesprechung

Vorwort

„Bargeld ist doch von gestern! Unpraktisch und einfach nicht mehr zeitgemäß. Das brauchen doch eh nur noch Kriminelle. Lasst es uns am besten gleich ganz abschaffen!“

Werden solche Rufe laut, ist Vorsicht geboten. Geld ist in unserem Alltag omnipräsent – ist die Währung lückenlos überwacht, sind unweigerlich sehr viele unserer Schritte problemlos und dauerhaft nachverfolgbar.

Davon abgesehen bietet ein ausschließlich elektronischer Zahlungsverkehr die technische Basis dafür, dass Behörden jede private Geldbewegung und jedes Sparguthaben erfassen und vollständig überblicken können. Nun muss eine Regierung nichts weiter tun als ein paar Paragrafen abzuändern – etwa mit dem Argument, es ginge um Sicherheit und die Bekämpfung von Kriminalität – und kann damit vollkommen legal absolute Einsicht in die Einkünfte, Ausgaben und Ersparnisse von jedem von uns nehmen.

So lassen sich bei Geldbedarf noch viel umstandsloser neue Steuern oder Abgaben einführen – das Geld, von dem die Behörden nun genau wissen, dass es vorhanden ist – kann rechtmäßig eingefordert bzw. gleich von unseren Konten eingezogen werden.

Außerdem ist es möglich einen Negativzinssatz einzuführen, der uns alle vor die Wahl stellt: Unser hart verdientes Geld sinnlos verschleudern, oder dabei zusehen wie unser Sparguthaben ganz automatisch Monat für Monat schrumpft.

Vollkommen undenkbar? Keineswegs! Schon heute haben die Behörden Einblick in Bankkonten und Sparguthaben. „Auffällige“ Überweisungen sind von den Banken zu melden, ebenso wie größere Bareinzahlungen. Wir sind bereits jetzt in der Pflicht gegebenenfalls zu belegen woher wir unser Geld haben – wir stehen offenbar unter behördlichem Generalverdacht! Jedes Recht auf Privatsphäre ist, wie es scheint, bedeutungslos im Angesicht der Gier nach Steuergeld.

Nachdem die Verwaltung es als ihr gutes Recht betrachtet, nach Belieben Abgaben und Steuern vorzuschreiben und die entsprechende Abfuhr derselben mit allen Mitteln zu kontrollieren, ist die Absicht naheliegend, das Bargeld immer stärker einzuschränken und es schließlich vielleicht ganz abzuschaffen.

Vom heutigen Standpunkt aus sind international schon viele Tendenzen in Richtung bargeldlose Gesellschaft zu erkennen, so zum Beispiel in Schweden, wo Brötchen und Bustickets nur noch digital bezahlt werden können. Aber auch anderswo, etwa in Deutschland und in Österreich, ist Bargeld schon heute in manchen Fällen keine Alternative mehr. Strom und Wasser zum Beispiel können längst nicht mehr in Bar bezahlt werden.

Dieses Buch zeigt ein Szenario, in dem Europa ein rein digitales Zahlungssystem bereits unmittelbar bevorsteht. Möge das Werk seinen Beitrag dazu leisten ein allgemeines Bewusstsein zu schaffen, sodass derartige Überwachungsmethoden nicht unbemerkt über uns hereinbrechen können.

Weiters soll der Roman auch daran erinnern, dass Regeln und Gesetze in einer zivilisierten Gesellschaft wohl notwendig sind, allerdings stets auf dem Fundament der Vernunft basieren müssen. Es darf nicht sein, dass Gesetze und Regelungen zu Lasten der Steuerzahler aus reiner Willkür beschlossen werden.

Abschließend gilt es noch festzuhalten, dass eine Regierung im Auftrag des Volkes arbeitet und damit den Interessen der Bürger zu dienen hat. Es sollte sich als eine Selbstverständlichkeit verstehen, dass mit unserem Steuergeld verantwortungsvoll und sparsam umgegangen wird. Es kann nicht rechtens sein, dass der Verwaltungsapparat immer mehr Geld verschlingt und immer kostspieligere Standards einführt und sich beim Steuerzahler einfach nach Herzenslust bedient.

1. Ein folgenschwerer Beschluss

„Und damit möchte ich gerne zum letzten Punkt auf der heutigen Tagesordnung übergehen.“

Mit diesen an sich unscheinbaren Worten leitete Guido Abbindolatore, der amtierende EU-Parlamentspräsident, die erste öffentliche Ankündigung einer tief greifenden Neuerung ein.

„Um Geldwäsche, Schwarzgelder, Bestechungsgelder, kurzum jeden illegalen Geldtransfer in Zukunft unmöglich zu machen, hat das Europaparlament beschlossen, das Bargeld im gesamten Euroraum durch ein rein digitales Zahlungsmittel zu ersetzen.“

Sein Ton vermittelte Entschlossenheit und Überzeugung.

„Ab dem 1. April 2019 werden Zahlungen EU-weit ausschließlich in digitaler Form abgewickelt – bequem, umstandslos und zukunftsorientiert. Sowohl für die Wirtschaft, als auch für jeden einzelnen Bürger der Europäischen Union bedeutet das nicht nur eine große Vereinfachung, sondern vor allem einen enormen Zugewinn an Sicherheit – für bestehende Vermögen und für den Fortbestand und die Stabilität unserer Gemeinschaftswährung“, fuhr Abbindolatore fort und achtete dabei sehr auf eine tadellose Körpersprache – für die zahlreichen Pressefotografen und Kamerateams, die seine Ansprache dokumentierten.

„Vielen Dank. Das wäre alles“, sagte er schließlich und verließ damit das Rednerpult.

Es war im Oktober 2018. Schon seit geraumer Zeit hatte die Führungsspitze der Europäischen Union im Verborgenen an diesem Vorstoß gearbeitet: An dem Vorhaben, Bargeld im Euro-Raum endgültig abzuschaffen, damit jede Geldbewegung nur noch digital ablaufen und jeder Geldbesitz ausnahmslos in virtueller Form vorliegen würde – mit dem Ziel, dass die supranationale Regierung einen lückenlosen Überblick hätte, über jeden existierenden Euro und jeden europäischen Cent. Was ohne Wissen der Öffentlichkeit längst beschlossen worden war, hatte der EU-Parlamentspräsident nun verlautbart – die strenge Überwachungsmaßnahme verklärt als einen großen Fortschritt.

Diese brisante Neuigkeit verbreitete sich in Windeseile: Mehrere Millionen Menschen in der Europäischen Union, aber auch von außerhalb, hatten Abbindolatores Ansprache live im Fernsehen und im Radio verfolgt; noch am selben Abend waren auf sämtlichen Nachrichtenportalen Artikel darüber zu lesen – am kommenden Tag prangte die Schlagzeile auf den Titelblättern aller namhafter Zeitungen in ganz Europa.

Auch in den folgenden Tagen blieb die jüngst proklamierte Währungsreform medial allgegenwärtig. Viele Medien berichteten neutral über den Beschluss des Europaparlaments; andere priesen die von offizieller Seite genannten Vorteile der Umstellung auf eine digitale Währung an – wieder andere schrieben mit Skepsis über die bevorstehende Abschaffung von Bargeld.

