Die Algebra des Geldes - Scott Galloway - E-Book

Die Algebra des Geldes E-Book

Scott Galloway

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  • Herausgeber: Ariston
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Don’t worry, just invest!

Ist finanzielle Freiheit möglich? Die gute Nachricht lautet: Ja! Die schlechte: Es braucht Zeit, bis sich Ihr Vermögen wie von selbst vermehrt. Scott Galloway erklärt in diesem unorthodoxen Finanzbuch, welche vier Faktoren ausschlaggebend dafür sind, ob Sie Ihr Ziel erreichen: Fokus, Stoizismus, Zeit und Diversifizierung. Auf seine unnachahmlich direkte Art zeigt Galloway, wie Sie Ihre Talente für lukrative Karriereentscheidungen nutzen, ökonomische Auf- und Abschwünge aushalten, mit kleinen Schritten große Gewinne einfahren und mithilfe antiker Philosophie Ihre Ausgaben minimieren und sich gewinnbringende finanzielle Gewohnheiten zulegen.
Die Algebra des Geldes bringt finanzielle Freiheit auf eine simple Formel – mit vielen praktischen Tipps und Erkenntnissen, die Ihren persönlichen Wohlstand in greifbare Nähe rücken. Genial einfach!

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Seitenzahl: 442

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Zum Buch:

Ist finanzielle Freiheit möglich? Die gute Nachricht lautet: Ja! Die schlechte: Es braucht Zeit, bis sich Ihr Vermögen wie von selbst vermehrt. Scott Galloway erklärt in diesem unorthodoxen Finanzbuch, welche vier Faktoren ausschlaggebend dafür sind, ob Sie Ihr Ziel erreichen: Fokus, Stoizismus, Zeit und Diversifizierung. Auf seine unnachahmlich direkte Art zeigt Galloway, wie Sie Ihre Talente für lukrative Karriereentscheidungen nutzen, ökonomische Auf- und Abschwünge aushalten, mit kleinen Schritten große Gewinne einfahren und mithilfe antiker Philosophie Ihre Ausgaben minimieren und sich gewinnbringende finanzielle Gewohnheiten zulegen.

Die Algebra des Geldes bringt finanzielle Freiheit auf eine simple Formel – mit vielen praktischen Tipps und Erkenntnissen, die Ihren persönlichen Wohlstand in greifbare Nähe rücken. Genial einfach!

Zum Autor:

Scott Galloway ist Unternehmer, Social-Media-Ikone und Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University. Der Tech-Experte wurde von Elon Musk als »unerträglicher Dummkopf« bezeichnet, was quasi einer Auszeichnung gleichkommt. Über seine Podcasts und Social-Media-Kanäle erreicht Galloway Millionen Zuhörer in aller Welt.

Scott Galloway

Die Algebra des Geldes

Die genial einfache Strategie für finanzielle Unabhängigkeit

Aus dem Englischen von Bernhard Schmid

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel The Algebra of Wealth bei Portfolio/Penguin. An imprint of Penguin Random House LLC.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

Aus dem Englischen von Bernhard Schmid

© Scott Galloway, 2024

© der deutschsprachigen Ausgabe 2024 Ariston Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Redaktion: Evelyn Boos-Körner

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design nach Vorlage des Original-Covers

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-31646-4V001

Inhalt

Einführung: Geld

Die Algebra des Wohlstands

Wieso Vermögen?

Sie dürfen

Die Zahl

Zwei Jacken und ein Handschuh

Die Ochsentour

Kapitel eins: Stoizismus

Charakter und Verhalten

Ein starker Charakter

Der Aufbau einer starken Gemeinschaft

Zum Abarbeiten: das Kapitel in Punkten

Kapitel zwei: Fokus

Ausgewogenheit

Vergessen Sie Ihre Leidenschaft

Folgen Sie Ihrem »Talent«

Karriere-Optionen

Berufe mit akademischem Hintergrund

Best Practices

Zum Abarbeiten: das Kapitel in Punkten

Kapitel drei: Zeit

Die Macht der Zeit: Zinseszins

Jetzt

Was gemessen wird, wird auch verwaltet

Die Zukunft

Zum Abarbeiten: das Kapitel in Punkten

Kapitel vier: Diversifikation

Grundprinzipien der Geldanlage

Das Handbuch des Kapitalisten

Anlageklassen und Anlagespektrum

Die letzte Instanz aller Investments: das Finanzamt

Ratschläge aus einem Anlegerleben

Zum Abarbeiten: das Kapitel in Punkten

Epilog: Alles, was es dazu zu sagen gibt

Dank

Literaturverzeichnis

Stoizismus und Lebenskompetenzen

Fokus und Berufsplanung

Finanzplanung und Investment

Anmerkungen

Einführung: Geld

Der Kapitalismus ist das produktivste Wirtschaftssystem der Weltgeschichte – und ein Raubtier. Er favorisiert die Etablierten gegenüber den Innovativen, die Reichen gegenüber den Armen, das Kapital gegenüber der Arbeit und verteilt Freud und Leid oftmals eher grotesk als gerecht. Den Kapitalismus zu verstehen, sich in diesem System zurechtzufinden und zu investieren, kann seine Vorteile haben: Entscheidungsfreiheit, Selbstbestimmung, Beziehungen ohne Sorgen ums liebe Geld. Es geht in diesem Buch nicht darum, was sein sollte, sondern darum, was ist, und um die besten Methoden, innerhalb dieses Systems erfolgreich zu sein.

Es gibt mehr als einen Weg, zu Geld zu kommen. So entwickelte Shawn Carter, ein Highschool-Aussteiger aus einem New Yorker Sozialviertel, sein Talent zum rhythmischen Umgang mit Worten unter dem Markennamen Jay-Z zu einem Imperium und wurde der erste Hip-Hop-Milliardär. Ronald Read, der Erste in seiner Familie mit einem Highschool-Abschluss, arbeitete sein Leben lang als Hausmeister, lebte sparsam und legte seine Ersparnisse in Aktien erstklassiger Unternehmen an. Als er mit zweiundneunzig Jahren starb, hinterließ er ein Vermögen von 8 Millionen Dollar. Warren Buffett, der aus besseren Verhältnissen kam, setzte, was er als Jugendlicher bei einem Börsenmakler in Omaha aufgeschnappt hatte, in einer Karriere als Investor um, im Lauf derer er es auf ein Privatvermögen von über 100 Milliarden Dollar gebracht hat.

Mein erster Rat für Sie wäre der, sich weder für Jay-Z noch für Ronald Read oder Warren Buffett zu halten. Sie sind Ausnahmeerscheinungen, nicht nur was ihr Talent anbelangt, sondern auch in Bezug auf ihr Glück. Weniger romantisch, aber dafür häufiger sind die sparsamen Hausmeister und umsichtigen Investoren, deren früher Werdegang sich eher durch Beständigkeit auszeichnet. Ausreißer mögen die Inspiration beflügeln – als Vorbilder taugen sie nicht.

Als Twen hatte ich mir in den Kopf gesetzt, so ein Ausnahmefall zu werden. Die äußerlichen Zeichen kapitalistischen Erfolgs vor Augen, legte ich mich ins Zeug. Inmitten dieses Strebens unterhielt ich mich mal mit Lee, einem guten Freund von mir, über Geld. Er sagte mir, er hätte 2000 Dollar in seine private Altersvorsorge investiert. An eine Altersvorsorge hatte ich damals noch nicht mal gedacht. »Wenn für mich mit fünfundsechzig 2000 Dollar zählen«, sagte ich ihm, »jage ich mir eine Kugel in den Kopf.«

Das war so arrogant wie falsch. Meine Strategie – »in die Vollen zu gehen« – war nicht nur unangenehmer, sondern auch riskanter und stressiger als die meines Freundes. Letztendlich hat sie freilich funktioniert. Oder hatte ich einfach nur Glück? Die Antwort darauf lautet: Ja. Ich habe neun Unternehmen gegründet, von denen mehrere erfolgreich sind, und ihr Erfolg hat mir ein Medienbusiness beschert, das wirtschaftlich lohnend ist und mich emotional erfüllt. Wirtschaftliche Sicherheit ist nur Mittel zum Zweck. Insbesondere verschafft sie mir die Zeit und die Ressourcen, mich ohne finanzielle Sorgen auf meine Beziehungen zu konzentrieren. Der Weg meines Freundes zu wirtschaftlicher Sicherheit war weniger unbeständig und stressig als meiner. Mein Weg war zwar von Erfolg gekrönt, aber eine Handvoll grundsätzlicher Prinzipien hätten, beizeiten eingesetzt, sowohl früher als auch mit weniger Ängsten zum Erfolg geführt.

