Die Ärztin von Rügen - Lena Johannson - E-Book
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Die Ärztin von Rügen E-Book

Lena Johannson

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Beschreibung

Rügen, um 1890: Die junge Arzttochter Anne hat nur einen Traum – sie will in die Fußstapfen ihres Vaters treten, doch das ist zu dieser Zeit für eine Frau unmöglich. Als Assistentin ihres Vaters und des neuen Badearztes Franzen jedoch hilft sie zahlreichen Patienten. Aber dann versagt Franzen kläglich, und Anne wird Zeugin seines Scheiterns. Von nun an macht er ihr das Leben zur Hölle und gefährdet sogar ihre Liebe zu einem Kollegen.

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Lena Johannson

Die Ärztin von Rügen

Roman

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. KapitelAnmerkungen zur historischen RichtigkeitGlossarDanksagung
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1

Kreisbaumeister Harder hatte Schwielen am Hintern. Es wurde wahrlich allerhöchste Zeit, dass dieses vermaledeite Eiland endgültig mit einem Eisenbahnnetz überspannt wurde. Das Reisen würde um ein Vielfaches komfortabler werden! Der Wagen sprang über das katzenköpfige Pflaster, so dass die Reisenden von einer Seite auf die andere geworfen wurden.

»Autsch«, schrie er auf und fluchte vor sich hin. Warum er? Warum musste immer ausgerechnet er mit diesen sturen Rügenern verhandeln? Heute auch noch mit den Fischern. Die waren als besondere Dickschädel bekannt. Wieder hüpfte das Gefährt, als hätte es, im Gegensatz zu seinem Insassen, ausnehmend gute Laune. Harder stöhnte und jammerte. War da nicht zu allem Überfluss ein Quietschen und Kratzen zu hören, das eben noch nicht da gewesen war? Bis Trent, wo er eine Abordnung des Vereins der Berufsfischer treffen sollte, war es noch ein weiter Weg. Es tat einen Schlag, und Harder streckte einen Arm zur Seite, um die Wucht des Aufpralls, mit der er erneut gegen die Seitenwand der Kutsche geschleudert wurde, abzufangen. Hatte der Kerl da vorn auf dem Bock den Verstand verloren? Gewiss, es war ihm recht, so bald wie möglich sein Ziel zu erreichen, doch hätte er es zu gerne mit heilen Knochen erreicht. Ein weiterer Schlag, begleitet von einem entsetzlichen Geräusch, als würde Metall aufeinanderkrachen.

»He, Mann, willst du uns umbringen?« Mit einem Mal ging alles ganz schnell. Die beiden Pferde, die den Wagen zogen, wieherten und schnaubten, der Kutscher versuchte, sie zu beruhigen und zum Stehen zu bringen, und der Wagen neigte sich bedrohlich zur Seite.

»Was, zum …?«, stieß Harder hervor, dann wurde er mit einem Ruck aus dem Sitz gerissen und fiel sofort wieder zurück, dann war Ruhe.

Als Nächstes fluchte der Mann auf dem Bock, sprang von seinem Platz herab und stellte sich breitbeinig auf die Straße. Harder sah durch das kleine Fensterchen, wie er sich bückte, um unter die Kutsche zu schauen. Was hoffte er dort wohl zu entdecken? Der Kreisbaumeister konnte sich schon denken, was geschehen war. Dafür brauchte er das Gefährt gewiss nicht von unten zu betrachten. Er öffnete die Tür, stieg ins Freie, stützte seine Hände in den Rücken und streckte sich laut ächzend.

»Das hat uns noch gefehlt«, schimpfte er. »Womöglich komme ich nun zu spät zu der Versammlung. Das werden sie mir gleich als böse Absicht auslegen.«

Der Kutscher ging nicht darauf ein. »Da muss der Dorfschmied her«, sagte er schlicht, richtete sich wieder auf und marschierte los.

»Wollen Sie mich hier einfach so stehenlassen?« Harder konnte es nicht fassen.

Der Kerl drehte sich nicht einmal um. »Gehen Sie zurück in den Wagen, dann sind Sie vor dem Wind geschützt«, rief er über die Schulter. »Oder kommen Sie mit mir. Beim Schmied gibt’s gewiss ein gutes Bier.«

Es war in der Tat ziemlich windig, wie so oft auf dieser verwünschten Insel. Warum er? Warum nur immer er? Aber was half es? Wenn sie eine Pause einlegen mussten, bis der Schaden am Wagen behoben war, konnte er ebenso gut die Zeit nutzen und ein Bier trinken. Also trottete er hinter dem Kutscher her.

Bereits nach einigen Schritten in das Dorf hinein war die Schmiede zu erkennen. Durch deren winzige Fenster fiel der Schein des Feuers, in dem Metall alltäglich zum Glühen gebracht und geformt wurde.

»He, Schmied«, rief der Kutscher schon von weitem, »kannst du wohl unseren Wagen reparieren? Sieht aus, als wäre die Achse gebrochen.« Sie betraten die Scheune, in der es angenehm warm war. Ein Mann, die Mütze schief auf dem Kopf und eine Lederschürze umgebunden, legte ein Metallstück beiseite, aus dem vielleicht einmal eine Spitzhacke entstehen sollte. Er wischte die Hände an der Schürze ab und blickte seine Besucher fragend an, ohne ein Wort zu sagen. Am Feuer hockte ein Junge, der es offenbar im Auge behalten sollte. Die Brandgefahr war hoch, und wenn ein Rohrdach erst einmal in Flammen stand, gab es keine Rettung mehr.

»Der Wagen ist hin?«, wollte der Schmied wissen.

»Na ja, das dürfte wohl eine etwas übertriebene Darstellung der Sachlage sein«, antwortete Harder.

»Es ist die Achse«, fügte der Kutscher hinzu.

»So«, sagte der Schmied, rührte sich aber nicht vom Fleck.

»Guter Mann, wir haben keine Zeit, hier lange festzusitzen«, entfuhr es Harder in einem Ton, der seine Ungeduld deutlich verriet. »Können Sie sich um den Schaden kümmern?«, fügte er freundlicher hinzu.

»Dat kann ik woll«, gab der zurück.

»Sehr schön.« Der Kutscher rieb sich die Hände. »Und sicher verkaufen Sie uns auch zwei Becher Bier, mit denen wir uns die Wartezeit ein wenig versüßen können, nicht wahr?«

Der Schmied warf dem Jungen einen Blick zu, woraufhin dieser sofort von seinem Schemel aufsprang, zwei Becher von einem Regal nahm und damit zu einem Fass in der Ecke des Raumes eilte.

»Wo steht denn der Wagen?«

»Gar nicht weit«, entgegnete der Kutscher fröhlich. »Einfach nur die Hauptstraße hinunter. Wir waren auf dem Weg nach Trent.«

»Wir sind es noch immer«, korrigierte Harder.

»Dann wollen wir uns mal auf den Weg machen, wenn der feine Herr das so eilig hat.« Der Schmied blickte den Kutscher an. »Na, wird’s hüt noch?«

»Ich dachte … Sie werden den Wagen doch wohl allein hierherholen können, oder etwa nicht?«

»Können könnt ik schon, aber wollen will ik nich. Ik kenn ja deine Gäule nich. Am Ende gehen die mir durch oder treten mir in den Mors. Nee, nee, das lass ik lieber.«

»Nun gehen Sie doch endlich. Ich trinke Ihnen das Fass schon nicht leer.« Harder war mit seiner Geduld wirklich bald am Ende.

Als die beiden unter dem niedrigen Türstock hindurchgetaucht waren und ihre Schritte leiser wurden, brachte der Junge Harder seinen Becher Bier.

»Bitte schön«, sagte er höflich und deutete eine Verbeugung an.

»Danke schön. Wie heißt du, Junge?«

»Paul, mein Herr.«

»Und wie heißt das Dorf, in dem wir uns hier befinden, Paul?«

»Wir sind hier in Dreschvitz, mein Herr.«

»Aha, in Dreschvitz also. Dann ist es noch ein gewaltiges Stück bis hinauf nach Trent, nicht wahr?«

»Ich weiß nicht, mein Herr. Dort war ich noch nie.« Der Junge hatte blondes Haar, das ihm ungestüm vom Kopf stand. In seinem Gesicht waren Rußflecken zu erkennen. Wahrscheinlich musste er dem Schmied, er mochte sein Vater sein, zur Hand gehen. Oder er hatte einfach in unbeobachteten Momenten mit der Glut und dem Feuer gespielt. Ein Junge, der auf ein Schmiedefeuer achtgeben sollte, konnte gewiss die Finger nicht davon lassen. Schon gar nicht ein aufgewecktes Kerlchen, wie Paul es dem Anschein nach war.

»Aber du weißt gewiss, wo der Breetzer Bodden ist. Du hast doch bestimmt davon gehört, dass dort bald die Eisenbahn über das Wasser fahren soll, oder nicht?«

Der Knirps legte die rußverschmierte Stirn in Falten. »Aber das geht doch gar nicht. Eine Eisenbahn braucht doch Schienen. Auf Wasser kann sie gewiss nicht fahren.«

»Natürlich nicht, da hast du recht. Wenn es aber eine Brücke gibt, dann wäre es möglich, dass du mit dem Zug über den Bodden hinwegfährst.«

»Das würde bestimmt Spaß machen.« Die Augen des Jungen leuchteten. Er schien ein umgängliches und gescheites Bürschchen zu sein. Noch. Doch in einigen Jahren, wenn er allmählich erwachsen wurde, würde er sich zu einem Sturkopf entwickeln, wie man es von den Menschen von Rügen nun einmal kannte. Schade drum, dachte Harder.

