Die Anti-Erschöpfungsstrategie - Jörg Berger - E-Book

Die Anti-Erschöpfungsstrategie E-Book

Jörg Berger

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Beschreibung

Erschöpfung betrifft so viele von uns, dass man schon von einer neuen Volkskrankheit spricht. Statt uns nach zähen Pandemiejahren endlich zu erholen, befinden wir uns schon inmitten der nächsten Krise(n). Kein Wunder, dass wir uns nichts sehnlicher wünschen, als wieder Ruhe und Kraft zu finden. Mit der Anti-Erschöpfungsstrategie zeigt Jörg Berger, dass es möglich ist – und zwar unabhängig von äußeren Umständen. Jeder kann eine Antwort auf seine Belastungen finden und viele davon abwerfen. Mit Übungen aus der psychotherapeutischen Praxis zur einfachen Selbstanwendung finden wir zurück in ein leichteres Leben mit mehr Energie.

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Jörg Berger

Die Anti-Erschöpfungsstrategie

7 Wege zu innerer Kraft

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2023

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, Rohrdorf

Umschlagmotiv: © Nora Hachio / shutterstock

E-Book Konvertierung: ZeroSoft, SRL

ISBN Print: 978-3-451-60125-5

ISBN E-Book (EPUB): 978-3-451-82954-3

Inhalt

Einleitung: Warum der Tiger keine Selbstdisziplin braucht

Weg 1: Feiern Sie Ihre Erschöpfung

Unser Körper als ein Ding

Die Anti-Erschöpfungsstrategie und unser Körper

Der Weg zurück zu unserem Körper

Ein Leben im Kontakt mit sich selbst

Wie feinfühlig wir sein dürfen

Motivation durch Gefühl

Zurück zum roten Faden

Weg 2: Befreien Sie Ihren Selbstwert

Sackgassen auf dem Weg zu einem guten Selbstwert

Die Entscheidung zur Selbstwertschätzung

Der innere Kritiker

Dem inneren Kritiker eine überzeugende Antwort geben

Den inneren Kritiker entlassen

Spüren Sie, was Sie zu schenken haben

Zurück zum roten Faden

Weg 3: Geben Sie den richtigen Menschen Macht über sich

Die Macht von Beziehungserfahrungen

Die Ablösung von den Eltern vollenden

Menschen, die uns Kraft kosten

Zurück zum roten Faden

Weg 4: Konzentrieren Sie Ihre Aufmerksamkeit und Kraft

Das Leben einfacher und leichter machen

Loslassen und etwas Besseres empfangen

Wie Sie finden, was Sie unermüdlich tun können

Eine kleine Schule des Nein-Sagens

Warum weniger mehr ist

Zurück zum roten Faden

Weg 5: Werden Sie zur Autorin/zum Autor Ihres Lebens

Unbewusste Kräfte und die Anti-Erschöpfungsstrategie

Der Wiederholungszwang in unseren Beziehungen

Wie Sie Ihre Lebensgeschichte selbst schreiben

Wie sozial muss man sein?

Wiederholungszwänge im Beruf

Wie viel müssen Sie wirklich?