So waren die Pläne des Europaparlaments bald Gesprächsthema Nummer Eins in allen betroffenen Nationen: Die einen begrüßten die Einführung einer digitalen Währung – sie vertrauten auf die Europäische Union und erhofften sich, dass Diebstähle, Korruption und Steuerbetrug dank der Bargeldabschaffung bald der Vergangenheit angehören würden; viele zeigten sogar Zuversicht, dass sich die ständig kriselnde Wirtschaft durch diese Maßnahme endlich stabilisieren würde. Andere wiederum waren besorgt und beklagten sich wegen der Währungsreform. Sie sahen darin einen herben Eingriff in ihre Privatsphäre und befürchteten außerdem, dass sie bald gezwungen wären noch mehr als ohnehin schon für den Systemerhalt abzugeben.

Wenige Tage nach der Verlautbarung des EU-Parlamentspräsidenten war die bereits beschlossene Abschaffung von Bargeld in aller Munde – nicht nur europaweit, sondern gar international. Allerdings gab es trotz der Omnipräsenz dieses Themas nach wie vor auch EU-Bürger, die noch nichts von dieser Neuigkeit mitbekommen hatten – so etwa Johanna Perl.

Johanna war 23 Jahre alt und wohnte in Hohenau an der March; einem Ort im Nordosten Niederösterreichs, nicht weit vom Dreiländereck zwischen Österreich, der Slowakei und Tschechien. Sie war Studentin an der Universität Wien – nur anderthalb Semester trennten sie noch von ihrem Abschluss.

Doch an diesem Freitagnachmittag beschäftigte sich Johanna keineswegs mit ihrem Studium; auch nicht mit Plänen für das bevorstehende Wochenende – für Alltagspflichten oder Freizeitvergnügen hatte sie einstweilen bestimmt keinen Sinn. Sie lag bloß auf ihrem Bett und starrte an die Decke. Ihr Radio spielte leise Musik, doch das nahm sie kaum wahr. In diesem Moment schien alles rund um sie grau und trostlos: Erst zu Beginn der Woche hatte sich Johanna von ihrem Freund getrennt.

„Wahrscheinlich ist es besser so“, murmelte sie, in der Absicht sich selbst gut zuzureden. Ihr Körper verkrampfte – was die Vernunft ihr gebot, erfüllte sie mit großem Widerwillen: Ihre Beziehung mochte in die Brüche gegangen sein, doch Johanna hatte nach wie vor Gefühle für ihren Exfreund.

„Drei Jahre lang waren wir zusammen – jetzt ist es vorbei … die ganze Zeit für die Katz! Warum er auch so ein dämlicher Idiot sein muss?“, dachte Johanna, eher verletzt als zornig. „Ich meine … meistens war er ja sehr lieb zu mir und alles – aber was hätte ich schon mit ihm anfangen sollen?“

Unwillkürlich begann Johanna in Erinnerungen zu schwelgen: Voller Wehmut dachte sie an Situationen zurück, die sie gemeinsam mit ihrem Exfreund erlebt hatte – und wie es das unerbitterliche Schicksal wollte, erinnerte sie sich nun, da ihre Beziehung vorüber war, immerzu an die schönen, heilen Momente.

„Vielleicht war ich doch zu vorschnell? Habe ich einfach zu viel von ihm erwartet?“

Einen Moment über schien Johanna sich beinahe schon sicher, dass sie ihrem Exfreund Unrecht getan hatte – ein Stich in ihrem Inneren. Sie kniff ihre Augen fest zusammen und rang mit sich selbst, um nicht in Tränen auszubrechen.

„Nein! Ich muss standhaft bleiben“, suggerierte sie sich und schob ihren Emotionen einen Riegel vor. „Wir haben einfach nicht zusammengepasst, das lässt sich nicht bestreiten. Marvin ist ein netter Kerl – aber er ist in keiner Weise dazu bereit seinen Horizont zu erweitern und sich wenigstens ein bisschen weiterzuentwickeln. Vor drei Jahren habe ich es ja noch toll gefunden, dass er alles so locker angegangen ist … aber auf Dauer wird es eben langweilig, wenn er sich nur für Fußball und Partys interessiert. Das ist viel zu wenig – das genügt mir einfach nicht!“

Mit diesem Gedanken schien sich der peinigende Krampf in Johannas Inneren zu lösen – oder jedenfalls zu lockern.

„Außerdem hat er das mit uns, glaube ich, nie wirklich ernst genommen – es ist ja nicht so, dass ich ihm nie den einen oder anderen Fehltritt verziehen hätte … mit einer von seinen so genannten »guten Freundinnen«, von denen er ja einige hatte.“

Fast schien Johanna über ihren Exfreund hinweg, da überkamen sie abermals wehmütige Erinnerungen.

„Ach, dieser verdammte Mistkerl! Ich weiß ja, dass es mit ihm auf Dauer sowieso nicht funktioniert hätte – aber ich bekomme ihn trotzdem nicht aus meinem Kopf!“

Innerlich aufgewühlt wand sich Johanna auf ihrem Bett hin- und her.

„Warum tut er mir das an? Warum verschwindet er nicht einfach aus meinen Gedanken und lässt mich endlich in Ruhe?“

Just in diesem Moment drang die Stimme von Johannas Mutter durch ihre Zimmertür.

„Johanna – das Essen ist fertig.“

„Ja, ich komme schon“, rief Johanna und atmete tief durch.

„Was soll’s? Es hilft ja doch nichts, wenn ich mir jetzt weiter den Kopf zerbreche.“

Damit stand sie auf, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und verließ ihr Zimmer.

Unten im Esszimmer hatte ihre Mutter bereits den Tisch gedeckt.

„Papa wird gleich kommen. Wenn er da ist, wird gegessen.“

Johanna antwortete lediglich mit einem abwesenden Nicken und setzte sich zu Tisch.

„Was ist denn los mit dir? Ist es etwa immer noch wegen Marvin?“

„Ja … es ist halb so wild“, antwortete Johanna und schüttelte den Kopf. „Ich möchte nicht darüber sprechen – es nützt ja sowieso nichts.“

„Ich verstehe doch, dass dir die Trennung wehtut“, begann Frau Perl zu sprechen und versuchte tunlichst auf ihre Wortwahl zu achten, um ihre Tochter nicht unnötig zu belasten. „Aber du warst jetzt die ganze Woche nicht an der Uni. Du hast dich mit keiner deiner Freundinnen getroffen und dich die ganze Zeit lang zu Hause verkrochen. Und jedes Mal, wenn ich dich sehe, hast du diesen abwesenden Gesichtsausdruck …“

„Ja, ich weiß. Worauf möchtest du hinaus?“, erwiderte Johanna leicht genervt und fiel ihrer Mutter damit ins Wort.

„Ich will nur, dass du wieder anfängst zu leben. Geh hinaus – tu etwas! Du kannst doch nicht den ganzen Tag lang nur im Bett liegen. Davon wird ganz bestimmt nichts besser.“

Gerade als Johanna sich zu den Worten ihrer Mutter äußern wollte, hörten die beiden, dass jemand das Haus betrat.

