Die Blumenwiese, das Fingerkraut und die Rettung der Welt - Kirsten Segler - E-Book

Die Blumenwiese, das Fingerkraut und die Rettung der Welt E-Book

Kirsten Segler

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Beschreibung

Hoffnung ist pflanzbar! Wie kommt man eigentlich damit klar, dass immer mehr Arten verschwinden und die Klimakrise zunehmend bedrohlicher wird? Man pflanzt dagegen an! In Gärten, auf Balkonen, rund um Firmen und öffentliche Gebäude. Auch wenn das nur einzelne Flicken sind: Je mehr es gibt, desto dichter wird der Teppich, der heimischen Pflanzen und Tieren das Überleben sichern kann. Kirsten Segler erzählt von Versuchen und Irrtümern, den eigenen Garten zu beleben, von Menschen, die auf diesem Weg schon ein Stück weiter sind und von den Pionieren, die auf Äckern, Moorböden, Weiden und im Wald altes mit neuem Wissen verbinden. So erschaffen sie Landschaften, die nicht nur produktiv sind, sondern auch schön und lebendig.

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Kirsten Segler ist Diplom-Biologin und hat nach der Ausbildung an der Henri-Nannen-Journalistenschule für Magazine wie Brigitte, Men’s Health und GEO geschrieben, vor allem über Themen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Ernährung und Natur. Sie ist zudem Autorin mehrerer Bücher.

Im Garten zu werkeln lief nur nebenbei, bis ein aufrüttelndes Ereignis sie zu der Erkenntnis führte: Diese Fläche könnte zusammen mit unzähligen anderen entscheidend dazu beitragen, die Artenvielfalt zu retten. Ihr neues Buch erzählt auf sehr persönliche Weise von der tiefen Freude, mit der Natur verbunden zu sein, dem Schmerz über eintönig gewordene Landschaften sowie dem Glück, die bunte Lebendigkeit wieder aufleben zu sehen. Es geht um Gärten – und um soviel mehr!

Inhalt

DICKHÄUTER WIE WIR

VIEL LAND, WENIG AHNUNG

Pflanzen, die den Menschen nachlaufen

Ein Mini-Acker zum Üben

Neustart

REBELLION GEGEN DAS MAHDREGIME!

Neue Erziehungsmethoden

Endgegner Steinklee

Nach der Ernte ist vor der Ernte

Baumfreunde in Not

WURZELBEHANDLUNG

Nachhilfe in Fühlen

Schrammen auf der Seele

Sinn geben

DER WOHNUNGSMARKT IN GARTENHAUSEN

Lockdown und das Geschenk eines Gartens

Voll verplant

Blumenwiese 2.0

WNUKDARA ODER: EINFACH LEBEN LASSEN

Mein großer kleiner Garten

1000 neue Haustiere

OASEN FÜR VÖGEL

Eintauchen in eine andere Welt

Das Wissen der Vögel

Dawn Chorus

DER NAME DES GARTENS

Krasses Machen

Ein Garten ist Glückssache

MARIA HILF!

Unverblümte Wahrheiten

Wunder wirkender Wegerich

ERDE AN KIRSTEN!

Ton, Steine, Sand

Retter der Regenwürmer

DER WERT DES WIRSINGS

Der wichtigste Beruf der Welt

»Weiter so« ist keine Option

Was geht – und zwar sofort

Das 5000-Kilo-Puzzle

HOFFNUNG IST PFLANZBAR

Pimpen statt Plündern

Der Planet heißt Erde

WALDMEISTER

Kein Leben ohne Wald

Gasthaus zum Igel

DIE MAGIE DER RINDERMÄULER

Gras wächst doch schneller, wenn man dran zieht –

oder so ähnlich

Win-Win-Win-Win…-Situation

Mama ist die Beste

STÜCKLESWERK

Blumenwiesen in XXL

Das Schweigen der Mäher

VERSUMPFEN FOR FUTURE

Behutsames Butschern

Zurück in die Zukunft

Was lange währt…

AUS FLICKEN WIRD EIN TEPPICH

Es ist, was es ist

DANKSAGUNG

ANMERKUNGEN UND AUSGEWÄHLTE QUELLEN

LITERATUR

BEZUGS- UND INFORMATIONSQUELLEN

LISTE DER PFLANZEN UND TIERE MIT WISSENSCHAFTLICHEN NAMEN

Artenvielfalt erfordert Liebe: Sie zu erkennen, ihr Zeit zu geben. Ohne Liebe schaffen wir es nicht.Dr. Philipp Unterweger, Biodiversitätsberater

Dickhäuter wie wir

Es gab keine Warnzeichen. Der Tag Ende Oktober 2019 hatte ganz normal begonnen, das Wetter war unspektakulär okay und meine Laune sogar gehoben: Bei der Bahn hatte auf dem Weg ins Büro ausnahmsweise alles gepasst, woohoo! Und dann haute es mich völlig unerwartet schier aus den Socken. Ich hatte nur schnell eine Zeitschrift kaufen wollen und stand wartend in der Kassenschlange, als mein Blick das Titelbild der National Geographic streifte. Es zeigte den Kopf eines sterbenden Nashorns und einen daneben hockenden Mann, der ganz zart seine Hände und seine Stirn an die des mächtigen Tieres gelegt hatte. Die Schlagzeile lautete: »Die letzten ihrer Art – Was uns wirklich verloren geht, wenn eine Spezies verschwindet«. Plötzlich erfasste mich eine solche Welle der Verzweiflung, dass ich Tränen und Schluchzen kaum zurückhalten konnte – was sehr untypisch für mich ist. Eigentlich bin ich ganz groß darin, Gefühlsaufwallungen sofort zu deckeln, und zwar selbst dann, wenn ich sie zulassen will.

In der Ecke mit den Finanztiteln versuchte ich mich zu sammeln, aber vergeblich. Und eigentlich wollte ich es auch gar nicht: Das massenhafte Artensterben in der ganzen Welt wäre es allemal wert, um öffentlich eine Riesenszene zu machen. Aber so mutig war ich dann doch nicht. Stattdessen zog ich mich in eine stille Mauernische einer nahe gelegenen Kirche zurück und weinte für mich allein – ewig, wie mir schien, dabei waren es nur ein paar Minuten. Irgendwann versiegten die Tränen, und ich konnte wieder freier atmen. Es war ein gutes Gefühl: Als hätte sich ein lange schwärender Abszess entleert, so dass der schmerzhafte Druck endlich weichen konnte.

Denn natürlich hatte ich es längst gewusst. Nicht nur, dass mit »Sudan« im März 2018 der letzte Bulle der »White Rhinos« (Nördliches Breitmaulnashorn) gestorben ist, sondern dass überall auf der Welt eine Lebensform nach der anderen verschwindet – für immer. Auch in Deutschland: Wir haben in den vergangenen 30 Jahren hier mehr als 75 Prozent der Insektenmasse verloren, und diese Zahl stammt aus Naturschutzgebieten!1 Der Schwund gefährdet fast alle Pflanzen,2 weil sie ihre Bestäuber verlieren, sowie jene Tierarten, die sich von Insekten ernähren. Und diese Liste ist verdammt lang: Sämtliche Singvögel stehen darauf, außerdem Igel, Salamander, Frösche, Fledermäuse. Sie alle werden seit Jahren immer seltener. Seit 1970 sind weltweit 69 Prozent aller Wirbeltiere von der Erde verschwunden.3

Ich könnte noch viel mehr furchtbare Fakten auflisten, gefolgt von eindringlichen Warnungen, dass es nicht nur irgendwie schade ist, wenn die Natur derartig verarmt: Es kann den Untergang der Menschheit bedeuten. Und zwar schon bald und sogar selbst dann, wenn es die Klimakrise nicht auch noch gäbe. Doch ich gehe davon aus, dass das überflüssig ist. Denn wer in den vergangenen Jahren nicht gerade in einer abgelegenen Höhle gehaust hat, wird es sowieso schon x-Mal gehört haben. Ich jedenfalls kannte die Fakten, war traurig und besorgt darüber – und hatte es trotzdem nicht wirklich an mich herangelassen. Wie die meisten Menschen hatte ich mir eine ziemlich dicke Haut zugelegt, fast schon eine Panzerung dagegen, wirklich zu fühlen, was gerade geschieht in der Welt. Wie passend, dass es ausgerechnet ein Dickhäuter war, der trotzdem einen Weg mittendurch in mein Herz fand. Er rüttelte mich endlich aus der Duldungsstarre auf und ließ mich nach Wegen suchen, wie ich ganz konkret etwas zum Besseren verändern kann. Und als ich erst mal unterwegs war, fand ich viel mehr, als ich je zu hoffen gewagt hätte.

Davon handelt dieses Buch. Es erzählt von meinen eher stolpernden Schritten, den Garten maximal tierfreundlich zu machen. Singvögel, Wildbienen und Schmetterlinge sollten dort ebenso ein Zuhause finden wie Igel, Fledermäuse und Amphibien. Und ein eigener Garten ist noch nicht mal nötig, um dem prallen Leben mehr Schlupfwinkel zu geben, dafür gibt es unzählige andere Möglichkeiten. Einzeln betrachtet mögen diese Beiträge lächerlich gering erscheinen, aber wie heißt es so schön: »Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern«.

