Die Aktivistin - Thomas Sailer - E-Book

Die Aktivistin E-Book

Thomas Sailer

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Beschreibung

Brüssel, im Herbst 2018: Das EU-Parlament verlautbart, dass im kommenden Frühjahr die harte Währung im gesamten Euroraum durch ein rein digitales Zahlungsmittel ersetzt werden soll. Während die Politik Lobeshymnen auf die Währungsreform anstimmt, steht die Bevölkerung dem neuen System mit reichlich Skepsis gegenüber: Vielen ist bewusst, dass der rein elektronische Zahlungsverkehr eine absolute Kontrolle über die Finanzen des Einzelnen mit sich bringen wird. Schließlich wagt eine Studentin den Schritt, gegen den Beschluss aus Brüssel zu protestieren – und stößt auf unverhoffte Resonanz.

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Thomas Sailer

© 2014 Thomas Sailer

  Umschlaggestaltung, Illustration: serendii   Lektorat, Korrektorat: serendii

  Verlag: serendii publishing, Siegendorf   DREAMICON VALLEY

  ISBN: 978-3-9503713-7-6

Inhaltsverzeichnis

1. Ein folgenschwerer Beschluss2. Das Weblog3. Das Interview4. Das Treffen im Tatragebirge5. Die Widerstandsformation6. Der EU-Kommissar7. Das verhängnisvolle Artefakt8. Hinter Schloss und Riegel9. Die Februarrevolution

Vorwort

Bargeld verliert zunehmend an Bedeutung; der Trend bewegt sich längst hin in Richtung elektronischer Bezahlsysteme. Was partiell bestimmt eine Vereinfachung bedeutet, bringt jedoch auch eine schleichende Gefahr mit sich: Kontrollierbarkeit.

Elektronisch erfasste Daten lassen sich umstandslos auslesen, abspeichern und durchsuchen. Elektronischer Zahlungsverkehr bietet die technische Voraussetzung dafür, jedweden Geldtransfer – aber auch Geldbestand – rasch zu erfassen. Das gilt selbstredend auch für eine Regierung – die theoretisch nichts weiter tun muss, als an ein paar Paragrafen zu drehen, um diese Einsicht vollkommen legal vornehmen zu dürfen.

In Schweden wird die vollständige Abschaffung des Bargelds gegenwärtig stark forciert: Die renommierte Bank ‚Swedbank‘ akzeptiert kein Bargeld mehr und zahlt auch kein solches mehr aus; Bustickets können in dem skandinavischen Staat nur noch digital bezahlt werden. Aber auch anderswo, etwa in Deutschland und in Österreich, ist Bargeld schon heute manchmal keine Alternative mehr.

Geld ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig – und ist die Währung lückenlos überwacht, so ist auch der Mensch fast vollständig unter Kontrolle. Es fragt sich, ob wir das wirklich so wünschen – oder ob diese Veränderung viel eher verstohlen über unsere Köpfe hinweg vorangetrieben wird; ob wir mit angeblichen Vorteilen geködert werden, damit einige wenige auf unser aller Kosten ihre Interessen umsetzen können.

Dieses Buch zeigt ein Szenario, in dem ein rein digitales Zahlungssystem bereits unmittelbar bevorsteht. Möge das Werk seinen Beitrag dazu leisten, dass diese und ähnliche Überwachungsmethoden keine Chance haben, sich in der Realität zu etablieren.

1. Ein folgenschwerer Beschluss

   „Und damit möchte ich gerne zum letzten Punkt auf der heutigen Tagesordnung übergehen.“

    Mit diesen an sich unscheinbaren Worten leitete der amtierende EU-Parlamentspräsident Guido Abbindolatore eine erste öffentliche Ankündigung einer tief greifenden Neuerung ein.

    „Um Geldwäsche, Schwarzgelder, Bestechungsgelder – ja jedweden illegalen Finanztransfer künftig unmöglich zu machen, hat das Europaparlament beschlossen, ab dem kommenden Jahr im gesamten Euroraum das Bargeld durch ein rein digitales Zahlungsmittel zu ersetzen!“, verkündete er, bemüht darum, ein hohes Maß an Überzeugung in seinen Worten mitschwingen zu lassen.

    „Ab dem 1. April 2019 werden im gesamten Euroraum Zahlungen rein in digitaler Form abgewickelt – bequem und umstandslos. Sowohl für die Wirtschaft, als auch für jeden einzelnen Bürger der Europäischen Union, bedeutet dies nicht nur eine Erleichterung, sondern vor allem einen enormen Zugewinn an Sicherheit – für bestehende Vermögen und für den Fortbestand und die Stabilität unserer Gemeinschaftswährung!“, fuhr er fort und versuchte dabei, eine Pose einzunehmen, die Überzeugung und Entschlossenheit vermittelte; für die unzähligen anwesenden Journalisten, die seine Ansprache mit Fernsehkameras und Fotoapparaten dokumentierten.

    „Vielen Dank. Das wäre alles“, sagte er schließlich und verließ damit das Rednerpult.

Es war im Oktober des Jahres 2018. Seit geraumer Zeit schon hatte die Führungsspitze der Europäischen Union im Verborgenen an diesem Vorstoß gebastelt; an dem Vorhaben, harte Währung im Euro-Raum endgültig abzuschaffen, damit jeder Finanztransfer fortan nur noch digital ablaufen, und jeder Geldbesitz lediglich in virtueller Form vorliegen würde – mit dem Ziel, dass die Europäische Führung einen lückenlosen Überblick haben würde, über jeden existierenden Euro und jeden europäischen Cent. Was hinter dem Rücken der Leute längst beschlossen worden war, hatte der EU-Parlamentspräsident nun erstmalig der Öffentlichkeit bekannt gegeben – die Botschaft schonend verpackt in den Deckmantel des Sicherheitsbedürfnisses der Menschen.

Und es dauerte nicht lange, bis sich diese brisante Neuigkeit wie ein Lauffeuer verbreitet hatte: Mehrere Millionen Menschen in der Europäischen Union, jedoch auch von außerhalb, hatten die Ansprache Abbindolatores live über Fernsehapparate und Radiogeräte verfolgt; noch am selben Abend dieses Tages war die Neuigkeit auf sämtlichen Nachrichtenportalen im Internet zu lesen; und schließlich zierte sie am kommenden Tag die Titelblätter der meisten Zeitungen in ganz Europa. Dabei gingen die Inhalte der medialen Berichterstattungen durchaus in unterschiedliche Richtungen: Viele berichteten neutral über die kommende Neuerung; andere priesen die proklamierten Vorteile der geplanten Umstellung auf eine digitale Währung an; und wieder andere schrieben mit Skepsis über den Beschluss des Europaparlaments.

In weiterer Folge entfachten während der kommenden Tage heftige Diskussionen in allen betroffenen Nationen: Die einen begrüßten das Kommen einer digitalen Währung – sie vertrauten auf die Europäische Union und erhofften sich, dass Korruption und sogar Diebstähle aufgrund dieser absoluten Transparenz bald der Vergangenheit angehören würden; viele zeigten gar Zuversicht, dass die seit vielen Jahren schon permanent kriselnde Wirtschaft sich durch dieses hohe Maß an Kontrolle endlich stabilisieren würde. Andere hingegen befürchteten ein herannahendes Debakel: Sie fürchteten ein Leben in finanzieller Fremdkontrolle; die endgültige Reduktion des Bürgers auf eine Arbeitsmaschine des Systems.

