Die Halligärztin - Lena Johannson - E-Book
SONDERANGEBOT

Die Halligärztin E-Book

Lena Johannson

5,0
14,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Inselärztin auf Pellworm! Das klingt für Wiebke Klaus nach Sonne, Nordseestrand, Gischt und Wind. Nach dem perfekten Klima für ihre asthmakranke Tochter Maxi und nach einem Neustart, weit weg von Berlin. Doch nicht alle Einwohner sind davon begeistert, dass der alte Inseldoktor eine tatkräftige junge Nachfolgerin bekommt, die sich auch noch mit der Hebamme anlegt. Beinahe will Wiebke wieder die Koffer packen - doch da ist der Schwimmmeister Tamme, mit dem sich der Sommer plötzlich so leicht anfühlt ... Kann Wiebke der spröden Insel noch eine Chance geben?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
5,0 (12 Bewertungen)
12
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Als Wiebke Klaus mit dem vollbeladenen Umzugswagen den Fähranleger Strucklahnungshörn auf Pellworm erreicht, kommen ihr leise Zweifel, wie sie das alles schaffen soll: eine Großstadtpflanze auf einem winzigen Eiland, noch dazu als alleinerziehende Mutter? Und wie werden die Anwohner sie, die neue Inselärztin, aufnehmen? Schon bei ihrem Vorstellungsgespräch wurde Wiebke unmissverständlich klargemacht, wie beliebt der alte Inselarzt Dr. Dethlefsen gewesen war und dass man ihr als Nachfolgerin skeptisch entgegensieht. Doch der spröde Charme der Insel nimmt Wiebke sofort gefangen. Ihre fünfjährige Tochter Maxi, die immer an Asthma litt, blüht an der Nordseeluft auf. Und als Wiebke den Schwimmmeister Tamme kennenlernt, beschließt sie, sich auf das neue Leben einzulassen – und auf das Glück, das hier auf sie wartet.

Die Autorin

Lena Johannson lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Lübeck und der Ostsee. Ihr Mann versorgt sie mit Kraft und Energie, die Ostsee und ein stattlicher Garten geben ihr Ruhe und Inspiration.

LENA JOHANNSON

DIE

HALLIG

ÄRZTIN

ROMAN

ULLSTEIN

Besuchen Sie uns im Internet:

www.ullstein-buchverlage.de

Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

Hinweis zu Urheberrechten

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.

Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

ISBN 978-3-8437-1391-7

1. Auflage März 2017

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Titelabbildung: © Sabine Lubenow/JAI/Corbis (Hintergrund); © FinePic®, München (Frau); © Westend61/Getty Images (Häuser)

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

1

»Ach, Maxi, wie siehst du denn wieder aus? Ich hatte dir extra gesagt, dass du aufpassen sollst.« Wiebke seufzte.

»Ist doch nicht schlimm«, grummelte Maxi kleinlaut.

»Für dich nicht. Du musst ja auch nicht ständig waschen. Dafür musst du jetzt mit den Flecken auf deinem T-Shirt in deinem neuen Zuhause ankommen. Wenn du das auch nicht schlimm findest …«

Maxi überlegte kurz, dann sagte sie: »Wenn’s schlimm wäre, dann wäre es doch verboten. Ich kenne aber kein Gebot, das heißt: Du sollst nicht kleckern!«

Wiebke musste schmunzeln. Die Logik ihrer Tochter war bestechend. Ihr fielen die Besuche bei ihrer Lieblingstante ein, als sie selbst noch Kind war. Die hatte es mit Sauberkeit und Ordnung nicht gerade übertrieben, vorsichtig ausgedrückt. Aber in Tante Annas Haus hatten immer ein freier Geist und eine herrlich entspannte Atmosphäre geherrscht. Dort hatte sie ihre schönsten Wochenenden verbracht und dachte manchmal, dass sie sich von der Leichtigkeit, mit der ihre Tante das Leben genommen hatte, eine dicke Scheibe abschneiden könnte.

»Seit wann kommst du mir denn mit den Zehn Geboten?« Sie strich ihrer Tochter über den Kopf und wartete keine Antwort ab. »Und jetzt ist Ende der Diskussion. Wir müssen uns beeilen.« Noch ein tiefer Seufzer, dann stopfte sie den Margarine-Topf, die Marmelade, das Brot und ein paar weitere Lebensmittel, die sie einfach nicht hatten aufessen können, in die Kühltasche. Sie holte die Kälte-Akkus aus dem Gefrierfach und schaltete den Kühlschrank aus.

»Ich muss mich noch schnell von den Amseln verabschieden«, rief Maxi und sauste auch schon aus der Küche, die, abgesehen von dem kleinen Tisch mit zwei Stühlen, leer war. Wenigstens diese Möbelstücke übernahm der Nachmieter. Glück gehabt, so hatten Wiebke und Maxi ihr letztes Frühstück in Berlin nicht im Stehen zu sich nehmen müssen.

»Halt, hiergeblieben! Ich meine es ernst, Maxi, wir können nicht trödeln. Die Fähre wartet nicht auf uns.«

»Das ist doch kein Trödeln.« Das kleine Gesicht verzog sich entrüstet. »Es gehört sich doch, sich zu verabschieden.«

»Sag das den Amseln, die haben sich auch nicht von uns verabschiedet. Die haben auf der Terrasse gebrütet, überall hingemacht und sind weggeflattert.«

»Okay, mach ich!« Und schon war sie durch den Flur nach draußen verschwunden.

»Das war nicht wörtlich gemeint.« Wiebke schnaufte. Gute Erziehung rächte sich früher oder später. Sie hätte ihr nicht beibringen sollen, sich nichts von schlechten Vorbildern abzugucken. Das hatte sie nun davon. Na gut, bis Wiebke die restlichen Taschen in dem gemieteten Transporter verstaut hatte, konnte Maxi noch einmal durch den Garten streifen. Bald würden sie einen neuen haben, einen größeren, in dem man statt auf die bröckelnden Fassaden umstehender Häuser über weite Wiesen bis zum Deich gucken konnte.

Keine zehn Monate war es her, dass Wiebke das Stellenangebot Arzt/Ärztin für das Fach Allgemeinmedizin in einer Fachzeitschrift gelesen hatte. Auf den ersten Blick nichts Besonderes. An der nächsten Zeile war sie jedoch hängen geblieben: Einzige Praxis auf der Nordseeinsel Pellworm mit entsprechend breitem Spektrum und technisch gut ausgestattet. Wiebke hatte plötzlich bemerkt, dass ihr Puls schneller zu pochen begann. Sie war aufgeregt gewesen wie ein kleines Mädchen. Kein Wunder, es war genau der richtige Zeitpunkt, etwas Neues anzufangen. Die Arbeitsbelastung in der Klinik fraß sie auf, ständig Überstunden, Nacht- und Wochenenddienste. Inzwischen beschäftigte sie neben der netten Nachbarin, einer Verlegerin im Ruhestand, schon vier Schülerinnen und eine Studentin, die sich um Maxi kümmerten, wenn Wiebke regulär im Krankenhaus Schicht hatte, oder wenn sie für einen Kollegen einspringen musste, der krank, im Urlaub oder zur Fortbildung war. Das traf eigentlich permanent auf mindestens einen zu. Ihre Tochter nahm es äußerlich gelassen hin, dass ständig jemand anderer da war, der mit ihr spielte, ihr das Essen warm machte.

»Find ich toll«, behauptete sie zwar immer. »So wird’s nie langweilig.« Aber Wiebke bemerkte die Veränderung ihres Kindes. Wann immer sie zu Hause war, stürzte sich die Kleine geradezu auf sie. Sie klammerte wie ein Äffchen, gleichzeitig wollte sie sich von ihrer Mutter nichts mehr sagen lassen.

»Bei Hilde darf ich aber Bücher für Große angucken«, hieß es. Oder: »Steffi ist viel cooler als du. Sie bestellt uns immer Pizza, wenn ich will.« Wiebke wusste schon gar nicht mehr, wie es sich anfühlte, kein schlechtes Gewissen zu haben. Aber was sollte sie denn tun? Ihre Eltern wohnten rund vierhundert Kilometer entfernt. Sie hatten sich, so oft es ging, freigenommen, um wenigstens mal für ein langes Wochenende zu kommen, oder sie hatten Maxi für ein paar Tage oder sogar mal zwei Wochen zu sich geholt. Sie wurden nicht müde, zu betonen, wie gern sie ihre Enkelin bei sich hatten. Doch Wiebke wusste, dass es für sie auch anstrengend war. Immerhin führten sie ein kleines Unternehmen. Auf Dauer waren die Großeltern also keine Lösung. Schon gar nicht mehr, wenn Maxi nun in die Schule kam. Dann war es außerhalb der Ferien vorbei mit längeren Aufenthalten im Teutoburger Wald. Maxis Erzeuger kam als Babysitter nicht infrage. Von ihm hatte sie sich noch vor der Geburt ihrer Tochter getrennt. Nick wollte kein Vater sein. Auf keinen Fall so früh. Früh! Er war Mitte dreißig gewesen, als Wiebke schwanger geworden war.

»Zur Not würde ich dich natürlich heiraten«, hatte er herumgedruckst und dabei einen Dackelblick aufgesetzt. Aber Wiebke wollte kein Notfall sein.