Außerdem will ich auch von all den »großen« Lösungsansätzen erzählen, die an den Wurzeln der aktuellen ökologischen Krisen wirken. Sie allein mögen nicht für die im Titel angedeutete »Rettung der Welt« ausreichen, aber es sind unverzichtbare Zutaten dafür. Wie zum Beispiel neue Wege in der Landwirtschaft, die sie im Einklang mit der Natur produktiv genug machen, um auch die etwas groß gewordene globale Menschenfamilie üppig ernähren zu können. Sogar staubig verdorrte Flächen lassen sich wieder beleben! Rinder spielen überraschenderweise bei diesen neuen Wegen eine wichtige Rolle: Eine andere Haltung der Tiere kann sie von problematischen Methanpupsern zu Verbündeten für Klimaschutz und Artenvielfalt machen. Forstmonokulturen lassen sich zu strukturreichen Wäldern umbauen, die artenreich und lebendig sind und gutes Holz liefern. Immer wieder zeigt sich, welche Fülle sich (wieder) einstellen kann, wenn mit den Kräften der Natur gearbeitet wird statt gegen sie. Es hat mir Zuversicht gegeben, diese neuen Formen der Landbewirtschaftung kennenzulernen. Sie lassen in eine mögliche Zukunft blicken, die schön ist und Lust macht, sie zu erleben. Dabei sind es keineswegs Wolkenkuckucks-Szenarien, sondern sie werden von vielen mutigen Pionieren bereits umgesetzt. Diese tatkräftigen Menschen zeigen: Es funktioniert! Jetzt geht es darum, diese Ansätze in großem Stil zu verwirklichen.

»Machen ist wie wollen, nur krasser«, sagt einer der inspirierenden Menschen, die ich getroffen habe. Wie wahr! Das Krasse am Machen ist in diesem Fall aber weniger die damit einhergehende Arbeit: Es erfordert, sich nicht länger vor einer schmerzvollen und zutiefst beängstigenden Realität zu verschließen. Dabei ist das zunächst mal eine völlig normale Reaktion, denn die Psyche versucht immer, sich zu schützen, wenn etwas überfordernd erscheint. Deshalb hilft es auch wenig, die Menschen mit noch mehr Fakten und drastisch ausgemalten Untergangsszenarien zu konfrontieren. Den meisten von uns fehlt es nicht an Wissen, sondern am Vertrauen in die eigene Kraft, sich auf schwere und bedrückende Informationen einlassen zu können, ohne daran zu zerbrechen. Und diese Zweifel sind nicht überraschend, wenn man im bisherigen Leben vor allem trainiert hat, sich zusammenzureißen, abzuschotten und weiter zu funktionieren.

Doch der Preis dafür ist hoch. Denn je weniger die Menschen mit negativen Gefühlen umgehen können, desto größer ist ihre unbewusste Angst davor und desto vehementer verteidigen sie ihre Schutzmauern. Deswegen kämpfen so viele Leute gegen jegliche Veränderung, zweifeln unbequeme Wahrheiten an und begegnen denjenigen, die sie aussprechen, mit Ablehnung oder sogar Hass. Andere lässt die Angst erstarren, was sich in einer geradezu fatalistischen oder gleichgültigen Haltung zeigen kann. Nichts davon hilft dabei, die Welt zu retten.

Doch es hat auch direkte persönliche Konsequenzen, negative Gefühle stets von sich wegzuschieben: Langfristig ist es belastend für den Körper und stranguliert die Lebensfreude. Denn bedrückendes Wissen löst sich keineswegs auf, nur weil man sich nicht intensiver damit beschäftigt oder es nicht mal wahrhaben will. Es landet lediglich in der inneren Rumpelkammer, stresst von dort aus das Nervensystem und kann so zu vielen gesundheitlichen Problemen beitragen. Außerdem lässt sich die eigene Sensibilität nicht selektiv herunterregeln: Im gleichen Maß wie unangenehme Gefühle betäubt werden, verflachen auch Glück, Liebe, Begeisterung und Dankbarkeit. Irgendwann funzelt die gesamte Gefühlswelt nur noch schlapp vor sich hin und man braucht immer stärkere Stimulationen, damit da überhaupt noch etwas prickelt. Dieser Zustand ist vielen Leuten allerdings so vertraut und auch in ihrem Umfeld so verbreitet, dass sie ihn für normal halten. Doch das ist er nicht, auch nicht in diesen krisenhaften Zeiten. Es kostet nur unendlich viel Energie, sich permanent gegen die Tür zur inneren Rumpelkammer zu stemmen, damit sie auch ja geschlossen bleibt.

Diesen Kraftakt aufzugeben und die Tür vorsichtig zu öffnen, erfordert Mut. Denn es bedeutet, Schmerz, Angst und Wut zu begegnen, sich ihnen sogar hinzugeben und zu betrauern, was immer sie ausgelöst hat – inklusive Weinen, Klagen, Schluchzen oder ein Kissen zu boxen. Kleiner Tipp: Ein selbstgewählter Zeitpunkt und ein behaglicher Ort eignen sich besser als Zeitschriftenläden und zugige Ecken an Kirchenmauern.* Doch solche Gefühlsaufwallungen sind vielen Menschen nicht geheuer. Dabei ist es zutiefst erleichternd, regelmäßig innerlich auszumisten. Es setzt Energien frei, mit denen sich das eigene Leben stärker selbst gestalten lässt, statt überwiegend von den Umständen herumgeschubst zu werden.

»Zu weinen oder schmerzliche Gefühle auf andere Weise auszudrücken, bringt sie in Bewegung und löst innere Verhärtungen«, sagt meine liebe Freundin Elke Loepthien-Gerwert, Gründerin des Instituts für Verbindungskultur »Circlewise«4 Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich mit den enorm hilfreichen Wirkungen des Trauerns und bringt sie anderen in Workshops und Fortbildungen nahe. Gerade in unserer und ähnlichen Gesellschaften können wir diese Nachhilfe gut gebrauchen, denn allzu viele Menschen zucken schon bei dem Wort »Trauer« zurück und halten den größtmöglichen Abstand dazu. Akzeptiert wird sie praktisch nur bei Großereignissen wie dem Tod von Angehörigen. Doch der Schmerz über den Verlust von Schmetterlingen, Fröschen, Blumenwiesen oder Wäldern kann genauso groß sein! Jenseits der Fachwelt, in der dies schon länger anerkannt ist, spricht sich diese Tatsache allerdings erst langsam herum. Und der Gedanke, dass auch kleinere Widrigkeiten des Lebens gewürdigt und manchmal beweint werden wollen, ist den meisten erst recht fremd.

Elke erklärt es gerne mit einem Bild: Der Schmerz, der mit großen und kleinen Verlusten, Enttäuschungen, Verletzungen, Konflikten und Sorgen einhergeht, ist wie Schnee. Sofern nicht zu viel auf einmal fällt, taut er unter der Wärme von tröstender Zuwendung (die man sich auch selbst geben kann!) schon bald wieder weg. Andernfalls kommen immer neue Schichten hinzu, während die unteren zunehmend dichter und fester werden, bis sich eine solide Eisschicht gebildet hat – die Betroffenen erstarren innerlich immer mehr. »Beim Trauern kann das innere Eis allmählich schmelzen und damit der Lebensfluss nach und nach wieder in Bewegung kommen«, sagt Elke. »Wie ein Gebirgsbach im Frühling.« Besonders tief erleichternd sind Trauerprozesse ihrer Erfahrung nach, wenn ein Mensch damit nicht allein bleibt, sondern sich anderen zeigen kann: »Beispielsweise, indem er oder sie hinterher jemandem davon erzählt und im Idealfall keine bewertenden Kommentare oder Ratschläge erhält.«

Für mich war diese neue, frühlingshafte Lebendigkeit sofort wahrnehmbar. Als an jenem Morgen meine Tränen versiegten, stand ich erst mal nur da und spürte ihnen nach. Ich fühlte mich wie frisch geschlüpft: ganz weich und zart, fast durchlässig – dünnhäutig! In mir war es ganz weit und auf angenehme Weise leer. Dann strömten wieder Gefühle ein, und alle waren gut. Auch wenn es keine Garantien gibt, dass es immer so läuft, ist das laut Elke wohl eine ganz typische Erfahrung: »Sogar aus Trauerprozessen voller Verzweiflung, Zorn und Bitterkeit tauchen Menschen oft mit einem inneren Erleben von liebevoller Weichheit, Dankbarkeit und innerem Frieden auf.« Auch Joanna Macy, die Grande Dame der Umweltbewegung, hat es in ihren Workshops ähnlich erlebt: »Es ist unsere immer wieder gemachte Erfahrung: Wenn Menschen sich für ihre Emotionen öffnen, erleben sie, dass ein Gewicht von ihnen genommen wird.« Statt wie befürchtet in bodenlosen Tiefen zu ertrinken, ist es genau umgekehrt: Sie bekommen endlich wieder den Kopf über Wasser und neue Kraft zu schwimmen. Indem sie sich erlauben, verzweifelt, traurig, ängstlich, wütend oder voller Schuldgefühle zu sein, kann sich etwas von ihrer Last lösen und lässt sie mit neuer Lebenslust aus dem Prozess auftauchen. »Sich zu trauen, das Schmerzliche zu fühlen, ermöglicht auch, das Schöne intensiver zu erleben«, bestätigt Elke. »Es kann sich eine tiefe Freude entwickeln, die für viele Menschen zuvor unvorstellbar war.«

Außerdem gewinnt man eine große innere Freiheit. Vertraut zu werden mit den ungeliebten, schweren und hässlichen Gefühlen, hilft dabei, sie rechtzeitig zu erkennen und viel souveräner handeln zu können. Geübt darin zu sein, den eigenen emotionalen Schmerz sanft und liebevoll zu lindern, stärkt die Sicherheit, auch mit unerwünschten Erlebnissen umgehen zu können. Das macht viele der typischen Schutz- und Abwehrmechanismen überflüssig, und die freiwerdende Kraft kann da investiert werden, wo es wirklich zählt – zum Beispiel in ein gutes Miteinander. Vielleicht haben wir das nie dringender gebraucht als gerade jetzt, wo wir unbedingt als Menschheit an einem Strang ziehen müssen. Tatsächlich ist es aber ein Urbedürfnis, mit anderen in guter Verbindung zu sein. »Der Wunsch nach Verbundenheit ist der Kern des menschlichen Daseins«, sagt die amerikanische Sozialpsychologin Brené Brown, die mit ihren Forschungen zur Kraft der Verletzlichkeit bekannt geworden ist. Es gehe immer darum, sich eingebunden und zugehörig zu fühlen.