„Ah, das wird Papa sein“, sagte Frau Perl und verließ das Esszimmer, um ihren Ehemann zu begrüßen; Johanna, die sich einstweilen zu träge fühlte, um aufzustehen, blieb bei Tisch sitzen.

Wenig später begann die Familie zu essen. Johanna war in Gedanken versunken und stocherte in ihrem Essen herum; sie hatte schlicht und einfach keinen Appetit.

„Ich habe keine Ahnung wie es weitergehen soll“, seufzte Johannas Vater und schüttelte den Kopf. „Diese gottverdammte EU!“

Plötzlich wurde Johanna hellhörig; sie wollte erfahren was ihren Vater so sehr belastete. Erstmals seit Tagen hatte etwas die Gedanken an ihren Verflossenen in den Hintergrund gedrängt.

„Komm schon“, erwiderte Frau Perl. „Es hat doch keinen Sinn, wenn du dich aufregst! Du kannst es sowieso nicht ändern. Es wird einfach passieren, ob wir wollen oder nicht.“

„Was ist denn los?“, erkundigte sich Johanna.

„Ja Kind, wo bist du denn mit deinen Gedanken?“, fragte ihr Vater bestürzt. „Seit zwei Tagen rede ich doch schon von nichts anderem mehr – und in den Nachrichten läuft auch pausenlos etwas zu dem Thema.“

„Entschuldige, dass ich meine eigenen Probleme habe“, antwortete Johanna trotzig. „Aber was ist denn jetzt los? Es ist ja scheinbar sehr wichtig – nur habe ich echt noch nichts davon mitbekommen.“

Johannas Vater seufzte abermals.

„Also gut, hör zu: Das EU-Parlament hat diese Woche bekannt gegeben, dass nächstes Jahr der Euro als harte Währung abgeschafft wird – es gibt dann nur noch digitales Geld.“

„Wie bitte? Warum denn das?“, erwiderte Johanna, plötzlich aus allen Wolken gefallen; es schien ihr ausgesprochen befremdlich, dass es schon in wenigen Monaten kein Bargeld mehr geben sollte.

„Ich kann dir genau sagen aus welchem Grund die das machen: Digitales Geld können sie hervorragend überwachen – sie werden Überblick haben über jeden Cent den ich verdiene. Ich bin zwar nur Fliesenleger und kein Wirtschaftswissenschaftler, aber ich habe einen gesunden Hausverstand und merke sehr wohl, wenn ich nach Strich und Faden verarscht werde!“

„Reg dich doch nicht so auf”, sagte seine Frau. „Das hilft dir auch nicht weiter.“

Herr Perl schüttelte den Kopf.

„Wisst ihr, ich halte mich für einen braven Bürger: Ich arbeite Vollzeit und bezahle meine Steuern und Sozialabgaben – nicht nur für die Arbeit, sondern auch mit jedem Einkauf, für das Auto, beim Tanken, für Grund und Boden und so weiter. Aber wenn ich mir am Wochenende etwas dazuverdiene, erfährt das Finanzamt nichts davon. Irgendwo muss auch einmal Schluss sein mit Steuern zahlen!“

„Das bedeutet also, dass du dann auch noch das Geld versteuern musst das du dir nebenbei dazuverdienst?“, erkundigte sich Johanna; sie war immer noch etwas durcheinander wegen der unerwarteten Neuigkeiten.

„Ja sicher, was denkst du denn?“, erwiderte ihr Vater, erneut in Rage geraten. „Wenn es kein Bargeld mehr gibt, sehen diese elenden Halsabschneider alles – dann gibt es keinen unregistrierten Zusatzverdienst mehr. Und ich sage euch eines: Aus diesem und keinem anderen Grund wird uns dieser so genannte Fortschritt aufgezwungen – damit die Regierung auch noch den letzten Tropfen aus den Steuerzahlern herauspressen kann!“

„Mir gefällt das ja auch nicht“, äußerte Johannas Mutter. „Aber es hilft uns nun mal nicht weiter, wenn du dich deshalb so aufregst. Also sei doch so gut und sprich bitte von etwas anderem!“

Johannas Vater hatte die Worte seiner Frau gar nicht recht wahrgenommen und beklagte sich unbeirrt weiter.

„Großartig wird das! Diese Lackaffen da oben, die haben doch keine Ahnung davon, wie teuer das Leben geworden ist: Bald zwei Euro kostet der Liter Benzin; die Lebensmittel sind kaum noch bezahlbar – wenn ich am Wochenende nicht schwarz etwas dazuverdienen kann, weiß ich nicht, wie wir uns trotz der hohen Kreditraten für das Haus noch irgendetwas gönnen sollen! Urlaub, Kino, Ausgehen und so weiter – das wird für uns bald alles unerschwinglich, ihr werdet schon sehen!“

„Siegfried! Ich glaube ich habe dich eben um etwas gebeten“, sprach Johannas Mutter bestimmt. „Würdest du dieses Thema bitte sein lassen?“

„Ja, ist ja schon gut“, schnauzte Johannas Vater; wiederum seufzte er und öffnete eine Flasche Bier, um seinen Kummer einstweilen in Gerstensaft zu ertränken.

Unterdessen starrte Johanna nachdenklich auf ihren Teller. Doch es war nicht länger ihr Exfreund, der nicht aus ihren Gedanken weichen wollte; viel eher waren es die Worte ihres Vaters, die sie beschäftigten. Sie war keineswegs der Ansicht, dass er sich zu Unrecht ärgerte.

„Wenn das wirklich so stimmt, was Papa gerade erzählt hat, dann ist Brüssel dieses Mal echt zu weit gegangen!“

Johanna verfolgte das politische Geschehen im Normalfall durchaus – es interessierte sie welchen Kurs das Land nehmen sollte und manchmal hatte sie gar den Wunsch, aktiv daran mitzugestalten. In der Vergangenheit hatte sie schon mehrere Male mit dem Gedanken gespielt sich politisch zu engagieren – etwa als Gemeinderätin zu kandidieren. Allerdings hat sie diesen Schritt bis jetzt nie getan – einfach weil ihr Politik, so wie sie praktiziert wurde, zuwider war: Ihr missfiel die Parteipolitik – dieser beinharte Interessenkampf, in dem ernsthafte Inhalte fortwährend Schmutzkübelkampagnen untergeordnet wurden.

Von der Europäischen Union hatte Johanna erst recht keine hohe Meinung: Sie hielt es für äußerst fraglich, ob eine zentrale Regierung, deren Verwaltungsbereich so viele verschiedenen Landstriche und Kulturen umfasste, Entscheidungen fällen konnte, die tatsächlich zum Wohl der großen Mehrheit aller EU-Bürger wären – geschweige denn, dass dieser supranationale Verwaltungsapparat überhaupt daran interessiert wäre das zu tun: Ihrer Meinung nach war die EU in erster Linie eine Wirtschaftsunion, die darauf abzielte Geld und Macht zu zentrieren – zugunsten von Konzernen und der politischen Führung selbst, während der Großteil der Bevölkerung eher Nachteile aus diesem System davontrug.