Meine Erfahrung bezieht sich natürlich hauptsächlich auf die USA, aber die grundlegenden Prinzipien der Vermögensbildung sind so universell, dass sie auch Ihnen nützen werden. Sehen Sie es mir nach, dass ich die in Ihren Ländern geltenden Regelungen zu Steuern und Altersvorsorgeplänen nicht kenne, aber diese Details werden Sie schnell selbst recherchieren können und ich möchte Sie ermuntern, dies zu tun.

Die Algebra des Wohlstands

Wie ist wirtschaftliche Sicherheit zu erreichen? Darauf gibt es eine Antwort – das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht? Die Antwort lautet: langsam. Dieses Buch destilliert eine Vielzahl von Informationen über Märkte und Vermögensaufbau zu vier konkret umsetzbaren Prinzipien.

Das hier ist alles andere als das typische Buch über persönliche Finanzen. Sie finden hier keine Tabellen, weder Kalkulationstabellen zum Ausfüllen noch seitenlange Tabellen mit kleinteiligen Vergleichen zwischen verschiedenen Ruhestandsplänen oder den unterschiedlichen Gebührenstrukturen diverser Investmentfonds. Ich werde Ihnen weder raten, Ihre Kreditkarten zu zerschneiden, noch sollen Sie sich Motivationssprüche an den Kühlschrank kleben. Nicht, dass diese Art von Ratschlägen nicht wertvoll wäre oder dass Sie es zu wirtschaftlicher Sicherheit bringen werden, ohne hier und da eine Tabelle zu erstellen. Aber für derlei Lektionen und gute Ratschläge, Sie aus dem Rückwärtsgang und auf den richtigen Weg zu bringen, gibt es Dutzende von Büchern, Websites, YouTube-Videos und TikTok-Accounts. Kurzum: Ich versuche nicht, Suze Orman mit ihren eigenen Waffen zu schlagen – und falls bei Ihnen der Gerichtsvollzieher klingelt, wenden Sie sich besser an sie. Dieses Buch ist für diejenigen unter Ihnen, die ihr Leben auf der Reihe haben und sichergehen wollen, das Beste aus ihren Talenten und Vorzügen zu machen. Zwei Menschen, die heute gleich viel verdienen, werden sich nach so und so vielen Jahren mit einiger Wahrscheinlichkeit in ganz unterschiedlichen finanziellen Situationen wiederfinden, je nachdem, wie sie ihre berufliche Laufbahn und ihre Finanzen angehen.

Wir werden uns damit befassen, wie man sich ein Fundament nicht nur in materieller Hinsicht schafft, sondern auch in Form von Fähigkeiten, Beziehungen, Gewohnheiten und Prioritäten, die vorteilhaft sind. Die hier vermittelten Konzepte sind erprobt und wissenschaftlich unterfüttert, aber vor allem handelt es sich dabei um Prinzipien, die Sie sich tatsächlich zu eigen machen können. Der letzte Teil des Buches bietet eine Einführung in die Kernkonzepte unserer Finanz- und Marktwirtschaft. Dies ist ein wichtiges Thema für alle, die in unserem System leben und arbeiten, auch wenn es an Schulen, ja sogar in einem Großteil der Literatur über persönliche Finanzen, eher stiefmütterlich behandelt wird. Alles, was Sie hier lesen, basiert auf persönlichen, im Lauf einer Karriere voller Höhen und Tiefen gesammelten Erfahrungen, von der Unternehmensgründung über die Einstellung von und Zusammenarbeit mit Hunderten von erfolgreichen Menschen bis hin zur Beobachtung von Generationen junger Leute, die ich unterrichtet habe und die nach ihrem Abschluss in ihrem Leben Erfolge völlig unterschiedlichen Ausmaßes – von gering bis riesig – erzielt haben.

Wieso Vermögen?

Ein Vermögen ist ein Mittel zum Zweck, nämlich dem der wirtschaftlichen Sicherheit. Anders gesagt: Ein Vermögen bedeutet die Abwesenheit finanzieller Sorgen. Befreit von dem Druck, etwas verdienen zu müssen, können wir selbst entscheiden, wie wir leben wollen. Unsere Beziehungen mit anderen sind somit nicht überschattet von finanziellem Stress. Das klingt recht elementar, ja sogar leicht. Ist es aber keineswegs. Wir leben in einem globalen wettbewerbsorientierten Markt mit einem Händchen dafür, Probleme zu schaffen, die nur durch Ausgaben für immer Größeres und Besseres zu bewältigen sind.

Dies ist denn auch die erste Lektion dieses Buchs: Wirtschaftliche Sicherheit hängt nicht davon ab, was man verdient, sondern davon, was man behält, und davon, zu wissen, wann es reicht. Um es mit den Worten der großen Philosophin Sheryl Crow zu sagen: »Glück ist nicht, zu bekommen, was man will, sondern, zu wollen, was man hat.«1 Es geht also nicht darum, mehr zu bekommen, sondern darum, festzustellen, was Sie brauchen, und um die richtige Strategie, die Ihnen das ermöglicht, um sich dann auf Wichtigeres konzentrieren zu können.

Mein Lernziel für Sie ist schnell auf den Punkt gebracht. Wirtschaftliche Sicherheit erwächst aus dem Erwerb von Vermögenswerten – Vermögenswerten, nicht Einkommen! – in einer Größenordnung, die sicherstellt, dass das von diesen Vermögenswerten generierte passive Einkommen das von Ihnen gewählte Ausgabenniveau – Ihre Cash-Burn-Rate – übersteigt. Passives Einkommen ist Geld, das Sie mit Ihrem Geld verdienen: Zinsen, die Sie für Geld bekommen, das Sie jemandem leihen, Wertzunahmen Ihrer Immobilien, Dividenden aus Wertpapieren, Miete, die der Mieter einer in Ihrem Besitz befindlichen Wohnung zahlt. Auf diese und andere Quellen passiven Einkommens gehe ich später noch näher ein; hier sei nur so viel gesagt: Passives Einkommen ist jedes Einkommen, das kein Entgelt für geleistete Arbeit darstellt. Ihre Cash-Burn-Rate ist das, was Sie Tag für Tag, Monat für Monat ausgeben. Ist Ihr passives Einkommen höher als Ihre Cash-Burn-Rate, brauchen Sie nicht zu arbeiten (wenn Sie nicht wollen), weil das Entgelt für diese Arbeit nicht zur Bestreitung Ihrer Ausgaben nötig ist.

Wir bezeichnen so etwas als Vermögen. Zu diesem führen zahlreiche Wege; die verlässlichen erfordern Zeit und Fleiß, liegen aber für die meisten von uns durchaus im Bereich des Machbaren. Der Vermögensaufbau sollte jedoch unbedingt Priorität für Sie haben, und zwar beizeiten. Wirtschaftliche Sicherheit bedeutet Kontrolle. Sie bedeutet, zu wissen, dass man für die Zukunft planen kann, seine Zeit so einsetzen kann, wie man es für richtig hält, und dabei in der Lage ist, für alle die zu sorgen, die von einem abhängig sind.

Sie dürfen

Nach Vermögen zu streben, ist nicht immer in Mode. In einer Gesellschaft, die sich zu Recht Sorgen um eine sich immer weiter öffnende Einkommensschere macht, wirkt Wohlstand wie eine ungerechte Bevorzugung durch ein manipuliertes System nach dem Motto: »Jeder Milliardär ist ein Versagen der Politik.« Mag sein, vielleicht auch nicht. Aber das tut hier nichts zur Sache. Ihr vordringliches Problem ist die Sicherstellung Ihrer wirtschaftlichen Sicherheit, nicht die Tugendhaftigkeit Ihrer Mitmenschen.

Geld regiert, um Bob Dylan zu paraphrasieren, die Welt schimpfend.2 Meiner Erfahrung nach ändert Geld in der Tat mit seinem Wachstum den Ton. Es beschimpft einen, wenn nicht genug da ist, und es tröstet einen, wenn es sich vermehrt. Aber das Geschimpfe, das die meisten zu hören bekommen, wird immer lauter. Der durchschnittliche Hauspreis in den USA beträgt das Sechsfache des durchschnittlichen Jahreseinkommens – vor fünfzig Jahren war es noch das Zweifache –, und der Anteil der Erstkäufer ist kaum halb so hoch wie der historische Durchschnitt und so niedrig wie nie zuvor.3 Arztbesuche und Medikamente und die daraus resultierenden Schulden sind die Hauptursache für den privaten Konkurs; die Hälfte aller amerikanischen Erwachsenen wäre nicht in der Lage, eine Arztrechnung über 500 Dollar zu bezahlen, ohne sich zu verschulden.4 Die Heiratsrate in den USA ist, außer in der wohlhabendsten Bevölkerungsgruppe, seit 1980 um 15 Prozent gesunken, da die Leute es sich schlicht nicht mehr leisten können, zu heiraten, geschweige denn Kinder zu bekommen.5 Trotz Rekordzunahme unseres allgemeinen Wohlstands verdienen gerade mal 50 Prozent aller in den 1980er-Jahren geborenen Amerikaner mehr als ihre Eltern im gleichen Alter – das sind weniger denn je zuvor.6 25 Prozent der so genannten Generation Z glauben nicht, jemals in Rente gehen zu können.7 Scheidung, Depressionen und Arbeitsunfähigkeit folgen dem finanziellen Stress auf dem Fuß.