Zwei Tage nach der Verlautbarung Abbindolatores war die bereits fest beschlossene Abschaffung der harten Währung im Euroraum in aller Munde - nicht bloß europaweit, sondern gar international. Und doch gab es immer noch einige EU-Bürger, die bisweilen nichts von dieser Neuigkeit mitbekommen hatten - so auch Johanna.

Johanna war 23 Jahre alt und wohnte in Hohenau an der March; einem Ort gelegen im Nordosten Niederösterreichs, unweit des Dreiländerecks zwischen Österreich, der Slowakei und Tschechien. Sie war Studentin an der Universität Wien – bloß anderthalb Semester trennten sie noch von ihrem Abschluss. Doch einstweilen, an diesem Freitagnachmittag, dachte sie keineswegs an ihr Studium; auch nicht an Dinge, die sie an diesem Wochenende unternehmen würde. Sie lag in Gedanken versunken auf ihrem Bett, starrte an die Decke, während ihr Radio leise Musik spielte. Sie versuchte, sich mit ihren Lieblingsliedern auf andere Gedanken zu bringen, doch das wollte ihr schlichtweg nicht gelingen: Johanna war traurig – erst zu Beginn der Woche hatte sie sich von ihrem Freund getrennt.

   „Es ist wahrscheinlich besser so“, murmelte Johanna, in der Absicht sich selbst gut zuzureden. Ihr Körper verkrampfte ob des Widerwillens, mit dem sie diese Worte ausgesprochen hatte; denn einer Sache war sie sich gewiss: Obwohl ihr Zusammensein mit ihrem nunmehr Exfreund nicht funktioniert hatte, so hatte sie dennoch nach wie vor vernehmliche Gefühle für ihn.    „Drei Jahre Beziehung – und jetzt ist es vorbei; die ganze Zeit für die Katz. Weshalb dieser Idiot auch so ein Kindskopf sein musste?“, dachte Johanna tatsächlich eher verletzt als erzürnt. „Er war ja meistens sehr lieb zu mir und alles … aber was hätte ich schon mit ihm anfangen sollen?“    Während Johanna dalag, begann sie wehmütig in Erinnerungen zu schwelgen – sie erinnerte sich an Situationen, die sie gemeinsam mit ihrem Exfreund erlebt hatte; und wie es das unerbitterliche Schicksal wollte, musste sie, nun da ihre Beziehung vorüber war, immerzu an die schönen, heilen Momente denken.    „Vielleicht habe ich vorschnell reagiert? Habe ich vielleicht doch ganz einfach zu viel von ihm erwartet?“, grübelte sie darauf hinaus; einen Moment lang schien sie beinahe schon Gewissheit darüber erlangt zu haben, dass sie ihrem Exfreund Unrecht getan hatte – sogleich kniff sie ihre Augenlieder zusammen und rang mit sich selbst, um nicht in Tränen auszubrechen.    „Nein!“, dachte sie, um Stärke bemüht. „Wir haben nicht zusammengepasst. Er war ein netter Kerl – aber er war überhaupt nicht bereit, seinen Horizont in irgendeiner Weise zu erweitern; und sich wenigstens ein bisschen weiterzuentwickeln. Damals mit 20, habe ich die Leichtigkeit, mit der er gelebt hat, ja durchaus interessant gefunden. Aber auf Dauer wird es langweilig, wenn er sich nur für Autorennen, Fußball und Partys interessiert. Das ist einfach zu wenig - das genügt mir nicht!“    Auf diesen Gedanken hinaus schien sich, immerhin für einen kurzen Moment, der peinigende Krampf in Johannas Innerem zu lösen – oder jedenfalls zu lockern.    „Außerdem hat er das mit uns, glaube ich, nie wirklich ernst genommen - es war ja nicht so, dass ich ihm nie den einen oder anderen Fehltritt mit irgendwelchen so genannten ‚guten Freundinnen’, von denen er so viele hatte, verziehen hätte.“

   „Ach, dieser verdammte Mistkerl! Ich weiß doch, dass es mit ihm nie hätte auf Dauer funktionieren können – aber ich bekomme ihn trotzdem nicht aus meinem Kopf!“, jammerte Johanna und zappelte trotzig auf ihrem Bett herum. „Warum tut er mir das an? Warum verschwindet er nicht einfach aus meinen Gedanken und lässt mich endlich in Ruhe?“

Just in diesem Moment drang die Stimme von Johannas Mutter durch ihre Zimmertür.    „Johanna - komm doch herunter! Das Essen ist fertig.“    „Ja, ich komme schon“, rief Johanna und atmete einmal tief durch.    „Was soll’s? Es hilft ja doch nichts, wenn ich mir weiter den Kopf zerbreche“, dachte sie und erhob sich mit diesem Gedanken von ihrem Bett.

Unten, im Esszimmer angelangt, hatte ihre Mutter bereits den Tisch gedeckt.    „Setz dich doch schon an den Tisch. Papa wird gleich kommen, und dann wird gegessen“, sagte Johannas Mutter; ihre Tochter antwortete lediglich mit einem abwesenden Nicken.    „Was ist denn los mit dir, Johanna?“, fragte ihre Mutter. „Ist es etwa immer noch weil du dich von Marvin getrennt hast?“    „Ja … es ist halb so wild“, antwortete diese und schüttelte den Kopf. „Ich möchte nicht darüber sprechen - es nützt ja doch nichts.“    „Ich verstehe doch, dass es immer wehtut, wenn eine Beziehung in die Brüche geht …“ begann ihre Mutter zu sprechen und versuchte tunlichst auf ihre Wortwahl zu achten, um ihre Tochter nicht unnötig zu belasten. „Aber du warst jetzt die ganze Woche über nicht an der Uni. Du hast dich mit keiner deiner Freundinnen getroffen und warst die ganze Zeit über zu Hause. Und jedes Mal, wenn ich dich sehe, hast du diesen abwesenden Gesichtsausdruck …“    „Ja, ich weiß. Worauf möchtest du denn hinaus?“, erwiderte Johanna leicht genervt und unterbrach damit ihre Mutter.    „Ich will nur, dass du wieder anfängst zu leben. Geh hinaus - tu etwas! Liege nicht immer nur den ganzen Tag lang im Bett herum. Davon wird ganz bestimmt nichts besser“, erwiderte diese; auf Einfühlsamkeit bedacht - und doch bestimmt.

Gerade als Johanna die Worte ihrer Mutter kommentieren wollte, hörten die beiden, dass jemand das Haus betreten hatte.    „Ah, das wird Papa sein!“, sagte Johannas Mutter und verließ das Esszimmer, um ihren Mann zu begrüßen; Johanna, die sich zu träge fühlte, um aufzustehen, verweilte unterdessen an Ort und Stelle.