„Ich will an die frische Luft“, sagte Johanna, nachdem sie aufgegessen und ihren Teller in die Geschirrspülmaschine geräumt hatte. „Ich werde eine Runde mit dem Rad fahren.“

„Ist okay“, entgegnete ihre Mutter und lächelte. „Es wird dir bestimmt guttun, wenn du ein bisschen rauskommst.“

„Ja, das glaube ich auch“, erwiderte Johanna; damit verließ sie die Küche und ging geradewegs in die Garage. Da sie seit einer Weile schon nicht mehr Fahrrad gefahren war, prüfte sie erst den Druck ihrer Fahrradreifen.

„Das sollte ausreichen“, befand Johanna nachdem sie mit dem Daumen auf beide Reifen gedrückt hatte. Da ihr Fahrrad einsatzbereit schien, schob sie es vorsichtig an dem Wagen ihres Vaters vorbei. Sie öffnete das Garagentor – angenehm milde Herbstluft drang ins Innere. Johanna atmete tief durch.

„Ach ja … das ist herrlich“, murmelte sie mit einem Lächeln auf den Lippen; seit einer Woche hatte sie das Haus nicht verlassen und nun tat ihr die frische Außenluft besonders gut. Während sie ihr Fahrrad in die Einfahrt schob und sich zum ersten Mal seit Tagen wieder im Freien aufhielt, spürte sie deutlich, dass sich etwas verändert hatte: Sie hatte wieder das Bedürfnis etwas zu tun; aktiv zu sein und sich zu freuen. In diesem Moment fühlte sie, dass sie die Trennung von Marvin endlich verwunden hatte.

Schließlich brach Johanna zu einer Fahrradtour auf: Erst fuhr sie durch die Gassen der Ortschaft, dann hinaus auf die Güterwege, in Richtung des nahe gelegenen Fürstenwaldes.

Während sie gemütlich durch die Landschaft fuhr, fühlte sie sich ungewohnt heiter und beschwingt: Sie erfreute sich an all den Dingen rund um sich: An den Wiesen, den Wäldern, dem herbstlich farbenfrohen Laub, dem blauen, leicht diesigen Himmel – ja sogar an der feuchten, fruchtbaren Erde auf den Feldern. Johanna war erfüllt von einem Hochgefühl. Endlich hatte sie das Ende ihrer Beziehung verkraftet – eine Altlast war beseitigt und nichts hinderte sie mehr daran sich ihres Lebens zu erfreuen.

„Was für ein Gefühl! Ich fühle mich richtig befreit – es tut so gut wieder draußen zu sein“, dachte Johanna. „Die letzten Tage waren eine Qual! Fast so als wäre ich krank gewesen … die ganze Zeit lang bin ich in meinem Zimmer dahinvegetiert – und das nur wegen diesem blöden Kerl. Aber das ist jetzt vorbei!“

Nun da sie ihren Kopf wieder frei hatte, begann sie zusehends an Dinge zu denken, die sie gerne tun wollte.

„Ich möchte unbedingt Sabrina besuchen; ich habe sie bestimmt seit zwei Wochen nicht mehr gesehen“, plante Johanna. „Am besten fahre ich gleich morgen zu ihr. Und nächste Woche? Ach, egal was ich tun werde – irgendetwas Spannendes wird mir bestimmt einfallen. Wenn ich es recht bedenke, freue ich mich auch schon richtig darauf am Montag wieder an die Uni zu fahren!“

Am Rand des Fürstenwaldes angelangt entschied Johanna spontan ihr Fahrrad abzustellen und ein bisschen spazieren zu gehen. Sie wollte das nasse Gras unter ihren Schuhsohlen spüren und sich einen Moment lang voll und ganz auf die Beschaulichkeit dieses Ortes konzentrieren. Während sie am Waldrand einen Wiesenweg entlangging, genoss sie es, sich frei und unbeschwert zu fühlen; dann jedoch, nach einigen Minuten, drang ein störender Gedanke in ihr Bewusstsein – ein penetrantes Problem das sie einstweilen trotz ihrer positiven Stimmung einfach nicht ignorieren konnte.

„Kaum zu glauben was Papa vorhin erzählt hat“, begann Johanna zu grübeln. „Eigentlich kann ich mir gar nicht recht vorstellen, dass etwas Derartiges ernsthaft auf uns zukommen soll – aber erfunden wird er das ja nicht haben.“

Die Vorstellung, bald nur noch mit Plastikkarte bezahlen zu können, verärgerte Johanna: Ihr war vollkommen klar, dass die Behörden durch diese Neuregelung jederzeit uneingeschränkten Einblick in all ihre privaten Geldangelegenheiten haben würden.

„Wenn das wirklich kommt, macht das Leben echt keinen Spaß mehr: Ich kann mir nichts mehr dazuverdienen, ohne, dass jemand davon erfährt; auch weiß das Finanzamt genau wie viel ich gespart habe“, murmelte Johanna; ihre gute Laune wurde zusehends von Frust verdrängt. „Außerdem kann so auch jederzeit ermittelt werden was ich einkaufe – die wüssten einfach alles: Wenn ich etwas privat kaufe oder verkaufe, wüssten die Bescheid. Wenn ich Bier oder Wein kaufe, wüssten sie, dass ich Alkohol trinke. Wenn ich die Pille oder Kondome kaufe, wüssten sie, dass ich Sex habe – und womöglich noch, wie oft. Das ist doch einfach nur krank!“

Rasch war Johannas Unbeschwertheit verflogen; viel eher plagte sie nun Anspannung. Ihr war klar, dass sie sich – ohne das selbst verschuldet zu haben – auf eine Situation zubewegte, die einfach unannehmbar war – und es stand in keiner Weise in ihrer Macht, irgendetwas daran zu ändern.

„Aber selbst wenn ich bei dieser Überlegung mögliche Missbrauchsfälle außer Acht lasse … es kann ja nicht ernsthaft sein, dass die Regierung uns alle dermaßen durchleuchtet – das hat doch nichts mehr mit Menschenwürde zu tun“, dachte Johanna verärgert. „Wenn das wirklich kommt, sind wir alle endgültig nur noch Rädchen im System!“

So kurz hatte sie also gedauert; die Zeit während der Johanna sich nach ihrer Trennung vollkommen unbekümmert fühlen durfte. Erneut gab es etwas, das sie belastete – ein Problem, dem sie nun mindestens ebenso machtlos gegenüberstand wie zuvor der Tatsache, dass es für Marvin und sie einfach keine gemeinsame Zukunft gab.

Eine wesentliche Sache hatte sich aber verändert: Während der vergangenen Tage hatte Johanna sich innerlich leer gefühlt; nichts auf dieser Welt schien ihr mehr Freude zu machen; nun allerdings sah sie durchwegs wieder einen Wert in allem was sie hatte – aber jetzt war sie mit der prekären Sachlage konfrontiert, dass ihr bald ein Teil ihrer persönlichen Freiheit weggenommen würde.

Nach einer Weile des Grübelns ging Johanna zu ihrem Fahrrad zurück und begab sich wieder auf den Heimweg. Die unerwarteten Neuigkeiten raubten ihr zusehends die Ruhe – sie hatte das Bedürfnis sich nun erst einmal selbst zu informieren, über diese Neuerung, die womöglich schon bald vieles verändern würde.