Zusammen mit ihren Eltern hatte sie einen Plan ausgetüftelt. Einen guten Plan. Sie beendete ihre Weiterbildung in Berlin. Dann, mit der kassenärztlichen Zulassung in der Tasche, würde sie in Altenbeken in der Nähe ihres Elternhauses eine kleine Praxis übernehmen. Oder sie könnte in einer Klinik in Bad Driburg oder Paderborn unterkommen. Das Schicksal hatte einen anderen Plan, einen grausamen. Vor knapp einem Jahr hatte ihr Vater einen Unfall verursacht. Ein Mädchen wurde schwer verletzt. Nicht irgendein Mädchen, sondern Maxis beste Freundin Claudia. Nicht einmal zu Hause in Berlin war sie mit jemandem so gut befreundet wie mit der kleinen Claudia, die in der gleichen Straße wohnte wie ihre Großeltern. Wiebkes Vater war seine Fahrerlaubnis los, und das als Berufskraftfahrer! Er zahlte jetzt noch seine Strafe für die schwere Körperverletzung ab. Wiebke hatte in Erwägung gezogen, nun erst recht zu ihren Eltern zu ziehen, ihnen finanziell unter die Arme zu greifen.

»Kommt nicht infrage«, hatte ihre Mutter erklärt und in der für sie so typischen Art die Arme in die Hüften gestemmt. »Du musst an Maxi denken. Dein Vater hat richtigen Mist gebaut. Die Leute reden jetzt schon. Was meinst du, was hier erst los ist, wenn die Enkelin von dem Klaus, dem Unglücksfahrer, gesund und munter eingeschult wird, während die kleine Claudia, das arme Ding, in so eine Behinderteneinrichtung muss.«

»Mutti, Claudia ist nur körperlich eingeschränkt. Sie kann in eine ganz normale Schule gehen. Nur ist die bei euch im Ort eben nicht barrierefrei. Deshalb muss sie …« Doch davon hatte ihre Mutter nichts wissen wollen.

»Abgeholt werden muss sie. Mit so ’nem Wagen, der so ’n Ding runterlässt, damit sie reinrollen kann. Ist doch furchtbar! Was meinst du, wie sich alle das Maul zerreißen werden?«

Wiebke hatte darauf verzichtet, ihre Mutter davon zu überzeugen, wie gut die Möglichkeiten für Menschen mit Einschränkungen in vielen Bereichen inzwischen geworden waren. Es wäre ihr sowieso nicht gelungen. Außerdem hatte ihre Mutter schon recht: Die Leute würden reden, und Maxi würde das nicht verborgen bleiben.

Also war Planänderung angesagt. Da kam ihr die Anzeige gerade recht. Sicherstellung des Rettungsdienstes auf Pellworm, Allgemein-, Sport- und Bademedizin, Notversorgung der Halligen waren als Tätigkeitsbereiche aufgezählt gewesen. Halligen. Wiebke hatte nicht einmal eine Vorstellung davon, was das sein sollte. Der Rest klang ziemlich gut. Es würde ein kompletter Neustart werden. Noch dazu an der Nordsee, die mit ihrem Klima geradezu ideal für Maxis Asthma war. »Haus mit Garten kann gestellt werden«, hieß es in der Anzeige. Das war das i-Tüpfelchen. Wiebke hatte spontan eine Mail geschickt und gefragt, ob die Stelle noch frei wäre.

»Da bin ich schon! Gut, dass ich noch mal draußen war. Die Amsel-Eltern waren nämlich da. Und die Kinder auch. Alle drei«, plapperte Maxi drauflos, als sie keine zehn Minuten später wieder in die Wohnung gestürmt kam. »Ich glaube, die Eltern füttern die noch.«

»Kann schon sein. Die Jungen müssen erst lernen, sich selbst Futter zu suchen. Das ist wie bei den Menschen. Solange du dich noch nicht selber versorgen kannst, musst du machen, was ich sage.« Sie lächelte ihre Tochter triumphierend an. »Und deshalb schnappst du dir jetzt deinen Rucksack, deine Jacke und fährst mit mir nach Pellworm.«

»Okay!« Maxi machte auf dem Absatz kehrt und lief in den Flur. »Ich kann trotzdem mehr als die Amseln«, rief sie von dort. »Ich kriege den Kühlschrank auf.«

Über acht Stunden später, die sie in zwei kurzen und einem langen Stau, auf zwei Raststätten und rund vierhundertfünfzig Autobahnkilometern verbracht hatten, erreichten sie den Fährhafen von Strucklahnungshörn.

»Wenn es einen Wettbewerb für lustige Ortsnamen gibt, haben die schon gewonnen«, murmelte Wiebke. Schon bei ihrem ersten Besuch hatte sie sich köstlich amüsieren können. Na gut, Heiligensee, Oberschöneweide und Tempelhof war bei genauerer Betrachtung auch ganz lustig. Sie lenkte den voll beladenen Umzugswagen auf einen der Parkplätze direkt am Fähranleger.

»Hunger!«, rief Maxi.

»Okay, du Raubtier, bevor du mich anknabberst, lass uns was essen gehen. Dafür sind wir schließlich extra früh aufgestanden und so zeitig losgefahren.« Sie kletterte aus der Fahrerkabine. An die Blicke, wenn sie, zierlich wie sie war, hinter dem Lenkrad eines Brummis hervorkam, hatte sie sich längst gewöhnt. Dass sie einmal die elterliche Spedition hatte übernehmen wollen, erschien ihr in diesem Moment absurd. Sie fühlte sich wie gerädert, spürte jeden einzelnen Knochen. Wiebke brauchte Bewegung. Täglich mehrere Stunden auf dem Bock zu sitzen würde sie wahnsinnig machen. Sie reckte sich, hüpfte ein paar Mal auf und ab.

»Guck mal, die sind weg.«

»Bitte?« Sie folgte dem Blick ihrer Tochter. Tatsächlich, so ein Mist! Das Restaurant, in dem sie vor ihrem ersten gemeinsamen Besuch der Insel gesessen hatten, war geschlossen.

»Menno!«, maulte Maxi. »Ich hab aber Hunger. Und aufs Klo muss ich auch.«

»Das ist wirklich schade. Der Blick von der Terrasse ins Wattenmeer war so schön. Na, da findet sich bestimmt etwas anderes«, meinte Wiebke munter. Nur musste sie schnell feststellen, dass es nichts gab, außer einem Imbisswagen, an dem man Fischbrötchen kaufen konnte.

»Hier wird es doch irgendwo eine Toilette geben.« Das war verrückt. In Berlin gab es überall alles. Zu jeder Zeit. Und hier? Wieder krochen die Zweifel in ihre Gedanken wie Ungeziefer. Was sollte sie als Großstadtpflanze auf einem winzigen Eiland anfangen? Gut, sie war in einer kleinen Gemeinde aufgewachsen. Doch seit dem ersten Semester ihres Medizinstudiums hatte sie in der Hauptstadt gelebt und sich sehr daran gewöhnt. Ich tue das Richtige für Maxi, sagte sie sich zum x-ten Mal. Wirklich? Wie würde sie als alleinerziehende Mutter zurechtkommen? Okay, die Praxis war in dem Doppelhaus untergebracht, in dessen anderer Hälfte sie wohnen würden. Maxi konnte sie also jederzeit erreichen, wenn sie etwas auf dem Herzen hatte. Sie konnten mittags zusammen essen, wenn Maxi mit dem Schulbus nach Hause kam. Und für die Tage, an denen Wiebke auf einer der Halligen gebraucht wurde, würde sich schon eine Lösung finden, hatte ihr Vorgänger Dr. Jens Dethlefsen gesagt. Bei dem Gedanken an ihn wurde ihr flau im Magen. Schon bei ihrem Vorstellungsgespräch hatte Sprechstundenhilfe Sandra ihr unmissverständlich klargemacht, wie extrem beliebt der alte Inselarzt war. Obwohl er schon halb blind und nahezu taub war, hätten die Pellwormer es am liebsten, wenn er seinen Kittel noch nicht an den Nagel hängen würde. Wiebke konnte sich lebhaft vorstellen, wie herzlich die Inselbewohner unter diesen Umständen eine junge Ärztin aufnehmen würden.

»Mami, ich muss dringend!«

»Entschuldige, Krümel.«

»Du sollst mich nicht Krümel nennen.«

»Entschuldige. Ich frage mal am Kiosk, wo hier die Toiletten sind.« Wiebke ging zu der kleinen Verkaufsbude hinüber.

»Da müssen Sie die Treppe hoch, auf der anderen Seite wieder runter, über die kleine Brücke, und dann sehen Sie das Häuschen schon hinten auf dem großen Parkplatz.« Die Frau hinter ihrer Auslage mit Bismarckhering, Krabben, Lachs und zwei Sorten Brötchen lächelte freundlich.

Maxi und Wiebke machten sich auf den Weg. Treppe hoch, sehnsüchtiger Blick in das leere Gebäude, in dem es vor ein paar Wochen noch ein hübsches Restaurant mit sauberem WC gegeben hatte, Treppe wieder herunter.

»Wo ist denn hier eine Brücke?« Wiebke blickte sich suchend um. Bloß keine Zeit verlieren, Maxi hoppelte schon sehr unruhig neben ihr herum.