 

Als die beiden Männer mit dem Gefährt zurückkehrten, teilte der Kutscher ihm mit, dass sie einen Ersatzwagen beschafft hätten. Die Reparatur würde mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Wollten sie darauf warten, bis diese erledigt war, wäre es aussichtslos, noch rechtzeitig in Trent einzutreffen.

»Nur ein rasches Bier, dann können wir mit einem vollkommen funktionsfähigen Wagen aufbrechen«, verkündete er gut gelaunt.

»Das ist gut. Wo befindet sich die Kutsche denn jetzt? Muss sie noch hergebracht werden?«

»Nee, die steht nebenan bei Bauer Tetze«, brummte der Schmied. »Ihr müsst nur die Pferde umspannen, dann kann’s losgehen.«

»Also, worauf warten Sie?« Harder sah den Kutscher verständnislos an. »Keine Zeit für ein Bier. Machen Sie schon!« Zuerst sah es so aus, als ob der widersprechen wollte, allerdings besann er sich und stapfte mit düsterer Miene an Harder vorbei hinaus ins Freie.

Nicht lange, dann rief er von draußen: »Bitt’ schön, Herr Kreisbaumeister, wir können fahren!« Harder bemerkte einen boshaften Ton in der Stimme des Kutschers, der ihm gar nicht behagte. Der gute Mann war ärgerlich, um den Genuss eines Bieres betrogen worden zu sein, das stand fest. Aber so war das nun einmal: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Während er selbst den Abend mit aufgebrachten Fischern zubringen würde, konnte der Fuhrmann es sich in einer Schenke bequem machen. Sollte er doch zufrieden sein.

»Auf Wiedersehen. Morgen werden wir auf dem Rückweg die Kutschen wieder tauschen«, sagte er zu dem Schmied, der wortlos nickte. »Dann sehen wir uns also wieder, Paul, und ich kann dir von der Brücke über den Bodden erzählen.« Der Junge nickte eifrig, warf dem Schmied einen raschen Blick zu und hockte sich wieder ans Feuer.

Als Harder gleich darauf vor die Schmiede trat, traf ihn beinahe der Schlag. »Was soll das sein?«

»Unser Wagen!« Die Schadenfreude war dem Kerl ins Gesicht geschrieben.

»Aber das ist keine Kutsche, das ist ein Leiterwagen. Damit kann man Rüben transportieren oder meinetwegen Kohl, aber doch keinen Menschen!«

»Wollen Sie pünktlich zur Ihrer Versammlung kommen, oder wollen Sie nicht?«

»Natürlich will ich, aber …«

»Meinen Sie mal nicht, dass es für mich bequem ist auf dem Pferderücken. Der Bauer hat für Sie sogar ein Kissen hineingelegt.«

Harders Laune hätte nicht übler sein können. Die Reise bis hierher über das Kopfsteinpflaster war schon in einer ordentlichen Kutsche eine Tortur gewesen. Wie sollte es erst werden, wenn er in dieser Karre hocken musste? Und sie hatten noch ein gutes Stück Weg vor sich! Verdrossen kletterte er in den einfachen hölzernen Wagen. Er hatte keine Wahl.

 

Als er das Gasthaus betrat, schmerzte jeder einzelne Knochen in seinem Leib, als hätte er soeben eine Begegnung mit finsteren Raufburschen überstanden. Es kostete ihn alle Kraft und Disziplin, zumindest halbwegs aufrecht zu gehen. Der Saal war bereits gut gefüllt, es mochten um die vierzig Männer sein, die sich vor einem Rednerpult versammelt hatten. Gewiss waren auch einige Bauern dabei, die Land bei Parchow, Wiek oder Altenkirchen besaßen und dessen Herausgabe für den Bau der Gleise verweigerten. Schon seit letztem Jahr verzögerte sich das Fortschreiten der Arbeiten wegen dieser Sturköpfe, die nun bestimmt hören wollten, wie der Stand der Dinge war. Der Raum war nicht eben groß, weshalb man auf Stühle verzichtet hatte. Die Männer unterhielten sich laut, debattierten und warfen ihm missmutige Blicke zu, als er eintrat. Harder erkannte die Vorsitzenden der Vereine der Berufsfischer zu Breege, zu Dranske und auch zu Wiek. Und dann entdeckte er auch Carl Utpatel, den alten Landarzt, der hier in Trent lebte. Der Anblick dieses Mannes war ein wahrer Lichtblick. Wenigstens einer, der ihm nicht mit purer Ablehnung begegnete, sondern sein Gehirn benutzte und die Sache logisch betrachtete. Harder nickte ihm zu, Utpatel hob die Hand zum Gruß und lächelte freundlich. Der Vorsitzende der Breeger Fischer, Hajo Stöwer, kam auf Harder zu. Der konnte den feisten Kerl nicht ausstehen, der sich stets in den Vordergrund drängte, sich anscheinend für den wichtigsten Menschen weit und breit hielt und auch in dieser Angelegenheit die Rolle des Anführers übernommen hatte. Wie er sich schon bewegte, den Wanst vor sich herschiebend, die Füße leicht nach außen gedreht, weil die Gelenke unter dem Gewicht bereits verformt waren, und die Ellenbogen stets leicht ausgestellt, als wolle er alles und jeden um sich herum zur Seite schieben.

»Da sind Sie ja endlich«, begrüßte Stöwer ihn gewohnt unhöflich und schlug ihm vertraulich auf die Schulter. Auch das war eine Eigenart von ihm, die Harder zur Weißglut treiben konnte. »Dann können wir wohl anfangen?«

»Guten Abend«, erwiderte Harder und sah ihn streng an. »Ein Unglück mit der Kutsche hat mich aufgehalten, aber mir ist nichts geschehen, danke der Nachfrage.« Keine Reaktion seines Gegenübers. »Gewiss können wir umgehend beginnen.«

Stöwer verschaffte sich Gehör, es kehrte Ruhe in den Saal ein. Kurz und bündig fasste er zusammen, warum vor einigen Wochen die Petition betreffend Erbauung einer festen Brücke über die Wittower Fähre eingebracht worden war. Harder hörte kaum hin. Er wusste ja, was in dieser Petition gestanden hatte. Neue Argumente waren nicht zu erwarten. So konzentrierte er sich also auf das, was er sich in den letzten Tagen zurechtgelegt und nahezu auswendig gelernt hatte.

Sobald er aufgefordert wurde, Stellung zu nehmen, begann er: »Hochverehrte Herren, zunächst danke ich Ihnen in aller Form für die Gelegenheit, hier vor Ihnen und vor allem mit Ihnen sprechen, Ihre Bedenken zur Kenntnis nehmen und Ihnen die Vorschläge und Pläne des Rügenschen Kreistages darlegen zu dürfen.«

»Unsere Bedenken kennt ihr doch, bloß interessieren sie euch nicht«, rief jemand dazwischen und erntete beifälliges Gemurmel.

»Bitte, meine Herren! Bedenken Sie eines: Wir sind keine Kontrahenten, davon bin ich zutiefst überzeugt. Wir alle haben doch ein gemeinsames Ziel, das Wohl der schönen Insel Rügen und ihre erfolgreiche Entwicklung für die Zukunft.«

»Dat hat dich in Stralsund doch noch nie nich interessiert«, brüllte ein Mann mit leuchtend roten Wangen und einer unfassbar breiten Nase.

Harder musste sich beherrschen, um dem Kerl und all den anderen feindseligen Männern nicht offen zu sagen, was er von ihnen und dieser Insel in Wahrheit hielt. Er atmete tief durch und sah, wie Utpatel dem Fischer mit dem roten Gesicht etwas zuflüsterte. Verstehen konnte er davon natürlich nichts, aber es hatte den Anschein, als sei der Mann zunächst ein wenig besänftigt. Harder nickte dem Arzt kaum merklich zu, um seine Dankbarkeit auszudrücken.

Er räusperte sich und fuhr fort: »Wie Sie wissen, hatten wir am neunten März eine Sitzung. Dort ist beschlossen worden, eine feste Brücke über die Wittower Fähre …« Weiter kam er nicht. Auf der Stelle erhoben alle Männer gleichzeitig die Stimme, protestierten, schimpften. Einer reckte gar die Faust in die Höhe. Harder war verwirrt. Mit Widerstand hatte er gerechnet, auch damit, dass dieser alles andere als gesittet vonstattengehen würde. Allerdings hatte er geglaubt, wenigstens ein paar Worte zu der Sitzung und den dort angestellten Überlegungen erklären zu können. Dass so früh der Sturm der Entrüstung über ihn hinwegfegen würde, überraschte ihn dann doch. Warum musste er hier stehen? Was hatte er sich zuschulden kommen lassen, dass es ausgerechnet ihn getroffen hatte?

»Wenn der Kreistag ernsthaft und unwiderruflich einen solchen Beschluss gefasst hat, sind ihm die wirtschaftlichen Folgen wohl nicht klar«, brüllte Stöwer und heimste Zustimmung ein.