Wenig später begann die Familie zu essen. Johanna saß in Gedanken versunken da und stocherte in ihrem Essen herum; rechten Appetit hatte sie keinen.    „Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll“, sagte Johannas Vater und schüttelte den Kopf. „Diese gottverdammte EU!“    Auf diese Worte hinaus wurde Johanna plötzlich hellhörig; soeben hatte etwas die Gedanken an ihren Verflossenen, erstmals seit Tagen, in den Hintergrund gedrängt.    „Aber es hat auch keinen Sinn, wenn du dich aufregst! Du kannst es ohnehin nicht aufhalten. Es kommt einfach auf uns zu, ob wir nun wollen oder nicht“, erwiderte Johannas Mutter.    „Was ist denn los?“, erkundigte sich Johanna sogleich.    „Ja Kind, wo bist du denn mit deinen Gedanken?“, fragte ihr Vater; er war regelrecht bestürzt, da seine Tochter offenbar keine Ahnung davon hatte, worüber er sprach. „Seit zwei Tagen schon rede ich doch von nichts anderem mehr – und in den Nachrichten läuft auch pausenlos etwas zu dem Thema.“    „Entschuldige, dass ich meine eigenen Probleme habe“, erwiderte Johanna erbost. „Aber worum geht es denn jetzt? Ich habe wirklich keine Ahnung.“    „Also gut, hör zu: Das EU-Parlament hat diese Woche bekannt gegeben, dass im Frühjahr nächsten Jahres der Euro als harte Währung abgeschafft wird - es soll dann nur noch digitalen Zahlungsverkehr geben“ erklärte Johannas Vater und seufzte.    „Wie bitte? Weshalb denn das?“, erwiderte Johanna, plötzlich aus allen Wolken gefallen; sie empfand, just in diesem Augenblick, die blanke Vorstellung, dass sie schon in wenigen Monaten nie wieder mit Bargeld bezahlen würde, als äußerst befremdlich.    „Ich kann dir genau sagen, weshalb die das machen: Digitales Geld können sie hervorragend überwachen - sie werden Überblick haben über jeden Cent, den ich verdiene. Ich arbeite als Fliesenleger - aber nur weil ich ein Handwerker bin, bedeutet das nicht, dass ich von nichts eine Ahnung habe!“, schnaubte Johannas Vater; ihm war anzusehen, dass ihn die kommende Neuerung durchwegs in Rage versetzte.    „Rege dich doch nicht so auf! Das hilft dir doch ohnehin nicht weiter“, äußerte Johannas Mutter, darum bemüht ihren Mann zu besänftigen.    „Wie soll ich angesichts solch trostloser Zukunftsaussichten die Ruhe bewahren?“, erwiderte dieser, mäßigte darauf hinaus dennoch seinen Zorn und fuhr, um Besonnenheit bemüht, fort: „Wisst ihr, ich halte mich für einen braven Bürger: Ich arbeite Vollzeit und bezahle meine Steuern und Sozialabgaben – nicht nur für die Arbeit, sondern auch mit jedem Einkauf, für das Auto, beim Tanken, für Grund und Boden, und so weiter. Aber wenn ich mir am Wochenende etwas dazuverdiene, erfährt das Finanzamt nichts davon. Irgendwo muss auch einmal Schluss sein mit Steuern!“    „Das bedeutet also, dass du künftig auch das Geld versteuern wirst müssen, das du dir nebenbei dazuverdienst?“, erkundigte sich Johanna, immer noch ein wenig perplex ob der unerwarteten Neuigkeiten.    „Ja sicher, was denkst du denn? Wenn es kein Bargeld mehr gibt, dann sehen diese elenden Halsabschneider alles – dann gibt es keinen unregistrierten Zusatzverdienst mehr. Und ich sage euch: Aus diesem und keinem anderen Zweck wird uns diese Veränderung aufgezwungen – damit sie auch noch den letzten Tropfen aus den Steuerzahlern herauspressen können!“, erwiderte Johannas Vater, erneut in Rage geraten.    „Mir gefällt das ja auch nicht. Aber es hilft uns nun mal auch nicht weiter, wenn du dich deshalb so aufregst. Also sei doch so gut und sprich bitte von etwas anderem!“, tadelte Johannas Mutter ihren Ehemann.    „Großartig wird das! Diese Lackaffen da oben, die haben doch keine Ahnung davon, wie teuer das Leben geworden ist: Zwei Euro kostet der Liter Benzin; die Lebensmittel sind kaum noch bezahlbar“, raunzte Johannas Vater unbeirrt weiter. „Wenn ich am Wochenende nicht schwarz etwas dazuverdienen kann, weiß ich nicht, wie wir uns trotz der hohen Kreditrückzahlungen für das Haus noch irgendetwas gönnen sollen - Urlaub, Kino, Ausgehen und derlei, das wird für uns bald alles unerschwinglich, ihr werdet schon sehen!“    „Ich dachte ich habe dich eben um etwas gebeten“, sprach Johannas Mutter bestimmt. „Würdest du dieses Thema bitte sein lassen?“    „Ja, ist ja schon gut“, schnauzte Johannas Vater, seufzte anschließend und öffnete sich eine Flasche Bier.

Unterdessen saß Johanna da und starrte nachdenklich auf ihren Teller. Doch es war nicht länger ihr Exfreund Marvin, der ihr nicht aus den Gedanken weichen wollte; viel eher waren es die Worte ihres Vaters, die sie beschäftigten. Sie war durchaus nicht der Ansicht, dass dieser zu Unrecht in Rage geraten war.    „Wenn das wirklich so stimmt, was Papa eben erzählt hat, dann ist die Zentralregierung dieses Mal echt zu weit gegangen“, ging Johanna durch den Kopf, während sie langsam aufaß. Sie war keineswegs uninteressiert am politischen Geschehen - jedoch bisher in keiner Weise aktiv geworden. Zwar hatte sie in der Vergangenheit bereits mehrfach mit diesem Gedanken gespielt, sich doch in der regionalen Politik zu engagieren: Etwa als Gemeinderätin zu kandidieren, doch sie hatte es bisweilen stets unterlassen – aus dem einfachen Grund, da ihr die Politik, so wie sie praktiziert wurde, schlichtweg zuwider war: Es missfiel ihr sehr, wie die einzelnen Parteien versuchten, durch sprichwörtliche Schlammschlachten untereinander, Macht zu erlangen; sie wollte nicht Teil dieses, ihres Erachtens sehr schlecht aufgebauten Systems sein. Und von der Europäischen Union hatte Johanna erst recht keine hohe Meinung: Sie hielt es für äußerst zweifelhaft, dass eine zentralisierte Regierung, deren Verwaltungsbereich so viele verschiedenen Landstriche und Kulturen umfasste, Entscheidungen wahrhaft zum Wohle der Einwohner der einzelnen Regionen fällen konnte; und geschweige denn, dass sie daran interessiert war, dies auch zu tun: Ihres Erachtens war die EU in erster Linie eine Wirtschaftsunion, die darauf aus war, Geld und Macht zu zentrieren – dort, wo nur einige wenige davon profitierten; und alle anderen dafür fast ausschließlich Nachteile davon trugen.

