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Sergio Bambaren

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Beschreibung

Ist dies das Leben, von dem ich geträumt habe? Welche Ziele habe ich erreicht, welche Aufgaben warten noch auf mich? Und wie viele zweite Chancen gibt es? Leichthändig und voller Poesie erzählt Erfolgsautor Sergio Bambaren in seinem neuen Roman von den grundsätzlichen Fragen des Älterwerdens. Chuck kann eigentlich zufrieden mit sich sein: Sein ärmliches Elternhaus hat er mit achtzehn verlassen und es aus einfachsten Verhältnissen zum erfolgreichen Manager gebracht. Doch der Preis dafür ist die Einsamkeit; Freundschaften, Familie und die Liebe standen immer nur an zweiter Stelle. Da begegnet Chuck kurz nach seinem fünfzigsten Geburtstag plötzlich in dem geheimnisvollen Dave seinem Alter Ego. Dave öffnet ihm die Augen dafür, welche Optionen das Leben sonst noch bietet, welche anderen Wege er hätte einschlagen können. Und dass es nie zu spät dafür ist, Entscheidungen zu revidieren. Tatsächlich nimmt Chuck all seinen Mut zusammen, um noch einmal ganz von vorne anzufangen – ein Schritt, der größer ist als alles, was er bisher erreicht hat …

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

Übersetzung aus dem Englischen von Gaby Wurster

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienen Buchausgabe

1. Auflage 2012

ISBN 978-3-492-95537-9

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel »Efterskalv« im Albert Bonniers Förlag, Stockholm 2006. © Sergio Bambaren, 2010 Deutschsprachige Ausgabe: © Piper Verlag GmbH, München 2012 Originaltitel: »50 years« Umschlaggestaltung: Mediabureau Di Stefano, Berlin unter Verwendung eines Fotos von Lincoln Seligman, Beach guard, Privatsammlung/Bridgeman

Schöne Erinnerungen sind wie kleine Fenster,

Du bist nie gegangen,

Ich war eine Weile lang weg.

Früher oder später

Wirst Du mich finden – immer.

Stimme meines Herzens,

Ich gelobe, ich werde mich nie mehr vor Dir

Vorwort

Manchmal kann man Träume vergessen, man kann sie sogar im Alltagstrott verlieren – aber sie sterben nicht. Vielleicht erinnern wir uns deshalb erst wieder an die Träume, die uns in die Wiege gelegt wurden, wenn die Jahre vergehen, wenn wir älter werden und uns mitunter plötzlich das Herz eng wird, weil wir uns eingestehen müssen, dass wir sie nicht verwirklicht haben. Dass wir nicht einmal versucht haben, die meisten von ihnen wahr werden zu lassen. Und so enden sie, wie sie lange zuvor begonnen haben: eben als Träume.

Doch im Lauf der Zeit habe ich gelernt, dass das Leben wunderschön und unvorhersehbar ist; dass wir immer wieder einmal – nicht immer, aber manchmal – ganz unerwartet die Möglichkeit bekommen, unsere Träume zu verwirklichen, auch wenn wir dachten, diese Chance sei längst vertan. Wir tragen eine Maske, weil wir nicht sehen wollen, wie wir wirklich sind, und manchmal tragen wir sie so lange, dass wir vergessen, wer wir sind, und die Maske zu unserem Selbst wird. Manchmal aber, wenn wir genügend Mut dazu haben, können wir sie abziehen und der Welt unser wahres Gesicht zeigen. Und da ich schon immer ein Reisender durch »bevölkerte Einsamkeiten« war, konnte ich wohl zu dieser einfachen und doch universellen Erkenntnis gelangen.