»Entschuldigung, wir suchen die …«

»Toilette«, beendete ein Mann in Lederklamotten, einen Helm in der Hand, nach einem Blick auf Maxi ihren Satz. »Ist der richtige Weg. Einfach in die Richtung und immer gradeaus.« Er deutete auf ein kleines Holzgeländer.

»Danke.« Wiebke nickte dem Motorradfahrer zu und beeilte sich, hinter ihrer Tochter herzukommen.

Sympathischer Typ, dachte sie. Der fährt bestimmt nicht auf so eine winzige Insel wie Pellworm.

Sie hatten die Wartezeit genutzt, um im Führerhaus des Umzugswagens wenigstens eine Kleinigkeit zu essen, ein Fischbrötchen für Wiebke, ein Würstchen für Maxi. Zwar kam die Sonne hin und wieder heraus, doch der Wind wehte kräftig, und dicke Wolken zogen über den Himmel, so dass es ihnen zum Draußensitzen einfach zu kühl gewesen war. Die Eisheiligen, tröstete Wiebke sich. Danach würde es auch an der Nordsee warm werden.

»Wollen die auch alle nach Pellwurm?« Maxi zeigte auf die Autos vor ihnen.

»Es heißt Pellworm.«

»Weiß ich, aber Wurm ist lustiger.«

»Deine zukünftigen Mitschüler können darüber vermutlich nicht lachen. Ich habe dir doch erklärt, dass der Name der Insel nichts mit einem Wurm zu tun hat. Wenn du den auf die Schippe nimmst, könnten sie denken, du veräppelst sie.«

Maxi verdrehte die Augen. »Guck mal, Mami, der Motorradfahrer will auch nach Pellworm.« Sie betonte übertrieben das O.

»Tatsächlich.« Die Maschine war japanisch, ein richtiges Geschoss. »Was will der denn damit auf so einer kleinen Insel?«

»Da kommt das Schiff. Siehst du? Unser Schiff kommt!« Maxis Stimme überschlug sich.

Wiebke lächelte. Sie beneidete ihre Tochter um die ungetrübte Vorfreude. Das Kind kannte keine Zweifel und keine Bedenken. Sie fand es toll, in Zukunft immer auf einer Insel zu wohnen. Ihr würde Berlin nicht fehlen, hatte sie behauptet.

Nachdem die Passagiere, die von der Insel kamen, das Schiffchen verlassen hatten, durften zuerst Fußgänger und Radfahrer an Bord gehen. Zuletzt waren die motorisierten Fahrzeuge dran.

»Also dann, los geht’s!« Einige Pkw, ein Wohnmobil und das Motorrad setzten sich in Bewegung. Langsam tuckerten sie auf das knallgelbe Stahltor zu, an dem ein Schild mit der Aufschrift Fähre Pellworm hing. Ein Mitarbeiter der Reederei winkte sie heran und zeigte ihnen ihren Standplatz.

Wiebke zog die Handbremse an, legte den ersten Gang ein, dann stiegen sie aus. Wiebke sog tief die salzige Nordseeluft ein.

»Mami, da ist gar nicht genug Wasser.« Maxi deutete auf das Watt. Neben der Fahrrinne lag der Schlick tatsächlich teilweise nur feucht glänzend da, als hätte jemand einen überdimensionalen Stöpsel gezogen.

»Doch, mein Schatz, das reicht, um zur Insel zu kommen.« Sie ließ ihren Blick über die weite glitzernde Fläche schweifen. Kein Hochhaus, keine Hochspannungsleitung, nichts, was einen daran hindern konnte, zum Horizont zu wandern. Und dieser Geruch! Selbst der Hauch von Schiffsdiesel konnte ihn nicht verderben. Berlin roch so oft nach Abgasen und Urin, nach ungeleerten Mülltonnen und Alkohol. Die Luft hier würde Maxi guttun. Und Wiebke auch. Als sie an der Reling stand und die Fähre sich in Bewegung setzte, war dieses Gefühl wieder da, das sie bei ihrem ersten Besuch von der ersten Sekunde an gehabt hatte: Dies ist ein Ort zum Wohlfühlen!

Die Überfahrt war ruhig und angenehm. Das Schiff hob und senkte sich gleichmäßig und gab selbst Landratten keinen Anlass, die Gesichtsfarbe zu wechseln oder sich von ihrem Mageninhalt zu verabschieden. Wiebke und Maxi saßen an Deck und hielten nach Seehunden Ausschau. Maxi fielen allerdings immer wieder die Augen zu. Es war ein langer Tag gewesen. Auch Wiebke spürte ihn in allen Knochen. Am Ziel würden sie noch etwas essen gehen und sich dann in ihre neuen Betten legen. Alles andere konnte bis zum nächsten Morgen warten.

Es ruckte einmal kräftig, als das Schiff am Fähranleger von Pellworm, der ein gutes Stück in die Nordsee ragte, festmachte. Wieder hatten Fußgänger und Radfahrer Vortritt, dann sprang ein Automotor nach dem anderen an. Metallisches Klappern beim Passieren des an das Autodeck angelegten Stegs, endlich setzten sie ihre Füße, oder besser die Reifen, auf das Land, das ihre neue Heimat werden sollte. Der Motorradfahrer war direkt vor ihnen, gab Gas, der Motor röhrte auf, und die Maschine schoss vorwärts.

»Mann, der fährt ja wie ’ne gesengte Sau!«

»Sag mal, Maxi, wo hast du denn solche Ausdrücke her?«

»Von dir. Hast du vorhin auf der Autobahn gesagt.«

»Das heißt noch lange nicht, dass du das auch darfst.« Sie warf ihrer Tochter einen nur mäßig strengen Blick zu. »Könntest du den Ausdruck bitte gleich wieder aus deinem Wortschatz streichen?«

Der Typ war wirklich zu schnell unterwegs. Schon in der ersten Kurve schlitterte das Hinterrad beängstigend. Gleich hatten sie Ostersiel erreicht. Die Straßen waren nicht gerade breit. Und jetzt, am frühen Abend, konnte einiges los sein. Wenn der seinen Fahrstil nicht änderte … Wiebke ließ sich Zeit. Sie waren schon so viele Stunden unterwegs, da kam es auf ein paar Minuten nicht an. Ihr Brummi war immerhin ein ziemlich stattliches Gefährt. Damit wollte sie bestimmt nicht über die schmalen Wege jagen. Kurz hinter Tilli war der Motorradfahrer wieder vor ihnen. Vermutlich hatte er sich an der großen Kreuzung orientieren müssen.

»Siehste, die Raserei nützt dir gar nix«, meinte Maxi schadenfroh. »Wir haben dich trotzdem eingeholt.«

Sie hatte kaum ihren Satz beendet, da gab er wieder unüberhörbar Gas. Das Hinterrad brach aus, die Maschine schlingerte gefährlich. Instinktiv drosselte Wiebke ihr Tempo. Da passierte es: Der Mann hatte anscheinend versucht gegenzulenken. Viel zu stark, er verlor komplett die Kontrolle über sein Motorrad. Es rutschte, kippte, stürzte, schoss über den Grünstreifen hinweg, schlitterte noch ein paar Meter. Sofort hatte Wiebke wieder die Bilder im Kopf: ein Auto, das sich immer wieder überschlägt, wie ein Würfel, den jemand mit Schwung aus dem Knobelbecher geworfen hat. Schließlich liegt es auf dem Dach. Ruhe nach dem unfassbaren Getöse. Ein Gesicht an der Scheibe im hinteren, ziemlich lädierten Teil des Fahrzeugs. Ein Kind, blutend, weinend. Wiebke verdrängte die Erinnerung. Sie schaltete die Warnblinkanlage ein, fuhr an den Rand und brachte den Wagen zum Stehen.

»Hier ist mein Handy. Du setzt einen Notruf ab. Weißt du noch, wie das geht?«

»Was ist passiert? Wo? Wie viele Verletzte?«, stammelte Maxi, die ganz blass geworden war.

»Sehr gut, Schatz. Ich bin so schnell ich kann wieder da. Du rührst dich nicht aus dem Wagen. Haben wir uns verstanden?«

»Ja. Mami?« Wiebke hatte die Tür bereits geöffnet und ihre Einsatztasche in der Hand. Sie blickte sich um. »Wo sind wir denn? Ich kann doch nicht nur Pellworm sagen, oder?«

»Kurz hinter Tilli Richtung Südermitteldeich. Kannst du dir das merken?« Maxi nickte ernst und tippte schon die Notrufnummer ein.

Wiebke war mit wenigen schnellen Schritten bei dem Verunglückten.

»Keine Sorge, Sie bekommen jetzt Hilfe«, sagte sie, obwohl sie noch nicht einmal wusste, ob er bewusstlos war oder sie hören konnte. Die Worte waren in ihr Gehirn eingebrannt, seit sie damals jemand anderer zu dem kleinen Mädchen gesagt hatte, das auf der Rückbank des Wagens gesessen hatte. Das Gefühl von Hilflosigkeit schlich sich an, das Wiebke damals gespürt hatte. Als Unfallzeugin, als Erste, die am Unfallort gewesen war. Außer ihrem Fahrlehrer natürlich, der sich so erschreckend falsch verhalten hatte. Sie hatte damals gar nicht mitbekommen, dass ein weiteres Fahrzeug angehalten hatte, jemand ausgestiegen und zu Hilfe gekommen war. Ein Arzt.