   „Ich muss an die frische Luft. Ich werde eine Runde mit dem Rad fahren“, sagte Johanna, nachdem sie aufgegessen und ihren Teller in die Geschirrspülmaschine geräumt hatte.    „Ist gut“, sagte ihre Mutter positiv gestimmt. „Es wird dir bestimmt gut tun, wenn du ein bisschen hinaus kommst.“    „Ja, das glaube ich auch“, erwiderte Johanna, nickte bestätigend und verließ die Küche. Sie ging schnurstracks in die Garage und prüfte den Druck ihrer Fahrradreifen.    „Das sollte ausreichen“, befand sie in Gedanken, nachdem sie auf beide Reifen Druck ausgeübt hatte. Dann schob sie ihr Fahrrad, vorbei an dem Wagen ihres Vaters, auf das Garagentor zu. Als sie dieses geöffnet hatte, schlug ihr sogleich angenehm milde Herbstluft entgegen.    „Ach, ist das herrlich“ murmelte Johanna, nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte; seit Tagen hatte sie das Haus nicht verlassen, und so nahm sie die frische Landluft nun besonders intensiv wahr. Und nun, da sie ihr Fahrrad in die Einfahrt rollte und zum ersten Mal seit Tagen die ersten Schritte im Freien unternahm, spürte sie, dass sich etwas verändert hatte: Sie hatte wieder das Bedürfnis danach erlangt, etwas zu tun; aktiv zu sein und sich zu freuen. In diesem Moment spürte sie, dass sie die Trennung von Marvin verwunden hatte.

Kurz darauf fuhr Johanna los: Erst durch die Gassen der Ortschaft, dann hinaus auf die Güterwege, in Richtung des nahe gelegenen Fürstenwaldes. Während sie in gemächlichem Tempo mit ihrem Fahrrad durch die Landschaft rollte, fühlte sie sich ungewohnt heiter und beschwingt: Sie erfreute sich schlichtweg all der Dinge rund um sich: Der Felder, der Wiesen, der Wälder, des herbstlich farbenfrohen Laubes, des blauen, leicht diesigen Himmels und der fruchtbaren, ländlichen Erde. Dass sie es letztendlich fertig gebracht hatte, aus Gründen die sie einstweilen selbst noch nicht vollends verstanden hatte, das Ende ihrer Beziehung zu verkraften, erfüllte sie mit einem Hochgefühl.    „Es war auch höchste Zeit, dass ich endlich wieder anfange zu leben“, dachte Johanna, mit einem Lächeln auf ihren Lippen. „Dieses Dahinvegetieren an den vergangenen Tagen war eine Pein – fast so, als wäre ich krank gewesen. Wenn ich es recht bedenke, war diese Zeit schlimmer als die Trennung selbst.“    Und nun, da sie ihren Kopf wieder frei hatte, begann sie zusehends wieder an Dinge zu denken, die sie nun wieder tun wollte.    „Ich möchte unbedingt Sabrina besuchen; seit bestimmt zwei Wochen habe ich sie nicht mehr gesehen“, plante Johanna beschwingt. „Am besten gleich morgen! Und nächste Woche? Ach, egal was ich tue - ich freue mich darauf, wieder unterwegs zu sein. Eigentlich kann ich es kaum noch abwarten, wieder an die Uni zu fahren.“

Am Rand des Fürstenwaldes angelangt, beschloss Johanna kurzerhand, ihr Fahrrad abzustellen und ein paar Schritte zu Fuß zu gehen. Sie wollte das nasse Gras unter ihren Schuhsohlen spüren und sich einen Moment lang voll und ganz auf die Beschaulichkeit dieses Ortes einlassen. Anfangs genoss sie es, sich frei und unbeschwert zu fühlen, während sie am Waldrand einen Wiesenweg entlang schlenderte; nach einigen Minuten jedoch drängte sich ein Gedanke in ihr Bewusstsein – ein penetrantes Problem, das sie einstweilen schlichtweg nicht ignorieren konnte.    „Kaum zu glauben, was Papa vorhin erzählt hat“, begann Johanna nachzudenken. „Eigentlich kann ich mir gar nicht vorstellen, dass etwas in der Art tatsächlich bald auf uns zukommen soll – aber erfunden wird er die Neuigkeiten ja wohl kaum haben.“    Die Vorstellung, bald nur noch mit Plastikkarte bezahlen zu können - und auf diese Weise dazu gezwungen zu sein, die eigenen Einkünfte, Ersparnisse und Kaufgewohnheiten der Regierung offen kundzutun - verärgerten sie durchaus.    „Wenn das wirklich kommt, macht das Leben echt keinen Spaß mehr: Ich kann mir nichts mehr dazuverdienen, ohne, dass jemand davon erfährt; auch wüsste das Finanzamt genau, wie viel ich gespart hätte“, murmelte Johanna, zusehends frustriert. „Außerdem würde dieses System bestimmt auch genutzt, um zu ermitteln, was ich einkaufe; die wüssten einfach alles: Wenn ich Alkohol kaufe, wüssten die Bescheid. Wenn ich die Pille oder Kondome kaufe, wüssten sie, dass ich Sex habe – und womöglich noch, wie oft. Das ist doch schlicht und ergreifend krank!“    Auf diesen Gedanken hinaus wich Johannas Gelassenheit rapide; nun verspürte sie viel eher Anspannung. Ihr war klar, dass sie sich – ohne dies selbst verschuldet zu haben – auf eine Situation hinbewegte, die ihr nicht gefiel; und das, ohne dass es in irgendeiner Form in ihrer Macht stand, etwas daran zu ändern.    „Aber selbst, wenn ich bei dieser Überlegung mögliche Missbrauchsfälle außer Acht lasse; es kann doch einfach nicht sein, dass die Regierung mich dermaßen durchleuchtet – das hat doch nichts mehr mit Menschenwürde zu tun“, dachte Johanna verärgert. „Wenn das wahrhaftig kommt, ist jeder Steuerzahler endgültig bloß noch ein Rädchen im System!“

So kurz hatte sie also gedauert; die Zeit während der Johanna sich nach ihrer Trennung vollkommen unbekümmert fühlen durfte. Nun gab es jedoch erneut etwas, das sie belastete – etwas, dem sie mindestens ebenso machtlos gegenüberstand wie der Tatsache, dass sie mit ihrem Exfreund einfach nicht zusammengepasst hatte. Und doch hatte sich etwas verändert: Während der vergangenen Tage hatte Johanna sich schlichtweg innerlich leer gefühlt; nichts auf dieser Welt schien mehr einen Wert zu haben; nun allerdings sah sie durchwegs wieder einen Wert in all den Dingen rund um sich – bloß fühlte sie sich jetzt mit der Situation konfrontiert, dass jemand ihr bald einen Teilbereich davon wegnehmen wollte.

Nach einer Weile des Grübelns kehrte Johanna zu ihrem Fahrrad zurück und begab sich erneut auf den Heimweg. Sie war innerlich nach wie vor aufgewühlt, ob der unerwarteten Neuigkeiten – und sie war zudem entschlossen, sich umfangreich zu informieren, über das, was bald kommen sollte.    „Ich muss unbedingt mehr über dieses digitale Geld erfahren“, dachte Johanna. „Wenn ich mich schon darüber ärgere, möchte ich wenigstens wissen, was da tatsächlich auf uns zukommt.“

Also begann sie, kurz nachdem sie bei ihrem Elternhaus angelangt war, ihre Recherche; der Gedanke an die Reform der EU ließ ihr innerlich schlichtweg keine Ruhe mehr. Also besuchte sie dutzende namhafte Portale im Internet - und was sie auf diese Weise in Erfahrung brachte, verschlug ihr beinahe den Atem.