Wie Sie Druck ins Leere laufen lassen

Die Gegenspieler in Ihrer Lebensgeschichte

Zurück zum roten Faden

Weg 6: Leben Sie furchtlos mit Ihren Schattenseiten

Alfreds Angst und Lenas Mut

Auf dem Weg zu einem realistischen Menschenbild

Unsere Schattenseiten und die Anti-Erschöpfungsstrategie

Wie Sie zu Ihren Schattenseiten stehen

Akzeptanz für Fehler, Schwächen und Begrenzungen

Warum Sie niemanden verurteilen sollten

Zurück zum roten Faden

Weg 7: Geben Sie Ihrem Leben eine spirituelle Grundlage

Wissenschaft und Spiritualität

Das Ego ist dein Feind

Der spirituelle Ego-Trip

Spirituell ankommen

Täuschungen durchschauen

Am Ende steht die Liebe

Leichtigkeit und Schwere der Liebe

Aus einer spirituellen Quelle schöpfen

Zurück zum roten Faden

Nachwort: Wäre der Tiger ein Mensch, wir würden ihn für diszipliniert halten

Bewegung als Glücksquelle

Süßer Schlaf

Sich glücklich essen

Beim Üben größer denken

Der Abschied von der Disziplin

Literatur

Anmerkungen

Über den Autor

Einleitung: Warum der Tiger keine Selbstdisziplin braucht

Vielleicht wissen Sie noch nicht, was Sie brauchen, um sich wieder kraftvoll zu fühlen. Doch Sie wissen, was Sie auf keinen Fall brauchen: eine weitere Anstrengung. Deshalb zeige ich Ihnen einen Weg, auf dem Sie keine Selbstdisziplin benötigen. Die meisten meiner Patientinnen und Patienten sind nicht besonders diszipliniert. Ich bin in der Verhaltenstherapie ausgebildet und dort stehen therapeutische Hausaufgaben im Mittelpunkt: Symptomtagebücher, das Aufschreiben von negativen Gedanken und positiven Gegengedanken oder Konfrontationsübungen, zum Beispiel mit dem, was Angst macht. Doch meine Patienten machen ihre Hausaufgaben nicht. Das heißt, sie machen sie, aber nur, wenn wir sie gut vorbereiten und ich im nächsten Gespräch auch nachfrage. Sobald meine Aufmerksamkeit nachlässt, geraten auch die Übungen in Vergessenheit. Ich kann es gut verstehen. Denn ich bin selbst nicht besonders diszipliniert. Deshalb frage ich zum Beispiel nicht konsequent genug nach den Hausaufgaben. Wenn aber sowohl meine Patienten als auch ich mit der Disziplin überfordert sind, gibt es dann nicht einen anderen Weg?

Es geht auch ohne Disziplin. Meine Patienten finden aus der Erschöpfung heraus und zeigen dabei eine Stärke, einen Einfallsreichtum und einen Mut, die mir selbst zum Vorbild werden. Sie beschäftigen sich auch zwischen den Gesprächen mit ihren Therapiethemen. Sie tun es aber, weil eine Neugier geweckt ist, weil sie sich gerne weiterentwickeln und ihre Probleme lösen, wenn sie nur geeignete Werkzeuge haben. Menschen sind von sich aus unglaublich motiviert und gehen fast jeden Weg, wenn er an eine natürliche Motivation anknüpft.

Aus diesem Grund lege ich Ihnen ein Buch mit über 200 Seiten vor, obwohl eigentlich eine halbe Seite reichen würde. Denn was Sie aus der Erschöpfung führt, ließe sich mit wenigen Empfehlungen sagen:

 

Beginnen Sie einen Ausdauersport.

Reduzieren Sie Stress.

Schlafen Sie regelmäßig und ausreichend. (Wenn Sie nicht schlafen können, siehe 2., 5., 6., 7. und 8.)

Ernähren Sie sich gesund.

Achten Sie auf ausreichend Pausen und Erholungszeiten.

Erlernen und praktizieren Sie ein Entspannungsverfahren wie zum Beispiel Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung.

Wenn Sie emotional belastende Lebensumstände haben, erlernen und praktizieren Sie Übungen zur Gefühlsregulation.

Identifizieren Sie Ihre inneren Antreiber und gegebenenfalls ungünstige Lebensmuster, die Sie in Ihrer Kindheit erlernt haben. Ersetzen Sie diese durch positive, selbstfürsorgliche Gedanken und einen ausgewogenen Lebensstil.

Bauen Sie Aktivitäten auf, die Sie entspannen und befriedigen wie schöne Unternehmungen mit Freunden, ein kreatives Hobby, Zeit in der Natur, ein Bad mit Duftkerzen und Musik.