Und dieses Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit geht viel weiter als den meisten bewusst ist. Es erstreckt sich auch auf die nichtmenschlichen Wesen um uns herum und all die anderen Elemente, die Orte und Landschaften ausmachen. »Man kann es sich wie einen Hocker vorstellen, der drei Beine braucht, um stabil zu stehen: die Verbindung zu sich selbst, zu anderen Menschen und zur Natur«, sagt Elke, die sich schon ihr ganzes Berufsleben mit theoretischen und praktischen Fragen zur Verbundenheit beschäftigt. Wir haben in vieler Hinsicht dieselbe Biologie wie als Steinzeitmenschen und nehmen Orte immer noch so wahr, als müssten wir zum Überleben wissen, wo es frisches Wasser und essbare Pflanzen gibt, wie ein schützender Unterschlupf errichtet wird und welchen Tieren wir begegnen könnten. Deshalb reagiert das ganze Sein weiterhin positiv auf die Signale einer lebensfreundlichen Landschaft. Studien zeigen: saftiges Grün, Wasserplätschern oder der Duft humusreicher Erde wirken selbst bei technikverliebten Städtern entspannend auf das Nervensystem.

Denn wie alle lebenden Wesen sind wir immer noch Teil der Natur und darauf angewiesen, von ihr versorgt zu werden. Die so genannte Zivilisation erlaubt es allerdings, diese Tatsache komplett zu ignorieren – was gerne als Errungenschaft gefeiert wird. Tatsächlich entsteht dadurch unbewusst eine beunruhigende Haltlosigkeit: Wir sind entwurzelt und nicht in das Lebensnetz eingebunden. Sich »da draußen« nicht auszukennen, macht die Natur entweder bedrohlich oder erzeugt das nagende Gefühl, von etwas Essenziellem ausgeschlossen zu sein. Mir war es jedenfalls nicht bewusst, wie sehr ich mir gewünscht hatte, mich als eingebunden in die wilde Welt zu erleben. Und so versuchte ich, die Sehnsucht danach mit Wissen über die Natur zu stillen – inklusive Biologiestudium! Erst Jahre danach löste sich der Knoten: Als ich begann, Pflanzen und Tiere »in echt« und in meiner direkten Umgebung zu erforschen, erkannte ich, was vorher gefehlt hatte.

Am eindrucksvollsten war für mich, die Stimmen der Vögel kennenzulernen. Heute gibt es dafür ja die coolsten Werkzeuge, wie die »Merlin«-App von der amerikanischen Cornell-University, aber ich musste noch ganz altmodisch mit einer CD üben. Auf dem Weg zur Arbeit ließ ich sie einige Wochen rotieren, bis mir das Gezwitscher vertrauter wurde. Der gemischte Chor draußen war allerdings trotzdem vorerst nur als Gesamtkunstwerk zu genießen. Doch eines Abends war ich in der Dämmerung im Wald spazieren. Die meisten Vögel waren schon still, nur einer sang noch. Sein melodisches Flöten hallte klar durch die Luft, und plötzlich wusste ich: Das ist Nummer 2 auf der CD, die Singdrossel! Danach ging es ganz schnell, ich erkannte immer mehr der Gesänge und Rufe um mich herum. Fortan lebte ich in einer neuen, reicheren Realität. Denn meine Wahrnehmung hatte sich massiv ausgedehnt – bis in die höchsten Baumwipfel und hinein in undurchdringliche Gebüsche! Statt nur nettes, aber anonymes Gepiepse zu hören, erkannte ich nun die Stimmen von netten Nachbarn: Hallo Zilpzalp, willkommen zurück aus dem Süden! Hey, Grünfink, läuft das Brutgeschäft schon? Moin, Mönchsgrasmücke, vielen Dank für deinen zauberhaften Gesang!

Was da passiert ist zwischen mir und den Vögeln, lässt sich wunderbar poetisch beschreiben. Diese Weisheit wurde einem Freund erzählt, als er eine Gruppe von Buschleuten5 in der Kalahari besucht hat. Jedes Mal, so heißt es, wenn ich ein anderes Wesen, seine Spuren oder Laute aufmerksam wahrnehme, wird zwischen uns ein verbindendes Fädchen geknüpft – und mit jeder weiteren Begegnung wird der Faden dicker. Wie ein Kabel ermöglicht er die Durchleitung von etwas, einer Form von Energie, und zwar in beide Richtungen. Von meiner Seite aus sende ich Interesse oder sogar Begeisterung, und mit der Zeit kann sich tiefe Liebe daraus entwickeln. Was ich zurückbekomme, fühlt sich wie pure Lebensenergie an. Aber wer weiß: Vielleicht ist da manchmal auch mehr. Ich erinnere mich noch gut an den letzten ruhigen Morgen vor dem Wegzug aus Norddeutschland. Bei einem Rundgang draußen verabschiedete ich mich von all den Wesen, die ich während meiner Zeit dort liebgewonnen hatte. Plötzlich flatterte eine Lerche wie ein Kolibri im Abstand von vielleicht zwei Metern vor meinem Kopf herum – und das nicht etwa, weil ich in der Nähe ihres Nestes gewesen wäre. Ich hatte den breiten landwirtschaftlichen Weg nie verlassen. Sie nahm ganz klar Kontakt zu mir auf! War das ihr Abschiedsgruß an mich, kam da Liebe zurück? Darauf gibt es keine Antwort, aber es reicht mir auch, dass es sich so angefühlt hat.

Mit der Liebe wächst allerdings auch das Risiko für schmerzliche Erfahrungen, gerade in diesen Zeiten von Artensterben und Klimawandel. Es ist eben nicht mehr selbstverständlich, dass auch im nächsten Frühling ein Hausrotschwanz so ulkig flötend-knirschend von den Dachfirsten singt und die mächtige Linde an der Straßenecke den Sommer übersteht. Auch deshalb brauchen wir alle so dringend Übung im Trauern: Es lässt das Vertrauen wachsen, an einem Verlust nicht zu zerbrechen und es riskieren zu können, trotz allem zu lieben – je mehr, desto besser! In einem Vortrag über die vielen Dinge, die man in den Städten verändern kann, um sie für gefährdete Tiere attraktiv zu machen, sagte der Biologe und Biodiversitätsplaner Dr. Philipp Unterweger einen Satz, der mich elektrisierte: »Artenvielfalt erfordert Liebe: Sie zu erkennen, ihr Zeit zu geben. Ohne Liebe schaffen wir es nicht.« Genau! Wer liebt, verschiebt ganz automatisch die eigenen Prioritäten und trägt notwendige Veränderungen mit. Er oder sie will aktiv werden und sich kümmern.

Ins Tun zu kommen, hilft auch gegen die Verzweiflung. So berichten es unzählige Menschen, die diesen Weg schon gehen. Es nährt die Zuversicht, dass eine gute Entwicklung möglich ist. Wer zudem mit dem Trauern und der Sanftheit sich selbst gegenüber vertraut ist, wird sich immer nur so viel zumuten, wie es die eigene Kraft gerade erlaubt. Es kann ohnehin niemand die globalen Probleme allein lösen – und muss es auch gar nicht! »Wenn man sich entscheidet, aktiv zu werden, schließt man sich Millionen an, das ist wichtig zu wissen«, sagt die amerikanische Sozialwissenschaftlerin Dr. Susanne Moser, die sich viel mit Umweltthemen beschäftigt. »Man ist nicht allein, sondern hat viele, viele andere im Rücken.« Es ist auch nicht nötig, das eigene Leben »der Sache zu opfern«: Die Rettung der Welt darf Spaß machen! Es gibt so viele Möglichkeiten, sich einzubringen, dass man sich das Passende aussuchen kann: Was möchte ich unterstützen, wo würde es mir leichtfallen mitzumachen, was könnte erfüllend sein?

So bin auch ich vorgegangen, nachdem ich einigen Ballast »abgetrauert« und dadurch neue Energie verspürt habe, die genutzt werden wollte. Ich fragte mich: Wo lässt sich sofort etwas für das Überleben der heimischen Tier- und Pflanzenwelt verbessern? Im Garten! Schon immer sollte es bei mir möglichst bunt und lebendig sein, und das umzusetzen ist inzwischen dringend nötig geworden. Von meinem Tun und Lassen hängt das Überleben unzähliger Wesen ab! In seinem gleichnamigen Buch nennt es der amerikanische Ökologieprofessor Douglas W. Tallamy »Die größte Hoffnung für die Natur« *, möglichst viele Gärten und ähnliche Flächen zu Refugien für die Tierwelt zu machen. Einzeln mögen das nur lauter Flicken sein, aber je mehr es davon gibt, desto dichter wird der Teppich – und im besten Fall entsteht genug Lebensraum und Nahrung, um die heimische Tierwelt zu retten. Die Leute dürften nicht länger glauben, Natur wäre am besten in Schutzgebieten aufgehoben, meint Tallamy. Vielmehr gehöre sie auch dorthin, »wo Menschen arbeiten, leben, Landwirtschaft betreiben oder spielen.« Man brauche »Homegrown National Parks«.