Wiebke konzentrierte sich. Sie kniete hinter dem Kopf des Motorradfahrers, klappte das Visier hoch. Seine Augen waren geschlossen. Auf Anhieb konnte sie keine Atmung feststellen. Sie öffnete seinen Kinnriemen.

»Hören Sie, ich werde Ihnen jetzt den Helm abnehmen. Sie brauchen keine Angst zu haben, ich werde ganz vorsichtig sein. Falls Sie mich verstehen, wäre ein Zeichen toll.«

Sie bemerkte, dass ihr Herz heftig pochte. Sie war nie auf einem Rettungswagen mitgefahren. Wenn sie es in der Klinik mit Notfällen zu tun gehabt hatte, dann waren die Patienten bereits stabilisiert, und sie hatte eine perfekte medizinisch-technische Ausstattung zur Verfügung gehabt.

Ein schneller Blick zu Maxi. Die saß wie versprochen in der Fahrerkabine des Umzugswagens. Als ihre Blicke sich trafen, hielt sie das Handy hoch und nickte eifrig. Wiebke reckte den Daumen in die Höhe. »Gut gemacht, Krümel.«

Dann wandte sie sich wieder dem Mann zu. Sie packte den Helm mit der rechten Hand, während sie mit der linken seinen Nacken hielt. Behutsam, Zentimeter für Zentimeter zog sie den Kopfschutz zu sich. Sobald ein Teil des Hinterkopfes frei war, legte sie eine Hand darunter. Bloß keine ruckartigen Bewegungen, nur nicht zittern oder die Wirbelsäule in eine Richtung schieben. Geschafft! Sie sah, wie sich der Brustkorb hob und senkte. Der Unglücksrabe atmete selbständig. Gott sei Dank!

»Ich bin Ärztin«, erklärte sie dem Mann. »Aber gleich kommt ein Notarzt, der Sie ins Krankenhaus bringt.« Wiebke stockte. Es gab kein Krankenhaus auf Pellworm. Sie stieß die Luft aus. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.« Rede einfach mit ihm, das ist wichtig, dachte sie.

Während sie kontrollierte, ob er äußere Verletzungen hatte, soweit das bei einem Menschen, der vollständig in Leder steckte, möglich war, sprach sie in lockerem Ton weiter: »Hätten Sie nicht gedacht, dass wir uns so schnell näherkommen, was?« Sie lachte leise. »Erinnern Sie sich? Sie haben meiner Tochter und mir den Weg zur Toilette gezeigt. Auf dem Parkplatz in Strucklahnungshörn.«

Ein Martinshorn, das schnell lauter wurde. Wiebke blickte auf. Sie hatte den Mann gerade in die stabile Seitenlage bringen wollen. »Hören Sie das? Da ist schon der Kollege«, sagte sie munter. Sie kontrollierte rasch den Mundraum des Verletzten. Da war nichts, was seine Atmung einschränken konnte. Sehr gut.

Mit eingeschaltetem Blaulicht hielt der Rettungswagen wenige Meter von Wiebke und dem Motorradfahrer entfernt an. Ein junger Mann stieg eilig aus, rannte auf die Beifahrerseite und half jemandem beim Aussteigen. Der Jemand war Dr. Jens Dethlefsen, ihr Vorgänger in der Praxis.

Wiebke hob eine Augenbraue, während sie beobachtete, wie der alte Inselarzt sich auf den Weg zu ihnen herüber machte. Das Gehen fiel ihm offenkundig schwer. Höchste Zeit, dass er in den wohlverdienten Ruhestand ging!

»Moin«, rief ihr sein junger Begleiter entgegen.

Dethlefsen grüßte nicht. »Haben Sie die Leitstelle verständigt?«, rief er stattdessen etwas zu laut.

»Moin, Dr. Dethlefsen«, entgegnete sie. »Nein, das war meine Tochter.« Sie deutete auf den Wagen.

Der junge Fahrer sah zu dem Laster hinüber. »Ach, dann sind Sie Frau Dr. Klaus. Na, das nenne ich aber Glück, dass ausgerechnet die neue Inselärztin als Erste zur Stelle ist.«

»Die zweite Inselärztin«, brummte Dethlefsen. »Verletzungen?«, fragte er sie und kniff die Augen eigenartig zusammen.

»Keine offensichtlichen, möglicherweise ist der Arm gebrochen.« Sie wandte sich dem Motorradfahrer zu, der in diesem Augenblick blinzelte: »Wie schön, Sie sind wieder bei uns. Können Sie mich hören? Haben Sie Schmerzen?«

Die Lider flatterten noch kurz, dann hoben sie sich vollständig. »Mein Arm. Mir ist schwindelig.«

»Na, der spricht ja noch. Dann wird es wohl nicht so schlimm sein«, brummte Dethlefsen. »Wir können nichts machen, der muss sowieso ins Krankenhaus.«

Schon forderte sein junger Begleiter den Rettungshubschrauber an.

»Ich bin Erco«, stellte er sich anschließend vor, »sein Enkel.« Er hatte leise gesprochen und deutete mit dem Kopf auf Dethlefsen. »Er hört nicht mehr so gut, dafür sieht er ’n büschen schlechter.« Erco grinste breit. »Deshalb fahre ich ihn manchmal durch die Gegend, wenn ich auf der Insel bin. Wird Zeit, dass Sie übernehmen.«

»Was flüsterst du da rum? Ist Christoph schon alarmiert?«

»Jo, Opa, isser. Niebüll weiß Bescheid.«

Dethlefsen warf seinem Enkel einen ärgerlichen Blick zu, sagte aber nichts weiter.

»Na denn, alles Gute auf Pellworm!« Erco lächelte ihr freundlich zu. Dann brachte er seinen Großvater zum Wagen, und die beiden fuhren davon.

Wiebke blieb bei dem Verletzten, der immer mehr zu sich kam, bis der Hubschrauber Christoph Europa 5 eintraf und ihn aufs Festland brachte. Dann kletterte sie zu Maxi ins Auto, um die letzten kaum mehr als drei Kilometer bis zu ihrem neuen Zuhause zurückzulegen.

Sechs Häuser gab es in der kleinen Sackgasse.

»Eins unserer schönsten Neubaugebiete«, hatte Sandra Hoffmann, die Sprechstundenhilfe, Wiebke bei ihrem Vorstellungsgespräch verraten. In ihrer Stimme hatte der Stolz der Insulanerin und auch ein kleines bisschen Neid mitgeschwungen, wenn Wiebke das richtig gedeutet hatte. Zwar arbeitete Sandra in diesem Vorzeige-Gebiet, sie wohnte allerdings in Nordermitteldeich. Wiebke erinnerte sich noch gut daran, dass sie hatte schmunzeln müssen. Sechs Häuser. Ihr war es recht. Klein und überschaubar. Genau richtig, damit ein Kind sich entfalten und gefahrlos die Natur entdecken konnte.

Sie hielten vor dem Doppelhaus an, in dessen einer Hälfte die Praxis und in der anderen der Wohnbereich untergebracht war. Sofort öffnete sich die Tür des Nachbarhauses, offenbar das neueste der Siedlung. Die Einfahrt war noch nicht gepflastert, der Garten bestand aus einem Rasenstück und viel ungezähmter Natur, die Klingel baumelte am Ende eines nicht befestigten Kabels. Drei Frauen traten hinaus.

»Mächtig neugierig, die Damen«, murmelte Wiebke.

»Kann ich gleich ins Bett gehen?« Maxi sah aus, als könne sie im Stehen einschlafen. »Ich hab gar keinen Hunger mehr.«

»Klar, Krümel.« Kein Protest wegen ihres ungeliebten Kosenamens, Maxi musste wirklich sehr müde sein. »Wir packen nur schnell deinen Koffer und dein Bettzeug aus.«

»Moin!«, tönte es dreistimmig, als Wiebke aus dem Wagen kletterte.

»Moin, guten Abend«, antwortete sie. »Ganz schön spät geworden«, setzte sie noch hinzu und hoffte, die Frauen würden verstehen. Sie wollte die neuen Nachbarinnen nicht schon am ersten Tag vor den Kopf stoßen, aber sie wollte auch auf keinen Fall ausgerechnet jetzt einen Klönschnack halten.

»Wenn Sie auch schon den ersten Einsatz haben, ehe Sie richtig da sind. Ich bin Luise.« Eine blonde Frau mit tiefem Dekolleté, das Wiebke für Pellworm irgendwie unpassend fand, streckte ihr die Hand entgegen. Ihre Augen leuchteten fröhlich. »Nennen Sie mich Lulu.«

»Ich bin Wiebke.« Sie schüttelte Lulus Hand und legte gleichzeitig den Arm um ihre Tochter, die sich gerade an sie drängte. »Und das ist Maxi.«

»Moin«, rief Lulu munter. »Ich hoffe, du magst Krabben.« Sie hielt ihr eine Schale mit gepulten Nordseekrabben vor die Nase. Maxi sah sie mit kleinen Augen an, brachte aber kein Wort heraus.

Dann stellten sich auch die anderen vor. Corinna wohnte in dem unfertigen Haus. Sie balancierte zwei Schüsseln auf einem Arm, eine mit Kartoffeln, eine mit Kräuterquark, der köstlich duftete. Die Dritte im Bunde war Saskia, eine Brünette, deren Make-up, Marken-Jeans und topmodernes T-Shirt aussahen, als käme sie eben vom Laufsteg. Sie hatte eine Friesentorte mitgebracht.