»Genau, ihr Herren vom Kreistag habt doch keine Ahnung, was hier auf Rügen los ist«, schrie einer. Und dann gab es kein Halten mehr. Schon während des Brückenbaus würde ein solcher Lärm entstehen, dass die Fische gründlich in ihrer Wanderung gestört wären, was zu erheblicher Minderung des Fanges führen würde, hieß es. Der Kleine Jasmunder Bodden wurde ins Feld geführt. Seine Abtrennung vom Großen Jasmunder Bodden durch den Dammbau habe doch wohl gezeigt, zu welchen Schäden und Verlusten es für die Fischerei käme. Harder fragte sich, was der Damm, der ein Gewässer durchschnitt, mit einer Brücke gemein habe, die immerhin darüber hinwegführen würde, aber er kam nicht dazu, sich selbst eine Antwort zu geben, geschweige denn, diesen Einwand laut vorzubringen. Schon ging es weiter mit den Schimpftiraden. Die Heringe würden nicht mehr in die östlich der Fähre gelegenen Gewässer einschwimmen. Ganze Schwärme wären für die Fischer verloren, die dort ihrem Tagewerk nachgingen. Schließlich meinte ein kleiner, untersetzter Mann, den Harder zwischen den anderen kaum wahrnehmen konnte, das Geräusch der Bahn auf der Brücke würde die Fische in Aufruhr versetzen, sobald der regelmäßige Verkehr begonnen habe. Der Lärm würde sie unweigerlich vertreiben und zurück in die Ostsee scheuchen, wenn sie gerade in den Bodden einschwimmen wollten. So ging es weiter. Jeder ereiferte sich mehr als der Vorredner, dabei hatte keiner ein neues Argument vorzubringen. Sie seien die Geschädigten, erklärten die Berufsfischer wie mit einer Stimme.

»Erst den Bauern das Land und dann noch den Fischern ihr Auskommen wegnehmen, das haben wir gern!« Aha, hatte er es sich doch gedacht. Nun machten die Bauern mit den Fischern auch noch gemeinsame Sache.

»Wie wollt ihr uns entschädigen für das, was ihr da anrichtet?«, brüllte einer. Ein anderer rief: »Genau, für uns hat die olle Brücke keinen Vorteil. Wir wollen entschädigt werden!«

Harder fuhr sich erschöpft durch das schüttere silberne Haar. Wie weit konnte ein Ort oder eine Insel kommen, wenn jeder Bewohner nur nach seinem Nutzen schielte? Niemand hatte offenbar das Gemeinwohl und den Fortschritt im Sinn.

»Bitte, meine Herren!« Utpatel mischte sich ein. »Am besten, wir beruhigen uns alle wieder, sonst gibt es am Ende heute Abend noch Arbeit für mich. Das wäre mir gar nicht recht.« Er schmunzelte, wobei seine Mundwinkel die Wangen zu kleinen Kugeln zusammenschoben und die Augen sich zu Schlitzen verengten. Dem Herrn sei Dank, dass der alte Landarzt da war! »Die gewiss berechtigten Einwände gegen das geplante Bauprojekt zu äußern, das ist das eine. Das andere ist aber, Vorschläge zu machen, welche Lösung für euch die Bessere wäre.«

»Es ist doch sowieso schon beschlossen!« – »Wen interessiert denn, was für uns besser ist?« Wieder schwollen die Stimmen an und füllten den Saal, der inzwischen geschwängert war vom Rauch der Zigarren und Pfeifen.

»Wozu sind wir dann hier?«, wollte Utpatel listig wissen. »Der Herr Kreisbaumeister kann euch keine Entschädigungen zusagen, das wisst ihr. Was also wollt ihr von ihm?« Das Gemurmel wurde leiser.

Harder ergriff seine Chance: »Wenn Sie mir die Gelegenheit geben, meine Herren, will ich Ihnen gern mitteilen, welche Pläne es für die nahe Zukunft gibt. So ein Brückenbau, gegen den Sie gewiss richtige Bedenken haben, geht nicht von heute auf morgen vonstatten. Lassen Sie uns alle gemeinsam in weiteren Sitzungen darüber nachdenken, wie der Bau und die Brücke selbst am wenigsten schädlich für die Fischerei sein können.« Von dem erneut lauter werdenden Stimmengewirr ließ er sich nicht beeindrucken. »Zunächst wird aus der Kettenfähre, die heute bei Wittow den Bodden quert, eine Trajektverbindung. So sind die Überlegungen.«

»Eine wat?«, wollte jemand wissen.

»Eine Trajektverbindung. Die Züge werden auf Fähren verladen und auf das andere Ufer verschifft.« Er blickte in die Runde. »Denken Sie, meine Herren, die Fische werden sich daran gewöhnen?« Er lächelte schmal. Diese kleine Spitze hatte er sich nicht verkneifen können.

 

Utpatel schüttelte den Kopf. Ein hitziges Gemüt hatte noch niemandem geholfen. Hier im Saal waren allzu viele Herren, die ein solches ihr Eigen nennen durften. Warum bloß versuchten sie es nicht mit Humor? Er beobachtete den Kreisbaumeister Harder und spürte mit einem Mal ein zartes Zupfen an seinem Ärmel. Seine Tochter Anne stand neben ihm und machte ihm Zeichen, sich zu ihr herabzubeugen, damit sie ihm etwas ins Ohr flüstern konnte. Der ernste Gesichtsausdruck seiner Jüngsten alarmierte ihn augenblicklich. Wie es aussah, bekam er an diesem Abend doch noch zu tun. Als er gehört hatte, was geschehen war, nickte er Harder rasch zum Abschied zu.

»Dat gifft Arbeit. Ihr müsst nu ohne mich auskommen«, teilte er Stöwer mit und schob sich auch schon zwischen den Männern hindurch, die dicht an dicht vor dem Rednerpult standen. Wenn er mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache oder wie jetzt bereits woanders war, verfiel er meist in eine Mischung aus Platt- und Hochdeutsch. Anne wartete bereits vor der Tür auf ihn.

»Ich habe Mommsen zu Franzen geschickt. Wenn es gleich mehrere Verletzte gibt, können wir jede Hilfe gut gebrauchen«, ließ sie ihren Vater wissen.

»Hest fein mokt, Deern.«

»Schließlich will der Gräfliche Leibarzt hier nicht Urlaub machen, dachte ich mir. Kann er gleich mal sehen, womit du es hier dauernd zu tun hast.«

Carl Utpatel nickte und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das Mädchen hatte einiges von ihm, und das war ihm durchaus nicht unangenehm. Im Gegenteil, Anne war sein ganzer Stolz. Einer seiner Söhne war Fischer geworden, der andere bewirtschaftete das Gut seines Schwiegervaters, kümmerte sich um Getreidefelder und Vieh. Sie waren fleißige junge Männer, verstanden es aber nicht, sich für eine Sache einzusetzen oder sich voller Leidenschaft für etwas zu interessieren. Ihr Alltag war ihnen genug und füllte sie aus, weshalb Utpatel sich manches Mal um ihre Belange kümmerte und Versammlungen wie die am heutigen Abend besuchte. Während der Jüngere eine kleine Kate bei Schaprode bewohnte, lebte der Älteste ganz im Norden bei Altenkirchen, wohin er günstig geheiratet hatte. Anne hingegen dachte noch nicht an einen Bräutigam, obwohl sie das richtige Alter hatte. Sie wusste nichts mit den jungen Kerlen anzufangen, die den Kopf voller Flausen hatten oder von einer Frau lediglich erwarteten, dass sie ihnen ordentlich den Haushalt machte, sie im Bett beglückte und ihnen Kinder schenkte. Seine Kleine liebte es viel zu sehr, ihrem Vater zur Hand zu gehen, wenn ein Verband angelegt, eine Tinktur gebraut oder eine Medizin verabreicht werden musste. Es war erstaunlich, wie genau sie sich merken konnte, welche Arznei gegen welche Beschwerden hilfreich war, wie hoch die Dosis zu sein und über welchen Zeitraum die Einnahme zu erfolgen hatte. Auch war sie äußerst geschickt darin, seinen Patienten Spritzen zu geben oder ihnen Säfte einzuflößen, die wegen ihres schauderhaften Geschmacks bei den meisten Brechreiz hervorriefen. Nicht nur ihrem Vater war Anne eine große Hilfe. Auch für ihre Brüder war sie da, wann immer sie Zeit fand. Sie half dem Fischer Gerd beim Auspuken der Heringsnetze, eine Arbeit, die so manche junge Dame ablehnte, weil der Geruch noch tagelang an den Händen klebte. Anne konnte zupacken und zierte sich nicht. Vor allem hatte sie ein feines Gespür für Menschen. Titel, wie der des kürzlich angereisten Arztes Franzen, beeindruckten sie nicht. Das Gegenteil war der Fall. Sie beäugte den Neuankömmling, der ihren Vater unterstützen sollte, wenn der Eisenbahnbau nun auch im Westen der Insel voranging, äußerst skeptisch. Gewiss, es würde die eine oder andere Verletzung und womöglich auch mal einen Unfall geben. Das war beim Bau der ersten Strecken im Herzen und im Osten der Insel auch so gewesen. Trotzdem traute sie ihrem Vater noch immer zu, dass er allein damit fertig würde. Was das anging, nahm sie auch kein Blatt vor den Mund. Sie wusste sich zu benehmen, natürlich, aber Respekt brachte sie niemandem einfach so entgegen. Man musste ihn sich bei ihr verdienen. Kurz: Anne war ganz nach Utpatels Geschmack.

