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Es ist der ganz besondere Liebesroman, der unter die Haut geht. Alles ist zugleich so unheimlich und so romantisch wie nirgendwo sonst. Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen, Vampire und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen ziehen uns wie magisch in ihren Bann. Moonlight Romance bietet wohlige Schaudergefühle mit Gänsehauteffekt, geeignet, begeisternd für alle, deren Herz für Spannung, Spuk und Liebe schlägt. Immer wieder stellt sich die bange Frage: Gibt es für diese Phänomene eine natürliche Erklärung? Oder haben wir es wirklich mit Geistern und Gespenstern zu tun? Die Antworten darauf sind von Roman zu Roman unterschiedlich, manchmal auch mehrdeutig. Eben das macht die Lektüre so fantastisch... »Sarah, süße Sarah, du bist zu mir gekommen und wirst für immer bleiben...« Sie versuchte, sich zu wehren, aber es war sinnlos. Der Griff des Unheimlichen glich einem Schraubstock. Sarah hing wehrlos darin wie ein Schmetterling in einem Spinnennetz. Fremde Gedanken drangen in ihren Kopf. Blutige, abseitige Bilder ließen sie aufstöhnen. Ihr Widerstand erlahmte, sie wünschte sich nur, es würde endlich aufhören. Der Unheimliche weidete sich an ihrem Entsetzen. Sie spürte seine Freude, seine Verzückung. Und zugleich spürte sie noch etwas: Der Angreifer atmete nicht! Als der Wecker klingelte, konnte Sarah es nicht fassen. Das war doch nicht möglich! Sie hätte schwören können, dass sie sich gerade erst vor ein paar Minuten ins Bett hatte fallen lassen. Mit einem unwilligen Seufzer langte sie nach dem kleinen Krawallmacher, öffnete ein Auge halb und stellte fest, dass sie fast einen Meineid geleistet hätte: sieben Uhr! »Oh nein«, seufzte die schlanke Blondine und gähnte herzhaft. Sie fühlte sich total zerschlagen und unfähig, auch nur ein Glied zu rühren. Der gestrige Tag hatte schließlich erst geendet, als der heutige längst angefangen hatte. »Quatsch«, seufzte Sarah und schlug die Decke zurück, so als wolle sie sich damit selbst zwingen, aufzustehen.
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Seitenzahl: 122
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»Sarah, süße Sarah, du bist zu mir gekommen und wirst für immer bleiben...« Sie versuchte, sich zu wehren, aber es war sinnlos. Der Griff des Unheimlichen glich einem Schraubstock. Sarah hing wehrlos darin wie ein Schmetterling in einem Spinnennetz. Fremde Gedanken drangen in ihren Kopf. Blutige, abseitige Bilder ließen sie aufstöhnen. Ihr Widerstand erlahmte, sie wünschte sich nur, es würde endlich aufhören. Der Unheimliche weidete sich an ihrem Entsetzen. Sie spürte seine Freude, seine Verzückung. Und zugleich spürte sie noch etwas: Der Angreifer atmete nicht!
Als der Wecker klingelte, konnte Sarah es nicht fassen. Das war doch nicht möglich! Sie hätte schwören können, dass sie sich gerade erst vor ein paar Minuten ins Bett hatte fallen lassen. Mit einem unwilligen Seufzer langte sie nach dem kleinen Krawallmacher, öffnete ein Auge halb und stellte fest, dass sie fast einen Meineid geleistet hätte: sieben Uhr!
»Oh nein«, seufzte die schlanke Blondine und gähnte herzhaft. Sie fühlte sich total zerschlagen und unfähig, auch nur ein Glied zu rühren. Der gestrige Tag hatte schließlich erst geendet, als der heutige längst angefangen hatte.
»Quatsch«, seufzte Sarah und schlug die Decke zurück, so als wolle sie sich damit selbst zwingen, aufzustehen. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass sie nach einer stundenlangen und noch dazu ergebnislosen Observation am nächsten Morgen am liebsten im Bett liegen geblieben wäre. Aber das war eben auch eine Nuance ihres Jobs. Neben spannenden Kriminalfällen und einem schicken Dienstwagen gab es massig öde Schreibtischarbeit und ellenlanges Sitzen im Dunkeln, um auf etwas zu warten, was meist doch nicht passierte.