2. Der erste Schritt zum Widerstand

Am kommenden Tag erwachte Johanna zeitig; obwohl sie bis spätnachts vor ihrem Computer gesessen hatte, fühlte sie sich gut ausgeruht. So beschloss sie, sich nach dem Frühstück ein wenig außerhalb der Ortschaft die Beine zu vertreten; nun, da sie bis zum Vortag eine Woche in ihrem Zimmer verbracht hatte, bescherte es ihr besonderen Genuss, Zeit an der frischen Luft zu verbringen.

Doch nicht bloß die Freude an Bewegung und Natur hatte sie wieder gewonnen; auch wollte sie sich unbedingt wieder mit Freunden treffen. Und so beschloss sie, ihr Vorhaben vom Vortag in die Tat umzusetzen – sie wollte sich mit ihrer Freundin Sabrina zum Mittagessen treffen.

Also setzte sie sich, etwa dreißig Minuten vor der Mittagsstunde ans Steuer ihres Studentenautos - einem zwanzig Jahre alten, optisch und technisch mitgenommenen Skoda Felicia. Sogleich überkam sie ein seltsames Gefühl: Seit über einer Woche hatte sie nicht mehr in ihrem Auto gesessen. Zuletzt war sie damit, mit tränenüberströmtem Gesicht, aus Dürnkrut – wo ihr Exfreund wohnte – nach Hause gefahren; gut ein Dutzend benutzter Taschentücher, die sie einfach auf die Beifahrerfußmatte geworfen hatte, zeugten immer noch von dieser Fahrt; auch der Geruch im Inneren des Autos, das Aussehen der Armaturen – ja gar die schlichte Maserung der Verkleidungsteile im Fahrzeuginneren erinnerten sie in diesem Moment daran, wie sie am vergangenen Wochenende, unmittelbar nach der Trennung von ihrem Exfreund, mit gebrochenem Herzen den Heimweg angetreten hatte.    „Ach, was soll’s – es ist doch besser so“, seufzte Johanna, der dieses plötzliche Hochkommen von Erinnerungen nun doch erneut einen sprichwörtlichen Stich versetzt hatte. Jedoch weilte ihr neuerliches Emotionstief letztendlich bloß kurz: Nur Augenblicke später fühlte Johanna sich erneut innerlich standhaft und davon überzeugt, dass die Trennung von ihrem Ex-Freund im Grunde genommen zu ihrem Wohl geschehen war. Mit diesem Gedanken – und in Vorfreude darauf, ihre Freundin Sabrina bald wieder zu sehen, startete Johanna ihren Wagen und fuhr los.

Die Fahrt nach Dobermannsdorf dauerte nur wenige Minuten. Als Johanna vor Sabrinas Zuhause anlangte, spazierte sie guter Dinge durch den Vorgarten. Sie klopfte flüchtig gegen die Eingangstür, betrat das Haus – und wurde sogleich stürmisch in Empfang genommen.    „Oh mein Gott, ich freue mich dich zu sehen! Du Arme, du“, rief Sabrina und fiel Johanna um den Hals.    „Hey. Ist ja schon gut. Ich finde es auch schön, dass wir uns wiedersehen“, sagte Johanna gelassen, während sie Sabrinas Umarmung erwiderte.    „Aber hallo!“, äußerte Sabrina verwundert und ließ von Johanna ab. „Dir geht es besser, wie es aussieht.“    „Ja, Gott sei Dank!“, erwiderte diese und lächelte. „Eine Woche Leid und Qualen reichen. Jetzt habe ich genug davon und will endlich wieder Spaß haben.“    „Wow, du klingst so entspannt“, sagte Sabrina, immer noch überrascht; sie hatte viel eher erwartet, dass ihre Freundin nach wie vor zutiefst betrübt wäre. „Ich habe gedacht, dir geht es miserabel.“    „Ach weißt du, die vergangene Woche war ein Horror. Aber gestern, da war ich endlich soweit, dass ich wieder halbwegs klar denken konnte“, erklärte Johanna.    „Naja …“, murmelte Sabrina, von der unerwartet guten Laune ihrer Freundin regelrecht aus dem Konzept gebracht. „Ich bin echt froh, dass es dir besser geht!“    „Ja, ich auch“, erwiderte Johanna. „Aber jetzt lass uns doch von etwas anderem sprechen. Erzähl mir doch etwas! Wie war deine Woche? Was hat sich bei dir so getan?“

Mit diesen Worten gingen die beiden Mädchen ins Wohnzimmer und nahmen auf der Couch Platz. Sabrina berichtete von ihrer, im Grunde genommen unspektakulären Woche; so erzählte sie etwa von ihrem Prüfungsstress und von Treffen mit anderen Freundinnen. Und schließlich stellte sie eine Frage, die ihr selbst zwar trivial erschien – doch Johannas Gemüt sogleich erhitzte.    „Was hältst du eigentlich davon, dass es ab kommenden April kein Bargeld mehr geben soll?“    „Was ich davon halte?“, erwiderte Johanna, sogleich gereizt. „Ich finde, dass das eine bodenlose Frechheit ist!“    „Was regst du dich so auf?“, fragte Sabrina und sah ihre Freundin irritiert an. „So schlimm ist das doch auch nicht – oder?“    „Meinst du? Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, was das für uns alle bedeuteten wird?“, erwiderte Johanna.    „Nein, was soll sich schon groß verändern?“, antwortete Sabrina, die die plötzliche Gemütsveränderung ihres Gegenübers nicht recht verstehen konnte. „Wir werden eben nur noch mit Kreditkarten bezahlen. Ansonsten bleibt doch alles beim Alten.“    „Denk doch mal nach!“, rief Johanna, bemüht darum, nicht allzu forsch zu klingen. „Sobald der gesamte Zahlungsverkehr digital abläuft, weiß die Regierung alles über dein Geld: Was du bekommst, was du ausgibst, wofür du es ausgibst und wie viel du besitzt.“    „Okay, das stimmt“, erwiderte Sabrina. „So habe ich das noch gar nicht gesehen.“    „Ja. So ist es aber: Bald wird es zum Beispiel nicht mehr möglich sein, nebenbei etwas dazuzuverdienen, ohne auch dafür Steuern zu bezahlen“, murmelte Johanna. „Und überhaupt – wer weiß schon auf was für Ideen die kommen werden, um diese perfekte Kontrolle zu missbrauchen, damit sie den Bürger noch weiter ausquetschen können.“    „Das ist wahr; hey, das sind aber keine guten Aussichten“, erwiderte Sabrina, der nun nach und nach die Scheuklappen von den Augen fielen. Zwar erregte sie das Thema weit nicht so sehr wie Johanna; und doch empfand auch sie diese Zukunftsaussichten als durchwegs trüb.    „Nein, ganz bestimmt nicht. Und der Jammer ist, dass wir nichts dagegen tun können - die Reform ist beschlossen, das digitale Geld wird kommen“, sagte Johanna, deprimiert und erzürnt zugleich.    „So etwas kann doch nicht so einfach über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden werden“, ärgerte sich Sabrina.    „Pah – politische Entscheidungen werden doch andauernd hinter verschlossenen Türen gefällt. Das ist doch nichts Neues“, bemerkte Johanna zynisch.    „Höchste Zeit, dass mal jemand auf die Straße geht und dagegen protestiert!“, sprach Sabrina. „Eine Revolution muss her!“    „Du hast schon Recht: Wenn es nie Konsequenzen gibt, kann die Verwaltung tun, was sie will“, seufzte Johanna. „Aber praktisch ist das fast nicht möglich: So einen Aufstand müsste erst einmal jemand anführen.“    „Dann mach du das doch!“, erwiderte Sabrina. „Das notwendige Aggressionspotential dazu hast du jedenfalls.“    „Ja natürlich“, sagte Johanna, leicht erheitert. „Du spinnst doch.“    „Das meine ich ernst“, antwortete Sabrina. „Ich sehe doch, dass dich dieses Thema bewegt. Mich hast du jetzt schon davon überzeugt, dass diese Reform eine Volksverarsche ist – weshalb willst du nicht versuchen, das auch anderen klarzumachen?“    „Weil das alles nicht so einfach ist“, erwiderte Johanna. „Aber danke, dass du mir so viel zutraust.“