 

Sie erreichten die einfache Kate, in der sie lebten. Als Arzt hätte Utpatel ein stattliches Haus oder gar eine Villa, wie sie heute gebaut wurden, mit verschnörkeltem Balkon und Türmchen gut zu Gesicht gestanden, nur legte er auf diese Dinge nicht sehr viel Wert. Es wäre schon nett, sich und seiner Tochter ein hübscheres Zuhause zu gönnen, aber Utpatel fehlte die Zeit, sich darum zu kümmern. Außerdem war er alt. Für ihn lohnte es seiner Ansicht nach nicht mehr. Und Anne? Auch wenn es noch nicht danach aussah, konnte es doch bald geschehen, dass sie aus dem Haus ging. Es war Aufgabe eines zukünftigen Bräutigams, ihr ein bequemes Heim zu schaffen.

Der Fährmann Mommsen traf zusammen mit Franzen im selben Augenblick an der Kate ein.

»Dann man los«, rief er, ohne große Reden zu schwingen. Er ging wohl davon aus, dass Anne ihren Vater über alles unterrichtet hatte. Und unterwegs blieb auch noch genug Zeit.

»Ich hole nur rasch deine Tasche und deine Wathose«, sagte sie und verschwand in das Haus.

»Guten Abend«, sagte Franzen. Er trug einen schwarzen Gehrock über dem weißen Hemd.

»Guten Abend, werter Kollege. Nicht zu glauben, dass wir heute noch da rausmüssen, was? Gut, dass sich der Sturm ein wenig gelegt hat.«

»Mir scheint, er bläst noch immer recht kräftig.«

»Das nennen Sie kräftig? Warten Sie mal ab, Sie werden es hier auf Rügen noch mit ganz anderem Wetter zu tun kriegen.«

Franzen ging nicht darauf ein. »Der Fährmann sagt, es hat drüben auf Hiddensee einen Unfall gegeben. Wenn dieser Postdampfer tatsächlich gekentert ist, warum kümmert sich dann nicht der Arzt von Hiddensee um die Verletzten? Es dauert doch viel zu lang, bis wir von Rügen dort eintreffen.«

»Es dauert so lange, wie es dauert«, gab Utpatel zurück. Gerade wollte er weitersprechen, doch da trat Anne mit seinen Sachen aus dem Haus.

»Ich erkläre Ihnen später den Rest. Jetzt wollen wir keine Zeit mehr verlieren.«

Sie stiegen in den Wagen, Mommsen saß vorn auf dem Bock.

»Was will sie hier?«, fragte Franzen, als auch Anne in die Kutsche kletterte.

»Sie begleitet uns.«

»Wozu?«

»Um uns zu helfen.« Utpatel begann, in die Wathose zu steigen, was im Sitzen ein wenig umständlich war.

Franzen beobachtete ihn irritiert und wandte sich endlich an Anne selbst: »Können Sie das denn?«

»Glauben Sie, mein Vater würde mich sonst mitnehmen?«

»Sie assistiert mir immer. Sie werden sehen, Herr Kollege, schon bald wollen Sie sie nicht mehr missen.« Utpatel lächelte freundlich.

Den Rest der Fahrt herrschte Schweigen in der Kutsche.

 

»Gut festhalten«, brüllte Mommsen gegen den Wind, als sie wenig später im Segelboot beieinanderhockten, »die See ist ordentlich kabbelig. Das wird ’ne ziemlich ungemütliche Überfahrt.«

Anne sah zu Franzen hinüber. Der klammerte sich an der Sitzbank fest, auf der er, das Gesicht verkniffen und die Haut fahl, kauerte. Sie warf ihrem Vater einen vielsagenden Blick zu und konnte ein Grinsen nicht verbergen. Typische Landratte. Was wollte der hier auf Rügen? Nicht genug, dass er einer Frau offenbar nicht zutraute, sich nützlich machen zu können, erwies er sich auch noch als nicht seetüchtig. Sie zog ihren Mantel fester um sich und beobachtete das Segel, das von einer kräftigen Böe geschüttelt wurde.

»Keine Angst, Franzen, Mommsen ist ein erfahrener Fährmann. Der bringt uns sicher rüber nach Hiddensee. Kein Grund zur Sorge.« Annes Vater lachte seinen Kollegen aufmunternd an.

»Ich habe keine Angst«, gab dieser kurz zurück. »Mir bekommt nur das Segeln in so einem kleinen Kahn nicht gut. Außerdem ist es kalt und dunkel. Und Sie hätten mir sagen können, dass eine spezielle Bekleidung empfehlenswert ist. Der Stoff meines Gehrocks ist für diese Art von Beanspruchung nicht gemacht. Normalerweise bevorzuge ich das Übersetzen mit einer anständigen Fähre.«

»Nur gibt es zwischen Rügen und Hiddensee keine«, entgegnete Anne amüsiert, obwohl sie natürlich wusste, dass ihm diese für ihn unerfreuliche Tatsache bekannt war. »Selbst wenn Sie mit dem Salondampfer anreisen würden, müssten Sie ausgebootet werden.«

»Das weiß ich wohl«, wies Franzen sie augenblicklich zurecht. »Was ich noch immer nicht verstehe: Warum müssen wir den weiten Weg machen? Sagen Sie bloß nicht, dass es auf dem gottverlassenen Eiland da drüben keinen Arzt gibt!« Er sah Carl Utpatel erwartungsvoll an und schlug den Kragen seines Gehrocks zum wiederholten Male hoch.

»Das lohnt sich nicht«, warf Carl ein und zuckte mit den Schultern. »Wenn was ist, holen sie mich.«

»Sie nehmen mich auf den Arm! Ich hatte das eigentlich nicht ernst gemeint. Es ist vollkommen undenkbar, dass es auf Hiddensee keinen Arzt gibt.«

»Warum? Es dauert doch nicht lange, bis ich drüben bin. Weit ist der Weg ja nu wirklich nich.«

Das stimmte. Setzte man an der schmalsten Stelle von Seehof auf Rügen zur Fährinsel über, konnte man von Segeln oder einer Anreise kaum sprechen, so kurz war die Strecke. Normalerweise machte man sich am Ufer durch Rufen oder Winken bemerkbar, wenn man nach Hiddensee wollte. Der Fährmann, Mommsen oder ein anderer, legte dann mit dem Segelboot das kurze Stück zurück. Doch Anne und ihr Vater wurden meistens zu Hause abgeholt. Die Leute des kleinen Nachbareilands schickten den Fährmann, wann immer sie den alten Landarzt brauchten.

Auf der Fährinsel sprangen sie eilig aus dem Kahn. Franzen stellte sich ziemlich ungeschickt an. Beinahe wäre er gestürzt, jedenfalls dauerte es, bis er ihnen endlich die wenigen Schritte bis zur Fährbek folgte. An dem schmalen Wasserarm angekommen, raffte Anne ihren Rock. Mit der anderen Hand hielt sie eine Öllampe vor sich, so dass jeder sehen konnte, wo es entlangging.

»Was soll das jetzt werden?«, zeterte Franzen.

»Wir müssen durchs Wasser«, gab Carl schlicht zurück.

»Das hat mir keiner gesagt. Ich besitze Gummistiefel aus England. Die hätte ich anziehen können, wenn mir denn jemand mitgeteilt hätte, dass das sinnvoll ist.«

Anne seufzte. Auch der Saum ihres Rockes und Mantels würde vermutlich nass werden. Und ihre Stiefel waren keine exquisiten Stücke aus England, sondern einfache Exemplare aus dickem Leder mit besonders hohem Schaft, mehr nicht. Wie konnte sich ein Mann nur so anstellen? Und hatte Mommsen ihm nicht mitgeteilt, dass es nach Hiddensee ging? Jeder vernünftige Mensch, der im Besitz von Gummistiefeln war, hätte sie angezogen. »Soll ich Sie tragen?«, rutschte es ihr heraus.

»Das würden Sie tun?« Zum ersten Mal war die Überheblichkeit aus Franzens Stimme purem Erstaunen gewichen.

»Das war ein Scherz«, antwortete sie. Schon war sie im Wasser. Behutsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Gleich hatte sie das Ufer erreicht und sah auch bald ein Licht, das nicht weit von ihnen langsam von einer Seite zur anderen geschwenkt wurde. »Dort steht der Wagen, der uns nach Vitte bringt«, erklärte sie Franzen. »Sie haben es gleich geschafft.« Ein wenig tat er ihr doch leid. Mit offenen Schuhen unter den Stoffhosen war es gewiss kein Vergnügen, durch das noch sehr kalte Wasser der Ostsee zu waten. Zwar waren ihre Stiefel auch nicht völlig dicht, doch sie schützten natürlich weit besser als die feinen Halbschuhe des Arztes Franzen.

Der Postdampfer war, wie Gutspächter Ludewig erklärte, der mit der Kutsche auf sie wartete, offenbar in der Dunkelheit auf Grund gelaufen und hatte Schlagseite bekommen. Man hatte die Verletzten nach Vitte geschafft und notdürftig versorgt, soweit es eben möglich war.

»Nur gut, dass heute gleich zwei Doktoren hier sind«, verkündete Ludewig erleichtert. »Es gibt für Sie beide genug zu tun!«

Wieder vergingen nur Minuten, bis sie den kleinen Ort Vitte mit seinen strohgedeckten Häusern erreichten. Aus der Ferne konnte man ab und zu das Flackern des Leuchtfeuers auf dem Dornbusch erkennen.