Als Bob Dylan 2020 seinen Songkatalog verkaufte, bekam er dafür 400 Millionen Dollar. Bobs Geld beschimpft ihn nun sicher nicht mehr. Als er 1965 den oben paraphrasierten Text schrieb, hatte man mit einem Leben in der oberen Mittelschicht 90 Prozent dessen, was die Reichen hatten. Die wohlhabendsten Familien hatten ein größeres Haus, trugen bessere Kleidung und spielten Golf im Privatclub statt auf dem öffentlichen Golfplatz der Stadt. In den sechzig Jahren seither hat sich der »reich-industrielle Komplex« herausgebildet. Wenn die Reichen heute Urlaub machen, wohnen sie nicht nur in einem schöneren Quartier als der Normalverbraucher, sie fliegen auch in einem anderen Flugzeug (Bob in einer Gulfstream IV), sie fliegen in ein anderes Resort, sehen andere Sehenswürdigkeiten (oft nach Feierabend, unter Ausschluss der Öffentlichkeit). Das eine Prozent geht zu anderen Ärzten, isst in anderen Restaurants, kauft in anderen Geschäften ein. Reichtum bedeutete früher einen besseren Sitzplatz. Jetzt kommt es einem Upgrade auf ein besseres Leben gleich.

Der Schlüssel zum Glück sind unsere Erwartungen und unrealistische Erwartungen ein Garant für unerfülltes Glück. Doch jedes Mal, wenn Sie aus dem Haus oder ans Telefon gehen, bringen Ihnen die Gesellschaft und ihre Organisationen entweder ein Ständchen oder beschimpfen Sie. Der Unterschied zwischen dem Leben des einen Prozents und dem der 99 Prozent wird uns Tag für Tag vor Augen geführt – allein um die »Influencer« hat sich eine ganze Branche ebenso falschen wie protzigen Reichtums entwickelt: Wohlstandspornografie – eine ständige Erinnerung nicht an das, was man erreicht hat, sondern an das, was man nicht erreicht hat.

Mag sein, dass das System der Reparatur bedürfte, aber bis dahin müssen Sie es nehmen, wie es ist. Besser noch, bedienen Sie sich seiner und entwickeln Sie die Fähigkeiten und Strategien zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, in diesem System erfolgreich zu sein. Was Churchill über die Demokratie gesagt hat – dass sie die schlechteste aller Regierungsformen sei, abgesehen von allen anderen, die wir ausprobiert haben –, gilt auch für den Kapitalismus. Ungleichheit stachelt den Ehrgeiz an, Anreize führen zu Resultaten, und so dreht sich das Rad. Wenn das System Ihnen passt, bedienen Sie sich seiner, so gut Sie können. Wenn es Ihnen nicht passt – passen Sie sich so gut wie möglich an. Nichts von alledem ist Ihre Schuld. Die Gesellschaft sieht sich größeren Risiken ausgesetzt, als dass Sie Millionär werden könnten. Und bis Sie es zu wirtschaftlicher Sicherheit bringen, wird Ihre Zeit nicht wirklich Ihnen gehören und ein Großteil Ihres Stresses unproduktiv sein. (Siehe oben: Geld zankt Sie aus.)

Nach Vermögen zu streben, bedeutet weder, dass Sie unmoralisch, gierig oder egoistisch sind, noch setzt es diese Eigenschaften voraus. Im Gegenteil, Sie erschweren das Erreichen wirtschaftlicher Sicherheit eher und untergraben, sobald Sie sie erreicht haben, Ihr Glück. Um die Hindernisse auf dem Weg zu einem Vermögen zu überwinden, brauchen Sie Verbündete. Man hat Ihnen wahrscheinlich geraten, früh mit Sparen/Investieren anzufangen. Beginnen Sie auch frühzeitig damit, sich Verbündete/Fans heranzuziehen. Sie sollten auch hier, wie überhaupt in allen Aspekten Ihres Lebens, auf den Heimvorteil achten. Sie sollten, ja Sie können den Leuten als Erster in den Sinn kommen, wenn sie sich gefragt sehen: »Wer wäre geeignet für diesen Job, diese Investition, dieses Board?« Und letztlich geht es doch darum, ein mit sinnvollen Beziehungen gesegnetes Leben führen, und nicht etwa darum, mit der größten »Zahl auf dem Konto« zu sterben.

Die Zahl

Im Normalfall geht es bei der persönlichen Finanzberatung um den »Ruhestand«. Mit anderen Worten um eine klare Trennung zwischen »arbeiten« und »nicht mehr arbeiten«. Das ist ein überholtes Konzept und steht entsprechend nicht im Mittelpunkt unserer Betrachtungen zum Thema Vermögen. Ich möchte, dass Sie sich wirtschaftlich auf der sicheren Seite sehen, bevor Sie in den Ruhestand gehen. Je früher, desto besser. In dem Augenblick, in dem Sie Ihre wirtschaftliche Sicherheit erreicht haben, können Sie sich entscheiden, sich weiterhin auf Ihre Arbeit und Ihren beruflichen Erfolg zu konzentrieren. So wie ich das getan habe. Nur, in dem Augenblick, in dem die Schwimmweste zum Surfbrett wird, nimmt der mit Arbeit verbundene Stress drastisch ab. Mit gesteigerter Selbstsicherheit erbringen wir bessere Leistungen. Mit der Arbeit verhält es sich in dieser Hinsicht ein bisschen wie mit dem Dating – je weniger Sie Ihren Job brauchen, desto mehr braucht er Sie.

Sie könnten bei Anwendung der Prinzipien dieses Buches mit etwas Glück und viel harter Arbeit mit vierzig auf einem Boot in der Karibik leben, ohne je wieder auch nur einen Dollar verdienen zu müssen. Oder Sie könnten mit siebzig in dem einen oder anderen Board sitzen und für ein vierstelliges Stundenhonorar CEOs beraten. Wirtschaftliche Sicherheit eröffnet Ihnen Möglichkeiten. Und diese Sicherheit lässt sich auf eine Zahl reduzieren: eine ausreichende Basis von Vermögenswerten zur Finanzierung Ihres Lebensstils. Sie können sich dann durchaus dafür entscheiden, noch einige Jahre zu arbeiten. Zahlreiche Studien belegen, dass Arbeit Ihr Leben und Ihr Wohlbefinden zu verlängern vermag. Was einen umbringt, ist Stress, und ein Gutteil dieses Stresses ist auf einen Mangel an wirtschaftlicher Sicherheit zurückzuführen. Arbeit ohne wirtschaftlichen Stress entwickelt sich von der Notwendigkeit zur Absicht.

Also, wie viel Geld muss man denn nun auf der hohen Kante haben? Darauf gibt es keine einheitliche Antwort, aber es gibt eine Antwort für Sie. Das heißt, eigentlich ist es mehr eine Zielvorgabe als eine Antwort, da wirtschaftliche Sicherheit keine Frage von Erfolg oder Misserfolg ist. Je größer die Strecke, die Sie auf dem Weg zu Ihrem Ziel hinter sich gebracht haben, desto einfacher und erfüllender wird Ihr Leben. Dem Business-Theoretiker Thomas J. Stanley zufolge ist Wohlstand keine Frage der Intelligenz, sondern eine Frage der Arithmetik. Denken Sie an unsere Rechnung: passives Einkommen größer als Cash-Burn-Rate.

Also, wie hoch ist Ihre Cash-Burn-Rate? Oder, genauer gesagt, wie hoch ist das Niveau Ihrer Ausgaben, das Sie auf Dauer beibehalten wollen? Diese Frage ist umso leichter zu beantworten, je älter, das heißt je näher sie der »ewigen« Rente sind. Aber auch wenn Sie noch am Anfang Ihrer Karriere stehen oder gar noch zur Schule gehen, können Sie sich einen Überblick verschaffen, indem Sie von Grund auf ein Budget erstellen, Familienmitglieder nach ihren Ausgaben fragen und die typischen Kosten für Wohnung, Lebensmittel und andere Dinge recherchieren. Sie brauchen Ihre Ausgaben dabei nicht vierzig Jahre in die Zukunft zu projizieren, sollten das auch gar nicht, da es weder möglich noch notwendig ist. Eine grobe Skizze ist ein guter Anfang, den Sie verfeinern können, wenn Ihr Ziel in Sicht kommt.