»Kleiner Willkommensgruß!« Sie lächelte freundlich.

»Haben Sie die gebacken?« Wiebke starrte das Kunstwerk an.

»Ja. Geht ganz schnell.«

»Danke. Das ist wirklich nett. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«

»Am besten, du schließt mal auf.« Lulu sah sie kurz an. »Wir duzen uns hier alle in der Straße. Ist doch okay, oder?« Wiebke nickte. Sie hatte keine Kraft mehr, darüber nachzudenken. »Dann stellen wir das Zeug rein, und ihr könnt essen.«

»Wenn du uns sagst, was ihr für heute Nacht braucht, können wir das auch gleich aus dem Auto holen«, fügte Corinna eifrig hinzu.

»Das ist doch nicht nötig«, wehrte Wiebke ab, tat aber, was Lulu vorgeschlagen hatte. Es war nicht einfach, sich mit einem Kind am Bein vorwärtszubewegen, das sich hängen ließ wie ein kleiner Sandsack.

Ehe Wiebke es sich versah, saß sie mit Maxi in der Küche, und Lulu deckte den Tisch.

»Ich hoffe, die Kartoffeln sind nicht zu kalt geworden. Die hab ich unter einer dicken Decke warm gehalten.« Schon stand die Schüssel auf dem Tisch. »War gar nicht doof, dass du dich um den Biker kümmern musstest. Sonst wäre ich mit dem Pulen nicht fertig geworden.« Lulu lachte und stellte die Krabben dazu. »Wie geht’s dem denn? Ist er schwer verletzt?«

Ereignisse sprachen sich hier anscheinend noch schneller herum, als Wiebke gedacht hätte.

»Er war ansprechbar. Ich glaube, er hat Glück gehabt.«

»Der war bestimmt zu schnell unterwegs, oder?« Lulu verschränkte die Arme.

Ehe sie weitersprechen konnte, platzte Maxi heraus: »Ja, wie ’ne gesengte Sau!«

»Maxi!«

»Cool! Die ist ja super.« Im Gegensatz zu Wiebke war Lulu begeistert von dem Kommentar. »Du hast absolut recht. Ey, ich kriege auch immer die Krise, wenn einer so heizt. Hoffentlich hat er sich ordentlich weh getan. Dann fährt er in Zukunft vielleicht anständig.« Maxi kicherte. »Ist doch wahr«, ereiferte Lulu sich weiter, »von mir aus können solche Typen sich den Hals abfahren. Ist mir egal. Die gefährden schließlich auch andere. Das finde ich echt übel.«

Corinna streckte den Kopf zur Tür herein. »Guten Appetit! Wir haben die Koffer ausgeladen und die riesigen Tüten. Da ist bestimmt die Bettwäsche drin, oder?«

»Ja. Ehrlich, das müsst ihr … müssen Sie nicht, also das sollen Sie doch nicht machen«, stammelte Wiebke und kam sich total unbeholfen vor.

»Du ist schon in Ordnung.« Corinna strahlte. Sie trug das gesträhnte Haar kinnlang. Ein schmaler Reifen hielt es aus ihrem Gesicht. »Wir machen das gerne. Soll noch was ausgepackt werden?«

»Nein, den Rest erledige ich morgen in aller Ruhe. Vielen Dank, Sie haben … ihr habt uns mit dem Essen schon eine riesige Freude gemacht.« Sie deutete auf Maxi, die sich gerade eine sehr volle Gabel in den Mund schob. »Die junge Dame hatte verkündet, dass sie gar keinen Hunger hat, so kaputt war sie von der langen Fahrt. Um ehrlich zu sein, hätte ich auch keine Lust mehr gehabt, noch essen zu gehen, oder uns etwas zu holen.« Sie zeigte auf die Schüsseln, die noch immer gut gefüllt waren. »Das hier ist der beste Empfang, den wir uns wünschen konnten.«

»Dann ist ja alles super. Ich will dann mal wieder.« Saskia erklärte noch kurz, in welchem Haus sie wohnte, ehe sie ging, um nach ihrem Mann zu sehen, der allein mit den Zwillingen Kai und Katja klarkommen musste. »Im Moment wollen die einfach nicht einschlafen. Ist echt ’ne Katastrophe.« Wie sie das sagte, klang es, als würden ihr Katastrophen nichts ausmachen. »Also, gute Nacht und noch mal herzlich willkommen auf Pellworm und hier im Feldweg«, rief sie mit ihrer melodischen Stimme und verschwand. Auch Corinna und Lulu verabschiedeten sich.

»Die sind ja nett!« Maxi strahlte über das ganze Gesicht. »Können wir für immer hierbleiben, Mami?«

2

»Wenn Sie meinen, Herr Doktor.« Dethlefsen schob eine sehr kräftige Dame mittleren Alters aus dem Behandlungszimmer. »Aber wenn ich hier drücke«, sie legte zwei Finger neben den Bauchnabel, »dann tut’s weh.«

»Dann drücken Sie nicht!«, gab der Arzt zurück. Er blickte in Wiebkes Richtung, kniff die Augen wieder so merkwürdig zusammen, wie er es am Vortag schon getan hatte, und machte ein paar Schritte auf sie zu. Die mollige Patientin verabschiedete sich scheu und ging.

»Moin, Dr. Dethlefsen. Wir haben uns zwar schon gesehen, aber ich wollte doch noch mal ganz offiziell hallo sagen. Haben Sie etwas von dem Motorradfahrer gehört?«

»Nein. Ist ja auch nicht mehr meine Sache. In Niebüll ist er in den besten Händen. Um den brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«

Wiebke nickte. »Ich wollte mal fragen, wann es Ihnen wegen der Übergabe passt.«

»Na, mal nicht so schnell mit den jungen Pferden.« Er lachte sie freundlich an.

»Ich will nicht hetzen, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich wollte nur nachfragen, wann es Ihnen passt, die Einzelheiten zu besprechen.«

»Bitte?«

»Ich wüsste nur gerne, wann Sie sich die Zeit nehmen können, mit mir die Einzelheiten zu klären«, wiederholte sie lauter. »Sie wollen bestimmt recht bald Ihren wohlverdienten Ruhestand genießen. Aber ein paar Tage werde ich Sie noch brauchen, bis ich mich zurechtfinde.«

»Sie machen das schon.« Er legte den Kopf leicht schief. »Ein paar Tage wird es allerdings dauern, da haben Sie recht. Na, nach gut vierzig Berufsjahren kommt es auf ein paar Tage mehr oder weniger wohl nicht an.«

»Über vierzig Jahre! Das ist eine stolze Leistung.« Sie nickte anerkennend. Dann fiel ihr etwas ein. »Sagen Sie, die Frau da eben …«

Er sah sich irritiert um. »Wo neben?«

»Da eben«, wiederholte sie laut und besonders deutlich.

»Ach, die!« Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Die Stelle, auf die sie gezeigt hat«, begann Wiebke, »das könnte eine entzündliche Darmerkrankung sein, meinen Sie nicht?«

Er schüttelte den Kopf. »Die hat immer was. Jeden Tag was Neues.« Er seufzte. »Nee, nee, die ist kerngesund.« Er tippte sich an die Schläfe. »Das Problem liegt woanders, wenn Sie verstehen.«

»Sollte man vielleicht trotzdem abklären«, meinte Wiebke leise.

»Ja, da haben Sie allerdings recht, die muss dringend abnehmen.«

»Sie tragen kein Hörgerät, oder?« Da war es heraus, ehe sie sich eine diplomatischere Formulierung einfallen lassen konnte.

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Nein, hilft das neuerdings bei Leuten, die nuscheln?«

Sie hatte es geahnt, sie war mitten in das Fettnäpfchen hineingehüpft. »Nein, wohl kaum. Ich hatte aber den Eindruck, dass Sie …« Weiter kam sie nicht.

»So, Sie haben einen Eindruck. Na, wenn der Sie mal nicht täuscht.«

Das Gefühl hatte sie allmählich auch. Bei ihren letzten beiden Begegnungen hatte sie ihn eigentlich ziemlich sympathisch gefunden. Aber jetzt? Irgendwie hatte sie den Verdacht, dass es gut war, auf der Hut zu sein.

»Ich muss mich jetzt um meine Patienten kümmern. Wir sehen uns nachher. Um fünf ist die Sprechstunde zu Ende. Dann können wir uns darüber unterhalten, wie das mit der Übergabe mal laufen kann.«

Mal laufen kann? Was sollte das denn heißen? Bisher war immer die Rede davon gewesen, dass sie nach ein oder zwei Wochen Einarbeitung die Praxis allein weiterführte, damit er sich endlich zur Ruhe setzen konnte. Sie schluckte den Ärger herunter. Wahrscheinlich hatte sie ihn nur falsch verstanden.