»Wo habt ihr sie untergebracht?«, wollte Carl wissen.

»Bei Lehmann.«

»Das ist gut.«

Müller- und Bäckermeister Lehmann besaß ein großzügiges Hallenhaus, das größte seiner Art im Dorf. Als sich vor rund dreißig Jahren auch die Bauern von Hiddensee endlich von ihren Grundherren befreien konnten, war er ein junger Bursche gewesen, der ebenso pfiffig wie tüchtig war. Er hatte die Gunst der Zeit genutzt und es rasch zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Dabei hatte er niemals vergessen, wie schlecht es einem ergehen konnte, ohne dass man selbst Schuld daran trug. Darum half er, wo er konnte und es für angebracht hielt.

Bereits von weitem war der Lichtschein aus dem Fachwerkgebäude zu erkennen. Die Kutsche war noch nicht ganz zum Stehen gekommen, da sprang Anne bereits heraus, die Tasche ihres Vaters unter dem Arm. Der folgte ihr auf der Stelle. Dann stieg auch Franzen aus, der während der kurzen Fahrt auffällig still gewesen war. Seine Bewegungen waren langsam. Anne drehte sich nach ihm um und leuchtete ihn mit der Öllampe an. War sein Gesicht auf dem Boot fahl gewesen, so hatte es nun einen seltsamen Grünton angenommen. Sie ahnte, was geschehen würde.

»Hier, Vater«, rief sie und hielt ihm seine Utensilien entgegen. Er begriff sofort, nahm sie ihr ab und eilte hinter Ludewig her. Franzen stand noch immer neben der Kutsche. Er hielt sich fest, als seien sie noch auf einem schwankenden Segelboot oder in dem wackelnden und springenden Gefährt unterwegs. Plötzlich verdrehte er die Augen und gab eigenartige gluckernde Geräusche von sich. Anne stellte rasch die Lampe in den Sand, griff in letzter Sekunde die Schöße seines Gehrocks und hielt sie fest, während er sich nach vorn beugte und erbrach. Nun bedauerte sie ihn wirklich, wie er, mit nassen Beinkleidern und ebensolchen Schuhen, würgte und keuchte. Das war wahrlich kein guter Anfang für einen ehemals Gräflichen Leibarzt. Gern hätte sie ihm etwas Tröstendes gesagt, doch ihr kam in diesem Moment nichts in den Sinn, was passend gewesen wäre. Irgendwie hatte sie das Gefühl, es war ihm ohnehin lieber, wenn sie ihren Mund hielt.

»Anne!« Das war die Stimme ihres Vaters, die sie aus der peinlichen Situation rettete.

»Ich komme!« Franzen richtete sich auf. »Geht’s wieder?«, fragte Anne.

»Ja.« Er klang ein wenig heiser und sehr kühl.

»Ich muss hineingehen, meinem Vater helfen. Aber ich komme gleich zurück, wenn Sie wollen.«

»Nein!«, sagte Franzen scharf. Etwas freundlicher fügte er hinzu: »Ich komme zurecht.«

Anne war froh. »Also schön«, sagte sie ein bisschen zu fröhlich, »dann gehe ich mal.«

»Anne!« Es war das erste Mal, dass er sie bei ihrem Namen nannte. Und dann auch noch bei ihrem Vornamen. Es fiel ihm gar nicht ein, sie Fräulein Utpatel zu nennen, wie es sich gehört hätte.

»Ja?«

»Kein Wort zu irgendjemandem.«

»Bitte?«

»Sie haben schon verstanden. Wenn Sie gleich allen brühwarm erzählen müssen, dass der neue Arzt nicht seetüchtig ist, wird Ihnen das schnell leidtun. Ich bin ein umgänglicher Mensch, aber ich kann auch äußerst unangenehm werden, wenn ich will.« Letzteres glaubte sie ihm sofort.

»Anne, wo bleibst du denn?« Das war wieder ihr Vater. Nun drängte auch der Rest von Franzens Mageninhalt mit aller Macht ins Freie. Sie nutzte die Gelegenheit und lief ins Haus.

Am Kopf der Lehmannschen Diele loderte ein Feuer. Anne war durch das Seitentor eingetreten und ging direkt darauf zu. Man hatte die fünf Verletzten vor der Feuerstelle auf Strohlager gebettet.

»Da bist du endlich. Wo hast du nur so lange gesteckt?« Ein kurzer kritischer Blick von ihrem Vater, der, über ein gebrochenes Bein gebeugt, am Boden kniete.

»Entschuldige bitte«, murmelte sie. Rasch verschaffte sie sich einen Überblick. Den hier hatte es am Bein erwischt, und er blutete am Arm. Neben ihm lag ein Mann in einer sehr eigenwilligen Haltung. Gewiss hatte er sich die Schulter ausgekugelt. Es gab Quetschungen und Schürfwunden, eine Frau hatte eine Verbrennung von einer Öllampe erlitten, und ein Metallstab hatte sich in die Hüfte eines Jungen gebohrt. Dazu war der Schreck offenbar allen derart in die Glieder gefahren, dass sie schlotterten, kreidebleich waren und über Übelkeit klagten. Sie klebte ein Arzneipflaster und war froh, dass sie vom Apotheker erst gerade neue hatte kochen lassen. Außerdem holte sie den Hoffmannsgeist hervor, ließ sich von Lehmanns Mädchen einige Becher mit Wasser bringen, gab jeweils einige Tropfen davon hinein und reichte sie dann den Patienten. Das würde deren Übelkeit bekämpfen und sie ein wenig beruhigen. In dem Moment, als sie den letzten Becher Kapitän Heinrich reichte, den sie erst jetzt erkannte – er hatte sich die Schulter verdreht –, betrat Franzen die Diele.

»Bring mir noch einen Becher, Rieke«, rief sie dem Mädchen zu, während sie ihrem Vater eine Rolle Verband reichte. »Danke.« Sie träufelte etwas von dem Hoffmannsgeist in das Wasser und hielt es Franzen entgegen. »Hier, trinken Sie!«

»Warum? Was soll das?«, zischte er Anne an und erntete dafür einen missbilligenden Blick ihres Vaters.

Anne dagegen erschrak. Hatte er sie nicht eben gebeten, niemandem zu erzählen, dass er sich übergeben hatte? Sie meinte es nur gut, doch wenn sie ihm nun Hoffmannsgeist anbot, wusste jeder, wie schlecht es ihm wirklich ging.

»Nur ein Glas Wasser«, sagte sie eilig und sah ihm in die Augen. »Das tut gut nach der unbequemen Anreise.« Sie lächelte, dann kümmerte sie sich wieder um ihre Arbeit. Wahrscheinlich hatte niemand gesehen, wie sie die Tropfen in das Wasser gegeben hatte. So konnte sie sich geschickt aus der Affäre ziehen.

»Mann, Heinrich, wie konnte das bloß passieren?« Ihr Vater wandte sich gerade an den Kapitän des Postdampfers und nahm seine Schulter, die höchst merkwürdig aussah, gründlich unter die Lupe. Sobald er den rechten Arm des Mannes, der vor vielen Jahren von Rügen nach Hiddensee gezogen war, nur berührte, zuckten dessen Mundwinkel verräterisch. Er hatte große Schmerzen, das lag auf der Hand.

»Wir sind schon viel zu spät losgekommen von Stralsund«, berichtete der Kapitän. »Und dann bin ich in der Dunkelheit wohl aus dem Fahrwasser und ein bisschen zu nah ans Ufer geraten.« Er schnaubte. »Es war einfach kein glücklicher Tag. Von Anfang an nicht.«

»Immerhin sind alle am Leben«, tröstete Anne ihn.

»Wir müssen deine Schulter wieder zurechtbiegen, Heinrich, das wird weh tun.«

»So schlimm wird’s wohl nich werden«, brummte der.

»Doch, ich fürchte, das wird es«, beharrte Carl. »Also los, Anne, dann wollen wir mal«, forderte er sie auf. Anne wusste, was sie zu tun hatte, erhob sich, stellte sich mit dem Rücken zum Patienten und drückte ihre Ferse in seine Achselhöhle. Ihr Vater wechselte ebenfalls die Position und packte Heinrichs rechte Hand. »Auf drei«, gab er das Kommando.

»Halt!« Franzen, der bisher nichts getan hatte, außer das mit Hoffmannsgeist versetzte Wasser zu trinken und sich hilflos umzusehen, meldete sich zu Wort. »Sie wollen doch wohl eine ausgekugelte Schulter nicht mit dieser mittelalterlichen Technik wieder in die rechte Position bringen.«

»Warum nicht?« Carl sah seinen Kollegen neugierig an. »Gibt es inzwischen eine bessere Methode als die des guten alten Hippokrates? Dann bin ich begierig, sie zu lernen.« Anne wusste, dass er es so meinte, wie er es sagte. Ihr Vater war immer in höchstem Maße interessiert an neuen Techniken oder Arzneien. Gewiss war es ernst und ganz bestimmt nicht ironisch gemeint.