Just in diesem Moment war Johanna beeindruckt von ihrer Freundin. Sabrina nahm das Leben nicht allzu ernst und neigte dazu, manchmal etwas überdreht und überemotional zu sein. Sie war Studentin, doch trotzdem recht chaotisch und unselbstständig; es gab kaum etwas Organisatorisches, das sie nicht ihre Eltern oder ihren Freund für sie erledigen ließ. Sie war nicht dumm, doch sie dachte gemeinhin nicht viel nach – das betraf sowohl ihre Worte, als auch ihre Taten. So hatte sie Johanna durch ihre Offenheit, gepaart mit ihrer Unbedachtheit, in der Vergangenheit durchaus schon einige Male in Verlegenheit gebracht. Und dennoch; sie war eine loyale Gefährtin – und sie setzte Glaube und Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Freundin und schreckte nicht davor zurück, ihr dies auch offen kundzutun.

   „Hey, ich bin nicht blöd“, fuhr Sabrina fort. „Mir ist schon klar, dass du das Europaparlament nicht mal eben so stürzen kannst. Aber du kannst das tun, was dir möglich ist – etwa zu versuchen auf die Missstände in dieser Reform hinzuweisen. Das alleine hätte schon Sinn – und wenn es nur dazu gut ist, dass du dich besser fühlst, weil du dir deinen Ärger von der Seele reden kannst!“    „Wow“, sagte Johanna, überrascht von den deutlichen Worten ihrer Freundin. „Du kannst ganz schön überzeugend sein. Weißt du das?“    „Ja, das weiß ich“, entgegnete Sabrina, selbstbewusst und in keiner Weise scheu, dieses Kompliment anzunehmen.    „Naja … vielleicht könnte ich …“, murmelte Johanna grübelnd. „… vielleicht könnte ich eine Webseite oder so etwas in der Art erstellen.“    „Mach es dir doch nicht so umständlich“, tadelte Sabrina ihr Gegenüber. „Beginne einfach einen Blog darüber zu schreiben!“    „Ein Weblog? Ja, ein Weblog!“, rief Johanna voller Freude; sogleich zeigte sie ein strahlendes Lächeln. „Das ist es – danke Sabrina, das ist eine fabelhafte Idee!“

Sogleich war Johanna sprichwörtlich Feuer und Flamme für die Idee, im Internet gegen die Abschaffung der harten Währung im Euroraum zu protestieren. Alleine der Gedanke, ihre Ansichten zu diesem Thema niederschreiben – und auf diesem Weg auch öffentlich zugänglich machen zu können, übte großen Ansporn auf sie aus. Die ganze Zeit über, während sie bei Sabrina war, konnte sie praktisch an nichts anderes mehr denken als an dieses Vorhaben. Vielleicht war es ihre Angst vor einer Zukunft in vollkommener finanzieller Überwachung; womöglich war es auch ihre Art, um von der Trennung von Marvin endgültig Abstand zu gewinnen. Doch was auch immer es war – Johanna strotzte vor Eifer und konnte es kaum abwarten, ihr Weblog endlich zu erstellen.

Am späten Nachmittag begab sie sich schließlich auf den Heimweg. Zappelig vor Aufregung, hetzte sie ihren Skoda zurück nach Hohenau an der March, um endlich damit anfangen zu können, ihren zuvor gefassten Plan in die Tat umzusetzen.    „Vielleicht werde ich nicht verhindern können, dass die EU den Euro als Bargeld abschaffen wird“, dachte Johanna. „Aber eines kann ich erreichen: Ich kann Informationen bereitstellen, die diesen unverschämten Kontrollwahnsinn als einen solchen öffentlich entlarven!“

   Erneut bei ihrem Zuhause angelangt, stürmte Johanna voller Tatendrang in ihr Elternhaus.    „Hast du Hunger? Möchtest du etwas zu Abend essen?“, fragte ihre Mutter, als sie zur Eingangstür hereineilte.    „Vielleicht später!“, entgegnete Johanna und beeilte sich auf ihr Zimmer. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und ließ den Computer hochfahren. Während das System hochfuhr, wartete sie zappelig darauf, dass der betagte Rechner einsatzbereit sein würde; in ihrem Kopf überschlugen sich die Ideen, wie sie ihr Weblog aufbauen würde.    „Eines ist klar: Die Sache soll, jedenfalls einstweilen, kein Geld kosten. Ich werde also mit einem werbefinanzierten Blog vorlieb nehmen müssen“, dachte Johanna, als das System bereit war. Sogleich durchsuchte sie das Internet nach Anbietern solcher Blogs - und es dauerte nicht lange, bis sie sich für einen entschieden hatte; rasch legte sie ein Benutzerkonto an und begann dieses einzurichten.    „Allzu lange habe ich heute leider nicht mehr Zeit: Morgen muss ich wieder früh raus – ich habe gleich am Vormittag eine Vorlesung und muss davor schließlich auch noch nach Wien fahren“, dachte Johanna. „Und trotzdem - einen ersten Eintrag möchte ich heute unbedingt noch schreiben!“

Also beeilte sich Johanna, um das Einrichten ihres Weblogs abzuschließen; entsprechend vordefinierte Formatvorlagen des Anbieters erleichterten ihr die Arbeit dabei erheblich. Und so dauerte es nicht lange, bis das Weblog soweit fortgeschritten war, dass Johanna einen ersten Artikel verfassen konnte - doch just in diesem Moment, als sie vor dem leeren Eingabefeld saß, erkannte sie ein weiteres Problem.    „Hmmm, was genau schreibe ich denn nun eigentlich?“,  dachte sie und sah sich urplötzlich mit einer Planlosigkeit konfrontiert. „Das ist doch verrückt: Seit Stunden habe ich nichts als Ideen, wie ich meinen Protest gegen den Plan der EU beginnen werde; doch jetzt habe ich keine Ahnung, wie ich anfangen soll.“    Etwas angespannt starrte Johanna auf den Bildschirm.    „Natürlich könnte ich schlichtweg meine Gedanken zu der EU-Reform niederschreiben …“, begann sie zu überlegen. „… aber das ist irgendwie zu billig - einfach nur raunzen, das wird wohl nur wenige überzeugen. Nein! Da muss ich mir eindeutig etwas Besseres einfallen lassen.“