In letzter Zeit habe ich versucht, meine Mitmenschen und die Welt zu beobachten, ohne über sie zu urteilen: die unterschiedlichen Wege, die Menschen im Leben einschlagen; die ständige Entwicklung, der die Natur unterworfen ist; die Geschwindigkeit, in der sich dank des technischen Fortschritts auch unsere Welt so rasch wandelt; der Klimawandel, den wir erleben, und auch die stille spirituelle Veränderung, die sich überall anbahnt und die bereits in der kommenden Generation deutlich erkennbare Wurzeln geschlagen hat.

Schon als ich dreißig Jahre alt war, hatten ältere Freunde mich vor der Midlife-Crisis gewarnt – den Depressionen, die sich mit dem Älterwerden einstellen. Mit vierzig wurden diese Stimmen noch lauter: Es sei der Wendepunkt, an dem man anfängt, zurückzublicken und zu prüfen, ob das, was man mit so viel Mühe gesät hat, auch eine lohnende Ernte eingebracht hat.

Im Ernst: Ich habe gesehen, wie Menschen Depressionen bekamen, weil sie feststellen mussten, dass der Wind ihnen im Alter härter ins Gesicht bläst und dass die Zeit immer schneller vergeht. Ich habe Augen ohne jede Hoffnung gesehen, und ich habe einsame Menschen erlebt, die meinten, sie seien dazu verdammt, allein alt zu werden, sobald das erste Liebesglück vorüber ist und die Jahre an der Schönheit der Jugend zehren. Und ich habe Menschen kennengelernt, die so arm sind, dass sie nur Geld besitzen.

Und nun hat die große Fünf vor der Null auch an meine Tür geklopft. Ein Alter, in dem viele Menschen das Gefühl haben, in den Herbst ihres Lebens einzutreten. Ein Alter, in dem der Begriff Sterblichkeit zum ersten Mal einen Sinn bekommt und uns von nun an im Hinterkopf bleibt. Die Knochen beginnen zu schmerzen, das Gedächtnis lässt nach, manch ein alter Freund verlässt diese Welt, andere sind mit Krankheiten geschlagen, die noch vor nicht allzu langer Zeit überhaupt kein Thema waren.

Doch nun bin ich fünfzig Jahre alt geworden und warte noch immer auf die Krise, die man mir schon mit dreißig und mit vierzig vorausgesagt hat.

Ich sitze auf dem Balkon meiner kleinen Wohnung mit einem herrlichen Blick aufs Meer, das ich als meinen Bruder empfinde, und versuche, in Worte zu fassen, was ich gerade denke und fühle. Ich schließe die Augen und frage mich, warum ich nicht das empfinde, was ich empfinden sollte, wenn es nach den anderen Leuten ginge. Doch mit größter Ernsthaftigkeit und mit der allergrößten Demut muss ich sagen: Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was diese Krise sein soll, von der ich schon so oft gehört habe. Ich habe keinen blassen Schimmer!

Doch auf einmal, als ich es am wenigstens erwarte, bricht eine Flut von Gedanken los und überspült meine Seele. Ich kann sie kaum alle fassen, also schreibe ich sie nieder, so schnell ich kann:

Vielleicht fühle ich nicht das, was ich fühlen sollte, weil ich im Lauf meiner fünfzig Lebensjahre gelernt habe, dass die Raupe, wenn sie meint, das Leben sei zu Ende, ein Schmetterling wird. Weil ich mein Glück mittlerweile darin finden kann, dankbar zu sein für das, was ich habe, anstatt mir verzweifelt alles andere zu wünschen. Weil ich alles, was ich weiß, mit Herz und Seele aus dem großen Buch des Lebens gelernt habe und nicht durch wortreiche Lehren. Vielleicht weil ich gelernt habe, das Leben als eine große Uhr ohne Zifferblatt zu sehen, und weil ich weiß, dass alles vergänglich ist, dass das wahre Glück oft nur kurz andauert, die Erinnerung daran aber ewig ist. Vielleicht weil ich inzwischen weiß, dass man diese wundervolle Sache, die man Leben nennt, lediglich als Teil einer längeren, unendlichen Reise begreifen muss, wenn man wirklich frei sein will. Vielleicht weil ich mein Leben auf Prinzipien und nicht auf Traditionen aufgebaut habe. Und weil ich weiß, dass so, wie die Geburt zum Leben gehört, am anderen Ende des Lebensfadens auch der Tod dazugehört. Vielleicht weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass man, wenn man nie Fehler macht, auch niemals etwas versucht hat. Und dass es manchmal richtig ist, falschzuliegen. Vielleicht, vielleicht …