»Mit Knochen kenne ich mich aus.« Stolz schwang in Franzens Stimme, als ob das für einen Arzt etwas Ungewöhnliches sei. »Ihre Tochter brauchen Sie nicht, wenn Sie eine Stuhllehne als Widerlager nehmen. Überhaupt, was steht sie da herum, statt sich um anderes zu kümmern? Sie können doch auch Ihren eigenen Fuß als Hebel benutzen.«

»Bei allem Respekt, werter Kollege, aber dem armen Heinrich eine Stuhllehne unter die Achselhöhle zu schieben, das scheint mir nicht die beste Idee zu sein. Der Stuhl rutscht doch weg.«

»Nicht, wenn der Patient darauf sitzt«, gab Franzen in einem Ton zurück, der deutlich machte, was er von den Kenntnissen seines Kollegen hielt.

»Sie wollen den Verletzten auf einen Stuhl hieven?« Carl starrte ihn an. »Brillante Idee!« Er holte tief Luft. Entweder würde er im nächsten Moment explodieren oder die Sache mit Humor nehmen. Wie so oft entschied er sich für den Humor. »Lieber Kollege Franzen, meine Tochter und ich haben die Methode des Hippokrates raffiniert verfeinert. Statt den Patienten zu betäuben, nimmt meine Tochter die Position ein, in der sie ihm ihre Kehrseite zuwendet. Der Anblick dieses niedlichen Hinterteils lenkt ihn derart ab, dass er gar nicht merkt, wie ich am Arm ziehe.« Er feixte.

»Aber Papa!« Anne war entrüstet.

»Könnt ihr euch mal über die beste Methode einigen und die Sache erledigen?«, meldete sich Heinrich zu Wort.

»Natürlich, hast recht, entschuldige.« Carl sah Anne kurz an. »Auf drei«, sagte er dann noch einmal.

 

Gut zwei Stunden später war die Arbeit getan, die Verletzten waren versorgt. Der Metallstab in der Hüfte war die härteste Nuss gewesen. Zwar hatte ihr Vater sie mit einem beherzten Ruck herausgezogen, doch es war längst nicht sicher, ob sich die Wunde womöglich entzünden würde. Gottlob war der kleine Patient sehr tapfer. Er hatte ein paar Tränen vergossen, sich aber recht schnell beruhigt und dann verkündet, es sei gar nicht so schlimm. Dabei war jedem klar, dass er die größten Schmerzen auszuhalten hatte. Franzen hatte nichts Sinnvolles getan oder irgendwo Hand angelegt, aber er hatte kluge Reden geführt und wusste alles besser. Vor allem über die Art, wie Carl das Metallstück entfernt hatte, hatte er sich ereifert. Das würde der Junge nicht überleben, niemals. Viel schien ihm das jedoch nicht auszumachen, sonst hätte er doch wohl eingegriffen, dachte Anne.

»Fürs Erste sind wir fertig«, verkündete Franzen zufrieden, als alle Verbände angelegt und sämtliche Knochen gerichtet waren. Anne zog eine Augenbraue hoch. Ihr lag eine Antwort auf der Zunge, doch ihr Vater kam ihr zuvor.

»Das meine ich auch. Ich werde mein Lager hier am Feuer aufschlagen. Dann bin ich zur Stelle, falls einer etwas braucht.«

»Ich lege mich auch hierher«, stimmte Anne zu.

»Wir bleiben über Nacht hier?« Franzen war wie vom Donner gerührt. Anne war überrascht. Hätte er nicht erleichtert sein müssen, dass ihm an diesem Abend der Rückweg mit Kutschen über Kopfsteinpflaster, zu Fuß durch die Fährbek und mit dem Segelboot hinüber nach Rügen erspart blieb? Sie verstand die Welt nicht mehr. »Ja, gibt es denn hier überhaupt anständige Matratzen und gute Federbetten für uns?«

Sie rollte mit den Augen. »Für mich reicht ein Lager aus Stroh. Die Hauptsache, ich bin bei den Verletzten«, sagte sie vernehmlich.

»Nein, Kind, lege du dich nur in die Gesindekammer. Dort gibt es eine Matratze für dich. Es ist genug, wenn ich die Stellung halte.«

Anne wollte widersprechen, doch ihr Vater ließ ihre Einwände nicht gelten. Franzen, der eine der Stuben am Kopf des Hauses gleich hinter der Feuerstelle für sich allein zugewiesen bekam, ließen sie einfach stehen und kümmerten sich nicht mehr um ihn. Er trat noch eine Weile von einem Fuß auf den anderen, dann zog er sich zurück. Nicht ohne das Mädchen des Bäckermeisters Lehmann mit sich zu nehmen.

»Sie können meine nassen Kleider und Schuhe ans Feuer bringen, damit sie über Nacht trocknen. Sonst hole ich mir noch den Tod«, ordnete er an.

»Und das wäre ein Jammer«, flüsterte Anne.

»Versündige dich nicht, Kind«, antwortete Carl und brach gleich darauf in schallendes Gelächter aus.

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2

Gerd, du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie dösig sich dieser Kerl aufgeführt hat!« Anne stand vor der Kate ihres jüngsten Bruders hinter einem langen Holztisch und half ihm beim Auspuken der Heringe. Nicht mehr lange, dann war die Saison vorüber, und die kleinen delikaten Fische waren nicht länger Gast in den Netzen. Die Sonne hatte Kraft, kaum dass sie aufgegangen war, es würde ein milder Tag werden. Annes Gemüt konnte das nicht beruhigen. Sobald sie sich an die Nacht auf Hiddensee vor drei Tagen erinnerte, geriet sie auf der Stelle wieder in Rage. »Nicht einen Handschlag hat er Vater oder mir abgenommen, aber das Maul hat er aufgerissen, als wäre er Hippokrates persönlich.«

»Du weißt, wie diese Klookschieter vom Festland sind«, versuchte Gerd sie zu besänftigen. »Das ist doch nichts Neues.«

»Das macht es nicht besser. Immerhin ist Franzen hier, um Vater zu unterstützen, wenn es mit dem Eisenbahnbau vorangeht. Wenn er sich immer so anstellt, ist er alles andere als eine Hilfe.« Sie seufzte. »Nicht, dass wir ihn brauchen würden. Wir kommen gewiss auch ohne ihn bestens zurecht. Aber einen, der ständig im Weg herumsteht, den brauchen wir schon dreimal nicht.« Es tat gut, ihrem Zorn über diesen aufgeblasenen Festland-Arzt Luft zu machen. Gleichzeitig beherrschte sie sich und verriet ihrem Bruder nicht, wie elend es Franzen nach dem nur kurzen Stück in einem Segelboot ergangen war. Gerd hätte seinen Spaß an ihren Schilderungen, das wusste sie, aber Franzen hatte ihr nun einmal das Versprechen abgenommen, zu schweigen. Als ob es etwas Schlimmes wäre, wenn es einem mal nicht gutging. So richtig verstand sie seine Aufregung nicht. Nur, versprochen war eben versprochen, und daran würde sie sich halten.

Die letzte Nacht hatte Gerd einen guten Fang beschert. Unzählige silbergraue Leiber lagen bereits in Fässern und Wannen. Noch immer zappelten weitere in den groben Maschen des Netzes. Anne beherrschte die Arbeit wie im Schlaf. Sie schloss ihre Hand behutsam um die kalten, feuchten Fische und zupfte einen nach dem anderen aus dem Geflecht.

»Ach, Gerd, wärst du bloß Arzt geworden wie unser Vater. Dann könnten wir uns zu dritt um die Patienten kümmern, und niemand käme auf die Idee, dass wir Unterstützung vom Festland brauchen.« Sie schnaubte.

»Nee, das wär nix für mich gewesen«, erwiderte Gerd lachend. »Du weißt doch, dass mein Versagen im Schönschreiben die einzige Leistung im Pädagogium war, die mich für den Arztberuf qualifiziert hätte.«

»Was ich weiß, ist, dass du sowohl in Latein und Griechisch als auch in Naturgeschichte und Mathematik glänzend abgeschnitten hast.«

»Nur hat mir die Theorie nie viel Freude gemacht, Schwesterchen. Es ist schon alles gut, wie es ist.«

Die Wahrheit war, dass Gerd seinen großen Bruder Hinnerk bewunderte und ihm stets in allem, was er tat, nacheiferte. Hinnerk wiederum würde wahrscheinlich so ziemlich alles tun, nur nicht das, was sein Vater ihm vormachte. Jedenfalls, seit er Hulda geheiratet hatte. Sie war die Tochter eines Bauern in vierter Generation, und ihr Vater konnte Studierte nicht ausstehen. Nur ein ehrlicher Beruf, wie eben der des Bauern, des Schmieds oder Tischlers oder vielleicht noch der eines Kapitäns, galt etwas in seinen Augen. Also hatte Hinnerk das Handwerk seines Schwiegervaters erlernt, woraufhin Gerd augenblicklich das Gymnasium abgebrochen hatte, auf das er nach dem Abschluss des Königlichen Pädagogiums zu Putbus gegangen war. Er hatte sich der Fischerei zugewandt und eine Kate bei Schaprode bezogen, wo er seither tätig war. Immerhin versorgte er mit diesem Beruf die Menschen mit dem, was sie zum Leben brauchten, wie sein großer Bruder auch. Schon eigenartig, welche Wege das Schicksal manchmal ging, dachte Anne.

»Wer weiß«, sagte Gerd in ihre Gedanken, »vielleicht ist er gar nicht so übel. Womöglich kannst du ihn am Ende noch gut leiden.«

»Wen?«, fragte sie gedehnt, obwohl sie natürlich wusste, von wem ihr Bruder sprach.