Ich bin dabei! Und ich weiß, dass viele andere Menschen auch schon auf dem Weg sind. Je mehr es werden, desto besser! Gerade erscheint eine Fülle von tollen Ratgebern, die bei den ersten Schritten unterstützen können (mein Buch hilft immerhin dabei, sich viele typische Fehler zu ersparen …). Um mitzumachen, braucht es nicht mal unbedingt eine eigene Scholle – es gibt unendlich viele andere Flächen, die man gestalten und betreuen kann. Und dann erblühen wunderschöne bunte Blumen, fliegen Bienen mit dicken Pluderhosen aus gelben Pollen vorbei, tauchen nie zuvor gesehene metallisch glänzende Käfer auf, plantschen Vögel an Teichufern oder in bereitgestellten Wasserschalen und toben Eichhörnchen durch Büsche und Bäume … Das ist das Schöne am Gärtnern: Das Machen wird schnell belohnt und erfüllt mit Zuversicht. »Was immer man in die Erde senkt: man pflanzt das Morgen«, schreibt Meike Winnemuth, Autorin des wunderbaren Buches Bin im Garten, in einem Essay.

Genau: Hoffnung ist pflanzbar!

* Mehr über gute Rahmenbedingungen erzählt Kapitel 4. Mitunter kann es auch erforderlich sein, sich therapeutische Unterstützung zu suchen.

*Nature’s Best Hope, bisher nicht in Deutsch erhältlich. Vollständige Literaturangaben siehe Anhang.

Sommer 2017

Viel Land, wenig Ahnung

»Ist das Kanada?«, fragte eine Kollegin mit Blick auf meinen Bildschirm, dessen Hintergrund meinen damaligen Garten zeigte. Von dem war wegen einer dicken Schneeschicht allerdings wenig zu sehen, so dass der Blick auf die weiße Weite hinter der Hecke gelenkt wurde und auf das rot-orange Farbspiel der Sonne, die gerade hinter einem Wald aus Fichten mit dicken weißen Mützen untergegangen war. Die schnöde Wahrheit: Es handelte sich um ein abgeerntetes Feld, der Wald war nur wenige Baumreihen tief, und wer im Dezember von meinem Gärtchen aus in den Sonnenuntergang reiten wollte, wäre schon bald vom Zaun des Hamburger Flughafens aufgehalten worden.

Macht nichts, die Aussicht war trotzdem schön, vor allem wenn der Raps gelbblühend auf dem Feld wuchs. Auf der anderen Seite des Reihenhauses, in dem mein Mann Marcus und ich zu Beginn der 2000er Jahre mit mehreren Katzen lebten, schauten wir über einen geschotterten Hof auf ein kleines Laubwäldchen, in dem häufig Rehe unterwegs waren. Einmal saß ich mit einer Freundin gemütlich am Küchentisch, als mehrere Damhirsche völlig entspannt direkt am Fenster vorbeizogen. In einem landwirtschaftlichen Schuppen auf dem Grundstück nebenan nisteten Schleiereulen, es gab Moore in der Nähe und Wiesen, auf denen Kraniche rasteten und uns im Sommer mit ihren Rufen weckten. Hin und wieder tauchten sogar Seeadler auf. Außerdem war der Segeberger Forst nicht weit entfernt, in dem deutlich mehr beeindruckend große Rothirsche lebten, als man je auf dessen kleiner Fläche vermuten würde.

In meinem Garten allerdings beschränkte sich die zoologische Vielfalt weitgehend auf Maulwürfe. Entweder lebten sehr viele dort oder die wenigen veranstalteten regelmäßig große Partys. Der so genannte Rasen war ein einziges Schlachtfeld aus braunen Hügeln und bot eine willkommene Ausrede für Aufschieberitis bei der Gartengestaltung. Dabei war ich nur völlig paralysiert von der unstrukturierten Fläche, die da so norddeutsch platt einfach vor mir lag. Wie bei einer leeren Leinwand wäre dort alles möglich gewesen – mit so viel Freiheit konnte ich damals nicht wirklich umgehen.

Immerhin wusste ich, dass ich keinen Hätschelgarten mit divenhaften Rosen und Buchsbaumfiguren wollte, sondern eine bunte, fröhliche, lebendige Fülle mit Futter für Bienen, Schmetterlinge und Vögel. Also kaufte ich haufenweise Gartenbücher, darunter auch einen besonders dicken Wälzer über Naturgartenplanung. Alle boten tolle Vorschläge, allerdings meist im großen Stil gedacht. Auf mich wirkte das so aufwendig wie ein Hausbau: nicht umsetzbar, ohne Profis zu engagieren und viel Geld in die Hand zu nehmen. Da wir zur Miete wohnten, passierte deshalb im Garten die meiste Zeit gar nichts – vom lebhaften unterirdischen Gewühle mal abgesehen. Gelegentlich allerdings überkam mich die Pflanzlust wie ein Fieber, und dann versuchte ich, zumindest einzelne Beete aus den Büchern nachzubauen. Weil ich aber selbst im Fachhandel viele der vorgeschlagenen Pflanzen nicht bekam, kaufte ich stattdessen, was halt zu haben war, solange es nur als Bienen- und Schmetterlingsweide bezeichnet wurde. Das Ergebnis war so … mittel. Falls es auch damals schon möglich war, sich Pflanzen schicken zu lassen, ahnte ich davon zumindest nichts. Input von erfahrenen Praktikern über YouTube oder Facebook? Möööp! Beide Kanäle waren seinerzeit noch nicht geboren.

Der einzige echte Erfolg war ein Arrangement aus drei Sommerfliedern in verschiedenen Pink- und Lilatönen gleich vor der Haustür. Unter meiner Pflege wuchsen sie zu wunderbar dichten, großen Büschen heran und entwickelten Jahr für Jahr eine wochenlange üppige Blütenpracht, die ständig von Schmetterlingen und Bienen belagert war. Ich sonnte mich in der Vorstellung, vielleicht doch einen grünen Daumen zu haben, bis ein Gartenfachmann zum Thema Sommerflieder sagte: »Pah, den braucht man doch nur in den Sand zu stecken, und der wächst.« Egal, da war ich schon verliebt. Buddleja davidii und ich wohnen auch immer noch zusammen, aber die Gefühle sind erkaltet, und ich denke über Trennung nach.

Wie so viele gutmeinende Gartenbesitzer habe ich mir viele Gewächse andrehen lassen, die wer weiß wie toll für Bienen und Schmetterlinge sein sollen, tatsächlich aber als nicht-heimische Arten der Natur insgesamt nur wenig bis gar nichts bringen: Deutzie, Weigelie und sogar Kirschlorbeer. Den habe ich nie so richtig gemocht, aber mir ist für die schattige Lage entlang der Hauswand auch nichts Besseres eingefallen, zumal unsere Katzen zu gerne dort ihr Geschäft verrichteten. Nur auf Forsythien bin ich nicht hereingefallen, sondern wusste schon, dass sie nur hübsche Blender sind. So schön ihre gelben Blüten nach einem langen grau-braunen Winter auch leuchten: Sie bieten den Insekten weder Nektar noch Pollen und durften deshalb nicht in meinen Garten.

Dafür aber vier gerettete Bäume, die von der Baumschule wegen ihres Krüppelwuchses weggeworfen werden sollten. Hey, es kann nicht jeder einen Hund aus Rumänien aufnehmen! Die Idee war, mit der Eiche und den drei Weiden ein schattiges Eckchen für heiße Sommertage zu schaffen, aber es war unklar, ob sie das je schaffen würden. Die Weiden reichten mir immer noch nur bis zur Brust, als ich eines Morgens ganz still danebenstand, weil ich ein Reh auf dem Feld jenseits der Hecke beobachtete. Irgendwann bemerkte ich ein Geräusch, das ich nicht einordnen konnte: So ein Knuspern und Knistern, als wenn jemand ganz leise Chips essen würde. Das Reh war es nicht, so viel war sicher, nachdem es weitergezogen war. Ich suchte lauschend herum, bis ich die Ursache fand: Auf einer der Weiden saß eine Gartenbänderschnecke mit ihrem hübschen gelbbraun geringelten Häuschen, und ich konnte sie fressen hören. Krass! Auch wegen solcher Erlebnisse habe ich mein erstes Garten-Baby geliebt – aber einfach zu wenig gefördert.

2008 sind wir dann weggezogen. Wer weiß: Vielleicht ging ja mit den neuen Bewohnern die Post ab, da muss ich doch gleich mal gucken, was Google Maps verrät. Oha, nach uns ist offenbar auch nicht viel passiert, die aktuellen Aufnahmen zeigen immer noch überwiegend Gras. Ein verpfuschtes Gartenleben, so viel Potenzial und nichts draus gemacht, schade.