„Ich muss unbedingt mehr über diese Währungsreform erfahren! Bevor ich mich weiter darüber ärgere, will ich zuerst einmal wissen was da eigentlich wirklich auf uns zukommt.“

Zurück bei ihrem Elternhaus ging Johanna gleich auf ihr Zimmer. Sie schaltete ihren Computer ein und startete eine Recherche: Sie besuchte dutzende namhafte Nachrichtenportale im Internet – und die Details, die sie auf diese Weise in Erfahrung brachte, verschlugen ihr beinahe den Atem.

„Es stimmt also – die komplette Überwachung kommt wirklich. Ab nächstem April wird die EU die totale finanzielle Kontrolle über uns haben!“

2. Johannas Weblog

Am kommenden Tag erwachte Johanna zeitig. Obwohl sie bis spätnachts vor ihrem Computer gesessen hatte, fühlte sie sich frisch und munter. Während sie frühstückte, bekam sie spontan Lust auf einen Morgenspaziergang. Also ging sie bald darauf los, verließ das Ortsgebiet und schlenderte durch Wiesen und Felder – nach einer ganzen Woche, die sie zurückgezogen in ihrem Zimmer verbracht hatte, übte es nun einen besonderen Reiz auf sie aus, Zeit unter freiem Himmel zu verbringen.

Doch nicht nur die Freude an Bewegung und Natur hatte sie zurückgewonnen; auch hatte Johanna wieder das Bedürfnis nach Kontakt zu ihren Freunden. Noch während sie unterwegs war, griff sie zu ihrem Mobiltelefon und rief Sabrina an – kurzerhand vereinbarten die beiden, sich zum Mittagessen zu treffen.

Etwa eine halbe Stunde vor zwölf Uhr Mittag stieg Johanna in ihr Studentenauto. Als sie hinter dem Steuer des zwanzig Jahre alten Skodas Platz genommen hatte, überkam sie ein seltsames Gefühl: Eine Woche war es her seit sie mit tränenüberströmtem Gesicht aus Dürnkrut – wo ihr Exfreund wohnte – nach Hause gefahren war; gut ein Dutzend benutzter Taschentücher, die sie einfach auf die Beifahrerfußmatte geworfen hatte, zeugten immer noch von dieser Fahrt. Aber nicht nur dieses Zeugnis ihrer Trennung, sondern generell das Gefühl in ihrem Auto zu sitzen, erinnerten sie in diesem Moment daran, wie sie am vergangenen Wochenende mit gebrochenem Herzen den Heimweg angetreten hatte.

„Ach, was soll’s“, seufzte Johanna. „Es ist definitiv besser so.“

Zwar hatte ihr das plötzliche Hochkommen von Erinnerungen kurz einen Stich versetzt, doch nun ließ sie sich davon nicht mehr aus der Fassung bringen. Seit dem Vortag hatte sie endgültig verinnerlicht, dass die Trennung nur zu ihrem Besten war. Mit diesem Gedanken – und in Vorfreude darauf, ihre Freundin Sabrina bald wiederzusehen – startete Johanna ihren Wagen und fuhr los.

Die Fahrt nach Dobermannsdorf dauerte nur wenige Minuten. Als Johanna vor Sabrinas Zuhause anlangte, klopfte sie gegen die Eingangstür, betrat das Haus – und wurde sogleich stürmisch in Empfang genommen.

„Oh mein Gott, ich freue mich riesig dich zu sehen! Du Arme, du!“, rief Sabrina und fiel Johanna um den Hals.

„Hey! Ich bin auch froh, dass wir uns endlich wiedersehen“, sagte Johanna während sie Sabrinas Umarmung erwiderte.

„Aber hallo!“, äußerte Sabrina verwundert und ließ von ihrer Freundin ab. „Dir geht es besser, wie es aussieht.“

„Ja, Gott sei Dank!“ Johanna lächelte. „Eine Woche Trennungsschmerz reicht vollkommen. Jetzt habe ich genug davon und will endlich wieder Spaß haben.“

„Wow, du klingst so entspannt.“ Sabrina war immer noch überrascht; sie hatte eigentlich erwartet, dass ihre Freundin nach wie vor zutiefst betrübt wäre. „Ich habe gedacht dir geht es noch voll mies wegen der Sache mit Marvin.“

„Ja weißt du, die letzten Tage war ich auch echt niedergeschlagen. Aber gestern war ich endlich soweit, dass ich wieder halbwegs klar denken konnte.“

„Okay … ich verstehe“, murmelte Sabrina, von der unerwartet guten Laune ihrer Freundin etwas aus dem Konzept gebracht. „Jedenfalls freut es mich sehr, dass es dir wieder besser geht!“

„Ja, mich auch“, erwiderte Johanna. „Aber weißt du was? Marvin kümmert mich echt nicht mehr! Lass uns lieber von etwas Interessanterem sprechen.“

Sabrina nickte zustimmend. Gleichzeitig begann sie zu lächeln; weil sie sich freute, da Johanna so offenkundig über die Trennung hinweg war.

Nun setzten sich die beiden auf die Couch im Wohnzimmer. Sabrina fing an von ihrer – im Grunde genommen unspektakulären – Woche zu erzählen; aufgeweckt berichtete sie von ihrem Prüfungsstress und von Treffen mit anderen Freundinnen.

Eine Weile über plauderten die beiden und gönnten sich zwischenzeitlich auch etwas zu essen. Als sie anschließend gemeinsam Kaffee tranken, brachte Sabrina ein Thema zur Sprache das ihr selbst eigentlich trivial erschien – ihr Gegenüber allerdings sehr viel stärker beschäftigte.

„Sag mal Johanna, was hältst du eigentlich davon, dass die nächstes Jahr das Bargeld abschaffen wollen?“

„Was ich davon halte?“, rief Johanna gereizt. „Ich finde, dass das eine bodenlose Frechheit ist!“

Sabrina sah ihre Freundin überrascht an – mit einer so heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet.

„Hey, warum regst du dich denn gleich so auf? Ich meine, so schlimm ist das doch auch nicht – oder?“

„So, meinst du das?“, erwiderte Johanna. „Hast du dir vielleicht schon einmal Gedanken darüber gemacht was das für uns alle bedeuteten wird?“

„Nein, was soll sich schon groß verändern? Wir werden halt nur noch mit Kreditkarten bezahlen. Ansonsten bleibt doch alles beim Alten.“

Sabrina war verwundert. Sie verstand nicht recht weshalb Johanna derart empfindlich reagierte.

„Denk doch mal nach!“, rief Johanna, bemüht darum ihren Ärger im Zaum zu halten. „Sobald du nur noch digitales Geld hast, wissen die Behörden über alles Bescheid: Was du verdienst, was du ausgibst, wofür du es ausgibst und wie viel du besitzt!“

„Okay, das stimmt.“ Sabrina sah ihr Gegenüber nachdenklich an. „So habe ich das noch gar nicht gesehen.“

„Ja – so ist es aber“, erwiderte Johanna und schüttelte den Kopf. „Das wird die perfekte Kontrolle … und ich will gar nicht wissen auf was für Ideen die dann kommen werden, wie sie uns alle noch besser ausquetschen können.“

„Das ist wahr! Hey, das sind aber keine guten Aussichten.“

In diesem Moment waren auch Sabrina die Scheuklappen von den Augen gefallen. Zwar erregte sie das Thema trotzdem weit nicht so sehr wie Johanna – doch jetzt war auch sie besorgt wegen dieser Zukunftsperspektive.