»Diesen Franzen.«

»Nie im Leben!«

»Das dachte ich auch, als ich Ulla kennengelernt habe. Erinnerst du dich nicht mehr?«

Natürlich erinnerte sie sich. Es war ja nicht lange her. Ulla, ein zartes Geschöpf von der Halbinsel Mönchgut im Osten Rügens, war im Winter 1895 mit ihren Eltern zu Besuch bei Tante und Onkel in Trent gewesen. Man wollte eine Tanne für das bevorstehende Weihnachtsfest schlagen, das man gemeinsam zu feiern gedachte. Ulla war dagegen. Sie hatte auf Hiddensee einmal einen Bügelbaum gesehen und sich in den Kopf gesetzt, dass es in diesem Jahr zum Fest einen solchen geben sollte.

»Wie könnte ich wohl vergessen, wie du über eure erste Begegnung gesprochen hast?« Anne lachte. »Wie hast du sie noch genannt, eine verbohrte Gans, die jedermann um den Verstand bringt?«

Auch Gerd musste lachen. »Lass sie das bloß nie hören! Auf der anderen Seite habe ich ihr oft genug gesagt, wie schrecklich sie mir damals auf die Nerven gegangen ist. Und dass sie jeden Mann um den Verstand bringen kann, unterzeichne ich noch heute.« Seine Augen glänzten. Beinahe ein halbes Jahr lag diese erste Begegnung der beiden nun zurück. Es war nicht zu übersehen, dass er seine Meinung über sie längst gründlich geändert und sich in sie verliebt hatte.

»Wenn jeder eine Tanne hat, will ich einen Bügelbaum«, ahmte Anne den Tonfall nach, dessen ihr Bruder sich zu gerne bediente, wenn er die Rolle von Ulla übernahm. Er konnte es besser als sie und klang jedes Mal wie ein störrisches Kind. »Fast den ganzen Ort hat sie gegen sich aufgebracht, weil sie überall nach eisernen Fassreifen oder Weidenruten gefragt hat.«

»Und diese kleine Schere, mit der sie sich schließlich auf den Weg machte, selbst Weidenäste zu schneiden!« Gerd schüttelte den Kopf bei der Erinnerung. »Alle haben über sie gelacht.«

»Du nicht. Du hast sie ernst genommen.«

»Es war ihr ernst, das war doch wohl nicht zu übersehen. Leiden konnte ich sie deswegen noch lange nicht.«

»Lange nicht?«, neckte Anne ihn. »Davon kann wohl kaum die Rede sein.«

»Du sagst es selbst, ich habe sie nicht ausgelacht, sondern ihr eine Säge gegeben. Das hatte nichts damit zu tun, dass ich sie schon damals leiden konnte. Ich dachte lediglich, wenn sie ihren Willen bekommt, gibt sie wenigstens Ruhe. Als ich sie fragte, ob sie mit der Säge umgehen könne, hat sie mir ordentlich die Leviten gelesen. Überzeugt hat sie mich allerdings nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Weibsbild mit Werkzeug umgehen kann. Meine Schwester ausgenommen«, fügte er rasch hinzu, bevor er einen Knuff von Anne einfing.

»Aus gutem Grund hast du Vater gebeten, sich bereitzuhalten.« Auch Anne schüttelte nun den Kopf. »Was hast du dir damals nur dabei gedacht? Sie hätte sich ernsthaft verletzen können, du hättest ihr helfen müssen.«

»Habe ich doch.« Gerd lächelte sie scheinheilig an. »Mit der Schere wäre das nie etwas geworden, mit der Säge dagegen hat sie es hinbekommen.«

»Es war mehr als leichtsinnig. Und das weißt du.«

»Ich dachte doch, sie würde endlich ihr Vorhaben aufgeben, aber das hat sie nicht. Als sie mir das Werkzeug zurückbrachte, waren ihre Wangen ganz rot, und ihre Augen haben gestrahlt. Sie war so stolz, dass sie es geschafft hat«, schwärmte er. »Ich werde nie vergessen, was sie zu mir gesagt hat: Diese Zweige wird die Weide nicht vermissen, und es lässt sich gewiss ein hübscher Bügelbaum daraus machen. Warum also hätten wir eine Tanne umlegen sollen, die damit für immer verloren wäre? Es ging ihr gar nicht darum, etwas anderes zu haben als alle anderen. Sie wollte die Tanne retten. So ist meine Ulla. Selbst eine Fliege würde sie beschützen.« Anne zog den letzten Hering aus dem Netz. »Sie ist ein wundervolles Mädchen! Wenn sie nur nicht von Mönchgut wäre.« Gerd seufzte, während er den hölzernen Karren mit Fisch belud.

»Ihr Vater will also noch immer nichts von dir wissen?« Ein angenehmer leichter Wind wehte von der Udarser Wiek herüber.

»Für ihn kommt nur einer in Frage, der auf Mönchgut geboren wurde. Dieser alte Sturkopp ist eben ein Mann der Traditionen.« Er verdrehte ärgerlich die Augen.

»Unsinn, ein unverbesserlicher Griesgram ist er. Dass ein Mann enterbt wird, wenn er ein Mädchen heiratet, das nicht von Mönchgut kommt, das hat man schon gehört.« Nach einer Pause fügte sie hinzu: »In Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Umgekehrt ist es vorgekommen, dass ein Mädchen von der Halbinsel einen aus dem Westen genommen hat, ohne dass die Familien einen Einwand gehabt hätten. Heutzutage allemal. Will das denn noch immer nicht in seinen Schädel?«

»Immerhin droht er nicht mehr, seine Tochter zu verleugnen, wenn Ulla sich endgültig für mich entscheidet. Das ist ein Anfang.« Gerd warf einige Fische auf den Tisch zurück, einer schlitterte über die Platte und fiel am anderen Ende in das Gras.

»Nicht so stürmisch, Bruderherz.« Anne bückte sich und hob den Hering auf.

»Mehr passt nicht in die Karre. Bring den Rest nur in die Salzhütte. Ich kümmere mich darum, wenn ich aus Bergen zurück bin.«

Sie tat, worum er sie gebeten hatte. Es wäre gut, wenn er endlich eine Frau an seiner Seite hätte, ging es ihr durch den Kopf. Auch dann würde sie ihm weiterhin helfen, aber immer hatte sie natürlich keine Zeit für ihn, und er stand nicht selten ganz allein da. Dabei war die Arbeit zu viel für einen Mann. Aus gutem Grund hatten sich die Fischer, zum Beispiel oben in Sassnitz, zu kleinen Gemeinschaften zusammengetan. Sie konnten einander beim Bearbeiten und Spinnen des Flachses, beim Stricken der Netze und beim Räuchern und Einsalzen der Fische helfen. Zwei Mann zogen währenddessen mit den Fischkarren los, um fangfrisch zu verkaufen, was das Meer ihnen am frühen Morgen geschenkt hatte. Ging ein Boot entzwei, so kümmerte man sich gemeinschaftlich darum. Gerd jedoch erledigte alles allein. Die Hilfe, die er von ihr bekam, war ein Hauch inmitten eines Sturmes.

Nachdem Gerd sich auf den Weg zum Markt gemacht hatte, war es auch für sie Zeit, nach Hause zu gehen. Vielleicht konnte sie morgen zurückkehren und ihm helfen, die Heringe auszunehmen und einzusalzen. Zwar war das eine Beschäftigung, die sie nicht ausstehen konnte, aber das spielte keine Rolle. In einer Familie half man sich nun einmal. Ganz gleich, was es zu tun gab.

Die Sonne schien inzwischen kräftig. Anne genoss die Wärme auf der Haut. Sie beeilte sich, denn es lagen immerhin gut sechs Kilometer zwischen der Kate ihres Bruders und der ihres Vaters. Wenn sie trödelte, bekäme sie das Mittagessen nicht rechtzeitig auf den Tisch. Trotzdem erfreute sie sich an dem morgendlichen Gesang der Vögel und an den Insekten, die um sie herumschwirrten und die Luft mit ihrem Summen erfüllten. Während sie neben der Kopfsteinstraße entlanglief, dachte sie darüber nach, wie ihr Bruder auf seine Angebetete zu sprechen gekommen war. Es war eigentlich um Franzen gegangen.

»Womöglich kannst du ihn am Ende noch gut leiden«, hatte Gerd gesagt. Und dann hatte er von der ersten Begegnung zwischen ihm und Ulla erzählt, was er sehr gerne tat. Hatte er andeuten wollen, sie könne sich in Franzen verlieben? Bei dem Gedanken entfuhr ihr ein spöttisches Lachen. Niemals. Ihr Bruder kannte ihn noch nicht, sonst hätte er so etwas gar nicht in Erwägung gezogen. Sie gab einem Stein, der auf ihrem Weg lag, einen kleinen Stoß mit der Schuhspitze und sah ihm nach, wie er über den festen Sandboden hüpfte und schließlich in ein Weizenfeld sprang. Ihr kam wieder der Glanz in Gerds Augen in den Sinn, sobald er von Ulla sprach. Wenn die beiden nur bald ein Paar werden könnten. Sie wünschte es ihnen wirklich von Herzen. Mehr, als sie sich einen Verehrer für sich selbst wünschte. Schön, es wäre gewiss nett, wenn da jemand wäre. Nur fragte sie sich, woher der wohl kommen sollte. Die Burschen aus dem Ort kamen nicht in Frage. Und es gab auch keinen, der fortgegangen war, um das Gymnasium und die Universität zu besuchen, und nun zurückkehren würde. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn ihr Vater sie mit nach Putbus ins Theater nahm, erschien es ihr ebenfalls unwahrscheinlich, die Bekanntschaft mit einem gebildeten und vor allem angenehmen jungen Mann zu machen. Blieb nur noch einer, der sich vom Festland auf die Insel verirrte. Doch so einer konnte ihr gestohlen bleiben.