»Wie in einer Durchschnittsehe«, scherzte die junge Beamtin von Scotland Yard grimmig und schwang die langen, schlanken Beine aus dem Bett. Sarah Blake war Mitte zwanzig, in London geboren und aufgewachsen. Ihre Kindheit war durchschnittlich verlaufen. Dachte sie heute darüber nach, schien es damals weder besondere Höhen, noch nennenswerte Tiefen gegeben zu haben.
Die Blakes lebten in einem schmalbrüstigen Reihenhaus in Harrow. Donald Blake war Busfahrer gewesen, seine Frau Edith Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft. Sarah hatte eine zwei Jahre ältere Schwester, Heather. Die Mädchen waren gut miteinander ausgekommen. Sarah war oft ein bisschen neidisch darauf gewesen, was Heather schon alles durfte. Dinge wie abends bis zehn wegbleiben oder am Wochenende mit einem Jungen ins Kino gehen, die der kleinen Sarah unerreichbar erschienen. Doch Heather hatte nie die große Schwester rausgekehrt, sie hatte mit Sarah über alles geredet, auch über Liebeskummer und die ersten Pickel. Sie waren eine eingeschworene Gemeinschaft gewesen, bis zu jenem nebligen Septemberabend, an dem Heather spurlos verschwunden war. Damals, ein paar Tage vor ihrem siebzehnten Geburtstag, hatte das hübsche, brünette Mädchen eine Freundin besuchen wollen. Heather war nie bei Rachel Biblow angekommen. Die Polizei hatte den ganzen Bezirk mit Suchhunden und einer Hundertschaft durchkämmt, wochenlang Anwohner befragt, die Gegend mit einem Hubschrauber mit Wärmebildkamera überflogen und an die hundert bekannte Sexualstraftäter zur Speichelprobe gebeten. Ohne Ergebnis.
Selbst ein Appell der Eltern, von der BBC ausgestrahlt, blieb ungehört. Wer immer Heather geschnappt hatte, er schwieg. Bis auf den heutigen Tag.
Während Sarah unter der wechselwarmen Dusche halbwegs wach wurde, dachte sie an die quälenden Wochen und Monate, die auf die Erkenntnis gefolgt waren, dass Heather nicht zurückkommen würde. Donald Blake, ein spröder, in sich gekehrter Mann, nicht in der Lage, seine Gefühle in Worte zu fassen, hatte sich in den Alkohol geflüchtet. Die Ehe der Blakes war in die Brüche gegangen. Als Sarah Schulabschluss gemacht hatte, packte ihre Mutter einen Koffer und ging. Sarah blieb beim Vater, der bald krank wurde, arbeitsunfähig und schließlich im Delirium starb.
Die junge Frau stand ganz allein. Sie konnte der Mutter nicht verzeihen, dass diese ihren schwachen Mann im Stich gelassen hatte. Und sie verspürte den unbedingten Wunsch, diesem Drama zumindest eine Spur von Sinn zu verleihen. Sarah beschloss, zur Polizei zu gehen. Sie wollte irgendwann in der Lage sein, Heathers Verschwinden aufzuklären und am Grab das Vaters stehen zu können, um ihm dies zu sagen. Auch wenn es nur eine symbolische Geste sein würde, es war ein Ziel, der Motor, der das junge Mädchen angetrieben hatte.
Zehn Jahre war es nun her, dass Sarahs Schwester verschwunden war. In der Zwischenzeit hatte die tüchtige junge Frau ihre Ziele erreicht. Sie war bei Scotland Yard in der Abteilung für Kapitalverbrechen der jüngste und erfolgreichste Inspector. Sie hatte eine Kopie von Heathers Akte in ihrem Schreibtisch, die sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit durchsah, immer in der Hoffnung, etwas übersehen zu haben, auf eine neue Spur zu kommen. Auch wenn es so aussah, als ob das Verschwinden von Heather Blake zu den ungelösten Fällen gehörte, würde Sarah doch nie aufgeben. Denn sie wusste: Irgendwo dort draußen lief der Mann herum, der ihre ganze Familie auf dem Gewissen hatte. Und sie war nicht gewillt, ihn damit durchkommen zu lassen.