 

Dass diese Empfehlungen gegen Erschöpfung wirken, ist durch wissenschaftliche Studien belegt. Es gibt nur ein kleines Problem. Auch Menschen, die nicht erschöpft sind, wären mit dieser To-do-Liste überfordert. Deshalb werden die Empfehlungen gewöhnlich durch eine Hintertür ergänzt:

10. Falls es Ihnen zu schlecht geht, um die Empfehlungen umzusetzen, wenden Sie sich an eine Ärztin oder einen Psychotherapeuten.

 

Was wird die Ärztin tun? Sie kann ja auch nicht die Kraft und Disziplin herbeizaubern, die für die Punkte 1–9 erforderlich wären. Sie wird etwas anbieten, das keine Disziplin erfordert: ein Antidepressivum oder einen Klinikaufenthalt. (In einer Klinik funktionieren die Punkte 1–9 übrigens ohne Selbstdisziplin. Denn wer würde nicht gerne bei einer netten Therapeutin in einer angenehmen Gruppe ein Entspannungsverfahren erlernen, wenn er Zeit dafür hat und es auf dem Programm steht?) Was wird ein Psychotherapeut tun? Er wird Menschen einen Weg führen, der an ihre natürliche Motivation anknüpft. Oft kommt dann am Ende etwas heraus, was den wissenschaftlichen Empfehlungen nahekommt. Genau das biete ich Ihnen in diesem Buch an. Ich habe in den unterschiedlichen Kapiteln den Weg nachgezeichnet, den die meisten meiner Patientinnen und Patienten in ihrer Therapie gehen. Jeder macht dabei eigene Entdeckungen. Doch in einer Hinsicht ähnelt sich das Happy End: Menschen leben am Ende im Einklang mit sich selbst und ihrer Umwelt.

Dafür steht der Tiger auf dem Cover. Er ist die Ruhe selbst, ob er döst oder in seinem geschmeidig-wiegenden Gang umherstreift. Wir ahnen dennoch seine Kraft. Auch wenn er gähnt und sich seine Lippen leckt, ist er präsent. Seine beweglichen Ohren folgen jedem Geräusch. Keinen Augenblick würden wir zweifeln, ob uns sein waches Auge entdeckt, wenn wir in seiner Nähe wären. Ein Tiger ist zu Höchstleistungen fähig. Bis zu 100 Kilometer legt er am Tag zurück. Bis zu 52-mal am Tag paart er sich und kann fast 30 Kilometer weit schwimmen. Doch all das tut er nur, wenn es nötig wird, in beutearmen Revieren, bei knappen Paarungsgelegenheiten oder nach einer Überflutung. Sonst setzt er seine Kräfte maßvoll ein. Seine Beute verfolgt er höchstens 200 Meter weit. Dann gibt er einfach auf.1 Der Tiger macht sich keinen Druck: „Was man anfängt, bringt man auch zu Ende.“ Er beschämt sich nicht selbst: „So ein Muskelpaket und nach 200 Metern schlapp machen. Wie peinlich.“ Er folgt stattdessen seinen Instinkten, die ihn in ein Gleichgewicht von Entspannung und beeindruckender Aktivität bringen. So lebt er in Einklang mit sich selbst und seiner Umwelt. Wann immer Ihr Blick auf das Cover fällt, könnte Sie dieser Gedanke entspannen.

Ein Tiger kennt keinen Burnout. Er kennt auch keinen Stress, solange kein Mensch in sein Revier eindringt. Doch der Mensch greift nicht nur verhängnisvoll in das Gleichgewicht anderer Lebewesen ein. Er ist selbst nicht besonders gut darin, im Einklang mit sich und seiner Umwelt zu leben. Darin liegt der tiefste Grund von Erschöpfung. Wer gegen die eigenen Bedürfnisse lebt, überanstrengt sich und muss die Frustration bewältigen, die ungestillte Grundbedürfnisse hervorrufen. Menschen können das eine Weile aushalten, doch irgendwann gehen ihnen die Kräfte aus. Wenn wir uns in einem passenden Umfeld bewegen, sind wir voller Lebensfreude, Kreativität und Kraft. Auch das begegnet uns in der Tierwelt. Wenn wir Pinguine auf dem Land beobachten, schmunzeln wir über ihre Unbeholfenheit. Doch unter Wasser schießen sie pfeilschnell davon und beeindrucken mit akrobatischer Beweglichkeit. Es kommt ganz auf die Umwelt an, welche Figur wir machen und wie viel Kraft wir freisetzen können. 