„Nein, das sind sogar ziemlich miese Aussichten“, sagte Johanna, deprimiert und aufgebracht zugleich. „Der Jammer bei der Sache ist, dass wir nichts dagegen tun können – die Reform ist beschlossen, das digitale Geld wird kommen.“

Nun zog Sabrina eine verärgerte Miene.

„Aber wie kann das sein? So etwas können die doch nicht so einfach über unsere Köpfe hinweg entscheiden. Wir haben doch eine Demokratie, oder?“

„Pah! Demokratie?“, bemerkte Johanna zynisch. „Politische Entscheidungen werden doch ständig hinter verschlossenen Türen gefällt. Das ist doch nichts Neues.“

„Eigentlich müssten die Leute sofort auf die Straße gehen und dagegen protestieren“, murmelte Sabrina. „Es bräuchte echt mal eine Revolution.“

„Du hast schon Recht: Wenn es nie Konsequenzen gibt, kann die Regierung tun was sie will“, seufzte Johanna. „Aber die Leute schimpfen immer nur, wenn sie unzufrieden sind … ich glaube, aufstehen und wirklichen Druck machen, wird niemand. So wie immer.“

„Dann mach du das doch“, erwiderte Sabrina. „Das notwendige Aggressionspotential dazu hast du jedenfalls.“

„Ja natürlich“, sagte Johanna, leicht erheitert. „Du spinnst doch!“

„Das meine ich ernst“, antwortete Sabrina. „Ich sehe ja, dass dich diese Sache beschäftigt. Mich hast du jetzt schon davon überzeugt, dass diese Reform eine Volksverarsche ist – warum willst du nicht versuchen das auch anderen klarzumachen?“

„Weil das eben alles nicht so einfach ist!“

In diesem Moment war Johanna beeindruckt von ihrer Freundin. Sabrina nahm das Leben nicht allzu ernst und neigte dazu, manchmal etwas überdreht und übermäßig emotional zu sein. Sie war Studentin, doch trotzdem recht chaotisch und unselbstständig; es gab kaum etwas Organisatorisches das sie nicht ihre Eltern oder ihren Freund für sie erledigen ließ. Sie war keineswegs dumm, doch sie dachte gemeinhin nicht viel nach – das betraf sowohl ihre Worte, als auch ihre Taten. So hatte sie Johanna durch ihre Gedankenlosigkeit in der Vergangenheit schon des Öfteren in Verlegenheit gebracht. Jedoch war sie sehr loyal – und sie setzte Glaube und Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Freundin und schreckte nicht davor zurück, ihr das – wie soeben – auch offen ins Gesicht zu sagen.

„Hey, ich bin nicht blöd“, fuhr Sabrina fort. „Mir ist schon klar, dass du das Europaparlament nicht mal eben so stürzen kannst. Aber du kannst das tun, was dir möglich ist – zum Beispiel auf die Missstände in dieser Reform hinweisen. Das alleine hätte schon Sinn – und wenn es nur dazu gut ist, dass du dich besser fühlst, weil du dir deinen Ärger von der Seele reden kannst!“

„Wow!“ Johanna war überrascht von den deutlichen Worten ihrer Freundin. „Du kannst ganz schön überzeugend sein. Weißt du das?“ „Ja, das weiß ich“, entgegnete Sabrina, selbstbewusst und in keiner Weise scheu dieses Kompliment anzunehmen.

„Naja … vielleicht sollte ich eine Webseite erstellen und dort die Tücken der Währungsreform thematisieren?“

„Warum so umständlich? Schreib doch einfach ein Blog.“

„Ein Blog?“, murmelte Johanna nachdenklich; dann fing sie an strahlend zu lächeln und rief voller Freude aus: „Ja, ein Blog – das ist es! Danke Sabrina, das ist eine fabelhafte Idee!“

Sogleich war Johanna Feuer und Flamme für den Ansatz, im Internet gegen die Abschaffung von Bargeld zu protestieren. Die ganze Zeit über, während sie bei Sabrina zu Besuch war, konnte sie kaum an etwas anderes denken als an dieses Vorhaben. Vielleicht war es ihre Angst vor einer Zukunft in vollkommener finanzieller Überwachung; womöglich war es auch ihre Art, um endgültig Abstand zu der Trennung von Marvin zu gewinnen. Was auch immer es war – Johanna strotzte vor Eifer und konnte es kaum abwarten ihr Weblog endlich zu erstellen.

Am späten Nachmittag begab sie sich schließlich auf den Heimweg. Eilig fuhr sie zurück nach Hohenau, getrieben von der Absicht ihren zuvor gefassten Plan in die Tat umzusetzen.

„Ich muss etwas unternehmen – und ich werde etwas unternehmen!“, dachte Johanna. „Vielleicht werde ich nicht verhindern können, dass die EU das Bargeld abschaffen wird – aber ich kann sehr wohl öffentlich aufzeigen was diese Reform in Wahrheit ist: Ein unverschämter Kontrollwahnsinn!“

Kurze Zeit später kam Johanna bei ihrem Elternhaus an.

„Hast du Hunger? Möchtest du etwas zu Abend essen?“, fragte ihre Mutter, als sie zur Eingangstür hereinkam.

„Vielleicht später“, entgegnete Johanna und ging auf ihr Zimmer. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und ließ den Computer hochfahren. Vor Eifer konnte sie kaum still sitzen; in ihrem Kopf überschlugen sich die Ideen, wie sie ihr Weblog aufbauen würde.

„Mal sehen“, überlegte Johanna. „Technisch kenne ich mich nicht so gut aus und eigentlich soll das Blog auch nicht sofort Geld kosten. Für den Anfang tut es bestimmt auch ein werbefinanziertes Blog, selbst wenn es dann vielleicht nicht ganz so professionell aussieht.“

Sogleich durchsuchte sie das Internet nach Anbietern von kostenlosen Blogs – es dauerte nicht lange, bis sie sich für einen entschieden hatte; rasch legte sie ein Benutzerkonto an und begann dieses einzurichten.

„Viel Zeit habe ich heute leider nicht – morgen muss ich wieder früh raus“, dachte Johanna. „Und wenn schon! Einen ersten Eintrag möchte ich heute unbedingt noch schreiben!“

Also beeilte sich Johanna mit dem Einrichten ihres Weblogs; entsprechend vordefinierte Formatvorlagen des Anbieters erleichterten ihr die Arbeit dabei erheblich.

Es dauerte nicht lange bis das Weblog soweit fortgeschritten war, dass Johanna einen ersten Artikel verfassen konnte – doch in diesem Moment, als sie vor dem leeren Eingabefeld saß, stand sie vor einer weiteren Herausforderung.

„Hmmm … wie fange ich jetzt am besten an?“

Bis eben vorhin gab es unzählige Dinge, die Johanna gerne niederschreiben wollte – nun jedoch fehlte ihr die zündende Idee für einen interessanten ersten Beitrag.