Sarah warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und stellte fest, dass das Wetter sich noch verschlechtert hatte. Es war ein trüber, nebliger Februarmorgen, zudem nieselte es leicht. In den vergangenen Tagen hatte der Nebel bereits wie schwere Watte über der Metropole an der Themse gelegen. Der zusätzliche Nieselregen machte das Ganze noch ungemütlicher.
Die junge Polizistin war froh, dass sie in ein paar Tagen Urlaub hatte. Zwar wollte sie nicht in sonnige Gefilde verreisen, doch sie würde Zeit haben, sich ihrem Hobby zu widmen. Und darauf freute Sarah sich bereits. Sie war nämlich Mitglied in einem Detektivclub. Dieser vereinte Menschen aus allen Schichten und Berufsgruppen, deren Leidenschaft dem Lösen von Rätseln galt. Oder genauer gesagt, dem Lösen alter Kriminalfälle, an denen sich bereits Generationen zuvor die Zähne ausgebissen hatten. Der »Club zur Erforschung von Großstadtlegenden«, wie er offiziell hieß, war vor gut fünfzig Jahren von einem Offizier im Ruhestand gegründet worden.
Major William de Ransey war von dem geheimnisumwitterten Fall Jack the Rippers fasziniert gewesen und hatte seinen Ruhestand zu privaten Ermittlungen über dieses weltbekannte Mysterium genutzt. Da er nicht nur über Zeit, sondern auch genügend Mittel verfügte, gelangte er zu erstaunlichen Erkenntnissen. Mit seiner Lust an Recherche und Kombination faszinierte er Freunde und Verwandte und in seinem Todesjahr 1984 hatte sein Club bereits an die hundert Mitglieder.
Heutzutage waren es nicht bedeutend mehr, doch für jedes Mitglied, das aus Altersgründen ausschied, standen schon wieder mehrere Bewerber parat. Die Zahl der Mitstreiter zu begrenzen, erschien dem Major wohl als adäquates Mittel, eine gewisse Exklusivität zu erreichen.
Sarah war stolz, zu diesem Club zu gehören, dessen Regeln einem nicht Eingeweihten vielleicht ein wenig verschroben erschienen. Dass ein Mitglied des Vorstandes zum Beispiel persönlich vorbeikam, um einem einen neuen Fall zu präsentieren, gehörte zu einem dieser Rituale. Die junge Frau fand nichts dabei, sie freute sich im Gegenteil bereits darauf, bald Besuch zu bekommen, denn sie brannte auf ihren neuen Fall.
Sarah hatte eben Kaffee gekocht, als es klingelte. Sie nahm noch eine zweite Tasse aus dem Schrank und ging dann zur Tür, um zu öffnen. Ihre kleine, gemütliche Wohnung lag im Londoner Stadtteil Kensington, nicht allzu weit von der City of London entfernt. Sie schätzte es, immer schnell im Büro sein zu können, wenn sie gebraucht wurde. Der Besucher begrüßte Sarah mit einem Kuss und seufzte dann: »Ein mieses Mistwetter ist das.«
»Du kommst gerade richtig zum Frühstück, Casey«, stellte Sarah schmunzelnd fest. »Dafür hast du einen siebten Sinn.«
»So was zahlt sich aus, wenn man beim Yard ist«, parierte der hoch gewachsene, dunkelhaarige Mann mit den klaren, grauen Augen. Bevor Sarah die Brötchen aus dem Ofen nehmen konnte, zog er sie an sich und küsste sie noch einmal. Sie lächelte weich.
»Du bist heute besonders hübsch, mein Schatz«, schmeichelte er ihr und gab sie noch nicht gleich wieder frei. »Und das nach nur vier Stunden Schlaf. Wie machst du das?«
»Ich bin verliebt, das hilft«, scherzte sie. »Aber wenn du jetzt nicht aufhörst, Süßholz zu raspeln, müssen wir ohne Frühstück los, mein starker Held.«
Er grinste jungenhaft. »Schon überredet. Mein Magen knurrt.«
Sarah und Casey Jones waren seit einem Jahr ein Paar. Der raubeinige Ermittler und die selbstbewusste Draufgängerin hatten sich zuerst nicht leiden können. Sie hatte ihn für einen aufgeblasenen Macho gehalten, er sie für eine kaltherzige Streberin.