Diese Übung ist sowohl finanzieller Art als auch zutiefst persönlich. Mit zunehmender Erfahrung lernen Sie sich besser kennen und bekommen ein Gespür für Ihre Bedürfnisse. Jeder Mensch setzt sich eine andere Burn-Rate zum Ziel. Für meinen Vater ist sie gar nicht so hoch. Ein paar rein praktische Erfordernisse, eine Einzimmerwohnung in der Seniorenwohnanlage Wesley Palms, ein Streaming-Netzwerk für seine Maple-Leafs-Spiele und ein Abend (um sieben ist er wieder zu Hause) mit mexikanischem Essen und einer Michelada. Ich bin da anders gebaut. Bei meinen Ausgaben verbrennt das Geld lichterloh. Wie eine Supernova. Wie auch immer, ob Sie nun Bier oder Prada mögen, überschlagen Sie Ihre voraussichtlichen Ausgaben für ein Jahr und addieren Sie sie. Erhöhen Sie die Summe um Ihren jeweiligen Steuersatz und Sie haben Ihre jährliche Cash-Burn-Rate.

Jetzt multiplizieren Sie diese mit 25. Damit haben Sie (in etwa) Ihre Zahl – die Basis an Vermögenswerten, die Sie benötigen, um ein passives Einkommen zu erzielen, das höher ist als Ihr Verbrauch. Warum 25? Nun, wir gehen hier davon aus, dass Ihre Vermögenswerte ein Einkommen von 4 Prozent über der Inflationsrate erzeugen. Der eine oder andere Finanzplaner wird leicht davon abweichende Zahlen vorschlagen, aber für die Zwecke einer groben Skizze liegen Sie mit 4 Prozent in etwa richtig, und das 25-Fache vereinfacht die Rechnung. Das ist, wie gesagt, nur eine grobe Skizze. Unsere Steuerschätzung ist vereinfacht. Ihre Cash-Burn-Rate steigt, wenn Sie Kinder im Haus haben, und sinkt, wenn diese ausziehen. Wir haben die Sozialversicherung nicht berücksichtigt. Ob es die bei uns in den Staaten in dreißig Jahren noch geben wird, steht in den Sternen. (Ich persönlich denke, dass es sie noch geben wird, da alte Menschen immer länger leben und zur Wahl gehen, sodass ich es für wahrscheinlicher halte, dass wir Schulen, das Raumfahrtprogramm und die halbe Marine abschaffen, bevor uns das Geld für die Sozialversicherung ausgeht.) Aber jedes Kunstwerk beginnt mit einer groben Skizze.

Wenn Sie also zur Deckung Ihrer Burn-Rate 80000 Dollar im Jahr brauchen, dann sind 2 Millionen Dollar Ihre Zahl. Haben Sie die erst mal angelegt, dann haben Sie gewonnen und den Kapitalismus besiegt. (Der Kapitalismus hat freilich einige Tricks auf Lager: 2 Millionen Dollar sind Ihre heutige Zahl – wenn Sie die auf fünfundzwanzig Jahre planen, wird die Inflation Ihre Zahl auf eher 5 Millionen erhöhen. Dazu kommen wir gleich noch.)

Zwei Jacken und ein Handschuh

Vor einigen Jahren waren wir Ski fahren, ein Hobby, das ich über mich ergehen lasse, um meine Jungs auf einem Berg festhalten zu können, damit sie Zeit mit mir verbringen müssen. Eines Nachmittags sitze ich in unserem Hotelzimmer in Courchevel und nehme meine Arbeit als Vorwand, um meinen Verpflichtungen auf der Piste zu entgehen. Mein Ältester, er war damals elf, kommt herein, und ich weiß sofort, dass da was nicht stimmt. In der Regel melden sich meine zwei Söhne reflexartig mit einer Frage oder einer Körperfunktion, wenn sie einen Raum betreten. (»Kann ich fernsehen?« »Wo ist Mama?« Rülps.) Aber diesmal: Funkstille – bis er vor mir steht. Er hat geweint. »Was ist denn?«

»Ich habe einen Handschuh verloren.« Weitere Tränen.

»Ist doch nicht so schlimm, ist doch nur ein Handschuh.«

»Du verstehst nicht. Mama hat sie mir gerade gekauft. Sie haben 80 Euro gekostet. Das ist viel Geld. Sie wird wütend sein.«

»Sie wird das verstehen. Ich verliere dauernd was.«

»Aber ich möchte nicht, dass sie mir noch ein Paar kauft – sie haben 80 Euro gekostet.« Ich konnte mich gut in ihn hineinversetzen. Die Neigung, ständig was zu verlieren, hat er von mir. Meine Ex-Frau meinte mal, wenn mein Penis nicht angewachsen wäre, würden wir ihn irgendwann in SoHo finden, auf einem Kartentisch neben einem Drehbuch von Goodfellas und Büchern aus dem Secondhandstore. Ich habe nie Schlüssel bei mir – ich würde sie nur verlieren.

So habe ich die Situation auch sofort im Griff. Wir beschließen, seinen Weg zurückzuverfolgen. Unterwegs überschlagen sich meine Gedanken: Ist das eine Lektion fürs Leben? Würde ich ihn verwöhnen, wenn ich ihm neue Handschuhe kaufe? Mein Blick ist auf den Boden gerichtet – er weint. Der Boden tut sich unter meinen Füßen auf und im nächsten Augenblick bin ich wieder neun Jahre alt.

Nachdem meine Eltern sich getrennt hatten, schlug bei uns wirtschaftlicher Stress um in wirtschaftliche Angst. Sie nagte an meiner Mutter, sie nagte an mir; sie flüsterte uns ins Ohr, dass wir nichts wert, dass wir Versager seien. Meine Mutter, eine Sekretärin, war so klug wie fleißig, und das Einkommen unseres Haushalts betrug 800 Dollar im Monat. Als ich neun war, sagte ich meiner Mutter, dass ich keine Babysitterin bräuchte, weil ich wusste, dass wir die zusätzlichen 8 Dollar die Woche gut gebrauchen konnten. Außerdem gab meine Babysitterin jedem ihrer Kinder 30 Cent für den Eismann, mir aber nur 15.

»Es ist Winter, du brauchst eine Jacke«, sagte meine Mutter, und so fuhren wir zu Sears. Wir kauften eine, die eine Nummer zu groß war, weil meine Mutter meinte, sie würde es wohl zwei, vielleicht auch drei Jahre tun. Sie kostete 33 Dollar. Zwei Wochen später ließ ich die Jacke bei den Pfadfindern liegen, und ich versicherte meiner Mutter, wir würden sie beim nächsten Treffen zurückbekommen. Ich sah sie nie wieder.

Also machten wir uns auf den Weg, um eine neue Jacke zu kaufen, diesmal bei JCPenney. Meine Mutter sagte mir, diese Jacke sei mein Weihnachtsgeschenk, da nach zwei Jacken kein Geld mehr für Geschenke da sei. Ich weiß nicht, ob das stimmte oder ob sie mir eine Lektion erteilen wollte. Wahrscheinlich beides. Jedenfalls versuchte ich, so zu tun, als freute ich mich über mein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, das übrigens ebenfalls 33 Dollar gekostet hatte.

Einige Wochen darauf verlor ich auch die zweite Jacke. Ich saß nach der Schule zu Hause und wartete bange darauf, dass meine Mutter heimkam und diesen weiteren Schlag für unseren wirtschaftlich ohnehin schon schwächelnden Haushalt einsteckte. Ich hörte den Schlüssel im Schloss, sie kam herein, und schon platzte ich nervös heraus: »Ich hab die Jacke verloren. Aber das macht nichts, ich brauch keine – ich schwör’s.«

Mir war zum Weinen zumute, wirklich zum Heulen. Aber es kam noch schlimmer. Meine Mutter begann selbst zu weinen. Dann beruhigte sie sich, kam zu mir herüber, machte eine Faust und schlug mir mehrmals auf den Oberschenkel, als versuchte sie, in einem Sitzungssaal für Ordnung zu sorgen –als sei mein Oberschenkel der Tisch, auf den sie mit der Faust schlug. Ich weiß nicht, ob das eher beunruhigend war oder eher peinlich. Jedenfalls ging sie nach oben in ihr Zimmer. Eine Stunde später kam sie wieder herunter und wir haben darüber nie wieder auch nur ein Wort verloren.