„Natürlich könnte ich einfach aufschreiben was mich an der EUReform stört … aber das ist mir irgendwie zu billig – einfach nur raunzen, kann jeder! Oh nein, das genügt nicht. Wenn ich Leser für mein Blog gewinnen will, muss ich mir schon etwas Besseres einfallen lassen.“

Eine Zeit lang saß Johanna an ihrem Schreibtisch und begann immer wieder zu tippen – doch bloß um ihren Text nur einen kurzen Moment danach, spätestens nach ein paar verfassten Zeilen, wieder zu verwerfen.

„Arggh, das ist doch zum Verrücktwerden!“, rief Johanna verkrampft. Bereits mehrfach hatte sie versucht ihre Gedanken in Worte zu fassen; doch jedes Mal hatte sie den Eindruck, dass ihr Ansatz für einen ersten Blogeintrag nicht gut genug wäre.

„Ach komm schon“, murmelte Johanna genervt. „Es muss mir doch etwas Brauchbares einfallen – irgendetwas!“

Just in diesem Augenblick hatte Johanna eine Idee; den Einfall auf den sie die ganze Zeit schon gewartet hatte.

„Jawohl!“, dachte sie triumphierend. „Ich weiß wie ich den ersten Blogeintrag aufbauen werde – ich werde die heutige Unterhaltung mit Sabrina für das Internet aufbereiten!“

Sogleich begann Johanna zu tippen; zu ihrem Glück hatte sie ein ausgezeichnetes Gedächtnis und konnte sich noch gut an den Gesprächsablauf erinnern.

„Natürlich kann ich Sabrina da nicht mit reinziehen … aber das ist kein Problem. Ich werde sie einfach anonymisieren – dann heißt sie im Text eben Dagmar.“

Bald hatte Johanna die wesentlichen Punkte über die sie mit Sabrina zum Thema EU-Reform gesprochen hatte auf ihrem Weblog festgehalten.

„Sehr schön“, murmelte sie. „Jetzt noch hier und da ein kleiner Feinschliff – dann kann ich den ersten Eintrag auch schon veröffentlichen.“

Nachdem Johanna den Beitrag veröffentlicht hatte, wollte sie zu Bett gehen. Allerdings konnte sie einfach nicht anders als ihre Zeilen noch einmal zu lesen – zu groß war ihre Freude über ihr Weblog.

„Irgendetwas fehlt noch – etwas Essentielles“, grübelte Johanna. „Der Text klingt zwar überzeugend … aber was fehlt, ist eine Agenda: Etwas das kurz und bündig erklärt welches Ziel ich mit meinem Blog verfolge.“

Einen Augenblick lang überlegte Johanna, dann begann sie zu tippen:

„Ab dem 1. April 2019 wird das Bargeld EU-weit abgeschafft. Eine Reform, die aktuell überall angepriesen wird – gleichzeitig wird leider verschwiegen, dass sie die totale finanzielle Überwachung mit sich bringen wird: Euer Einkommen, eure Ausgaben, eure Kaufgewohnheiten und euer Privatvermögen – bald kontrolliert die EU uneingeschränkt alles.

Ich möchte mit Mitbürgern in Dialog treten und hier dokumentieren welche Gedanken, Ideen, Sorgen und Probleme dabei im Zusammenhang mit der Abschaffung von Bargeld zur Sprache kommen werden!“

Zufrieden betrachtete Johanna ihr Werk.

„Wunderbar. Für den Anfang ist das gar nicht mal so schlecht“, resümierte sie. „Jetzt muss ich nur noch dafür sorgen, dass mein Blog auch gelesen wird. Am besten teile ich es erstmal auf Facebook.“

Gerade als Johanna eine neue Internetseite aufrufen wollte, fiel ihr Blick auf die Uhr. Sie erschrak.

„Ach, Mist! Es ist schon nach Mitternacht – und ich muss morgen zeitig aufstehen.“

Sogleich entschied sie die Arbeit an ihrem Blog für den Moment einzustellen; rasch machte sie sich bettfertig und legte sich nur Minuten später schlafen.

Am nächsten Morgen wurde Johanna von ihrem Wecker aus dem Schlaf gerissen. Als sie erwachte, fühlte sie sich recht unausgeschlafen – und doch freute sie sich darauf, an diesem Tag wieder nach Wien zu fahren, um zwei Vorlesungen an der Universität zu besuchen; nach einer Woche der Abgeschottetheit war ihr der Gedanke ein Ansporn, ab sofort wieder am Alltagsgeschehen teilzuhaben. In der Absicht frisch in den neuen Tag zu starten, putzte sie ihre Zähne, ging unter die Dusche und suchte anschließend passende Anziehsachen aus ihrem Kleiderschrank.

„Ich möchte heute gut aussehen“, dachte Johanna, als sie ihre Garderobe musterte. „Aber das Gewand sollte vor allem bequem sein – ich will etwas tragen worin ich mich den ganzen Tag über wohlfühlen werde.“

Nachdem sie sich angekleidet hatte, ging sie hinunter in die Küche um zu frühstücken. Sie aß einen Toast und trank eine Tasse Kaffee – dann fuhr sie los.

Nun steuerte sie ihren alten Kleinwagen über die kaum frequentierten @@Landstraßen des Weinviertels1. Draußen war es kühl; es regnete nicht, doch der in die Jahre gekommene Asphalt der peripheren niederösterreichischen Überlandstraßen war nass wegen des Morgentaus. Johanna genoss es, im geheizten Auto durch die herbstliche Landschaft zu gleiten.

„Oh ja … das hat einfach etwas“, murmelte sie, erfreut über die Behaglichkeit dieses Augenblicks.

In der Tat war es so, dass Johanna der naturbelassenen Landschaft sehr viel abgewinnen konnte; sie war froh in einer dünn besiedelten Region am Land zu leben. Zwar gefiel es ihr ebenso, ab und an in die Hauptstadt zu fahren – allerdings war sie auch immer wieder glücklich, wenn sie anschließend in die Beschaulichkeit zurückkehren konnte.

Als Johanna in Wien anlangte, parkte sie ihren Wagen in einem Außenbezirk und setzte ihren Weg in die Innenstadt per U-Bahn fort; dort angekommen erreichte sie das Universitätsgebäude nach kurzem Fußweg.

„Es tut gut wieder hier zu sein“, dachte Johanna; erneut am UniAlltag teilzunehmen, gab ihr ein angenehmes Gefühl von Vertrautheit.

Kaum hatte sie das Gebäude betreten, vernahm sie eine Stimme hinter sich, die sie nicht recht zuordnen konnte.

„Hallo Johanna! Schön, dass du wieder hier bist.“

Verwundert drehte sie sich um; ihr gegenüber stand ein Kommilitone mit dem sie nur sehr flüchtig bekannt war; sie wusste kaum mehr über ihn, als dass er Ignatius hieß.

„Hallo … äh … danke“, erwiderte Johanna verdutzt; sie war nicht daran gewohnt von diesem Kollegen mit solcher Herzlichkeit begrüßt zu werden.

„Du hast ja eine ganze Woche gefehlt“, fuhr Ignatius fort. „Sag einfach Bescheid, falls du irgendwelche Unterlagen brauchst. Ich helfe dir gerne jederzeit weiter.“

Ignatius lächelte Johanna an; diese stand ihm gegenüber und wusste nicht recht wie ihr geschah.