»Natürlich, ich wollte nicht stören«, sagte sie. »Bis später dann.« Hatte Sprechstundenhilfe Sandra schadenfroh gegrinst, als Wiebke gegangen war? Ihre Zweifel, ob Pellworm die richtige Entscheidung gewesen war, kehrten mit Macht zurück. Was nützte es, wenn Maxis Asthma Ruhe gab, die Inselbewohner ihre Mutter aber nicht akzeptierten? Ruhig Blut, sagte sie sich, Dethlefsen war bestimmt nur eitel und hatte sich geärgert, dass sie ihn auf sein schlechtes Gehör angesprochen hatte. Sie kannten sich kaum. Es stand ihr nicht zu, derartig mit der Tür ins Haus zu fallen. Von ihrem Patzer bei Dethlefsen abgesehen, war der Start doch mehr als erfreulich verlaufen. Ihre Nachbarinnen waren ausgesprochen nett gewesen. Sie nahm sich vor, ihnen ein kleines Dankeschön zu besorgen oder sie am besten mit ihren Familien zum Essen einzuladen. Dann konnte man sich gleich kennenlernen. Sie machte sich bestimmt zu viele Gedanken. Was sollte denn schon passieren? Wenn die Leute sie wirklich nicht wollten, dann würde sie eben doch nach Nordrhein-Westfalen zu ihren Eltern ziehen. Oder in einen anderen Küstenort mit guter Luft. Es gab immer mehrere Möglichkeiten.

Ihr kam in den Sinn, dass Sandra gleich bei ihrem ersten Zusammentreffen regelrecht von Dethlefsen geschwärmt hatte.

»Sein Nachfolger wird es nicht leicht haben«, hatte sie gemeint, ohne Wiebke in die Augen zu sehen. »Wer auch immer es sein wird. Auf einer Beliebtheitsskala von eins bis zehn liegt Herr Dr. Dethlefsen bei zwölf. Man muss fachlich schon ziemlich gut und mindestens ebenso sympathisch sein, um die Herzen der Einwohner zu gewinnen.«

War doch klar, dass die Leute sich nicht gerade leicht von ihrem beliebten alten Doktor trennen mochten. Das hatte nichts mit ihr persönlich zu tun. Anfängliche Skepsis seiner Nachfolgerin gegenüber war ganz normal. Da musste sie durch. Die würden sich schon beruhigen, wenn sie merkten, dass man mit der Neuen gut auskommen konnte.

»Mami, da war ein ganz großer Vogel im Garten«, rief Maxi atemlos, kaum dass Wiebke zur Tür hereingekommen war. Prompt begann die Kleine zu husten.

»Nun beruhige dich erst mal. Schön tief atmen. Ein und aus. Komm, mach mit! Einatmen.« Wiebke machte es ihr vor und holte tief und lange Luft. »Und ausatmen.« Sie ließ den Atem langsam und geräuschvoll strömen. Maxi passte sich ihrem Rhythmus an. Der Anfall ebbte ab. Gott sei Dank! »Also, was für einen Vogel hast du gesehen, eine Möwe?«

Maxi verdrehte die Augen. »Nein, das war keine. Ich weiß doch, wie eine Möwe aussieht. Der war viel größer! Und der hatte einen langen Schwanz.«

»Ein Vogel mit einem Schwanz?«, fragte Wiebke lächelnd.

»Na ja, mit so langen Schwanzfedern eben. Der hat ganz komisch gekrächzt, als ob er auch Asthma hätte.«

»Hm, keine Ahnung, was du gesehen hast. Wenn er wieder da ist, zeigst du ihn mir einfach, einverstanden?«

Das, was von Wiebkes Ärger über Dethlefsens merkwürdiges Verhalten übrig war, verflog augenblicklich. Zwar hatte Maxi gerade mal wieder einen Anfall gehabt, aber nur einen ganz leichten. Dafür war sie lange nicht mehr so aufgekratzt gewesen. Ihre Wangen leuchteten, sie sprühte geradezu vor Abenteuerlust und Tatendrang.

»Da!«, schrie Maxi. »Hörst du? Das ist er wieder.« Schon rannte sie zum Wohnzimmer und von dort in den kleinen Garten. »Da, dahinten!«

Das Grundstück grenzte an einen Acker, auf dem ein Fasan herumstolzierte. Wie lange war es her, dass Wiebke zum letzten Mal einen Fasan gesehen hatte? Das musste bei ihren Großeltern gewesen sein. Wahrscheinlich war sie so alt gewesen wie Maxi jetzt, höchstens ein oder zwei Jahre älter. Ein warmes Gefühl durchströmte sie. Sie hatte, als sie gestern endlich ins Bett gegangen war, dem Piepen und Pfeifen irgendwelcher Vögel gelauscht, ehe sie eingeschlafen war. Was für ein Unterschied! Statt des ewigen Rauschens vorüberfahrender Autos war da nur der Wind gewesen. Statt des Hupens und der immer mal aufheulenden Sirenen hatte es nur Schreie von Tieren gegeben. Wiebke hatte wunderbar geschlafen und Maxi ganz offensichtlich auch, denn sie war nicht ein einziges Mal in Wiebkes Zimmer aufgetaucht, womit die fest gerechnet hatte. Sie blickte sich um. Die Natur war noch nicht so weit wie in Berlin. Es war kälter als in den Straßenschluchten, in denen die Häuser die Frühsommerwärme gespeichert hatten. Obendrein wehte auf der Insel immer ein Wind, den sie in Berlin wohl schon als Sturm bezeichnet hätte. Sie schaute Maxi eine Weile zu, die gebannt den Fasan beobachtete und sich nur von einem Hasen ablenken ließ, der über das Feld gerannt kam, kurz vor dem Garten einen Haken schlug und davonsauste. Wiebke ging das Herz auf.

»Wollen wir einen Ausflug machen?«, schlug sie spontan vor.

»Ich denke, wir müssen auspacken.« Maxis Augen leuchteten. Sie wollte bei diesem herrlichen Sonnenschein liebend gern einen Ausflug machen, statt Kartons aus dem Wagen zu tragen und ihre Spielsachen und Kleider in ihr Zimmer zu räumen.

»Das Wetter ist so schön. Wir müssen ja auch nicht lange wegbleiben. Was meinst du?«

»Au ja!«

»Na, dann los!« Wiebke streckte ihrer Tochter die Handfläche hin, die klatschte dagegen. Sie hatten lange nichts mehr gemeinsam unternommen. Wiebke hatte immer gearbeitet oder war zu erschöpft gewesen. Es wurde höchste Zeit, dass sich das änderte.

Maxi zögerte kurz. »Meinst du, dass Anton nachher noch da ist?«

»Wer ist Anton?«

»Der Asthma-Vogel. Ich nenne ihn Anton.«

»Anton ist ein Fasan«, erklärte Wiebke lachend. »Ja, ich denke, der wird uns in Zukunft öfter besuchen.«

Wiebke holte von einem nahe gelegenen Fahrradverleih ein Tandem. Damit radelten sie zur Inselmitte und dann nach Norden. Radwege waren keine Selbstverständlichkeit. Maxi würde am Anfang nur kurze Strecken allein fahren dürfen. Sie musste lernen, auf der Straße zu fahren. In Berlin war der Verkehr zwar unvergleichlich lebendiger gewesen als hier, dafür hatten Radfahrer aber oft ihre eigene Fahrspur gehabt. An deren Stelle gab es hier Narzissen, die viele Wege säumten wie ein gelbes Band. Unter Sicherheitsaspekten nicht gerade ein Pluspunkt, aber wunderschön.

»Guck mal, die Schule!« Wiebke hielt vor einem alten roten Backsteinbau an und drehte sich zu Maxi um, die mit großen Augen hinter ihr saß. »Sieht doch ganz nett aus, oder?«

»Hm.« Sie dachte nach. »Sieht ganz schön alt aus.«

»Das Gebäude ist bestimmt auch schon alt. Die Klassenräume können trotzdem ganz modern sein.«

»Was steht da über dem Eingang?« Maxi konnte zwar schon ein bisschen lesen, doch die Worte, die über die gläserne Eingangstür gemalt waren, überforderten sie.

»Pellworm, stah fast in See un Storm«, las Wiebke langsam vor, was auf dem verschlungenen Spruchband stand.

»Wieso denn fast?«, wollte Maxi verständnislos wissen.

»Ich nehme an, das heißt fest. Pellworm, steh fest in See und Sturm!«

»Siehst du, also doch Pellwurm. Das reimt sich viel besser.«

Sie fuhren weiter nach Norden, bis sie zum Deich kamen. Dort stiegen sie ab, beobachteten Austernfischer mit ihren roten staksigen Beinen und den auffallenden langen orangefarbenen Schnäbeln, hörten den Möwen zu und ließen Steine über das flache Wasser hüpfen. Schließlich radelten sie bis zu einem Parkplatz, an dem es einen Imbiss gab.

»Hunger?«

Maxi nickte eifrig. »Kriege ich Pommes?«

»Ausnahmsweise.«

Sie saßen in der Sonne und ließen sich Fritten mit Ketchup schmecken. Wiebke sah auf die Uhr.

»Musst du noch arbeiten?« Maxi zog eine Schnute.

»Nein, keine Sorge. Ich treffe mich nachher nur noch kurz mit Dr. Dethlefsen, weil wir ein paar Sachen besprechen müssen. Und dann müssen wir noch ausladen. Schon vergessen?«

»Nö. Ich weiß ja, die Pflicht ruft«, sagte sie seufzend.

Wiebke lachte. »Aber vorher ruft die alte Kirche. In dem Turm sollen ganz viele Vögel nisten. Das gucken wir uns an, oder hast du keine Lust?«

»Doch, klar!« Maxi strahlte.