Pflanzen, die den Menschen nachlaufen

Der Umzug hat Marcus und mich weit in den Süden geführt: auf den Schurwaldrücken östlich von Stuttgart. Unsere Wohnung lag im Erdgeschoss eines neugebauten Zweifamilienhauses, umgeben von Feldern und Wald. Das große Grundstück jenseits unserer Terrasse war noch völlig verwildert – nicht unbedingt hübsch, aber spannend. Meine ersten Distelfinken habe ich dort entdeckt, nach denen hatte ich zuvor mehrere Jahre vergeblich Ausschau gehalten. Kein Wunder, dass ich in dem Moment komplett ausgeflippt bin, mitten im Gespräch mit einem Ehepaar aus der neuen Nachbarschaft: »Da, wow! Distelfinken!!! Boah! Schaut mal!« Auf den Wilden Karden vom Vorjahr saßen gleich mehrere dieser für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich bunten Vögel. Während ich ihre knallroten Gesichtsmasken und die schwarz-gelben Flügelzeichnungen bestaunte, zeigte der Blick meiner Nachbarn, dass sie mich in dem Augenblick als die deutlich interessantere Lebensform einschätzten.

Der Wildwuchs auf der zukünftigen Gartenfläche wurde durch meine kürzlich absolvierte Heilpflanzenausbildung noch bedeutsamer für mich, weil sich darin lauter medizinisch interessante Gewächse fanden. Zum Beispiel besagte Wilde Karde, deren Wurzel vom ersten Jahr – also, bevor sich der Blütenstängel erhebt – gegen die von Zecken übertragene Borreliose angewendet werden kann. Der Lehrgang brachte mir die Pflanzen auf eine Weise nahe, wie es das ganze Biologiestudium mit all seiner Mikroskopiererei nicht vermocht hatte. Das Studium hat mir Spaß gemacht, aber die unbewusste Sehnsucht nach mehr Verbindung zu Pflanzen und Tieren, blieb unerfüllt.

Das änderte sich, als ich Menschen mit einem komplexeren Blick auf die Natur kennenlernte, wie zum Beispiel Susanne Fischer-Rizzi, die Leiterin der Heilpflanzenschule Arven2. Auch ihre Sichtweise schätzt die Wissenschaft mit der Nomenklatur der lateinischen Namen, den in Laboren gewonnenen Erkenntnissen und den rigiden Regeln für Studien, die Ergebnisse objektiv und nachprüfbar machen sollen. Und zugleich betrachten sie uralte Geschichten und Mythen, Sprichwörter und mitunter rätselhaft formulierte Verhaltensregeln als ebenso wertvolle Quelle des Wissens. Sich darauf einzulassen, kann Erkenntnisse bringen, zu denen die Wissenschaft einfach noch nicht vorgedrungen ist.

Ein Beispiel schildert Robin Wall Kimmerer, Botanik-Professorin und zugleich den Weisheiten ihrer indigenen Kultur auf der Spur, in ihrem Buch Geflochtenes Süßgras. Diese herrlich vanillig duftende Pflanze bedeutet ihrem Volk der Potawatomi sehr viel, und die Menschen bemerken besorgt, dass sie immer seltener wird. Trotzdem darf sie geerntet werden, sie soll es sogar – allerdings auf respektvolle Weise. Zu den wichtigsten Regeln der »ehrenhaften Ernte« gehört es, von wilden Pflanzen nie mehr zu nehmen, als man wirklich braucht, und auf keinen Fall mehr als die Hälfte der vorhandenen Menge. Sie sind überzeugt: »Wenn wir eine Pflanze respektvoll nutzen, bleibt sie bei uns und gedeiht. Wenn wir sie ignorieren, verschwindet sie. Wenn wir ihr keinen Respekt zollen, verlässt sie uns.«

Eine Doktorandin wollte diese Behauptung wissenschaftlich untersuchen: Wie entwickeln sich Süßgrasparzellen, wenn man sie entweder gar nicht beerntet oder pro Jahr jeweils die Hälfte entnimmt – entweder als einzelne Halme oder als kleine Büschel mitsamt Wurzeln? Beide Arten des Pflückens wurden von »ehrenhaft« erntenden Kräuterkundigen als die jeweils richtige bezeichnet. Doch von der Fakultät schlug ihr Ablehnung entgegen: Die Studie sei Zeitverschwendung, schließlich wisse doch jeder, dass Beerntung schädlich für eine Pflanzenpopulation sei. Diese Ansicht entsprach jedoch nur ihrem eigenen Erfahrungshorizont, sie kannten eben nur die Auswirkungen von Übernutzung oder gar Plünderung natürlicher Ressourcen. Doch das Ergebnis der Studie war eindeutig: Die »ignorierten« Parzellen waren stumpf und braun geworden, das Süßgras durchsetzt mit toten Halmen, während die genutzten Parzellen gut gediehen und goldgrün schimmerten. Die Versuche hatten gezeigt, dass die entnommenen Mengen jeweils schnell nachwuchsen, und die Gräser sogar mehr Triebe produzierten als vorher. Das Pflücken stimulierte also das Wachstum, was sich auch wissenschaftlich begründen ließ. Wie es gepflückt wurde, spielte dagegen praktisch keine Rolle – nur dass es geerntet wurde, und zwar maßvoll.

Die poetisch formulierten, über viele Generationen weitergegebenen Regeln enthielten also ein tiefes ökologisches Wissen. Dabei war nur ein kleiner Teil dessen, was die »ehrenhafte Ernte« ausmacht, untersucht worden. So umfasst der Respekt einer Pflanze gegenüber auch, sie um Erlaubnis zu bitten, bevor man sie nimmt – und zu akzeptieren, wenn die Antwort ablehnend ausfällt. An der Stelle sind streng wissenschaftlich denkende Menschen meist schon raus: Wie, bitte schön, soll eine Pflanze auf Fragen antworten? Aber lassen wir das mal beiseite und stellen uns vor, die Erlaubnis würde erteilt. Dann gehört es sich, ein Geschenk zu machen und seinen Dank auszusprechen. Solche Gebote kann man nüchtern als Regeln betrachten, mit denen allzu gieriges Abrupfen gebremst und Achtsamkeit für den Zustand eines Ökosystems gefördert werden kann. Sie zu befolgen, sorgt dafür, dass die Fülle mindestens erhalten bleibt und häufig sogar größer werden kann.

Doch was wäre, wenn mehr dahintersteckt und auch zwischen so unterschiedlichen Wesen wie Homo sapiens und Bellis perennis, dem Gänseblümchen, ein Dialog möglich ist? Vielleicht besteht der Gesprächsanteil der Pflanzen nur aus der Intuition, die sich durch langjährige Erfahrung formt. Doch ich glaube, da ist noch mehr. Ich stelle mir so eine Art universelles Funksystem vor: Sämtliche Informationen existieren (auch) als Schwingungen, die jedes Wesen empfangen kann, das sich auf diese Frequenz einstellt … irgendwie … und in eine für sich wahrnehmbare Form übersetzt. So würden die Gänseblümchen-Antworten bei manchen Menschen als Gefühle, bei anderen als Bilder oder Worte ankommen. Uaahh, so ausgeschrieben klingt das schon sehr schräg. Zum Glück ist es unnötig, die Mechanismen zu verstehen – entscheidend ist, sich überhaupt für die Möglichkeit zu öffnen, dass es so eine telepathische Kommunikation geben könnte3. Dann kann man damit herumspielen, und sich zum Beispiel zu einer unbekannten Pflanze setzen, nach ihren Eigenschaften fragen und die Eindrücke, so vage sie auch sein mögen, mit einer Internetrecherche abgleichen.

Um auf die Idee zu kommen, mit Pflanzen zu kommunizieren, müssen Menschen diese allerdings erst mal als Individuen sehen. Bei Bäumen, den Rosen im Garten und dem Kaktus auf der Fensterbank geht das easy, bei Gras bin ich persönlich überfordert. Dann ist es leichter, das Wesen der Population zu betrachten und zum Beispiel zu fragen, was die Art zur Balance eines Ortes beiträgt, an dem sie vorkommt. Häufig geht nämlich ihre Heilwirkung in eine ähnliche Richtung. So wächst an vielen Stellen, an denen die Vegetationsschicht durch einen Erdrutsch oder Bauarbeiten weggerissen wurde, schon bald ein hübsches, aber häufig auch etwas zerrupft aussehendes Blümchen. Die kleinen gelben Einzelblüten haben orangefarbene und rötliche Zeichnungen, so dass sie insgesamt an eine Stelle erinnern, an der die Haut abgeschrammt und womöglich sogar entzündet ist. Vielleicht mag die Pflanze also dabei helfen, eine Wunde besser heilen zu lassen? In der Tat funktioniert das so gut, dass das Blümchen sogar danach benannt wurde: Wundklee.

Mit dieser Sichtweise wird die so genannte »Ruderalflora« besonders spannend. Diese Pflanzen sind schon seit der Jungsteinzeit Kulturfolger und finden sich überall dort ein, wo Menschen siedeln und den Boden aufwühlen: Gräben und Fundamente bauen, Pfade und Plätze anlegen, Gärten und Äcker bearbeiten. Zu den typischen Ruderalpflanzen, die sich auch von Asphalt und Schotter nicht abschrecken lassen, gehören Löwenzahn, Wegericharten, Brennnessel und Kamille. Im Heilpflanzenkurs nannte Susanne sie poetisch: »Pflanzen, die den Menschen nachlaufen«. Auch die indigenen Völker des nordamerikanischen Kontinents beobachteten, dass insbesondere der Breitwegerich den ersten Siedlern überall hin folgte: »Wie ein treuer Hund, als wollte er ihnen stets nahe bleiben«, schreibt Robin Wall Kimmerer. Die alten Heilkundigen in Europa waren überzeugt: Von diesen menschenbezogenen Pflanzen gedeihen um ein Haus herum nach etwa ein bis zwei Jahren genau die besonders gut, deren Eigenschaften am besten zu den gesundheitlichen Bedürfnissen der Bewohner passen.