 

Schon von weitem sah sie die stattliche Spitze von St. Katharinen, die auf einer runden Turmhaube saß. Bald darauf erreichte sie die Utpatelsche Kate, deren Rohrdach im Winter ordentlich Moos angesetzt hatte. Von der Diele lief sie direkt in die offene Wohnküche. Das Herz des großzügigen Raumes war eine alte Feuerstelle, über der sie noch immer Wasser erhitzten oder im Winter auch mal einen Topf mit Suppe hängen hatten. Anne mochte das offene Feuer, weil es Wärme verströmte und auch Behaglichkeit, ihr ganzer Stolz jedoch war der gusseiserne Kohleherd, auf dem sie mehrere Töpfe oder Pfannen gleichzeitig stehen haben konnte. Bevor sie dort Wasser für einen deftigen Eintopf aufsetzen wollte, würde sie rasch den Fisch ausnehmen, den ihr Bruder ihr mitgegeben hatte. Ihr Vater liebte Bratheringe. Die würde sie vorbereiten, ging es ihr durch den Kopf, als sie die Küche betrat.

»Oh, Entschuldigung.« Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Vater zu Hause war und obendrein einen Gast hatte, so blieb sie wie angewurzelt stehen. »Ich dachte, du wärst bei Patienten.«

Der Fremde, der ihrem Vater gegenübergesessen hatte, erhob sich.

»Darf ich vorstellen? Das ist meine Tochter Anne, von der ich Ihnen ja schon einiges erzählt habe. Anne, das ist Bernd Vogel, ein Kollege aus Binz.«

»Bernd Vogel«, sagte dieser und deutete eine Verbeugung an. »Ich bin Arzt in Binz. Es freut mich, Sie kennenzulernen. Ihr Vater hat mir schon viel von Ihnen erzählt.«

»Guten Tag«, sagte Anne und fragte sich, ob er immer alles wiederholte, was gerade jemand anderes gesagt hatte. »Sie arbeiten in Binz? Merkwürdig, ich habe noch gar nichts von Ihnen gehört.« Sie sah ihren Vater nachdenklich an. Hatte er schon von ihm gesprochen? Für gewöhnlich hatte sie die Namen aller Ärzte, die auf der Insel ansässig waren, zumindest mal gehört.

»Gar nicht merkwürdig«, widersprach Vogel. »Ich bin erst seit etwa einem Jahr als Badearzt dort. Davor war ich in Stettin und Greifswald tätig.«

»So.« Aha, einer vom Festland. Hoffentlich meinte der nicht auch, ihrem Vater ins Handwerk pfuschen zu müssen. »Ich wollte nicht stören. Ich kann mich auch später um das Essen kümmern.« Ihr fiel auf, dass sie noch immer, die in Papier gewickelten Fische in der Hand, mitten in der Küche stand.

»Du störst doch nicht, Mädchen«, sagte Carl, der damit beschäftigt war, sich eine Pfeife anzuzünden.

»Nein, Sie stören überhaupt nicht«, bekräftigte Vogel und nahm wieder Platz. Er schien wahrhaftig gern das nachzuplappern, was ein anderer bereits vor ihm gesagt hatte.

»Gut möglich, dass der Fisch stört«, wandte sie ein und legte ihr Päckchen auf dem Arbeitstisch neben dem Herd ab. »So würzig der Hering einmal schmecken wird, so würzig riecht er auch.«

»Da läuft einem doch das Wasser im Mund zusammen, was, Vogel? Apropos, leisten Sie uns zum Essen Gesellschaft, Herr Kollege?«

»Den Brathering gibt es aber erst morgen«, platzte Anne dazwischen. »Für heute habe ich nur Eintopf vorgesehen.«

»An einem Eintopf ist doch nichts Schlechtes.« Dieser Vogel sah sie freundlich an. Er hatte braune Augen und hellblondes Haar, das sich ganz leicht wellte. Ein hübscher Kerl, das musste sie zugeben. »Ich bleibe gern, wenn es keine Umstände macht.«

»Was sollten das wohl für Umstände sein?« Carl schüttelte den Kopf. »Wo waren wir stehengeblieben?«

Anne schnappte sich einen Eimer und ging hinaus, um Wasser zu holen. Wo kamen nur plötzlich all die Ärzte her?, fragte sie sich. War der Bau der Eisenbahn denn so gefährlich, dass alle meinten, hier gäbe es demnächst gut zu verdienen? Wenn die Bahlbecksche es wieder mit den Hämorrhoiden zu tun oder der Hofstellersche einen Gichtanfall hatte, dann lockte das keinen der Kollegen in den Osten der Insel. Dann blieb der Herr Badearzt lieber in Binz bei den gutbetuchten Bankiers, Juristen und Industriellen, die seit einigen Jahren in wachsender Zahl in den sogenannten Badeort kamen. Ein Badeort, was sollte das überhaupt sein? Sie hatte den Eimer mit frischem Wasser gefüllt und ging zurück ins Haus, obwohl sie keinen besonderen Wert auf die Gesellschaft des Fremden legte. Lieber hätte sie sich draußen um den kleinen Garten gekümmert, in dem es immer etwas zu tun gab.

»Der letzte Abschnitt, den man in Betrieb genommen hat, war gewiss einer der schwierigsten«, sagte Vogel gerade, als Anne wieder in die Wohnküche kam. »Immerhin galt es, den Höhenzug der Granitz zu überwinden. Sie sollten sich die Strecke wirklich einmal ansehen, Herr Dr. Utpatel. Es ist faszinierend, wie diese Schmalspurbahn es schafft, die engen Kurven zu nehmen. Das wäre mit der Normalspur gar nicht möglich.«

Sie ließ den Fisch mit einem klatschenden Geräusch auf ein großes Holzbrett fallen. Aus Vogels Stimme klang die pure Begeisterung. Natürlich, vielen Leuten galt die Eisenbahn heutzutage als schick und fortschrittlich. Anne fand, es ging bisher auch ohne ganz gut. Für eine große Entfernung, wie etwa von Berlin bis nach Stralsund, ja, da war so ein Verkehrsmittel bestimmt eine gute Sache. Aber wer brauchte so etwas auf einem kurzen Stück, wie dem zwischen Binz und Sellin? Sie hielt ein Pferdegespann für viel praktischer, wenn man nicht ohnehin zu Fuß gehen mochte.

»Die Kleinbahn mit der geringeren Spurweite von nur siebenhundertfünfzig Millimetern ist eine perfekte Lösung. Nicht nur für die Granitz, sondern überhaupt für viele Regionen der Insel«, referierte Vogel weiter. »Bedenken Sie, dass sie damit nur halb so breit ist wie die uns bisher vertraute Schiene.« Er sah die beiden erwartungsvoll an. Obwohl sie sich nicht unbedingt beeindruckt zeigten, fuhr er fort: »Die Firma, die den Zuschlag für die Bauarbeiten bekommen hat, ist diesbezüglich äußerst erfahren. Das ist gut, denn so sind auch schon Lokomotiven für ebendiese Spurweite vorhanden, die rasch nach Rügen gebracht werden können. In vier Tagen wird der Abschnitt bis nach Sellin Ost in Betrieb genommen. Sie sollten sich das nicht entgehen lassen. Ich werde es jedenfalls nicht und habe mir bereits mein Billett reserviert.«

»Gratulation«, entfuhr es Anne. Sie schlug einem Hering den Kopf ab.

»Danke schön«, entgegnete er fröhlich. »Soll ich Ihnen beiden auch Plätze besorgen? Das mache ich gern.«

»Für mich ist das nichts, glaube ich.« Carl winkte ab.

»Denken Sie nur an die erste Fahrt von Putbus nach Binz. Es waren so viele Menschen gekommen, dass sogar Damen mit einem Stehplatz zufrieden sein mussten. Selbst das Rügensche Kreis- und Anzeigenblatt berichtete damals darüber. Das werde ich nie vergessen.« Vogel lachte leise.

Anne schnitt auch den anderen Fischen die Köpfe ab.

»Nein, werter Kollege, ich verzichte gern. Aber du solltest dir das wirklich einmal ansehen, Mädchen.« Carl blies eine würzig duftende Rauchwolke in die Luft.

Anne stach dem ersten Fisch das Messer in den Bauch. »Ich wüsste nicht, warum, Vater. Ich habe nichts in Sellin zu schaffen, und wenn ich von einem Ende des Ortes zum anderen gelangen wollte, dann würde ich laufen.« Ihr war bewusst, dass sie sehr schroff klang. Recht so, dann würde diesem Bade-Schnösel bald die Lust daran vergehen, hier herumzusitzen und tüchtige Menschen zu unsinnigen Ausflügen einzuladen.

»Es geht ja nicht darum, von einem Ort zum anderen zu gelangen«, wandte Vogel ein.