»Wir wollen zur alten Kirche«, erklärte Wiebke dem Mann im Imbiss, ehe sie wieder aufbrachen. »Das ist doch der Weg nach Tammensiel, oder?«

»Nö, Tammensiel ist da.« Er zeigte nach links. »Die Kirche ist das da. Sehen Sie?« Er deutete in die entgegengesetzte Richtung. »Wenn Sie da an dem Baum vorbei gucken, können Sie den Turm sehen. Ist nicht weit.«

»Aber das Schild nach Tammensiel zeigt doch nach rechts«, warf Wiebke ein. »Das wäre dann doch Richtung Kirche.«

Er stutzte. »Wat? Ach so, ja. Aber da lang«, er zeigte nach links, »ist es kürzer.« Dann setzte er hinzu: »Ich würde über den Außendeich fahren. Da sehen Sie die Halligen. Heute geht das, heute isses windstill.« Er wies auf einen schmalen Pfad. »Hier können Sie auch lang, aber da ist zu viel Schoopschiet.«

»Zu viel was?« Maxi machte große Augen.

»Schoopschiet. Äh, na, Knödel von den Schafen.« Er lächelte sie an.

»Ach so!« Maxi kicherte.

Sie folgten seinem Rat. Gute Entscheidung. Die Sicht war klar. Am Horizont lagen die Halligen wie Schiffe, die in ordentlicher Reihe hintereinanderher fuhren. Diese winzigen Flecken Land inmitten der rauen Nordsee gehörten zu Wiebkes zukünftigem Einsatzgebiet. Sie freute sich schon auf ihren ersten Besuch dort. Noch konnte sie sich nicht vorstellen, wie es auf einem Eiland aussehen mochte, das von wenigen Menschen bevölkert, dafür aber mehrmals pro Jahr vom Salzwasser überflutet wurde. Landunter nannten die Leute das. Nur die Warften, die Erhebungen mit den Häusern, sollten dann noch aus den Wellen hervorschauen. Ob Wiebke so ein Landunter selbst einmal erleben würde?

Der alte Turm der Kirche St. Salvator, Wahrzeichen der Insel, war ein stattlicher Geselle. Obwohl er schon einige hundert Jahre an seinem Platz stand, in denen er einen Teil seiner ursprünglichen Größe eingebüßt hatte, machte er noch immer Eindruck. Man konnte gut erkennen, wo einmal die mächtigen Stützbalken angebracht gewesen waren und wo die gewölbten Fenster gesessen hatten. Jetzt hockten in sämtlichen Nischen Vögel, die es sich offenbar bequem eingerichtet hatten. Überwiegend segelten Dohlen kreischend durch die Lüfte, ehe sie sich auf einem Vorsprung niederließen. Auch ein Turmfalke nutzte den zerklüfteten Stein, um von dort seinen scharfen Blick über die Felder gleiten zu lassen, mit der Strömung hinabzusegeln und zuzustoßen, wenn er eine Maus oder ein anderes Beutetier ausgemacht hatte.

Zurück in ihrem Häuschen, waren Wiebke und Maxi angenehm erschöpft von der vielen frischen Luft und der Bewegung. Beides waren sie nicht gewohnt. Sie hatten ordentlich Farbe bekommen und so gute Laune wie schon lange nicht mehr.

»Du räumst deine Spielsachen ein, und ich gehe rüber in die Praxis. Es dauert bestimmt nicht lange«, versprach Wiebke. »Wenn ich zurück bin, machen wir uns über den Rest Krabben und Quark her. Und dann geht’s ins Bett. Wie hört sich das an?«

»Ziemlich gut.«

Wiebke drückte ihre Tochter an sich und machte sich dann auf den Weg. Ein gutes Gefühl, Krümel allein lassen zu können und doch ganz in der Nähe zu sein. An dieses Gefühl kann ich mich schon mal gewöhnen, dachte sie fröhlich, als sie durch einen Eingang hinaus- und gleich in den nächsten wieder hineinspazierte.

Sandra hatte bereits ihre Sachen zusammengepackt und nahm gerade die Jacke von der alten Holzgarderobe, die in einer Ecke der Diele schräg gegenüber vom Empfangstresen stand. Wahrscheinlich gab es nie viele Patienten auf einmal. Wenn doch, wäre die Kapazität dieses altersschwachen Kleiderständers schnell erschöpft. Sie würde eine neue Garderobe anbringen, überlegte Wiebke.

»Moin«, grüßte Sandra. »Sie sind bestimmt mit Dr. Dethlefsen verabredet, nachdem Sie heute schon mal umsonst da waren, nehme ich an?«

»So ist es.« Wiebke überhörte die Spitze, falls das eine gewesen sein sollte.

»Dann melde ich Sie noch schnell an, bevor ich Feierabend mache.« Schon griff sie zum Hörer. Wäre es nicht einfacher, an die Tür zum Behandlungszimmer zu klopfen? So ruhig wie es in der leeren Praxis war, hatte Dethlefsen sie bestimmt sowieso schon gehört. Oder auch nicht …

»Das ist aber nett von Ihnen.« Wiebke strahlte sie an.

»Sie können reingehen«, verkündete Sandra wichtig, nachdem sie ein paar Worte mit ihrem Chef gewechselt hatte. »Ich bin dann weg. Schönen Abend noch!«

»Vielen Dank, Ihnen auch!«

»Immer herein in die gute Stube!« Dethlefsen winkte sie zu sich und deutete auf den Patientenstuhl, auf dem Wiebke bereits bei den ersten Treffen gesessen hatte. Schon damals war ihr aufgefallen, wie nüchtern das Sprechzimmer eingerichtet war. Mittelpunkt des Schreibtischs bildete eine lederne Unterlage, auf der ordentlich ausgerichtet Notizblock und Stifte lagen. Daneben hatten Reflexhammer und Blutdruckmessgerät ihren Platz. Die Manschette sah aus, als hätte sie in den letzten Jahrzehnten viel Zeit an so manchem Oberarm verbracht. Nicht gerade die neueste technische Generation. Keine einzige Pflanze sorgte für eine angenehme Atmosphäre, kein Foto oder wenigstens ein Kalender, der den Arzt als Segelliebhaber oder Hundefreund entlarven würde, war zu sehen.

»So, nun haben Sie also die quirlige Bundeshauptstadt gegen ein verschlafenes kleines Eiland eingetauscht.« Er faltete die Hände auf der Schreibunterlage. »Und, haben Sie es schon bereut?«

»Nein, kein bisschen. Im Gegenteil. Wir haben heute schon ein bisschen die Insel erkundet. Bei unserem ersten Besuch waren wir ja nur mit dem Auto unterwegs. Per Rad ist es etwas anderes. Es war herrlich«, sprudelte Wiebke los. »Ich glaube, Maxi will jetzt schon nicht mehr weg.«

Er nickte ernst. »Schön für Sie. Es ist wichtig, dass sich Ihre Kleine auch wohl fühlt, wenn Sie bleiben wollen.«

»Allerdings.«

»Und was ist mit Ihnen? Wie ist Ihr erster Eindruck?«

»Wie gesagt, wir haben einen wunderbaren Ausflug unternommen. Ein wenig kenne ich mich von meinen ersten Aufenthalten schon aus.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir sehr sicher, dass es die richtige Entscheidung war.« Ehe er etwas einwenden konnte, fügte sie hinzu: »Vermutlich kommt irgendwann der Insel-Koller. Aber ich glaube, der wird wieder vergehen. Dass ich vor lauter ungestillter Lust auf eine Ausstellung oder ein gutes Theaterstück Trübsal blasen werde, glaube ich kaum. In Berlin hat es mehr als genug solcher Kulturangebote gegeben, aber ich habe es in den letzten zweieinhalb Jahren nicht ein einziges Mal geschafft, mir dafür Zeit zu nehmen.«

»Dann nehmen Sie sich die hier mal. Heute ist Dienstag. Vor Montag brauchen Sie nicht anzufangen.«

Wiebke wollte Einspruch erheben, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen. »Sie müssen sich schließlich erst mal in aller Ruhe einrichten, Ihre Tochter in der Schule anmelden, den Wagen abgeben. Ich nehme an, Sie können ein paar Tage ganz gut gebrauchen.«

»Den Wagen gebe ich morgen ab, ausräumen kann ich immer abends nach Feierabend ein bisschen. So wahnsinnig viel Zeug haben wir nicht mitgebracht. Und die Anmeldung in der Schule dauert auch höchstens eine Stunde. Ich kann wirklich gerne schon …«

»Montag reicht, glauben Sie mir. Die Praxis läuft Ihnen nicht weg.« Er lachte leise. »Die Patienten tun das auch nicht, nehme ich an. Gehen wir es doch sutje an, wie man hier sagt. Immer schön langsam und gemütlich.«

»Dagegen habe ich nichts«, wandte sie vorsichtig ein. »Nur haben wir schon Mitte Mai. Wenn Sie ab Juli Rentner sein möchten, sollten wir keinen Tag verlieren.«

»Ein freier Tag mit Ihrem Kind ist doch gewiss kein verlorener Tag.« Er legte den Kopf zur Seite und beobachtete sie.