Erst nach ungezählten Überstunden, gemeinsamen Observationen und brenzligen Situationen, in denen sie gelernt hatten, sich zu vertrauen, waren sie sich auch menschlich näher gekommen. Sarah hatte feststellen können, dass Casey ein sensibler und tiefgründiger Mann war. Und er hatte sich in die schöne, kluge Frau verliebt, hinter deren spröder Schlagfertigkeit sich eine Menge Trauer und Einsamkeit versteckten. Ginge es nach Casey, wären sie längst verheiratet oder würden zumindest zusammen leben. Aber Sarah bestand auf ihren Freiräumen. Und er war klug genug, ihr diese auch zuzugestehen.
»Die Observation letzte Nacht war übrigens nicht ganz umsonst«, ließ er sie nun kauend wissen. »Die Kollegen von der Drogenfahndung konnten mehrere alte Kunden festnehmen.«
»Und dafür haben wir uns die Nacht um die Ohren geschlagen.« Sarah seufzte. »Ich fühle mich wirklich urlaubsreif.«
»Wie wär’s, wenn ich mir auch eine Woche freinehme, und wir fliegen in den Süden? Ein bisschen Sonne tanken und sich nur ausruhen, wie klingt das in deinen Ohren?«
»Ganz nett. Aber ich kann nicht, das weißt du doch.«
»Ach ja, dein Club«, seufzte Casey, der nicht viel von Sarahs Hobby hielt. »Genügen dir denn unsere aktuellen Fälle wirklich nicht, muss es auch noch historischer Mord und Totschlag sein?«
Sie lächelte zuckersüß. »Es muss. Walter kommt morgen Abend vorbei, um mir meinen neuen Fall zu übergeben. Und ich würde es schön finden, wenn du dabei bist.« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Ich koche auch dein Leibgericht; Irish Stew.«
Er seufzte. »Du kennst meine Schwächen und nutzt sie gnadenlos aus. Na schön, wenn du nicht auf mich verzichten kannst …«
Sie lachte und erhob sich. »Kann ich doch nie, mein Schatz. Aber jetzt komm, wir müssen zum Dienst.« Sie hielt ihm die Hand hin, doch er zog sie lieber auf seinen Schoß und stahl ihr noch einen Kuss, statt ihr zu folgen.
»Hast du was vor?«, forschte sie frech. »Etwa, einen Rüffel fürs zu spät kommen vom Boss kassieren?«
»Du hast recht.« Mit einem resignierten Blick folgte er ihr. »Das wird langsam zur Gewohnheit bei dir. Da muss ich mich wohl in Acht nehmen.«
Sarah schloss die Tür ab und folgte Casey schmunzelnd. »Kann nicht schaden. Allerdings nur, wenn du Vorurteile gegen kluge Frauen hast. Und davon kann doch wohl keine Rede sein, oder?«
Er schenkte ihr einen anerkennenden Blick. »Wäre ich dann mit dir zusammen, mein kluger Schatz?«
*
Vor ihrem Urlaub wurde Sarah noch einmal so richtig gefordert. Der aktuelle Fall, an dem sie mit Casey arbeitete, verlangte eine Menge zusätzlicher Recherche und ebenso viele Überstunden.
Dass sie am nächsten Abend halbwegs pünktlich heimfahren konnte, erschien der jungen Frau schon fast wie ein kleines Wunder. Zum Glück hatte sie bereits alles eingekauft, was sie fürs Abendessen brauchte, und konnte sofort loslegen, als sie daheim ankam.
Gegen halb neun erschien dann Walter Hemmings auf der Bildfläche. Der unscheinbare Mittvierziger war Buchhalter in einer großen Firma und im Vorstand des Detektivclubs.