Eine Zeit lang saß Johanna da und begann immer wieder zu tippen – doch bloß um ihren Text nur einen kurzen Moment danach, spätestens nach ein paar verfassten Zeilen, wieder zu verwerfen.    „Arggh, das ist doch zum verrückt werden!“, rief Johanna verkrampft. Bereits mehrfach hatte sie versucht ihre Gedanken in Worte zu fassen; doch jedes Mal hatte sie ihren Ansatz als weit nicht ausreichend überzeugend erachtet.    „Ach komm, ich würde heute schon gerne einen ersten Eintrag verfassen“, murmelte Johanna, von ihrer einstweiligen Ideenlosigkeit genervt. „Es muss mir doch etwas Brauchbares einfallen – irgendetwas …“

Just in diesem Augenblick hatte Johanna eine Idee; den Einfall, auf den sie die ganze Zeit schon gewartet hatte.    „Ich weiß wie ich den Blog-Eintrag aufbauen werde“, dachte sie, innerlich triumphierend. „Meine heutige Unterhaltung mit Sabrina – ich werde sie für das Internet aufbereiten!“    Sogleich begann Johanna zu tippen; zu ihrem Glück hatte sie ein ausgezeichnetes Gedächtnis und konnte sich noch weitestgehend an den Gesprächsablauf erinnern.    „Natürlich kann ich Sabrina da nicht mit reinziehen“, überlegte Johanna. „Hmm, ich werde sie einfach anonymisieren – dann heißt sie im Text eben Dagmar.“

Bald hatte sie das Wesentliche, worüber sie mit Sabrina zum Thema EU-Reform gesprochen hatte, auf ihrem Weblog schriftlich festgehalten.    „Wunderbar!“, murmelte Johanna erfreut. „Jetzt noch hier und da ein kleiner Feinschliff, und dann kann ich den ersten Eintrag auch schon auf meinem Blog veröffentlichen.“

Als sie so dasaß und sich ihre Zeilen nochmals zu Gemüte führte, bemerkte sie etwas sehr Essentielles, auf das sie vergessen hatte.    „Der Text klingt zwar überzeugend …“, dachte Johanna. „Aber was fehlt, ist eine Agenda; etwas, das kurz und bündig erklärt, welches Ziel ich mit meinem Blog verfolge.“    Einen Augenblick lang überlegte Johanna, dann begann sie zu tippen:

„Ab dem 1. April 2019 wird das Bargeld EU-weit abgeschafft. Eine Reform, die als sinnvoll angepriesen wird – und, worüber hingegen niemand spricht, einen Zustand der totalen finanziellen Überwachung mit sich bringen wird: Euer Einkommen, eure Ausgaben, eure Kaufgewohnheiten und euer Privatvermögen – bald kontrolliert die EU uneingeschränkt alles.

Auf diesem Weblog möchte ich eine Sammlung anlegen: Eine Sammlung von Gedanken, Ideen, Sorgen und Problemen im Zusammenhang mit der Abschaffung des Bargeldes, die ich im Gespräch mit Mitbürgern suchen und finden werde!“

Zufrieden betrachtete Johanna ihr Werk.    „Wunderbar. Für den Anfang ist das gar nicht mal so übel“, resümierte sie. „Jetzt muss ich nur noch dafür sorgen, dass mein Blog auch gelesen wird. Am besten teile ich ihn erstmal auf Facebook …“    Gerade als Johanna eine neue Internetseite aufrufen wollte, fiel ihr Blick auf die Uhr.    „Oh Schande!“, dachte sie erschrocken. „Es ist schon nach Mitternacht – und ich muss morgen früh raus.“    Sogleich fasste sie den Beschluss, erst am kommenden Tag an ihrem Blog weiterzuarbeiten. Und so machte sie sich rasch bettfertig und legte sich nur Minuten später nieder.

Am nächsten Morgen wurde Johanna sehr zeitig von ihrem Wecker aus dem Schlaf gerissen. Als sie erwachte, war sie hundemüde – und doch freute sie sich bereits sehr darauf, an diesem Tag wieder nach Wien zu fahren, um zwei Vorlesungen zu besuchen; nach einer Woche des Abgeschottetseins sah sie diesem neuerlichen Teilhaben am Alltagsgeschehen äußerst angespornt entgegen. So putzte sie hurtig ihre Zähne, ging unter die Dusche und suchte sich anschließend frisches Gewand aus ihrem Kleiderschrank.    „Ich möchte heute gut aussehen – aber das Gewand sollte vor allen Dingen bequem sein“, dachte Johanna, als sie die ihr zur Verfügung stehende Kleidung musterte. „Es soll etwas sein, worin ich mich den ganzen Tag über auch wohl fühlen werde.“    Alsbald sie sich angekleidet hatte, begab sie sich ohne Umwege in die Küche, um zu frühstücken - auf den Einsatz von Schminke verzichtete sie wie üblich. Ohne sich zu sehr zu hetzen, aß sie einen Toast und trank eine Tasse Kaffee; anschließend fuhr sie los.

So steuerte sie ihren alten Skoda über die einstweilen kaum befahrenen Landstraßen des Weinviertels1. Draußen war es kühl; es regnete nicht, doch der in die Jahre gekommene Asphalt der peripheren niederösterreichischen Überlandstraßen war nass aufgrund des Kondensationswassers, das sich über Nacht angelagert hatte. Johanna genoss es, im geheizten Auto gemütlich durch die herbstliche Landschaft zu gleiten.    „Ach, das hat einfach etwas“, murmelte sie, erfreut über die Behaglichkeit dieses Augenblickes.

Es war durchaus nicht so, dass Johanna der naturbelassenen Landschaft nichts abgewinnen konnte; sie war froh, in einer dünn besiedelten Region am Land zu leben. Zwar gefiel es ihr ebenso, ab und an in die Hauptstadt zu fahren; und doch war sie immer wieder glücklich darüber, wenn sie anschließend in die Beschaulichkeit zurückkehren konnte.

Als sie in Wien anlangte, stellte sie ihren Wagen in einem Außenbezirk ab und setzte ihren Weg in die Innenstadt per U-Bahn fort; dort angekommen, erreichte sie das Universitätsgebäude nach kurzem Fußmarsch.    „Es tut gut, wieder hier zu sein“, dachte Johanna, als sie im Begriff war, durch den Eingang zu marschieren; erneut am Universitätsalltag teilzuhaben, gab ihr ein angenehmes Gefühl der Vertrautheit.    „Hallo Johanna! Schön, dass du wieder hier bist“, vernahm sie plötzlich eine Stimme hinter sich, die sie nicht recht zuordnen konnte; verwundert drehte sie sich um und stand einem ihr nur flüchtig bekannten Kommilitonen gegenüber; sie wusste kaum mehr über den Burschen, als dass er Ignatius hieß.    „Äh … danke“, erwiderte sie etwas verdutzt; sie war nicht daran gewohnt von diesem Kollegen mit solcher Herzlichkeit begrüßt zu werden.    „Du hast ja eine ganze Woche gefehlt“, fuhr Ignatius fort. „Sag einfach Bescheid, falls du irgendwelche Unterlagen brauchst. Ich helfe dir gerne jederzeit weiter.“    Ignatius stand da und lächelte Johanna an; diese stand ihm gegenüber und wusste nicht ganz, wie ihr geschah.    „Ich wusste gar nicht, dass der so nett sein kann“, dachte Johanna. „Die letzten Jahre über hat den das nie interessiert, ob ich gefehlt habe oder nicht.“    Ihrer Skepsis zum Trotz, antwortete Johanna freundlich: „Hab vielen Dank, das ist lieb von dir! Vielleicht komme ich darauf zurück.“    Auf ihre Worte reagierte Ignatius mit einem zufriedenen Nicken.