»Natürlich nicht. Sie wissen, wie ich das meine.« Zu zweit in seinem Arbeitszimmer ohne störende Hintergrundgeräusche konnte er sie offenbar gut hören. Das gab ihm die Sicherheit und Gelassenheit wieder, die sie an ihm bewunderte.

»Ja, ja, das weiß ich sehr wohl.« Er sah sie lange an. »Es wird bekanntlich nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das mit dem Juli sollten Sie nicht so genau nehmen.«

»Wie meinen Sie das?« Wiebke hatte gedacht, sie würden nur noch einige wenige Details über den Ablauf der nächsten anderthalb Monate und über die Übergabe besprechen. Der grobe Rahmen stand ihrer Ansicht nach längst fest. Das schien der Doktor jedoch anders zu sehen.

»Nun, ich habe mir überlegt, dass es sinnvoll ist, wenn ich Ihnen die Praxis nicht gleich übergebe.«

»Bitte? Was soll das heißen, Sie haben sich das überlegt? Herr Dr. Dethlefsen, wir haben eine Vereinbarung getroffen. Es gibt einen Vertrag!«

»Einen Vorvertrag«, entgegnete er ruhig und lehnte sich in dem Ledersessel zurück, dessen Bezug an einzelnen Stellen so aufgeraut war, dass das ursprünglich glatte Material wie Wildleder aussah. »Nach fast fünfunddreißig Jahren, in denen ich mich nahezu allein um die Menschen auf Pellworm kümmere, fällt es mir nicht so leicht, jemand anderen ans Ruder zu lassen, wie Sie möglicherweise glauben.«

»Nein, das glaube ich nicht«, lenkte sie ein. »Ich kann verstehen, dass Ihnen der Abschied schwerfällt.«

»Nicht so sehr der Abschied.« Er sah sie nicht an, sondern blickte konzentriert auf seine gefalteten Hände. »Es ist mehr die Sorge um meine Leute.«

»Wie bitte? Aber … Sie kennen meine Zeugnisse und Referenzen, Sie haben mich kennengelernt und ausgewählt«, brachte sie verständnislos hervor.

»Ach, Zeugnisse … Was sagen die schon aus? Nicht wahr, mein Kind, es geht doch darum, was Sie als Mensch taugen. Entschuldigen Sie, wenn ich so offen mit Ihnen spreche. Aber ich muss einfach wissen, ob meine Insulaner bei Ihnen in guten Händen sind. Man kann jedem nur bis zur Stirn schauen, nicht dahinter.« Er beugte sich weit vor und sah ihr in die Augen. »Darum habe ich beschlossen, noch ein halbes Jahr weiterzumachen«, eröffnete er der völlig verdatterten Wiebke. »Sie werden meine Assistentin. Die Patienten können sich so langsam an Sie gewöhnen, und ich kann beruhigt in den Ruhestand gehen, weil ich sehe, dass ich die richtige Wahl getroffen habe.« Er lächelte sie freundlich an. Und ohne eine Miene zu verziehen, fügte er hinzu: »Oder ich kann den Fehler noch korrigieren.«

Wiebke sortierte ihre Bücher in das große Regal, das sie von der Vor-Mieterin übernommen hatte. Die Frau war Lehrerin gewesen. Dethlefsen lebte in der Inselmitte nahe der neuen Kirche. Dort hatte er früher auch seine Praxis gehabt. Das Doppelhaus in Südermitteldeich hatte er bauen lassen, um Abstand zwischen Arbeits- und Wohnort zu bekommen. Die Pellwormer respektierten seinen Feierabend und störten nur, wenn es sich wirklich um einen Notfall handelte, hatte er ihr erklärt. Aber die Touristen kannten keine Sprechstunde und keine Privatsphäre. Darum zog er es vor, ein Stück entfernt von der Praxis zu wohnen, wenn man auf einer Insel, die von Norden nach Süden sechs und von Westen nach Osten sieben Kilometer maß, von Entfernung sprechen wollte. Sie sollte sich gut überlegen, ob sie wirklich in die zweite Haushälfte ziehen wollte. Für den Anfang sei es natürlich praktisch, hatte er gemeint, sie könne sich ja nach etwas anderem umsehen, wenn sie sicher war, dass sie blieb. Während Wiebke ein Fachbuch nach dem anderen aus den Kartons holte und auf die weiß lasierten Bretter stellte, ging ihr das Gespräch mit dem alten Inselarzt zum wiederholten Mal durch den Kopf. Ihr erster Impuls war gewesen, ihn an ihre Vereinbarung zu erinnern und auf deren Einhaltung zu bestehen. Was bildete der sich eigentlich ein? Es gab einen Vorvertrag mit klaren Regelungen. Auf den hatte sie sich verlassen, ehe sie ihre Stelle in Berlin gekündigt und ihre Zelte dort abgebrochen hatte. Sie nippte an dem Wein, den sie sich gegönnt hatte, nachdem sie Maxi ins Bett gebracht hatte. Es war selten gut, seinem ersten Impuls zu folgen. Darum hatte sie sich Bedenkzeit ausgebeten und verabschiedet. Sie würde eine Nacht darüber schlafen und Dethlefsen dann mitteilen, ob sie sich mit seinem neuen Plan anfreunden konnte. Das hatte sie ihm ruhig klargemacht. Er sollte auf keinen Fall denken, dass er mit ihr machen konnte, was er wollte. Ich habe beschlossen … So nicht, lieber Herr Kollege, dachte sie kampfeslustig, einsame Beschlüsse waren hier nicht gefragt. Sie hielt ihm zugute, dass er ein alter Herr war und auf dieser Insel in Sachen medizinischer Versorgung die Verantwortung dreieinhalb Jahrzehnte allein getragen hatte. Er war es nicht gewohnt, sich mit jemandem abzusprechen, dessen Meinung einzuholen und zu berücksichtigen. Trotzdem, sie war kein Dummchen, das man herumkommandieren konnte.

Die Fachbücher waren eingeräumt, Wiebke widmete sich nun den Romanen und sortierte sie alphabetisch nach Autorennamen ein. Ziemlich weit hinten, nämlich unter S landete einer ihrer Lieblingsromane. Die Autorin mit dem schönen Namen Sommer erzählte die Geschichte einer jungen Ärztin, die allen Widerständen zum Trotz nach Afrika ging, um dort ehrenamtlich auf einem Schiff die Ärmsten der Armen zu versorgen. Die Heldin hatte sich auch von niemandem reinreden lassen. Das würde sie auch nicht. Wiebke trank noch einen Schluck Wein. Es war genau richtig, sich für die Entscheidung Zeit zu nehmen. Je länger sie über das Gespräch mit Dethlefsen nachdachte, desto mehr Vorteile sah sie in seinem Vorschlag. Zu zweit würden sie beide sich auch mal freie Tage ganz ohne Bereitschaft gönnen können. Wenn sie den Laden erst allein schmeißen musste, war das vorbei. Dann würde sie eine Vertretung suchen müssen, wenn sie Urlaub oder nur mal ein freies Wochenende haben wollte. Obendrein dauerte es noch ein paar Wochen bis zu den Sommerferien. Erst danach würde Maxi in die Schule gehen. Es wäre gar nicht übel, wenn sie beide bis dahin noch mehr Zeit füreinander hatten. Maxi konnte sich in Ruhe einleben, Freunde finden, mit denen ihr die Tage nicht zu lang wurden, wenn Wiebke sich um ihre Patienten kümmerte. Ja, sie würde eine Nacht darüber schlafen. Doch tief in ihrem Inneren hatte sie die Entscheidung längst getroffen.

»Du musst noch nicht arbeiten?« Maxi sah ihre Mutter so entgeistert an, als hätte sie eben verkündet, sie würden Pellworm noch heute wieder verlassen und nach Nepal ziehen.

»Nein, wir gehen es langsam an, gemütlich.«

Es klingelte an der Tür.

»Schon klar«, brummte Maxi.

In Berlin war Wiebke oft zu einem Notfall gerufen worden, wenn sie eigentlich freihatte. Dann hatte sie sich um einen Babysitter gekümmert und war im nächsten Augenblick mit wehenden Fahnen zur Tür hinaus gewesen. Kein Wunder, wenn Maxi damit rechnete, dass es hier genauso sein würde.

Wiebke öffnete die Tür. Davor stand eine Frau mit grüner Latzhose, die ihre ausladenden Hüften und der mächtige Bauch zu sprengen drohten. Das blond gefärbte Haar wurde mit einer großzügigen Portion Gel in Form gehalten. Ein Igel mit roten Lippen und Arbeitskluft.

»Moin! Ich komme von der Blumenstube, dem Laden auf der anderen Seite vom Südermitteldeich.« Sie streckte Wiebke einen Strauß entgegen.

»Guten Morgen. Das ist aber nett.« Zögerlich nahm Wiebke das Kunstwerk in Folie entgegen. »Die sind aber schön.«

»Bestellung vom Festland. Ich dachte, ich bringe die gleich mal selbst her. Ist ja nur um die Ecke.«

»Danke.« Die Frau rührte sich nicht von der Stelle. Ob sie auf ein Trinkgeld wartete? Sie spähte hemmungslos an Wiebke vorbei in die Diele. Vielleicht hoffte sie einfach nur auf Details über die neue Ärztin, mit denen ihr in der Nachbarschaft die Aufmerksamkeit sicher war.

Möchten Sie gerne weiterlesen? Dann laden Sie jetzt das E-Book.