Ich muss aufhören. Aus meinem Herzen, meiner Seele, aus jedem Zentimeter meines Körpers, aus jeder Narbe in meinem Gewebe und in meinem Inneren strömen Gedanken über Gedanken und erinnern mich an all die Freuden und all die bitteren Zeiten, die ich in diesen fünfzig Jahren erlebt habe. Noch nie habe ich so etwas Wundervolles empfunden: dass das Leben für mich nicht das ist, was geschieht, während ich Zukunftspläne mache, sondern das, was ich heute so lebe wie gestern und vorgestern: meine Träume; dass ich gesegnet bin, weil ich wahre Trauer erleben durfte und auch schon ganz am Boden gewesen bin; dass ich so viele unvorstellbar schöne Sonnenuntergänge gesehen habe; dass ich noch immer früh am Morgen aufstehen und kurz in der Brandung surfen gehen kann; dass ich immer mehr Zeit mit meinen Brüdern, den Delfinen, verbringen darf. Und all das hält mich im Herzen jung.

Am wichtigsten jedoch ist mir, dass ich heute, mit meinen fünfzig Jahren, mit meinem dreijährigen Sohn Daniel spielen und lachen darf und dabei die Welt auch mit seinen Augen sehen kann: mit einem reinen Herzen und in Unschuld entdecken, dass jeder neue Tag ein wunderbares Geschenk ist. Manchmal verblüfft es mich, dass er stundenlang aufs Meer hinausblickt, wie ich es in seinem Alter auch getan habe …

Ich muss eine kleine Pause machen.

Ich fühle mich lebendiger denn je mit meinen Erinnerungen, mit dem Wissen, dass die Welt mich nie umkrempeln konnte, vor allem aber dass ich meine Träume nie aufgegeben habe. Das hat nichts mit Utopie oder irgendwelchen Hirngespinsten zu tun – es ist einfach mein Optimismus und das erwartungsvolle Wissen, dass die Reise noch nicht zu Ende ist, sondern dass ein neuer, wunderschöner Abschnitt begonnen hat, in dem man das Leben aus einer anderen Perspektive betrachtet und genießt.

Für mich ist das Leben wie ein Traum, den man nicht mit geschlossenen Augen im Schlaf erlebt, sondern mit offenen Augen im Hier und Jetzt.

Leider musste ich feststellen, dass es vielen Menschen wichtiger ist, nett zu sein und geliebt zu werden, als sich selbst treu zu bleiben. Vermutlich ist das ein berechtigtes Motiv, man darf aber die Treue zu seinen eigenen Prinzipien nicht mit dem Wunsch nach Geliebtwerden verwechseln. Das hat seinen Preis, ich weiß. Doch ich empfinde heute nicht anders als damals mit vierunddreißig Jahren, als ich mit einem strahlenden Lächeln aufs Meer hinausblickte und dachte:

Ich wünsche mir nichts anderes … Ich habe es geschafft … Alles, was jetzt noch kommt, wird ein Geschenk dieser erfüllenden Reise sein, zu der ich aufgebrochen bin …

Ich glaube, alles im Leben hat seine Zeit. Es gibt eine Zeit, sich quicklebendig zu fühlen. Eine Zeit, sich an den einfachen Dingen zu erfreuen. Eine Zeit für Traurigkeit und sogar für Melancholie.

Ende der Leseprobe