Mir fällt kein Tier ein, das ich mit Selbstdisziplin in Verbindung bringen würde. Tiere mögen bienenfleißig sein, ausdauernd wie Zugvögel oder mutig wie Bärenmütter. Aber diszipliniert? Sie folgen doch nur ihrer Natur und müssen gar nicht gegen sich selbst arbeiten. Das sollte doch auch für uns Menschen möglich sein. Eine Anti-Erschöpfungsstrategie führt in einen Einklang mit sich selbst und seiner Umwelt. Dabei machen sich Menschen mehr bewusst, welches Umfeld sie für sich wählen. In allen Aufgaben, Beziehungen und Aktivitäten gibt es einen Spielraum, wo, wie und mit wem wir unser Leben verbringen. Mehr als wir denken, können wir unser Umfeld beeinflussen und es für uns passender machen. Schließlich bestimmt auch unsere innere Haltung, was geschieht, wenn unsere Bedürfnisse und unsere Umwelt einmal nicht zueinander passen. Unsere innere Haltung können wir beeinflussen. Diese Schritte gehen Menschen, die aus ihrer Erschöpfung herausfinden und wieder Kraft spüren. Dann passt ihr Leben immer besser zu ihrer Persönlichkeit und sie fühlen sich mehr in Übereinstimmung mit ihrer Umwelt, manche zum ersten Mal in ihrem Leben.

In den folgenden sieben Kapiteln entdecken Sie, was erschöpft und was wieder zu Kraft führt. Sie können dabei dem Aufbau des Buches folgen oder zuerst in die Kapitel springen, deren Überschrift Sie am meisten anspricht. Bevor Sie das tun, stimme ich Sie noch mit einigen Hinweisen ein:

Sie finden in den Kapiteln eine Fülle von Übungen, Checklisten und Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Nach dieser Einleitung dürfen Sie mir glauben: Sie müssen nicht alles abarbeiten. Verstehen Sie die Übungen als eine Einladung, die Sie nur da annehmen, wo Sie neugierig werden. Sehen Sie sie als Werkzeuge, die Sie da ausprobieren, wo es Ihnen gerade vielversprechend erscheint.

Einige Übungen, bei denen Sie das Buch vielleicht beiseitelegen möchten, gibt es zusätzlich als Audio-Datei für Sie zum Anhören. Sie sind mit einem gekennzeichnet. Folgen Sie einfach diesem Link:

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oder scannen Sie diesen QR-Code.

 

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Ihr Zugangscode ist die ISBN dieses Buchs (978-3-451-60125-5).

Alle Fallbeispiele dieses Buches habe ich durch die Änderungen von Namen und Lebensumständen anonymisiert.

Das Buch kann keine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung ersetzen, wo diese nötig sind. Es kann jedoch eine Wartezeit auf die Therapie überbrücken helfen und ein Begleiter in der weiteren Entwicklung sein.

Zum sorgfältigen Umgang mit einer Erschöpfung gehört ein medizinischer Check. Denn es könnte ja sein, dass die Beschwerden auch eine körperliche Ursache haben. Ein Eisenmangel oder eine Schilddrüsenunterfunktion zum Beispiel machen müde. Wenn Sie nicht regelmäßig zu einem hausärztlichen Check gehen, würde ich Ihnen das empfehlen. Meist kommt dabei nichts Besonderes heraus. Umgekehrt wäre es aber schade, wenn Sie ein körperliches Problem übersehen, das sich gut beheben lässt. Falls Sie nicht nur erschöpft sind, sondern eine Depression haben, würde das Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt bemerken.