Wirtschaftliche Angst ist wie Bluthochdruck – immer da und allzeit bereit, aus einer Unpässlichkeit eine lebensbedrohliche Krankheit zu machen. Und das ist keine Metapher. Kinder aus einkommensschwachen Haushalten haben einen höheren Blutdruck als Kinder aus wohlhabenden.8

In der Zwischenzeit sind in den Alpen ein Vater und sein Sohn, Letzterer mit nur einem Handschuh, bei einer Temperatur von knapp über dem Gefrierpunkt bereits eine halbe Stunde lang unterwegs. In dem Versuch, seinen geschwächten Zustand auszunutzen, mache ich mich an einen langen Sermon darüber, dass Sachen doch weit weniger wichtig seien als Beziehungen. Mitten in dieser drittklassigen Familienszene bleibt mein Sohn plötzlich stehen und sprintet dann auf einen kleinen Weihnachtsbaum vor einem Philipp-Plein-Outlet zu. Es ist derselbe Laden, in dem tags zuvor sein achtjähriger Bruder seinem Vater das Geld für einen 250-Euro-Kapuzenpulli mit einem glitzernden Strass-Totenkopf auf dem Rücken aus dem Kreuz zu leiern versuchte. Auf der Spitze des Baumes, anstelle des Sterns, steckt ein leuchtend blauer Jungenhandschuh. Ein ebenso netter wie kreativer Zeitgenosse hatte ihn gefunden und in Sichtweite eines möglicherweise nach dem knalligen Accessoire suchenden Jungen platziert. Sichtlich erleichtert und dankbar, greift sich mein Sohn den Handschuh und drückt ihn mit einem Seufzer an seine Brust.

Wir leben in einer Zeit finanzieller Innovationen, aber weder Kryptowährungen noch Bezahl-Apps bieten das, was ich mir am sehnlichsten wünsche – Geld in die Vergangenheit zu schicken, an die Menschen, die ich liebte und die keines hatten. Die Unsicherheit und Scham, die bei mir zu Hause herrschten, werden nie vergehen. Aber das ist in Ordnung, schließlich hat es mich motiviert.

Hinter Ihrem eigenen Streben nach Wohlstand steckt womöglich ein anderer Antrieb. Vielleicht die Suche nach Bestätigung oder Sinn. Vielleicht eine Leidenschaft für gutes Leben, den Luxus und die Erfahrungen, die nur Geld bringen kann. Vielleicht auch der Wunsch, etwas gegen die Missstände in der Welt zu tun. Meiner Erfahrung nach sind hehre Absichten eine gute Motivation für harte Arbeit, aber auch Verlangen ist ein starker Motor. Angst jedoch übertrifft beides. Was Sie antreibt, geht nur Sie etwas an. Finden Sie es heraus, pflegen Sie es und tragen Sie es stets bei sich.

Sie werden Motivation brauchen, denn Sie haben ein gutes Stück harter Arbeit vor sich.

Die Ochsentour

Wie also lässt sich wirtschaftliche Sicherheit erreichen? Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Die eine, die gescheitere, ist wohl, sie zu erben. Aber die meisten von uns werden sich wohl für die andere entscheiden müssen und das ist die Ochsentour. Sie ist schnell erklärt: Verdienen Sie Ihr Geld mit harter Arbeit. Sparen Sie etwas davon. Legen Sie es an. Wenn Sie Ihr Einkommen maximieren, Ihre Ausgaben minimieren und die Differenz klug anlegen, kann ich Ihnen mit einiger Gewissheit versichern: Sie werden es zu wirtschaftlicher Sicherheit bringen.

Das ist freilich leichter gesagt als getan. Die Umsetzung dieses Plans geht hinaus über die finanzielle Seite und das, was sich in einer Tabelle erfassen lässt. Wohlstand ist das Ergebnis eines vernünftig geführten Lebens, das heißt harter Arbeit, Sparsamkeit und Umsicht. Das bedeutet keineswegs, ein mönchisches Dasein führen zu müssen – es gibt durchaus Raum für Vergnügungen, Fehler und das Leben an sich. Aber es bedeutet harte Arbeit und es bedeutet ein gewisses Maß an Disziplin. Und es ist die Mühe wert. Die Algebra des Wohlstands für den Ruheständler hat vier Komponenten:

Stoizismus impliziert ein bewusstes, maßvolles Leben, sowohl beruflich als auch privat. Selbstverständlich geht es darum, Geld zu sparen, aber nicht nur. Es ist jedoch nicht weniger wichtig, einen starken Charakter zu entwickeln und sich in eine Gemeinschaft einzubringen.

Im Fokus steht in erster Linie das Einkommen. Wie bereits angedeutet, macht Sie Einkommen allein noch nicht reich, aber es ist der unabdingbare erste Schritt. Und es darf nicht zu knapp ausfallen. So helfen wir Ihnen bei Planung und Steuerung eines beruflichen Werdegangs ebenso wie bei der Maximierung des daraus resultierenden Einkommens.

Zeit ist Ihr wichtigster Aktivposten. A und O dabei ist das Verständnis der mächtigsten Kraft des Universums: der Zinseszinsen. Wir werden Ihnen zeigen, wie Sie sie für sich einspannen können. Zeit ist die wahre Währung, der einzige Vermögenswert, der uns allen in die Wiege gelegt wurde, und die Grundlage allen Wohlstands.

Diversifizierung ist unsere Antwort auf die traditionellen Fragen zum Thema persönliche Finanzen, ein Leitfaden für solide Investitionsentscheidungen und eine kundige Teilnahme am Finanzmarkt.

Na denn mal los!

Kapitel eins: Stoizismus

Was einen Großteil meines Lebens zwischen mir und meiner wirtschaftlichen Sicherheit stand, war der sture Glaube an meine Außergewöhnlichkeit. Der Markt hat mich darin bestärkt. Ich gründete Unternehmen, sah mich in Zeitschriften porträtiert und brachte zweistellige Millionensummen für meine Start-ups auf. Mir standen also (offensichtlich) zwei-, wenn nicht gar dreistellige Millionensummen ins Haus, da ich (offensichtlich) außergewöhnlich war. Dass ich ein paar Mal kurz davor war, bestärkte mich nur in diesem Glauben.

Von meinem bevorstehenden Eintritt in die finanzielle Stratosphäre felsenfest überzeugt, ignorierte ich den Gedanken, unter meinen Möglichkeiten zu leben, zu sparen, zu investieren. Der Börsengang oder eine vorteilhafte Übernahme standen unmittelbar bevor. In meinen Zwanzigern und Dreißigern hätte ich leicht 10000 bis 100000 Dollar jährlich sparen können, aber warum Opfer bringen, wenn so viel mehr in greifbarer Nähe ist? Richtig? Falsch. Das Platzen der Dotcom-Blase 2000, eine Scheidung und die Weltfinanzkrise führten dazu, dass meine Bälle, sosehr sie nach Treffern aussehen mochten, ihr Ziel dann doch immer wieder verfehlten. Und dann, ich war zweiundvierzig, kam mein erster Sohn auf die Welt.

Singende Engel? Ein erbaulicher Augenblick fürs Familienalbum? Von wegen. Mir war so schlecht, dass ich nicht mehr stehen konnte. Und es waren weder das Blut noch das Geschrei, was mich außer Gefecht setzte, sondern die Welle von Scham, die über mir zusammenschlug. Ich hatte Scheiße gebaut. Ich hätte locker ein paar Millionen auf der Bank haben können, aber das hatte ich nicht. Ich hatte versagt. Noch wenige Minuten zuvor hätte ich das verkraften können, denn da hätte ich nur mich selbst enttäuscht. Womit ich nicht umgehen konnte, war die Erkenntnis, meinen Sohn im Stich gelassen zu haben.

Mein Versagen war nicht etwa auf mangelndes Wissen zurückzuführen, sondern allein auf unglückliche Entscheidungen. Ich hatte einen Abschluss als MBA; ich hatte viele Millionen Dollar an Kapital aufgebracht; ich hatte Woche für Woche Gehaltsabrechnungen erstellt und jedes Quartal Gewinn eingefahren. Ich will damit sagen, ich verstand was von Geld. Ich konnte nur nicht damit umgehen. Und ich war damit nicht allein. Einer Studie unter britischen Verbrauchern zufolge tragen fehlender finanzieller Sachverstand und mangelnde Selbstbeherrschung zwar durchaus zur Überschuldung bei, aber den zugrunde liegenden Daten zufolge spielt »mangelnde Selbstbeherrschung bei der Erklärung der Überschuldung von Verbrauchern eine gewichtigere Rolle … als mangelnder finanzieller Sachverstand«.9

Wirtschaftliche Sicherheit kommt nicht aus einer bloßen Überlegung, sie ist vielmehr das Resultat eines Verhaltensmusters. Aber wie lässt sich das Verhaltensmuster vermeiden, das zur Überschuldung führt, und dasjenige entwickeln, das uns das erwünschte Vermögen einbringt? Anders ausgedrückt: Wie bringen wir unser tatsächliches Verhalten mit unseren Absichten in Einklang? Auf den ersten Blick sieht das nach reiner Selbstbeherrschung aus. Aber Selbstbeherrschung suggeriert Willenskraft, eisernes Festhalten an einem Plan. Ständig gegen die eigenen Impulse anzukämpfen, ist ermüdend. Es muss also eine zugrunde liegende Eigenschaft geben, die es manchen Menschen ermöglicht, ihr Verhalten über Jahre hinweg konsequent an ihren Absichten auszurichten.