„Ich habe gar nicht gewusst, dass der so nett sein kann“, dachte Johanna. „Wir studieren ja beide schon seit einer Weile … aber bis jetzt hat ihn das nie interessiert, ob ich gefehlt habe oder nicht.“

Ihrer Skepsis zum Trotz antwortete Johanna freundlich: „Danke, das ist lieb von dir! Vielleicht komme ich ja darauf zurück.“

Ignatius nickte zufrieden. Bevor er etwas sagen konnte, hörte Johanna, dass jemand nach ihr rief.

„Hey Johanna. Da bist du ja endlich wieder!“

Diesmal war es jedoch eine Stimme die sie gut kannte.

„Hi Gabriella“, erwiderte Johanna und wandte sich damit von Ignatius ab. „Schön dich wiederzusehen!“

„Wie geht es dir?“, fragte Gabriella. „Bist du wieder okay?“

„Ja, danke. Es geht mir gut.“ Johanna lächelte.

„Tut mir echt leid, das mit deinem Freund“, bemerkte Gabriella. Johanna seufzte.

„Danke. Ich bin darüber hinweg.“

„Echt?“ Gabriella war verwundert. „Ich meine … du hast eine Woche gefehlt wegen der Trennung.“

„Das habe ich – und in dieser Zeit ist mir klar geworden, dass es so am Besten ist“, erwiderte Johanna. „Aber jetzt lass uns in den Hörsaal gehen.“

Gabriella nickte. „Okay, gehen wir.“

Kaum hatten die beiden im Auditorium Platz genommen, stieß Gabriella Johanna mit dem Ellbogen an.

„Du, sag mal! Was wollte eigentlich der eine da vorhin von dir?“

„Meinst du Ignaz? Er hat mir angeboten mir Unterlagen von voriger Woche zu überlassen, falls ich etwas brauche. Ich war fast ein bisschen überrascht – wir hatten bis jetzt ja nicht wirklich miteinander zu tun. Ich habe gar nicht gewusst, dass er so nett ist.“

„Pah“, entgegnete Gabriella. „Glaub mir, der will nicht einfach nur nett sein!“

„Meinst du?“

„Ja, bestimmt! Letzte Woche hat es hier ziemlich die Runde gemacht, dass du jetzt solo bist – du bist ja mit einigen Leuten aus dem Studium auf Facebook vernetzt.“

„Ernsthaft?“ Johanna war empört. „Bedeutet das nur weil ich plötzlich keinen Freund mehr habe, versucht der jetzt bei mir zu landen?“

„Nicht nur der … was ich so gehört habe, bist du durch deine Trennung für einige von unseren Jungs interessant geworden.“

„Was? Das ist doch lächerlich!“ Johanna war fassungslos. „Sind wir hier an der Uni oder in irgendeinem Swingerklub?“

„Na komm! Das überrascht dich jetzt nicht wirklich, oder? Du weißt doch wie Kerle ticken!“ Gabriella schüttelte den Kopf. „Außerdem bist du echt beneidenswert hübsch! Bestimmt haben einige Kollegen schon länger ein Auge auf dich geworfen, aber du warst halt vergeben.“

In diesem Moment betrat ein Lektor den Vorlesungssaal: Sämtliche Unterhaltungen in den Bänken verstummten; auch Johanna und Gabriella stellten ihr Gespräch nun ein.

Während der ersten Minuten konnte sich Johanna kaum auf den Vortrag konzentrieren. Sie war verärgert wegen des Geredes, über das Gabriella sie informiert hatte. Nun erinnerte sie sich, dass sie vorhin auf dem Weg in den Hörsaal tatsächlich die Blicke einiger Mitstudenten verfolgt hatten.

„Toll – das kann ja lustig werden“, grübelte Johanna. „Ich habe momentan echt keinen Nerv für Anmache!“

Ihre Freude darüber wieder an der Universität zu sein, war gedämpft. Sie war angewidert von der Vorstellung, dass Kommilitonen die sie im Grunde kaum kannte nun versuchen würden ihr näherzukommen – einfach so, nur weil sie weiblich, hübsch und ungebunden war.

Eine Zeit lang belasteten Johanna diese Gedanken. Schließlich ärgerte sie sich, da sie sich wegen ihrer Kollegen sorgte anstatt sich auf die Vorlesung zu konzentrieren – und in diesem Moment begann sich ihr Ärger zu relativieren.

„Eigentlich … was soll’s? Wenn es wirklich so ist wie Gabriella sagt, dann sind eben ein paar von den Jungs an mir interessiert. Na und? Das ist deren Problem und nicht meines! Davon lasse ich mir den Spaß bestimmt nicht verderben.“

Sogleich fühlte sich Johanna erleichtert. Sie hatte sich selbst daran erinnert, dass sie hier war um zu lernen – und um sich am Studentenleben zu erfreuen. Nicht jedoch um sich wegen ihrer Wirkung auf manche Mitstudierende zu bekümmern.

Mit einem Mal waren ihre Gedanken wieder frei – nun gelang es ihr auch sich wirklich auf den Vortrag des Lektors zu konzentrieren.

Nachdem die Vorlesung vorüber war, besuchten Johanna und Gabriella ein nahegelegenes Café; dort plauderten die beiden noch eine Weile bei Kaffee und Kuchen; anschließend begab sich Johanna auf den Heimweg.

Kaum war sie in der U-Bahn, begann sie auch schon an ihr Weblog zu denken.

„Ich freue mich schon richtig darauf an meinem Blog weiterzuarbeiten – sobald ich nach Hause komme, lege ich los!“

Johanna war voller Eifer ihr Projekt in Schwung zu bringen.

„Was ich brauche, sind Leser – die ganze Sache macht nur dann wirklich Sinn, wenn mein Blog auch gelesen wird. Dafür will ich sorgen!“

Einige Zeit später bei ihrem Zuhause angekommen, zog sich Johanna unverzüglich in ihr Zimmer zurück.

„Endlich“, murmelte sie. „Ich konnte es schon gar nicht mehr abwarten!“

Tatsächlich hatte Johanna die ganze Fahrt über kaum an etwas anderes gedacht als an Möglichkeiten, ihr Weblog potentiellen Lesern zugänglich zu machen. Nun ließ sie ihren Computer hochfahren und rief ihr Weblog im Internet auf.

„Keine Besucher bis jetzt“, stellte Johanna fest. „Klar, in den Suchmaschinen wird das Blog noch nicht drin sein und außer mir kennt auch niemand die URL – aber das werde ich gleich ändern!“

Sogleich kopierte sie die Webadresse ihres Blogs und fing an, diese über ihre Konten auf Sozialen Netzwerken mit ihrem Bekanntenkreis zu teilen.

„Ein paar von meinen Freunden und Bekannten werden sich vielleicht ansehen was ich so schreibe“, ging Johanna durch den Kopf. „Das ist nicht gerade viel Publikum – aber es ist ein Anfang!“

Einen Moment über lehnte sie sich zurück und betrachtete ihr Blog; ihre Gedanken kreisten um weitere Mittel, eine möglichst breite Öffentlichkeit auf ihr Projekt aufmerksam zu machen.