   „Hey Johanna! Da bist du ja endlich wieder!“, hörte diese plötzlich rufen; diesmal jedoch konnte sie die Stimme sogleich zuordnen.    „Hi Gabriella!“, erwiderte Johanna und wandte sich damit von Ignatius ab. „Es freut mich, dass wir uns wieder sehen.“    „Tut mir leid, das mit deinem Freund“, sagte Gabriella, nachdem ihre Freundin auf sie aufmerksam geworden war.    „Ach, da ist schon Gras darüber gewachsen“, erwiderte Johanna. „Aber trotzdem danke.“    „Bist du dir sicher? Ich meine … du hast eine Woche gefehlt wegen der Trennung“, hakte Gabriella nach.    „Ja, danke. Ich bin mir sicher - über das Wochenende habe ich mich prima damit abgefunden, dass die Dinge jetzt so sind, wie sie sind“, erwiderte Johanna und lächelte. „Aber jetzt lass uns in den Hörsaal gehen.“    „Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht. Also dann – gehen wir!“, sprach Gabriella und begleitete Johanna durch den Korridor; und so ließen die beiden Ignatius, der als stiller Beobachter der Runde noch an Ort und Stelle verweilte, zurück.

Als die beiden im Hörsaal Platz genommen hatten, erkundigte sich Gabriella neugierig: „Du Johanna, was wollte eigentlich der eine da vorhin von dir?“    „Meinst du Ignaz?“, erwiderte Johanna. „Er hat mir angeboten, dass er mir Unterlagen von voriger Woche überlassen könnte, falls ich welche benötige. Aber irgendwie war das doch seltsam. Ich meine … sonst habe ich mit ihm doch nicht wirklich etwas zu tun. Es ist mir ganz neu, dass er so nett ist.“    „Pah“, entgegnete Gabriella zynisch. „Glaub mir, der will nicht einfach nur nett sein.“    „Wie bitte?“, äußerte Johanna sogleich, beinahe erschrocken.    „Ja, du musst wissen, dass es hier in der Vorwoche durchwegs die Runde gemacht hat, dass du jetzt solo bist“, erklärte Gabriella. „Du bist ja mit einigen Kollegen auf Facebook vernetzt …“    „Ach du Schande!“, erwiderte Johanna angewidert. „Bedeutet das, nur weil ich nun keinen Freund mehr habe, versucht der jetzt bei mir zu landen? Verstehe ich das recht?“    „Nicht nur der …“, antwortete Gabriella. „Nach dem was ich gehört habe, hat dich deine Trennung für einige von unseren Jungs interessant gemacht.“    „Was? Das ist doch … grotesk!“, sprach Johanna fassungslos. „Was ist los mit denen? Kaum trennt sich ein Mädchen von ihrem Freund, sind die alle spitz wie Böcke - oder wie habe ich das zu verstehen?“    „Na sieh dich doch mal in den Spiegel, Mädchen“, äußerte Gabriella. „Du bist echt beneidenswert hübsch. Ich glaube, dass einige hier insgeheim ein Auge auf dich geworfen haben; bloß warst du die ganze Zeit über in einer Beziehung – jetzt bist du plötzlich ungebunden und damit interessant geworden.“    „Das darf doch nicht wahr sein“, murmelte Johanna; in diesem Moment kaum dazu in der Lage, die Worte ihrer Kommilitonin zu fassen.

Kurz darauf betrat ein Lektor den Vorlesungssaal: Sogleich verstummten sämtliche der Unterhaltungen in den Bänken; auch Johanna und Gabriella mussten ihr Gespräch nun einstellen.    „Ich kann das kaum glauben“, dachte Johanna erschüttert. „Für was halten mich die hier? Für irgendein billiges Lustobjekt? Ich dachte immer hier an der Uni wäre ich unter gesitteten Menschen – aber wie es scheint, habe ich mich in dieser Sache getäuscht.“    Nun, da ihre Kollegin sie über das Gerede während ihrer Abwesenheit unterrichtet hatte, erinnerte sich Johanna, dass sie vorhin, auf dem Weg in den Hörsaal, tatsächlich die Blicke einiger Mitstudenten verfolgt hatten. Mit einem Mal war das Gefühl von Vertrautheit, an dem Johanna sich bei ihrer Ankunft erfreut hatte, wie weggeblasen; nun fühlte sie sich viel mehr erneut in seltsame Lebensumstände geraten, die längst nicht in das Bild von ihrem Alltag, so wie sie ihn gekannt hatte, passten.

So war Johanna nun vorerst perplex, ob dieser für sie unerwarteten Situation. Doch während sie so dasaß und der Vorlesung folgte, begann sich auch dieser Schock rasch zu relativieren.    „Eigentlich … was soll’s? Wenn es hier wirklich ein paar Jungs gibt, die mich attraktiv finden, dann sollen sie doch“, ging es Johanna durch den Kopf, und so begann dieser Gedanke nach und nach an Befremdlichkeit zu verlieren. So konnte sie sich auch wieder auf das konzentrieren, weswegen sie eigentlich gekommen war: Ihre Studieninhalte.

Und wahrlich; Johanna erfreute sich daran, nun endlich wieder an einer Vorlesung teilzunehmen. Dabei war es durchaus nicht so, dass sie ihr Studium niemals gelangweilt hätte; doch selbstredend interessierte sie sich im Wesentlichen für die Dinge, die sie lernte – und schätzte darüber hinaus zumeist auch die Atmosphäre des Studentinseins.

Im Anschluss an die Vorlesung ging Johanna gemeinsam mit Gabriella in ein nahegelegenes Café, um sich bei Kaffee und Kuchen noch ein wenig zu unterhalten; anschließend begab sie sich erneut auf den Heimweg.

Und schon während sie mit der U-Bahn in jenen Außenbezirk fuhr, in dem sie ihren Wagen abgestellt hatte, musste sie bereits immerzu an ihr Weblog denken; sie brannte sprichwörtlich darauf, nun endlich an diesem weiterzuarbeiten.    „Wenn ich nach Hause komme, werde ich mich gleich an die Arbeit machen: Ich will dafür sorgen, dass mein Blog auch gelesen wird!“, plante Johanna angespornt. „Und wer weiß – vielleicht hat bereits der eine oder andere seinen Weg dorthin gefunden.“

Voller Elan steuerte sie ihren Wagen nur wenig später zurück nach Hohenau; und als sie beim Haus ihrer Eltern ankam, zog sie sich unverzüglich in ihr Zimmer zurück.