Die Essenz der Antwort darauf lautet: Charakter. Angesichts der Verlockungen des modernen Kapitalismus, unserer eigenen menschlichen Schwäche sowie Rückschlägen und schlichtem Pech bedürfen die von uns anvisierten Verhaltensweisen der Beständigkeit, und die erreichen wir nur, wenn diese Verhaltensweisen in unserem wahren Charakter verwurzelt sind. Wenn dauerhafte Veränderungen unserer Verhaltensweisen allein aus der guten Absicht erwachsen könnten, würden wir unsere Neujahrsvorsätze auch tatsächlich einhalten und nie ein Dankeschön vergessen. Unsere Handlungsweise ist ein Ausdruck dessen, wer wir sind. Aller landläufigen Meinung zum Trotz ist es eben nicht der Gedanke, der zählt.

Dieses Kapitel befasst sich in drei Abschnitten mit der Entwicklung unseres Charakters. Als Erstes gehe ich auf die wesentlichen Mechanismen und Prinzipien der Charakterbildung ein. Dann behandle ich die Anwendung dieser Prinzipien in meinem eigenen Leben und gebe einige Anregungen für Ihre Überlegungen hinsichtlich der Entwicklung Ihres eigenen starken Charakters. Und schließlich weite ich den Blickwinkel aus, um auf die Rolle des Charakters in der Gemeinschaft einzugehen. Der Mensch ist eine soziale Spezies und wir können unser volles Potenzial nur in Zusammenarbeit (und manchmal auch im Wettbewerb) mit anderen erreichen.

Charakter und Verhalten

Die ganze Menschheitsgeschichte über haben wir unseren Charakter zu entwickeln versucht. Die gute Nachricht: Wir wissen, wie es geht. Die schlechte: Es ist alles andere als leicht. Dabei ist es weder geheimnisvoll noch kompliziert. Charakter und Verhalten existieren innerhalb eines sich selbst verstärkenden Kreislaufs. So wie unsere Handlungen unseren Charakter widerspiegeln, ist unser Charakter letztlich das Produkt unserer Handlungen. Dieser Kreislauf kann eine Aufwärtsdynamik haben oder zum destruktiven Teufelskreis werden – das liegt ganz bei Ihnen. Und das gilt nicht nur für Ihren wirtschaftlichen Erfolg. Zielstrebig und konsequent zu leben, bedeutet, ein authentisches Leben zu führen und alles zu geben, auch wenn man mal etwas nicht schaffen mag. Das Streben nach Wohlstand ist, ähnlich wie sein Cousin, das Streben nach Glück, ein Projekt für den ganzen Menschen.

Die Menschheit hat diesen Prozess viele Male gelernt, nicht zuletzt durch die Lehren des Stoizismus. Der Stoizismus ist eine im klassischen Griechenland begründete philosophische Schule, die ihre Blütezeit im Römischen Reich erlebte und von modernen Interpreten wiederbelebt wurde. Die Stoiker sehen in der Entwicklung des eigenen Charakters die höchste Tugend und haben ausführlich darüber geschrieben. Ich habe diesem Kapitel den Titel »Stoizismus« gegeben, weil die Sprache der stoischen Philosophen und ihrer modernen Interpreten bei mir eine Saite zum Klingen bringt und ihre Lehren darauf wirken, wie ich mein berufliches und persönliches Leben angehe. Dennoch soll dieser Abschnitt nicht der Auslegung der stoischen Philosophie dienen und beschränkt sich auch nicht auf ihre Lehren. So schlug Marcus Aurelius keineswegs vor, »sich reiche Freunde zu suchen«, wie ich das hier tun werde. Aber ich denke, dass er den größten Teil dieses Kapitels durchaus abnicken würde.

Etwa um die Zeit, als die ersten stoischen Philosophen in Griechenland über Tugend nachdachten, arbeiteten die Schüler von Siddhartha Gautama dessen Lehren aus und legten dabei besonderen Wert auf die Rechte Absicht, das Rechte Handeln und die Rechte Achtsamkeit, die den Kern des Buddhismus bilden. Jahrhunderte später predigte Jesus die Bedeutung von Rechtschaffenheit und Widerstand gegen die Versuchung und warnte uns: »Das Fleisch ist willig, aber der Geist ist schwach.« Im Amerika des 19. Jahrhunderts meinte Henry David Thoreau, »Geistreiche Gedanken … machen noch keinen Philosophen«, man müsse vielmehr einige »Probleme des Lebens … nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch lösen«.10 Ich vermute, dass es in allen Kulturen und Philosophien die eine oder andere Variante dessen gibt, was ich hier behandle. Nehmen Sie aus diesen Traditionen das, was Ihnen nützlich scheint.

(H)Ungarn

Nach meinem Abschluss an der UCLA machte ich eine Europareise. Am Wiener Flughafen wechselte ich 300 Dollar in American Express Travelers Cheques (fragen Sie nicht – deren Sinn entzog sich mir schon damals). Jedenfalls erhielt ich im Austausch für die drei Pseudo-Hunderter, die mir ein American-Express-Reisebüro (deren Sinn? siehe oben) zu 96 Cent umtauschte, mehrere Bündel Forints und war damit der große Player, für den ich mich hielt. Damit trennte mich nur noch eine kurze Bahnfahrt von der Konsumorgie, die mich in Budapest erwartete.

In einem Schaufenster sah ich eine schöne Lederreisetasche und so ging ich rein. Die Leute, die dort einkauften, fragten nach Garnspulen und Nadeln. Noch bevor ich Gelegenheit hatte, nach der Tasche zu fragen, deutete die Frau hinter der Kasse darauf und sagte: »Nicht zu verkaufen.« Bald stand ich mit meinem nur geringfügig geschrumpften Packen Forints wieder im Reisebüro und erhielt eine Lektion in Sachen Devisentausch und Geld-Brief-Spanne.

Fünfunddreißig Jahre Kapitalismus später ist es egal, ob Sie in Budapest, Ungarn, oder Budapest, Georgien (ja, das gibt es), Zahnpasta mit Olivenöl für empfindliche Zähne oder Müsli mit Arme-Ritter-Geschmack haben wollen – kein Problem. Es gibt diese Produkte und Sie können sie noch am selben Nachmittag geliefert bekommen. Man kann über den Kommunismus sagen, was man will, aber das Sparen machte er einem leicht.

Die einfachste Art, einen Dollar zu verdienen, besteht einer alten Weisheit zufolge darin, einen Dollar zu sparen. Dennoch sehen wir uns jeden Tag mehrere Hundert Mal mit Botschaften, Argumenten und Appellen zum Geldausgeben konfrontiert. Der Kapitalismus spannt Einfallsreichtum und Energien einer ganzen Gesellschaft vor den Karren eines einzigen Ziels: Sie davon zu überzeugen, Ihr Geld auszugeben. Das nämlich ist es, was das System am Laufen hält. Die Verlockungen reichen von Impulskäufen von Kaugummi an der Kasse über unabdingbares Zubehör in Ihrem Amazon-Warenkorb bis hin zum Upgrade auf Economy-Komfort mit Priority-Boarding und Gratisgetränken. Ach, übrigens, wollen Sie nicht vielleicht Ihre Reise »schützen« (sprich eine Versicherung abschließen), falls was passiert? Nein? Dann kreuzen Sie das Kästchen »Ich möchte meine Reise nicht schützen« an und kommen sich verantwortungslos, ja fahrlässig vor. Keine Bange, für zusätzliche 39,95 Dollar gibt Ihnen American Airlines (oder deren Versicherungspartner) das gute Gefühl, ein verantwortungsbewusster Fluggast zu sein.

Das Verlangen liegt in unserer DNA

Über seine Ausgangsbasis kann der Kapitalismus sich nicht beklagen. 99 Prozent ihrer Existenz über ist kaum einer aus unserer Spezies älter als fünfunddreißig geworden. Und die Todesursache Nummer eins war Hunger, mit anderen Worten ein Mangel an »Dingen«. Ihnen flüstert damit nicht nur »YOLO« (You Only Live Once: Man lebt nur einmal) ins Ohr, sondern etwas viel Stärkeres: »YNSN« – You Need Stuff Now: Sie brauchen das jetzt oder Sie kommen um.

Wir sind biologisch auf die ständige Suche nach Zucker, Fett und Salz programmiert, da diese Stoffe den größten Teil unserer Existenz über knapp waren. Allein ihr Kontakt mit unseren Geschmacksknospen löst eine Kaskade chemischer Reaktionen aus, die unser Bewusstsein als Genuss interpretiert. Unser Gehirn verknüpft die Erinnerung an diesen Genuss mit allem Möglichen, von der Farbe einer Schokoladenverpackung bis hin zu der Kreuzung, an der es die für uns leckersten Burger gibt. Unser Gehirn versucht, uns damit zu helfen, da es uns einen Weg zurück zur ultimativen Belohnung weist, dem größten Gefühl überhaupt: zu überleben.