Beim Schreiben habe ich mich bemüht, ein Kopfkino zu erzeugen, in dem Sie weibliche Personen genauso oft vor sich sehen wie männliche. Wenn es mir gelungen ist, habe ich auch Räume geschaffen, in denen sich Menschen wiederfinden, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen würden. Dazu verwende ich häufig Wörter wie „Person“ und „Mensch“. Im Gegenzug habe ich auf eine formale geschlechtersensible Sprache verzichtet. Das hilft mir, als Autor spannend und als Fachmann verständlich zu schreiben.

Weg 1: Feiern Sie Ihre Erschöpfung

Erschöpfte Menschen wünschen sich nichts mehr, als wieder Kraft zu finden. Um dann so weiterzumachen wie bisher? Bitte nicht. Heißen Sie die Erschöpfung lieber als eine Botin willkommen, die Ihnen etwas Wichtiges zu sagen hat: Sie haben nicht so gelebt, wie es Ihnen entspricht. Sie haben sich von dem abschneiden lassen, was Sie lebendig und glücklich macht. Vielleicht haben Sie den falschen Menschen Macht über Ihr Leben gegeben. Deshalb führt Ihr Weg aus der Erschöpfung in ein Leben, das freier und leichter ist. Auf Ihrem Weg begegnen Sie einem unbestechlichen Weggefährten: Ihrem Körper. Seine leisen Töne haben Sie überhört, jetzt spricht er Klartext.

Legen Sie sich lieber nicht mit Ihrem Körper an. Er sitzt am längeren Hebel und Sie werden sich kaum von ihm trennen wollen. Doch er meint es gut mit Ihnen, ist er doch eine Quelle von Energie, Wohlgefühl und intensiver Lust. Weil alle Erfahrungen in Ihrem Körper gespeichert sind, ist er auch der Ort Ihrer ganz persönlichen Weisheit.2 Ihr Körper hat eine Antwort auf viele Ihrer Lebensfragen: Zeit, auf ihn zu hören und ein Versöhnungsfest zu feiern.

Unser Körper als ein Ding

Wenn Sie bisher wenig auf Ihren Körper gehört haben, sind Sie in bester Gesellschaft. Denn nur wenige tun das. In unserem modernen Leben sind unsere Körper eher wie eine Sache. Unser Körper soll funktionieren und Leistung bringen. Die Attraktivität unseres Körpers gibt uns einen sozialen Wert. Und weil wir um die Gefahr von Krankheiten wissen, müssen wir uns um unseren Körper sorgen. Er wird zur Aufgabe, die uns manchmal lästig ist. Schließlich sollten wir ihn richtig ernähren, bewegen und pflegen. Doch wenn wir unseren Körper so sehen, werden wir uns selbst fremd. 

Eigentlich müssten wir wissen, wie es unserem Körper mit uns geht. Denn was er mit uns erlebt, haben wir auch schon erlebt. Sicher haben Sie schon mit Menschen zu tun gehabt, die Sie auf Ihren Nutzen reduzieren. Sie wollen ständig etwas von Ihnen, haben aber an Ihnen selbst wenig Interesse. Wenn uns Menschen so behandeln, dann regt sich ein Protest: „Moment mal. Ich fühle mich ausgenutzt. Es geht dir nur um das, was du von mir hast, und gar nicht um mich. Da mache ich nicht mit.“ Doch gehen wir nicht genauso mit unserem Körper um?

Vermutlich haben Sie auch schon Menschen erlebt, die sich mit Ihnen schmücken. Wenn die Sie jemandem vorstellen, erwähnen sie zum Beispiel gleich, was Sie erreicht haben. Das verunsichert: „Moment mal. Ich bin doch nicht nur das, was ich erreicht habe. Außerdem macht es mich unsicher, wenn jemand so auf mein Ansehen starrt. Was ist mit unserer Beziehung, wenn ich einmal keinen Erfolg habe? Oder wenn ich einen Status aufgebe, weil mir etwas anderes wichtiger ist? Bedeute ich dir auch dann noch etwas?“ Doch gehen wir nicht manchmal genauso mit unserem Körper um? Achten wir nicht sehr darauf, was er nach außen hermacht? Dann schätzen wir unseren Körper, wenn wir gut aussehen, und sehen auf ihn herab, wo er uns unansehnlich vorkommt.