Bei uns war ein Jahr nach dem Einzug vor allem der Weiße Steinklee auffällig. Er wuchs dicht wie eine Hecke um die ganze Terrasse herum und war ständig voller Bienen, die uns und die Katzen jedoch nie behelligten. Tatsächlich sind Bienen bei der Futtersuche völlig friedlich, und man kann ihnen entspannt sehr nahekommen, ohne gestochen zu werden – solange man nicht gerade mit nackten Füßen drauflatscht. Steinklee, botanisch Melilotus, wirkt als Tee entwässernd, lässt Blut und Lymphe besser fließen und entstaut dadurch Schwellungen und schwere Beine. Der Weiße soll etwas schwächer wirken als der Gelbe, der deshalb auch den auf die Apotheke hinweisenden Adelstitel »officinalis« im botanischen Namen trägt. Davon gab es ein paar Pflänzchen am Waldrand, gut 250 Meter Luftlinie von unserer Wohnung entfernt. Sonst wuchs in der ganzen Umgebung nirgendwo Steinklee. Das trug erheblich dazu bei, dass mich seine Anwesenheit in meiner Nähe aufmerken ließ.

Denn elf Jahre zuvor war bei mir ein Lipödem festgestellt worden, bei dem sich vor allem an den Beinen die Lymphe im Fettgewebe staut. Die betroffenen Regionen sind übermäßig schmerzempfindlich und neigen dazu, schon durch schräges Angucken fiese blaue Flecke zu bekommen. Die Therapie bestand im Wesentlichen darin, maßgeschneiderte Kompressionsstrumpfhosen zu tragen, die vor allem unterhalb der Knie so fest sind, dass ich beim Anziehen Gummihandschuhe tragen musste – für den Grip, und weil sich sonst die Haut an den Fingerknöcheln wegrubbelte. Ich habe diese Dinger konsequent getragen, weil sie wirklich Erleichterung brachten. Dann kam der Steinklee-Sommer – und danach waren die Beschwerden weg.

Es war ein echtes Rätsel, denn ich hatte mich wirklich nur in seiner Nähe aufgehalten und nicht etwa eine Teekur gemacht, wie ich eigentlich geplant hatte. Inzwischen sind mehr als zehn Jahre vergangen, und ich habe nie wieder Kompressionsstrumpfhosen tragen müssen. Hat das der Steinklee bewirkt, irgendwie energetisch? So richtig vorstellen konnte ich mir das nicht, fand den Gedanken aber einfach schön. Im nächsten Jahr war der Steinklee dann komplett verschwunden. Das ist wohl nicht ungewöhnlich; er wandert gerne woanders hin. Allerdings hätte ich erwartet, dass seine Nachkommen irgendwo in der Umgebung erscheinen würden, doch es fand sich keine Spur mehr von ihm. Das fügte meinem persönlichen Heilungsmythos eine weitere bunte Facette hinzu. Erst Jahre später begegnete mir eine mögliche konventionell-medizinische Erklärung für die positive Veränderung, aber beweisen lässt sich weder das eine noch das andere. Warum also nicht die poetischere Sichtweise wählen? Die Kraft des blühenden Steinklees hat mich geheilt, Punkt.

Ein Mini-Acker zum Üben

Unsere nächste Wohnung lag nur einige Straßen weiter und bot als »Garten« nur zwei winzige Stücke Rasen vor und hinter dem Haus, mit denen sich überhaupt nichts anfangen ließ. Ich fühlte mich verwaist und sagte sofort zu, als mich eine Bekannte fragte, ob ich vielleicht ihre Parzelle auf dem Gemeinschaftsgelände des örtlichen Obst- und Gartenbauvereins übernehmen wolle. So wurde ich Pächter eines ungefähr 100 Quadratmeter großen Nutzgartens für unfassbare 10 Euro pro Jahr, und selbst das war schon aufgerundet. Die Parzellen lagen wundervoll am Hang, mit Dauersonne und weitem Blick bis zur Schwäbischen Alb. Zugleich wehte der Wind an den meisten Tagen so über die Kuppe hinweg, dass er die Beete und die dort werkelnden Menschen kaum berührte. In meinem Bereich gab es eine kleine Ecke mit Blumen, ein solide gebautes Tomatenhäuschen, Rhabarber, viele Beerenbüsche, mehrere Beete mit bester Erde und ein dekoratives, für gemütliche Pausen jedoch zu wackeliges Holzbänkchen.

Anfangs habe ich ganz viel ausprobiert und zum ersten Mal Tomaten, Paprika, Salat, Blumenkohl, Broccoli, Kartoffeln und Gurken gepflanzt. Von vielen Gemüsen wusste ich bis dahin gar nicht, wie sie aussehen, wenn sie wachsen, blühen und sich zur Frucht entwickeln. Oder dass Broccoli erst erntereif ist und danach anfängt zu blühen, falls man den Zeitpunkt verpasst. Hübsch ist das nicht, aber Bienen fahren voll drauf ab. Mein erster Versuch mit Salatgurken war ein von meinen Gartennachbarn sehr bestaunter Erfolg – was ich erst verstand, als im Jahr darauf prächtige Pflanzen von einem Tag auf den anderen todkrank aussahen und eingingen. Welche Schädlinge machen denn so was? Ich recherchierte lange, bis ich schließlich ein Bild fand, auf dem das ramponierte Gewächs genau so aussah wie meins. Diagnose: »Schlagartige Gurkenwelke« – ja, genau. Ursache: zu kaltes Gießwasser oder kalter Regen kurz nach dem Pflanzen. Ich lernte: Gurken sind zickige Diven, ganz im Gegensatz zu ihren Verwandten, den Zucchinis, deren Output ja geradezu unheimlich ist.

Von den anderen Pächterinnen – die wenigen Männer sind mitgemeint – gärtnerten viele schon sehr, sehr lange und kannten sich dementsprechend gut aus. Trotzdem bekam ich nur Ratschläge, wenn ich ausdrücklich danach fragte. Einzige Ausnahme: Die Jagd auf Kartoffelkäfer. Ich wurde darin eingewiesen, wie die Eier und Larven aussehen, wo sie an der Pflanze sitzen und dass man die nicht leben lassen kann. Bei den Schnecken habe ich dagegen verschiedenste giftlose Barrieremethoden ausprobiert, doch letztlich funktionierte es immer noch am besten, sie früh morgens abzusammeln. Noch besser: abends eine zweite Runde einlegen und alle erwischen, die sich vor der Trockenheit des Tages unter die Holzbretter zwischen den Beetreihen verzogen haben. Trotzdem kam die Nacht, in der die Schleimbiester alle zwanzig frisch gepflanzten Broccoli- und Blumenkohlpflänzchen aufgefressen haben – obwohl ich jede einzelne mit einem Schneckenkragen geschützt hatte! Da hatte ich erst mal genug vom Gemüseanbau jenseits von Tomaten und machte den Garten zur Erdbeerplantage.

Es waren jedoch nicht nur die köstlichen Früchte, die mich für die Arbeit auf meinem Mini-Acker entschädigten. Der Gemeinschaftsgarten war zu jeder Jahreszeit ein Ort der Fülle und Schönheit, es herrschte dort eine ganz besondere Stimmung, die manchmal geradezu bezaubernd auf mich wirkte. Wenn ich an solchen Tagen durch das Tor trat, war es, als würde ich in einen anderen Aggregatzustand wechseln – wie durchgefroren in perfekt temperiertes Badewasser einzutauchen. Ich liebte es, dort zu sein.

Neustart

Nach einigen Jahren wurde das Haus mit der Wohnung ohne Garten verkauft, und die neuen Besitzer wollten selbst einziehen. Die Suche nach einer neuen Bleibe war nur frustrierend, selbst für völlig abgeranzte Buden wurden Mondpreise verlangt. Ich weiß noch, wie wir bei einer Besichtigung auf eine handtuchgroße Terrasse traten, die rundum von einer brusthohen Mauer plus übermannsgroßen Thujen eingefasst war. Hinter der Längsseite erhob sich der Hang, dem das Haus abgetrotzt worden war. Ein Verließ hätte kaum erdrückender sein können, doch die Maklerin jauchzte: »Uneinsehbar!« Es hätte lustig sein können, doch wir hatten eine Deadline.

Den Treffer landete schließlich Marcus, obwohl es erst überhaupt nicht danach aussah. Der Besichtigungstag war grau und düster, es goss in Strömen, als wir in den Ort einfuhren – vorbei an einem Recyclinghof, zwei Tankstellen, einem Supermarkt und zwei Fabrikgebäuden. In meinem Kopf lief in Dauerschleife: »Nein, niemals, auf keinen Fall, ohne mich!« Doch je näher wir dem Ziel kamen, desto freundlicher wurde die Wohngegend. Nur das zur Besichtigung stehende Haus war schmutzig-grün, weil die Fassade noch nicht gerichtet worden war, und auch das Grundstück sah trostlos aus. Alles war aufgewühlt, voller Schutt und Gerümpel, weil die Renovierung noch in vollem Gange war. Auch innen herrschte noch viel Chaos, und die Terrassentüren waren wegen der bevorstehenden Arbeiten an der Fassade mit Plastikfolie zugeklebt, so dass der eh schon funzelige Märztag noch grauer in den Raum sickerte.