Er schnupperte genießerisch und fragte dann ein wenig verunsichert: »Wir hatten doch Donnertag abgemacht, oder? Komme ich vielleicht ungelegen?«
»Wieso? Ach, wegen des Essens. Das habe ich für Casey gekocht. Komm nur rein, Walter, ihr kennt euch ja. Magst du vielleicht einen Teller Stew?«, fragte sie unkompliziert.
»Ich habe schon zu Abend gegessen, danke. Aber es duftet ganz fabelhaft.« Er drückte Casey zur Begrüßung die Hand. »Du kannst dich glücklich schätzen, eine solche Köchin zu bekommen. Meine Valerie lässt leider auch das berühmte Wasser anbrennen.«
Casey lächelte schmal. »Wenn sie nur ja sagen würde. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele Anträge ich bereits gemacht habe. Meine Hosen sind an den Knien ganz speckig.«
Sarah schüttelte den Kopf und meinte tadelnd: »Rede keinen Quatsch, Casey, Walter könnte dir am Ende noch glauben.«
Der lachte. »Keine Sorge, ich kenne euch zwei Scherzkekse. Aber jetzt zur Sache. Sarah, ich muss schon sagen, um diesen Fall beneide ich dich. Er ist einer der spektakulärsten und mysteriösesten, von denen ich je gehört habe. Kommt gleich an zweiter Stelle nach dem Ripper.«
»Du machst mich neugierig, Walter.« Sie schenkte jedem ein Glas Rotwein ein, während ihr Besucher eine Mappe mit Unterlagen ein wenig umständlich aus seiner Tasche fischte.
»Es geht um die sogenannten Harlington-Morde. Schon mal was davon gehört?«
»Der Name sagt mir nichts, ich brauche Details.«
»Sollst du haben. Anfang des vorigen Jahrhunderts erschütterte eine Mordserie an jungen Prostituierten London. Die Zeitungen schrieben vom zweiten Ripper. Die Polizei ging davon aus, dass mehr als zehn junge Frauen vom gleichen Täter auf bestialische Weise verstümmelt und getötet wurden. Bei den ersten Fällen kam das Gerücht auf, es handele sich um die Angriffe wilder Tiere. Angeblich seien Löwen aus dem Zoo ausgebrochen. Andere sprachen von einem Puma. Eine esoterische Zeitung schrieb etwas von einem »Gespenstermord«. Es gab also die wildesten Spekulationen.«
»Hat der Mörder auch ein Rasiermesser benutzt?«
»Nein, das war einer der Punkte, mit denen die Polizei sich damals so schwertat. Es gelang ihnen nämlich nicht, die Tatwaffe zu identifizieren. Die Mutmaßungen schwankten zwischen einem sehr langen, spitzen Dolch mit zwei Klingen und einem abstrusen Instrument, das der Mörder extra zu diesem Zweck kreiert hat.«
»Ein Dolch mit zwei Klingen?« Casey schüttelte den Kopf. »So was gibt es nicht. Das würde auch gar nicht funktionieren.«
»Gab es denn Tatverdächtige?«, wollte Sarah nun wissen, der das Ganze auch ziemlich suspekt war.
»Die Ermittlungen konzentrierten sich ziemlich schnell auf einen gewissen James Rutherford, den vierten Earl of Harlington. Ein hochgestelltes Mitglied der Gesellschaft, eng mit dem Königshaus verwandt.«
»Noch eine Parallele zum Ripper.«
Walter stimmte zu. »Die Polizei war gezwungen, sehr diskret vorzugehen, man musste eine ganze Menge Rücksichten nehmen, die normale Ermittlungen im Grunde unmöglich machten. Dann aber kam ihnen der Zufall zur Hilfe. Ein Opfer überlebte nämlich.«
»Und trotzdem ist der Fall ungeklärt?«, wunderte Sarah sich.
»Leider. Die junge Prostituierte Lydia Brooker wurde schwer verletzt in einer Gasse in Soho gefunden. Obwohl man sie gleich zu einem Arzt brachte, lebte sie kaum mehr als noch eine Stunde.Und was sie erzählte, war unverständlich. Keiner konnte sich einen Reim darauf machen. Die Polizei stufte ihre Aussage schließlich als »Fieberphantasie« ein.«
»Liegt sie vor?«, fragte Sarah gespannt.