Schließlich macht es auch keine Freude, bemuttert zu werden. Manche beobachten ängstlich unser Befinden: „Du siehst so müde aus.“ – „Geht es dir nicht gut?“. Das ist lieb gemeint. Doch wenn jemand so besorgt um uns ist und uns am Ende noch Ratschläge gibt, fühlen wir uns eingeengt. Auch eine ängstliche Sorge kann bestimmen, wie wir unseren Körper sehen. Wir lassen uns beunruhigen. Obwohl es uns lästig ist, tun wir dann allerlei für unsere Gesundheit.

Vielleicht gehören auch Sie zu den Menschen, die dringend eine neue Beziehung zu ihrem Körper brauchen. Dann dürfen Sie sich über alles freuen, was Ihr Körper leistet. Doch ein aufrichtiges Interesse an Ihrem leib-seelischen Wohl muss an erster Stelle stehen, erst dann darf die Leistung folgen. Das Gleiche gilt für den Wert, den Ihr Körper in den Augen anderer hat. Natürlich macht es Freude, wenn wir uns attraktiv fühlen. Unser Äußeres kann außerdem Türen öffnen oder verschließen. Das ist eine traurige Realität. Doch wenn unser Körper „Ich“ ist und kein Ding, müssen wir uns davon frei machen, was unser Äußeres in den Augen anderer wert ist. Wir sollten davon weder unsere Gefühle noch unsere Entscheidungen bestimmen lassen. Weil das nicht so einfach ist, gehe ich auf dieses Thema noch sehr ausführlich ein. 

Schließlich brauchen wir ein neues Vertrauen in unseren Körper. Er meint es gut mit uns. Er kann eine Menge aushalten. Auch Ihre Erschöpfung schüttelt Ihr Körper wieder ab, sobald Sie besser mit ihm umgehen. (Selbst wenn Sie an einer Erkrankung leiden, die dauerhaft Ihre Kraft reduziert, können Sie sich auch darin kraftvoll fühlen, wenn Sie mit dem geschwächten Körper gut umgehen.) Auch eine ängstliche Sorge braucht unser Körper nicht. Sobald wir wieder in unserem Körper wohnen, gibt es bessere Gründe für ein Leben, das auch dem Körper guttut. Ihm schmeckt zum Beispiel, was gesund ist. Doch um das wahrzunehmen, dürfen wir nicht überreizt sein. Unser Körper bewegt sich auch gerne und belohnt uns dafür mit Glückshormonen. Er schwingt mit allem mit, was wir erleben. Das spüren wir in vielfältigen positiven Emotionen. Doch dafür sollten wir uns an Orten bewegen, die uns überwiegend guttun. Wir sollten Orte umgestalten, an denen wir uns nicht wohlfühlen. Manchmal ist das nicht möglich. Dann zwingt uns das Leben in Beziehungen oder in Aufgaben, die nicht gut für uns sind. Doch auch dann weist uns unser Körper den Weg. Wir nehmen eine Haltung ein, die uns schützt. Wir nutzen die kleinen Spielräume und setzen auf diese Weise die Kräfte frei, die uns auch Unangenehmes ertragen lassen.

Die Anti-Erschöpfungsstrategie und unser Körper

Wer in Einklang mit sich selbst und seinem Umfeld leben möchte, braucht seinen Körper. Denn woran merken wir, ob uns eine Aufgabe zu viel ist oder nicht? Wie spüren wir, ob uns eine Beziehung guttut oder nicht? Wir bräuchten eine Ampel, die uns anzeigt: „ist perfekt“ – „ist noch in Ordnung“ – „ist nicht in Ordnung“. Genau dieses Signalsystem bietet uns unser Körper, wenn wir auf ihn achten.