Trotzdem wusste ich sofort: Das ist es. Ich habe keine Erklärung dafür, warum das Gefühl so deutlich war, aber so war es. Im oberen Stockwerk waren die Fenster nicht verklebt, so dass der Ausblick sich vor meinen Augen präsentierte: winterlich kahler Garten, viel Himmel, ein paar Hausdächer und der bewaldete Hang auf der anderen Seite des Tales. Like! In Gedanken stellte ich schon meinen Schreibtisch auf. Zwei Tage später sagten wir zu. Der Vermieter warnte jedoch: »Der Garten ist groß! Sind Sie sich im Klaren darüber, dass die Verantwortung ganz bei Ihnen liegen wird, inklusive Baumpflege und dergleichen?« Ich versicherte feierlich, das sei mir bewusst.

Und wie mir das bewusst war, ich konnte es ja kaum erwarten! Im Mai 2017 bezogen wir schließlich das Haus mit der Nummer 15 – die eigentlich eine 13 hätte sein müssen, aber da muss auf dem Amt des Örtchens Plüderhausen wohl jemand abergläubisch gewesen sein: Auch in der zur gleichen Zeit bebauten Parallelstraße gab es die gefährliche Zahl nicht. Es dauerte dann noch einige Wochen, bis das Haus verputzt und gestrichen war, die Gerüste abgebaut, Pflastersteine verlegt und der ganze dafür nötige Kram abtransportiert. Auf den drei zerwühlten Vorgartenbeeten wurde Mutterboden verteilt und am sanften Hang neben dem Haus Gras eingesät. Und dann waren Marcus und ich allein mit gut 630 Quadratmetern Grundstück.

Mein Plan war, mich an der Permakultur zu orientieren, bei der die Landnutzung im Einklang mit der Natur erfolgt. Der Begriff setzt sich zusammen aus »permanent« und »agriculture«, also dauerhafte – heute würde man wohl sagen: nachhaltige – Landwirtschaft, und wurde von dem Australier Bill Mollison in den 1970er Jahren geprägt. Es geht darum, Gärten und Bauernhöfe so zu gestalten, dass sie einem natürlichen Ökosystem möglichst nahekommen: als Netz unzähliger Verbindungen und Kreisläufe, in denen der Abfall des einen zur Ressource des anderen wird.4 Solche Verbindungen können auch zwischen klug errichteten Landschaftselementen bestehen – wie etwa einem Teich, der die Strahlen der Wintersonne zum Gewächshaus lenkt und es dadurch kostenfrei wärmt. Bill Mollison soll es mal sehr poetisch so ausgedrückt haben: »Permakultur ist ein Tanz mit der Natur – in dem die Natur führt.« Für den Anfang bedeutete das: Zunächst vor allem beobachten. Wie wirken Sonne, Regen und Wind auf das Grundstück ein, welche von außen kommenden Einflüsse gibt es noch? Was ist schon da, was kann mit wenig Aufwand weiterentwickelt werden?

Also war erst mal Inventur angesagt. Die drei Vorgartenbeete waren ja kahl, nur zwei Rosen hatten das Gerödel während der Renovierungen überlebt. Die eine vermutlich deshalb, weil die Einfahrt zum Carport wegen einer im Weg stehenden Straßenlaterne schräg angelegt war und sie in der dadurch entstehenden Ecke, direkt neben dem Laternenpfosten, ihren Platz hatte verteidigen können. Vielleicht lag es aber auch einfach an ihren biestigen Dornen. Ich wusste auch nicht, wie ich sie hätte ausgraben sollen, ohne danach eine Bluttransfusion zu brauchen. Ich beschloss, ihr eine Chance zu geben und taufte sie »Lili Marleen«. Bei der Inventur hatte sie immerhin eine große, knallrote Blüte, die ungefüllt war – gut für die Bienen! – und herrlich roch. Rosen ohne Duft finde ich sinnlos. Kaum etwas ist für mich enttäuschender, als mich erwartungsvoll schnuppernd zu einer wunderschönen Blüte zu strecken, und dann ist da nichts.

Insofern war die andere Rose ein Vollflop mit ihren kleinen, gefüllten, duftlosen Blüten in Rosa. Sie durfte trotzdem bleiben, weil sie so gekämpft hatte. Ihr zerrupftes Antlitz verriet, dass sie bei den Renovierungsarbeiten über Monate immer wieder Grobheiten hatte ertragen müssen. Ich habe einfach ein Herz für solche Fighter, die es gegen jede Wahrscheinlichkeit schaffen, sich zu behaupten. So etwas mitzuerleben, kann mich komplett zerlegen. Wie bei dem Auftritt von Paul Potts in der Sendung Britain’s Got Talent, den ich mir immer wieder angucken kann. Wie er da steht, etwas dicklich, mit diesem verschüchterten Lächeln, das möglichst wenig von seinen schiefen Zähnen zeigen soll und wie eine Entschuldigung für die Dreistigkeit wirkt, sich überhaupt dort auf die Bühne zu stellen. Der Handyverkäufer will ein Stück aus einer Oper singen. Ja, nee, is‘ klar. Die Jury wirkt gelangweilt und schicksalsergeben. Wenn das gescriptet ist – und das ist es sicherlich – schauspielern sie gut.

Dann ertönt die Musik, und Paul verändert sich sofort. Er wirkt größer, fester, völlig souverän, und genauso klingt auch sein Gesang vom ersten Ton an. Sofort horchen alle auf. Er singt »Nessun dorma«, und ich bekomme jedes Mal Gänsehaut rauf und runter. Beim Höhepunkt des Liedes reißt es alle Zuschauer von den Sitzen, sie jubeln und toben. Ich liebe so was! Den krachend Scheiternden in solchen Castingshows zuzusehen, hat mir dagegen noch nie Spaß gemacht. Als der letzte Ton verklungen ist, scheint gleichsam die Luft aus Paul Potts zu entweichen. Er sinkt wieder in sich zusammen, ganz in die Defensive, und wirkt mit seinem ängstlichen »Bitte tut mir nicht weh«-Lächeln wie ein oft geprügelter Hund. Ich habe Rotz und Wasser geheult, als ich den Clip zum ersten Mal gesehen habe, und mein Herz flog diesem fremden Mann zu.

Kein Wunder, dass auch ein anderer Fighter Asyl bei mir bekam. Er stand vergessen an der Hausecke beim Carport und kümmerte in seinem schwarzen Verkaufsbehälter vor sich hin. »Schauen wir doch mal, ob das noch was wird – und wenn ja, was eigentlich«, dachte ich, buddelte das Teil im Carportbeet ein und fühlte mich geradezu verwegen dabei. Spoiler: Kaum war das Gestrüpp in der Erde, explodierte es geradezu und entwickelte sich zu einem üppig weiß blühenden Sommerflieder von geradezu monströsen Ausmaßen. Damals noch glühender Fan dieses Busches, war ich begeistert und pflanzte gleich noch je ein weiteres Exemplar in rosa und in violett in das Beet links von der Haustür und zudem einige weitere Büsche, die mir als insektenfreundliche Nektarquellen verkauft wurden: Wie üblich Deutzie und Weigelie, dazu Blutjohannisbeere, Spiersträucher, eine Scheinhasel, Lavendel und Frauenmantel. Einen Holunder, der sich an einer ungünstigen Stelle im Carportbeet selbst ausgesät hatte, setzte ich in das Beet rechts von der Haustür um, auf dass er sich dort zu einem schönen Hausbaum entwickle.

Der untere Teil des Gartens bestand aus einem viele Jahre vernachlässigten Rasen mit einigen Bäumen darauf. Es gab zwei Zwetschgen und eine kleine Buche direkt an der West-Ecke der neu errichteten, auf Stelzen stehenden Terrasse (unser »Sonnendeck«). Außerdem wuchs eine imposante rotblättrige Hasel an der unteren Grundstücksgrenze. Von zwei alten Apfelbäumen stand einer knorrig und ziemlich durchlöchert mitten auf der Wiese, während der andere an der Ligusterhecke zu den Nachbarn völlig von Efeu zugewachsen war. Das fand ich gut, denn solche alten Efeu-Gebüsche bieten Vögeln Verstecke sowie Beeren für den Winter, und im Herbst sind die Blüten – so unscheinbar sie auch sein mögen – eine tolle Nahrungsquelle für Bienen. Auch der Schuppen direkt am Haus war mit Efeu bedeckt und zudem mit einem anderen Gewächs, das aus zwei armdicken Stämmen direkt an der Schuppenwand zum Dach wuchs. Es sah anfangs völlig abgestorben aus, brachte dann aber doch erst Blätter und später knallorangefarbene, tütenförmige Blüten hervor, die es als Trompetenbaum identifizierbar machten.

Vor dem Schuppen befand sich eine Fläche, die wohl mal der Gemüsegarten gewesen war, nun aber teils überwuchert, teils durch das Lagern von Baumaterial und Gerätschaften geschunden. Immerhin waren Himbeersträucher erkennbar, die ich hochpäppeln wollte. Zudem war klar, dass dieser supersonnige Platz die Heimat meiner Erdbeeren werden würde. Hier arbeitete ich nach den ersten Pflanzungen im Vorgarten weiter, den ich – ganz im Sinne der Permakultur – erst mal machen lassen wollte: gucken, was von alleine kommt. Es kam dann recht bald das Kriechende Fingerkraut, und ich freute mich: Die Pflanze mit den dunkelgrünen, gezackten Blättern gilt als guter Bodendecker, der wunderschön gelb blüht und Insekten Futter bietet.