Aber es kommt noch schlimmer. Kaum ist ein Häkchen hinter »Überleben« gesetzt, schreit auch schon die Stimme des nächsten Instinkts auf Sie ein: Pflanz dich fort! Ich weiß, in meinem Alter habe ich gut reden, wenn ich jungen Menschen rate, sie sollen sparen, investieren etc. Aber Zwanzigjährige haben die Aufgabe, Partner zu finden. Und um Partner zu finden, muss man Signale setzen, was wiederum mit Ausgaben verbunden ist. Panerai-Uhren und Manolo Blahniks sind eine Reverenz an unsere evolutionäre Verpflichtung, einen Partner zu finden, der stärker, schneller und klüger ist als man selbst, damit sich unsere Gene mit denen des Partners vermischen und in alle Ewigkeit weiterleben.

Mit dreiundzwanzig erhielt ich, nach meinem ersten Jahr bei Morgan Stanley, einen Bonus von 30000 Dollar. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nie mehr als 1000 Dollar auf dem Girokonto gehabt. So hatte ich endlich eine Basis, auf der sich aufbauen ließ. Eine Basis? Von wegen. Ich ging her und legte mir einen BMW 320i zu. (Hallo, die Damen!) Er war marineblau und ich hängte eine Schwimmbrille an den Rückspiegel. Und warum? Weil ich einmal die Woche – großer Tusch! – schwimmen war. Nichts von alledem hatte mit Fortbewegung oder Sport zu tun, sondern signalisierte, dass ich ein kräftiger Kerl mit Geld auf dem Konto war – und dass man mit mir ins Bett gehen sollte. Tja, wie gesagt, leichter gesagt als getan. Und einer gewissen Logik zufolge ist ein gewisses Maß an Signalen – gut auszusehen, sich in Umgebungen mit Paarungsmöglichkeiten (Clubs, Coachella, Cancun) zu bewegen – ja durchaus gerechtfertigt.

Als moderne Menschen sehen wir uns in doppelter Hinsicht benachteiligt. Wir leben in einer Welt des Überflusses, sind aber entwicklungsgeschichtlich auf Mangel programmiert. Und unsere Wirtschaft baut auf die Ausbeutung dieser Diskrepanz. Da können Sie sich drehen und wenden, wie Sie wollen, aus dem Dilemma kommen Sie nicht heraus.

Du bist, was du tust

An Ratschlägen zu Karriere, Haushaltsplanung und Geldanlage herrscht kein Mangel. Bücherregale, das Internet und Zusammenkünfte, geselliger wie familiärer Art, bieten sie uns zuhauf. Nicht einer davon bringt etwas, wenn er nicht umgesetzt wird. Die Diskrepanz zwischen Ihren Absichten und Ihrem Tun ist ein passabler Indikator für Ihren künftigen Erfolg, sowohl in emotionaler als auch in finanzieller Hinsicht. Wenn wir Menschen beschreiben, die wir bewundern, nennen wir sie »mutig, unternehmerisch, innovativ« und dergleichen mehr. Wir bezeichnen damit unterschiedliche Nuancen von Tun, insbesondere das von Menschen, die zu Taten neigen, die mit ihren Werten, Worten und Plänen im Einklang stehen. Wie Carl Jung mal gesagt hat: »Du bist, was du tust, nicht, was du sagst, was du tun wirst.«

Dummerweise bombardiert man uns mit Botschaften, die uns Abkürzungen zur Überbrückung der Diskrepanz zwischen Absicht und Handeln versprechen. Bei der Vorbereitung zu seinem klassischen Leitfaden zur Selbstverbesserung Die sieben Wege zur Effektivität hatte Stephen Covey nicht nur erfolgreiche Menschen unter die Lupe genommen, sondern auch die gängigen Erfolgsratgeber ausgewertet. Seit der Nachkriegszeit konstatierte er eine Verlagerung von der »Charakterethik«, wie er das nannte, hin zu einer »Persönlichkeitsethik«. So ermutigten ältere Werke die Leser zur Entwicklung ihres Charakters, zu Förderung und Pflege bestimmter Prinzipien und Werte im eigenen Selbst, und zur Arbeit am Erfolg auf der Grundlage von Tugenden wie Mäßigung, Fleiß und Geduld.11 Die neueren Ratgeber hingegen richten ihr Augenmerk auf die bloße Veränderung der Persönlichkeit, anders gesagt, wie man sich anderen gegenüber präsentiert. Wie der Titel des Urvaters dieser Art von Literatur schon gesagt hat: Wie man Freunde gewinnt. Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden.12

Covey schrieb sein Buch in den 1980er-Jahren, aber man braucht nur etwas Zeit im Internet zu verbringen, um zu sehen, dass dieser Trend sich nur noch beschleunigt hat. Die sozialen Medien sind voll von »Life Hacks« (Mushroom Coffee?), Dating-Tipps für die besten »Anmachsprüche« und Tausende andere »seltsame Tricks«. Für jeden Aspekt unseres Lebens findet sich eine hippe »Diät« zu seiner Verbesserung. Was diese »persönlichkeitsethischen« Ratschläge so populär macht, ist, dass Sie Ihnen vielleicht kurzzeitig Auftrieb geben. Aber über einen längeren Zeitraum oder im Angesicht ernsthafter Widerstände funktionieren sie nicht. (Eine Untersuchung von 121 einschlägigen Studien ergab, dass Diäten, egal auf welcher Theorie sie bauen oder welcher Prominente sie anpreist, zuweilen ein paar Monate lang Wirkung zeigen, aber nach einem Jahr ist damit Schluss.)13

So wie Anhänger von Modediäten unweigerlich auf ihr altes Gewicht zurückfallen, wird auch Erfolgsstrategien, die nichts weiter sind als das, nämlich Strategien, die ausschließlich auf ein bestimmtes Regime bauen, aller Wahrscheinlichkeit nach kein dauerhafter Erfolg beschert sein. Wenn ich Ihnen sage, der Schlüssel zum Erfolg bestehe darin, morgens um halb sechs aufzustehen, kalt zu duschen und fünf Meilen zu laufen, ist das sicher kein schlechter Rat. Gut möglich, dass Sie an Tagen, an denen Sie ihn befolgen, konzentrierter und produktiver sind. Und vielleicht befolgen Sie ihn auch ein paar Tage lang, wenn Sie besonders diszipliniert sind, vielleicht sogar ein paar Wochen. Aber der Reiz des Neuen lässt nach und der Morgen bleibt finster und kalt. Ich habe einen großen Teil meines Berufslebens unter wohlhabenden Menschen verbracht und einige von ihnen stehen tatsächlich um halb sechs auf, duschen kalt etc. Aber das ist nicht der Grund, warum sie erfolgreich sind. Der besteht vielmehr in Gewohnheiten, die selbst das Produkt von Fleißig- und Diszipliniert-Sein sind. Charakter und Verhalten sind untrennbar miteinander verbunden. 

Antike Schilde gegen moderne Versuchungen

Die Stoiker arbeiteten folgende vier Tugenden heraus: Courage, Weisheit, Gerechtigkeit und Mäßigung. Meiner Ansicht nach sind sie auch die Schlüssel dazu, den oben genannten Versuchungen zu widerstehen.

Courage ist unsere Hartnäckigkeit, heute auch gerne als »Grit« bezeichnet, die wir zeigen, wenn wir unser Handeln nicht von Angst leiten lassen: Angst vor Armut, Angst vor Blamage, Angst vor Versagen. Stattdessen bleiben wir fleißig, positiv und selbstbewusst. Vermarkter sind Meister im Ausnutzen unserer Ängste und Unsicherheiten. Aber Courage ist billiger als Chanel – und effektiver.

Weisheit, wie Epiktet sie versteht, ist die Fähigkeit, »die Dinge zu erkennen und voneinander zu unterscheiden, um mir klar machen zu können, über welche äußeren Umstände ich keine Macht habe, und welche von Entscheidungen abhängen, die in meiner Macht stehen«.14 Oder wie Annie Proulx es in Brokeback Mountain ausdrückte: »Aber wenn man’s nicht ändern kann, muß man’s aushalten.«15

Gerechtigkeit ist eine Form des Engagements für das Gemeinwohl, eine Erkenntnis, dass wir aufeinander angewiesen sind. Für den römischen Kaiser Marcus Aurelius, der ebenfalls ein Stoiker war, ist Gerechtigkeit »die Quelle aller anderen Tugenden«. Wenn wir gerecht handeln, sind wir ehrlich und übernehmen voll und ganz die Konsequenzen unseres Handelns. Wir können uns gute Gewohnheiten jedoch nicht allein aneignen, und so befasst sich der letzte Teil dieses Kapitels damit, inwiefern der Charakter des Einzelnen, jedenfalls teilweise, eine Funktion der Gemeinschaft ist.