Neben diesem Buch hätte ich gerne noch ein anderes Projekt auf den Weg gebracht. Doch mein Körper hat sich dagegen gewehrt. Wenn ich an das Projekt gedacht habe, habe ich einen Druck auf der Brust gespürt und ein Gefühl, als ob mein Blutdruck steigt. Ich habe auf meinen Körper gehört und das Projekt verschoben. Erst in den folgenden Wochen sind mir Dinge aufgefallen, die ich gar nicht bedacht hatte. Denn jede Aufgabe beansprucht ja auch unbewusste Ressourcen. Vieles arbeitet im Hintergrund. Beim Joggen meldet sich eine innere Stimme, dass ich eine bestimmte Passage so nicht schreiben sollte, wenn ich Leserinnen und Leser nicht irritieren will. Unter der Dusche kommt mir ein Einfall, der einem Kapitel eine interessantere Wendung gibt. Mein Verstand hatte zwar Recht: Zeit für ein zweites Projekt hätte ich gefunden. Doch mein Körper lag noch umfassender richtig. Es hätte mich zerrissen, weil mein Unbewusstes schon mit einer Aufgabe ausgelastet war. Außerdem wäre es keine gute Zeit gewesen, meine Leistungsfähigkeit voll abzurufen. Unser Sohn ist letztes Jahr ausgezogen und unsere Tochter verbringt gerade die letzten Monate zu Hause. Das ist ein Umbruch. Es ist traurig für uns, weil wir gerade loslassen, was unser Leben über Jahre schön gemacht hat. Meine Frau und ich müssen uns als Paar neu finden. Das geht nicht ohne Spannungen ab. Mein Verstand sagt zwar: „Das ist alles kein Drama.“ Mein Körper würde vielleicht antworten: „Ja, es ist kein Drama, braucht aber trotzdem Aufmerksamkeit, Momente der Verarbeitung und eine Portion zusätzliche Kraft. Das solltest du einplanen.“ Offensichtlich hat mein Körper sofort gespürt, was mir erst Wochen später klar geworden ist.

Der Weg zurück zu unserem Körper

Unser Körper empfindet ganzheitlich. Er hat Zugriff auf unser Unbewusstes und auf tiefere Schichten unserer Gefühlswelt. In unseren Körper haben sich die Erfahrungen unseres ganzen Lebens eingeprägt. Sie stehen ihm als Orientierung zur Verfügung. Natürlich weiß unser Körper auch nicht alles. Doch eines kennt er besser als jeder andere und jede Wissenschaft: uns selbst. Deshalb kann es so unangenehme Folgen haben, wenn wir die Signale unseres Körpers überhören. 

Der Weg zu unserem Körper ist nie weit. Je nach Persönlichkeit stehen wir dabei an unterschiedlichen Ausgangspunkten. Das möchte ich mithilfe eines einfachen Schemas zeigen, das Persönlichkeiten in Kopftypen, Bauchtypen und Herztypen einteilt.3

Kopftypen wollen sich vor allem sicher fühlen. Sie wollen nicht die Kontrolle über ihr Leben verlieren. Dabei hilft ihnen das Denken: verstehen, einordnen, voraussehen, Pläne machen. Kopftypen finden daher von den Gedanken aus zu ihrem Körper. Ein typischer Dialog in der Therapie sieht dann so aus.

Therapeut: „Wie fühlen Sie sich dabei?“

Patientin: „Es ist zum Verrücktwerden. Meine Chefin verhält sich so unberechenbar.“

(Das sind Gedanken, keine Gefühle.)

Therapeut: „Wie fühlen Sie sich, wenn sich Ihre Chefin so unberechenbar verhält?“

Patientin: „Ich weiß nicht, wie ich es ihr recht machen soll.“

(Das ist ein Gedanke, kein Gefühl.)

Therapeut: „Wie fühlen Sie sich dabei? Achten Sie einmal auf Ihren Körper.“

(Es entsteht eine kurze Pause.)

Patientin: „Das macht mich wütend. Ich fühle mich ihr ausgeliefert.“

Therapeut: „Wie spüren Sie das in Ihrem Körper?“

Patientin: „Mein Hals schnürt sich zu.“ (Sie zeigt es mit den Händen und macht eine Bewegung, als würde sie gewürgt werden.) „Und ich spüre, wie stark mein Herz schlägt.“