Unter welchen Umständen das Fingerkraut wirklich zu einer Blüte kommt, habe ich allerdings bis heute nicht herausgefunden. In meinem Garten macht es nichts anderes als zu wuchern, alles Übrige zu ersticken und ganz allgemein gesprochen die Weltherrschaft anzustreben. Spoiler: Wir wurden dann doch keine soooo dicken Freunde, das Fingerkraut und ich.

Sommer 2019

Rebellion gegen das Mahdregime!

»Da kommt man nie mehr durch«, sagt Marcus in dem gleichen düsteren Ton wie die Mechaniker, wenn sie bei meinen ersten Autos unter die Motorhaube guckten und eine Einschätzung über die Reparaturwürdigkeit abgeben sollten. Das war immer ein Moment zum Fingernägelknabbern, aber einmal hat sogar einer losgeprustet und seine Kollegen herangerufen: »Leute, das müsst ihr euch ansehen! Dass der noch fährt!!!«

Diesmal geht es allerdings um den Zustand des Gartens, in dem mir Gras und sonstige Gewächse mittlerweile bis über die Knie reichen. Seit Wochen habe ich mich heroisch vor den Rasenmäher geworfen, wenn Marcus auch nur daran dachte, ihn zu benutzen. Ey, bei jedem Einsatz sterben bis zu 80 Prozent all der kleinen Tierchen in seiner Spur!1 Sie werden vom Unterdruck angesaugt und dann von den kreiselnden Messern zerstückelt. Das habe ich jedenfalls gelesen. Wer die Natur schützen will, muss also mit dem Mähen aufhören, hieß es. Schluss mit der Sisyphusarbeit und dem nervigen Geknatter an jedem halbwegs sonnigen Samstag!

Doch inzwischen sehe selbst ich ein, dass hier etwas passieren muss und bin deshalb mit dem Akku-Kantenschneider angerückt. Nur kann ich mich einfach nicht dazu durchringen, das Ding auch anzuwerfen. Stattdessen robbe ich auf Knien mit meinem Was blüht denn da?-Bestimmungsbuch durch die Botanik. Denn während die Wiese von unserem Sonnendeck aus einfach nur wie grünes Chaos wirkt, sehe ich aus der Nähe lauter Buntes zwischen den hoch aufgeschossenen Gräsern – wie etwa die winzigen tiefblauen Blüten eines Blümchens namens »Gamander Ehrenpreis«. Überall blüht roter Klee und hat Besuch von summenden Bestäubern. Verdammt, wie kann man Bienen unterstützen wollen und ihnen dann das Futter wegrasieren? Vor allem: Wofür? Für einen ordentlichen Garten. Pah, Rasen ist nichts als grüne Ödnis! Das ganze Konzept eines solchen Outdoor-Teppichs hat mir noch nie eingeleuchtet, jedenfalls nicht jenseits von Fußball, Golf und Freibad. Für mich ist er das charakteristische Symbol einer Gesellschaft, für die Natur bestenfalls schöne Kulisse ist – nice to have, aber wehe, das sieht nicht aus wie im Baumarkt-Prospekt!

Am schlimmsten finde ich Mähroboter. Wie die so allein über steril aussehende Flächen surren, sind sie für mich der Inbegriff einer totperfektionierten Welt, in der nur noch mit Playback und Autotune gesungen, und alles mit Argwohn betrachtet und sofort beschnitten wird, was lebendig, schräg und unvorhersehbar ist. Seit ich weiß, welche furchtbaren Verletzungen diese ach-so-bequemen Geräte Igeln, Kröten und Blindschleichen zufügen können, haben sie bei mir endgültig Platz 1 der Horrorhitparade erobert2 Platz 2: Laubbläser und -sauger, die mir mit ihrem von Abgasen geschwängerten Dauergedröhn nicht nur sofort Stresspickel verursachen, sondern ebenfalls tödlich für alle bodennah lebenden Insekten und Spinnen sind3. Platz 3: Beetgestaltungen mit Steinen, die aussehen wie aus dem Materiallager für Bahntrassen. Ich weiß, ich weiß: Die Zeit, das Alter, der Rücken – es gibt viele Gründe, warum man sich einen pflegeleichten Garten wünscht. Und ganz ehrlich? In Wirklichkeit finde ich aufgeräumt und ordentlich schon auch attraktiv und hätte gerne zumindest etwas mehr Kontrolle über den Wildwuchs. Klarer Fall von »Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass«.

Irgendwann mähe ich doch halbherzig überall dort ein bisschen herum, wo nur wenige oder überwiegend abgeblühte Blumen stehen. Zuvor habe ich als Geste der Höflichkeit an meine netten Nachbarn und ihre gepflegten Gärten mit beherzten Griffen die Samenschirmchen der Pusteblumen von Hand abgesammelt und mich dabei abwechselnd heroisch und dämlich gefühlt. Am Ende sieht die Wiese aus wie die Köpfe von Kindern, die Frisör gespielt haben – sprich: noch zerrupfter als vorher. Verdammt. Immerhin passt sie sich damit dem Rest des Gartens an, in dem überall irgendwelches Gestrüpp wuchert. Ich bin ratlos und einigermaßen verzweifelt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt mit dem insektenfreundlichen Garten.

Der Krach mit meinem Gatten entzündet sich schließlich am Steinklee, der wieder mal durch die Stufen der Treppe zwischen Sonnendeck und Garten gewachsen ist. Zuvor hatte ich ihn regelmäßig gestutzt, aber dann hat er hinterhältig eine Abwesenheit von nicht mal einer Woche genutzt, um neues Terrain zu erobern. »Mach den raus«, fordert Marcus kategorisch. »Der ist potthässlich.« Sofort stellen sich bei mir alle Stacheln auf. Wieso reagiert man eigentlich gerade dann am heftigsten, wenn man spürt, dass der andere recht hat? Aber hey, es geht hier schließlich um meinen geliebten Steinklee, Heiler meiner schmerzenden Beine, reicher Spender von Nektar! Leider ist er in diesem Garten optisch wirklich ein Vollflop. Statt kompakt und buschig zu wachsen wie damals, präsentiert er sich spiddelig-sparrig, aber dafür umso ausladender. Dennoch verteidige ich ihn wie eine Löwenmutter, denn voller Blüten und Bienen ist er ja trotzdem. Marcus versucht mir das Eingeständnis abzuringen, dass ich vom Garten überfordert sei, während ich stinksauer darüber bin, dass sich seine Unterstützung nur auf radikales Mähen erstreckt und er sanftere Methoden wie achtsames Zurückschneiden rundweg ablehnt: »Ich will meine Zeit nicht für etwas hergeben, das ich hässlich finde.« Dieser Zirkelschluss treibt mich zur Weißglut: »Mit mehr Pflege wäre es ja nicht hässlich«, behaupte ich kühn und werde polemisch: »Du willst bloß alles platt machen.« Zum Glück geht Marcus nicht auf diese Provokation ein, sondern bleibt sachlich: Was ich denn selbst wolle, was überhaupt mein Ziel wäre mit diesem Garten? Stockend versuche ich, meine Wunschvorstellung zu formulieren: »Ich möchte einen lebendigen Garten, eine Oase für Bienen und andere Insekten, für Vögel, Igel, Eichhörnchen und so. Wo sollen die denn heutzutage noch hin, wenn es nicht mal in den Gärten Futter gibt?«

Irgendwann sitzen wir erschöpft schweigend nebeneinander. »Das war unnötig«, sagt Marcus schließlich. Stimmt, wir streiten selten, warum sind wir jetzt so hitzig geworden? Bei ihm war es wohl das Gefühl, seine Ansichten und Bedürfnisse würden nicht zählen, während ich an ihm ausgelassen habe, dass ich mich irrationalerweise von meinem Garten betrogen fühle. Da erlaube ich ihm, sich frei zu entwickeln, und er fällt mir in den Rücken! Statt einer betörend hübschen Vielfalt bunter Blumen bringt er praktisch nur Gewächse hervor, die überwiegend grün herumwuchern: Gras, Steinklee, Hahnenfuß, Wegerich, Melisse. Letzterer kann ich übrigens auch nicht böse sein, in diesem Fall wegen ihrer beruhigenden Wirkung und ihrer wunderbaren Heilkraft gegen Gürtelrose und Herpes. Anders als das verdammte Fingerkraut, das wirklich überall herumkriecht und exakt null Blüten hervorbringt.

Irgendwann straffe ich mich innerlich und fasse einen Entschluss: Hier wird aufgeräumt, und der Steinklee muss gehen.

Neue Erziehungsmethoden

Wie heißt es so schön: »When the student is ready, the teacher will appear«. Am Wochenende begegnet mir in einer Zeitschrift die Rezension des Buches Der antiautoritäre Garten. Darin geht es genau darum, was ich gewollt, aber mit zu viel Laissez-faire verkackt habe: Mit Pflanzen arbeiten, die für Bienen, Schmetterlinge und Vögel gut sind und sich selbst verbreiten – aber eben ohne lästig zu werden. Das Buch soll beschreiben, wie man die Eigendynamik dieser »Vagabunden« am besten nutzen und sie ihr Ding machen lassen kann. Muss ich haben.