Mäßigung ist für mich die wichtigste Tugend, weil sie von unserer modernen Kultur auf eine besonders harte Probe gestellt wird. Unser Mangel an Selbstbeherrschung, unsere Besessenheit von Status und Konsum sind der Treibstoff des Kapitalismus. Und das nicht nur im offensichtlichen Sinne einer Luxushandtasche und der Riesenportion Pommes. Unsere westliche Gesellschaft fördert nun mal Konsumsucht, emotionale Ausbrüche, Schikane und Opfertum. Mäßigung ist in diesem Sinne Widerstand – oder zumindest der Versuch der Kontrolle – sämtlicher Spielarten unserer Maßlosigkeit.

Nicht so schnell

Wie sieht nun die praktische Umsetzung dieser Tugenden aus? Wie bauen wir uns einen Charakter auf, der aus dem ständigen Kampf gegen Impulse, als den wir »Selbstbeherrschung« begreifen, eine ganz natürliche, intuitive Seinsweise macht? Nun, wir können damit beginnen, alles etwas langsamer anzugehen.

Womöglich treffen Sie täglich Hunderte relativ belangloser Entscheidungen. Was Sie zum Frühstück essen, ob Sie ins Fitnessstudio gehen, wie Sie auf eine anzügliche Slack-Message eines Kollegen reagieren, was Sie am Feierabend machen, wenn Sie endlich Herr Ihrer Zeit sind. Es liegt in der menschlichen Natur, derlei Entscheidungen rein reaktiv zu treffen, also ohne zu überlegen, emotional oder instinktiv. So geht es am schnellsten. Rückblickend neigen wir dazu, unsere Reaktion den Umständen zuzuschreiben – wir haben das Frühstück ausgelassen, weil wir spät dran waren, wir haben nur knapp geantwortet, weil die kritische Nachricht unsinnig war.

Denken Sie an die stoische Tugend der Weisheit – zu wissen, was in unserer Macht steht und was nicht. Die Grenze, so Marcus Aurelius, ist leicht zu ziehen: »Du hast Macht über deinen Verstand – nicht über äußere Ereignisse.« Ein gemeinhin dem Psychologen Viktor Frankl zugeschriebenes Zitat drückt das folgendermaßen aus: »Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.« Wir haben keine Macht über unsere Umwelt, aber es steht sehr wohl in unserer Macht, wie wir auf sie reagieren.

Wenn Sie diesen von Frankl beschriebenen Raum zwischen Reiz und Reaktion in nur einigen der unzähligen täglich von ihnen getroffenen Entscheidungen finden und dabei Ihre Werte, Ihren ganz speziellen Plan berücksichtigen, wird Ihnen das schon beim nächsten Mal leichterfallen. Selbst wenn Sie sich nur einmal am Tag sagen: »Ich habe hier die Kontrolle, meine Reaktion ist meine Entscheidung«, und sich dann für das Verhalten entscheiden, von dem Sie wissen, dass es das Richtige ist, und nicht für das, das Ihren momentanen Gefühlen entspricht, ist das ein Schritt auf dem Weg zum Stoizismus.

Das soll jetzt nicht heißen, dass ich nie wütend bin – im Gegenteil, das passiert mir viel zu oft. Es bedeutet auch nicht, nie bestürzt, frustriert oder beschämt zu sein. Das alles sind gesunde menschliche Reaktionen auf Rückschläge und Fehler. Unser Ziel ist hier, Wut, Angst – oder auch Gier – zur Kenntnis zu nehmen, ohne zuzulassen, dass eine dieser Reaktionen unser Verhalten bestimmt.

Die Wechselwirkung von Charakter und Verhalten kann zu einem sich verstärkenden Kreislauf führen. Beginnen Sie mit einigen handverlesenen Verhaltensweisen, und Sie werden den nötigen Charakter entwickeln, um den Prozess auf andere auszuweiten.

Machen Sie eine Gewohnheit draus

Durch die Entwicklung von Gewohnheiten können wir diesen Kreislauf forcieren. Gewohnheiten machen sich die Neigung unseres Gehirns zur Reaktivität zunutze und programmieren diese auf die von uns gewünschte proaktive Reaktion. In den letzten Jahrzehnten sehen wir sowohl ein wissenschaftliches als auch kulturelles Interesse an der Macht der Gewohnheit, wie einer der Bestseller zum Thema heißt.16 Wie sich herausstellt, tun wir vieles von dem, was wir tun, aus reiner Gewohnheit, und das ist gut so. Müssten wir jede Entscheidung über einen bewussten Prozess treffen, kämen wir nie übers Frühstück hinaus.

Der Schlüssel liegt darin, unsere Gewohnheiten proaktiv zu trainieren, sodass unsere reaktive, automatische Reaktion auf Reize mit der Reaktion übereinstimmt, für die wir uns entscheiden würden, hätten wir ausreichend Zeit dafür. Je größer die Zahl der Situationen ist, für die wir uns die gewünschte gewohnheitsmäßige Reaktion antrainieren können, desto mehr kognitive und emotionale Energie bleibt uns, um die Zügel bei den wirklich wichtigen und schwierigen Entscheidungen/Reaktionen wieder in die Hand zu nehmen.

Es gibt mehrere Rahmenkonzepte für die bewusste Bildung von Gewohnheiten. In Die Macht der Gewohnheit beschreibt Charles Duhigg die Schleife »Auslösereiz, Routine, Belohnung«; James Clear, der Autor von Die 1 %-Methode – Minimale Veränderung, Maximale Wirkung, fügt ein zwischen Auslösereiz und Reaktion (sein Begriff für Routine) entstehendes Verlangen hinzu.17 Ich bin sicher, dass es noch weitere Konzepte gibt. Wie der Stoizismus und der Buddhismus sind dies ähnliche Wege zum selben Ziel.

Tun Sie es einfach

An einem Donnerstagabend Ende 2016 schrieb ich meinen ersten Blog-Beitrag. Das Team meines jüngsten Start-ups, L2, hatte überlegt, wie man für das Unternehmen werben könnte, und wir kamen auf die bahnbrechende Idee eines »Blogs« – gerade mal 20 Jahre nach dessen Erfindung. Ich hatte im Laufe meiner täglichen Arbeit schon viel geschrieben (Briefe an Investoren, Pitches an Kunden etc.), und so war mir nach Prägnanz und Kolorit. Ich hätte mich freilich nie und nimmer als »Autor« bezeichnet. Ebenso wenig wie ich mich als jemanden sah, der sich darauf einlassen würde, etwas Woche für Woche zu tun. Ich war immer eher der »Wenn-es-mir-in-den-Sinn-kommt-Typ«. Wie auch immer, mein erster Post fiel mir recht leicht: Ich kritisierte »Zuck«, mokierte mich über die Dating-Gewohnheiten der Silicon-Valley-CEOs, und mein Team machte dazu ein paar gute Grafiken. Wir gaben ihm den Titel »No Mercy / No Malice« (Keine Gnade / Keine Bosheit) und mailten ihn an unsere mehrere Tausend Leute zählende Kundenliste. Wir bekamen sogar einiges an positivem Feedback darauf.

Dann kam, wie jede Woche, der nächste Donnerstag. Es musste also ein weiterer Beitrag her. Der Reiz des Neuen war nicht mehr so groß und das Ganze mehr Arbeit. Aber ich schaffte es und wir verschickten ihn. Und dann eine Woche darauf noch einen. Der Titel dieses Beitrags gibt einen Eindruck von meiner Stimmung am dritten Donnerstagabend: »Ich hasse mich Tag für Tag weniger.« Es machte keinen Spaß mehr. Aber es lohnte sich zunehmend, als der Blog an Bedeutung gewann und wir jede Woche etwas Anständiges unter die Leute brachten. Mein Gehirn verband das Schreiben mit der Befriedigung, die ich empfand, wenn Menschen meine Arbeit lasen und darauf reagierten. Donnerstagabende wurden zu einem Auslösereiz, und auch wenn das Schreiben selbst nicht einfacher wurde, die Entscheidung, mich an den Computer zu setzen und die ersten Worte zu schreiben, wurde zur Gewohnheit. Nach ein, zwei Jahren war ich jemand, der Deadlines einhielt und Content von gleichbleibender Qualität produzierte. Meine Gewohnheit war zu meiner Identität geworden. Ich war ein Autor.

Heute ist No Mercy / No Malice länger, analytischer und besser. Der Blog bekam 2022 einen Webby Award und geht jede Woche an über 350000 Menschen. Er schlägt Kapital aus einem meiner wichtigsten Leitsätze: Größe kommt durch die Mitwirkung anderer. Das Team bei Prof G Media ist für alle unsere Kanäle zuständig, einschließlich No Mercy / No Malice. Und trotzdem sitze ich jeden Donnerstagabend mit meinen Hunden und einem Glas Zacapa auf der Couch und mache mich an die Arbeit. Weil ich Autor bin.