Die Bratwurst (eBook) - Siegfried Zelnhefer - E-Book

Die Bratwurst (eBook) E-Book

Siegfried Zelnhefer

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Beschreibung

Die Bratwurst ist seit Jahrhunderten in aller Munde. Sie ist nicht nur ein omnipräsentes Grillgut, sondern für viele Menschen auch ein Stück Heimat. Autor Siegfried Zelnhefer möchte mit diesem Buch nicht nur ihre Vielfalt aufzeigen, sondern wirft auch einen Blick auf die Historie dieses universellen Nahrungsmittels, liefert Fakten und stellt lokale, regionale sowie international herausragende Vertreter ihrer Art vor. Er betrachtet die verschiedenen Facetten dieses genussreichen Kulturguts aber auch mit einem heiteren Augenzwinkern. Doch dieses hochwertig gestaltete Buch ist viel mehr: Koch Manuel Kohler (Mobile Kochkunst, Nürnberg) präsentiert 50 Rezepte – mit unverzichtbaren Klassikern, regionalen Spezialitäten und frischen Neuinterpretationen –, die Fotografin Katharina Pflug mit einem feinen Gespür für das Wesentliche in Szene gesetzt hat. Eine perfekte Verbindung von Geschichten und Gerichten.

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Siegfried Zelnhefer ˘ Katharina Pflug ˘ Manuel Kohler

die bratwurst

Geschichten, Hintergründe und Rezepte

ars vivendi

Geschichten / Hintergründe

Vorwort

Die Königin der Würste

Kleine Geschichte der Bratwurst

Ein philologischer Blick auf die Bratwurst

Wurstarten und ihre Herstellung

Wo gibt es die beste Bratwurst?

Nürnberger, Thüringer, St. Galler und Co.

Gummibärchen-Bratwurst vom Weltmeister

Die deutsche Bratwurst in aller Welt

Bio-Bratwurst

Der Deutschen (fast) liebste Wurst

Sind Bratwürste gläubig?

Warum grillen fast immer nur Männer?

Warum die Nürnberger Bratwurst wirklich so klein ist

Legenden, Kuriositäten und Rekorde

Bratwurstmuseen

Bratwurstkult – und ein bisschen Marketing

Bratwursthäuser und Würstelstände

Warum Bratwürste auch der Seele guttun

Die Dreieinigkeit: Fußball, Bier und Bratwurst

Die letzte Bratwurst vor Amerika

Rezepte

Herstellung der Würste

Die Vielfalt der Bratwurst

Esskultur mit Brötchen

Imbisse & Vorspeisen

Klassiker & regionale Spezialitäten

Internationales

Kreatives

Bratwurst richtig grillen

Bratwurst richtig braten

Literaturverzeichnis

Internetnachweise

Bezugsquellen

Rezeptregister

Dank

Impressum

Vorwort

Sie ist in aller Munde: die Bratwurst. In einigen Gegenden gehört sie zur DNA einer ganzen Region. Sie ist selbstverständlich seit Menschengedenken, und doch wird ihr nicht immer die nötige Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie einfach da ist. Was zum Alltag gehört, kann leicht seinen Glanz verlieren. Man sieht nicht mehr das Besondere, das gerade im Einfachen steckt – wenn es gut ist. Dabei gilt auch für die Bratwurst, dass das Schlichte seine volle Güte entfaltet, wenn Qualität, Erfahrung, Kreativität und Leidenschaft eine glückliche Verbindung eingehen. Dann kann aus einer vermeintlich simplen Bratwurst ein Hochgenuss werden.

Die Bratwurst ist ein universelles Nahrungsmittel. Das Brät aus Schweine-, Rind-, Kalb-, Lamm-, Wild- oder auch Geflügelfleisch von verschiedenen Partien, mal mit mehr, mal mit weniger Fettanteilen, gewolft, gekuttert, raffiniert und abwechslungsreich gewürzt, gegrillt, gebraten, geräuchert, getrocknet, gesotten oder auch als Gehäck serviert, könnte unterschiedlicher nicht sein. Die Metzgermeister hüten ihre Rezepte wie ihren Augapfel, doch zum Glück lassen sie uns an den Ergebnissen ihrer Handwerkskunst teilhaben.

In den vergangenen Jahren ist so etwas wie eine Wiederentdeckung der Bratwurst zu beobachten. Der Verzehr an Bratwürsten hat deutlich zugenommen. Die Erzeuger besinnen sich auf den Schatz, den sie hüten, und lassen ihre Produkte schützen. Sie informieren das Publikum zum Beispiel in neuen Museen über das Kulturgut Bratwurst. Da und dort werden Bratwurstpreise vergeben, nicht nur, um die besten Hersteller auszuzeichnen, sondern auch, um immer wieder Interesse für die beliebte Wurst zu wecken und neue Kreationen zu würdigen. Die Bratwurst blickt auf ein langes Leben zurück, doch sie ist auch zur Veränderung fähig.

Dieses Buch basiert unter anderem auf einschlägiger Literatur, Online-Veröffentlichungen, Gesprächen mit Metzgerinnen und Metzgern, Köchen und Menschen, die sich irgendwie der Bratwurst verschrieben haben, sowie auf Verkostungen und dem Vergnügen, traditionelle Bratwurst-Gerichte zeitgemäß zu interpretieren und neue zu kreieren. Der Schwerpunkt liegt auf der Bratwurst im deutschsprachigen Raum, vor allem Franken und Thüringen, wo es besonders viele Beispiele mit langer Tradition und alltäglicher Präsenz gibt. Wir blicken aber auch auf Bratwurst-Spezialitäten anderer Länder.

Im Ausland, vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika, wird Deutschland mit der Bratwurst identifiziert. Der Begriff ist selbst im Englischen gebräuchlich – Bratwurst muss man nicht übersetzen. Vielleicht ist sie auf kulinarischem Gebiet ja so etwas wie ein verbindendes Element der Menschen über Nationalitäten hinweg. Die beliebte Wurst kann auf eine mehrere Tausend Jahre alte Historie verweisen. Sie ist also kein vergängliches Tagesphänomen, sondern ständiger Begleiter unserer Zivilisation. Die Bratwurst gehört zur Grundausstattung jedes fröhlichen Festes, sie ist aber weit mehr als nur ein omnipräsentes Grillgut. Oft ist sie ein Stück Heimat.

Dieses Buch vereint Geschichten, Hintergründe und Rezepte rund um die Bratwurst – gewissermaßen Theorie und Praxis in einem. Dass unsere Lieblingswurst ein echter Alleskönner ist, zeigt Manuel Kohler mit viel Gespür und Kreativität in seinen Rezepten. Fotografin Katharina Pflug setzt die Gerichte in frischen und klaren Bildern in Szene. Wir laden Sie herzlich ein, die Bratwurst neu zu entdecken.

Siegfried Zelnhefer

Die Königin der Würste

Das Prinzip ist denkbar einfach: Man zerkleinert Fleisch, sorgt für eine Mischung aus mager und fett, reichert es mit Gewürzen an und füllt es in Därmen ab, dickeren und dünneren. Fertig ist die Bratwurst. Allein: Wie zerkleinert man es, wie stimmt man die unterschiedlichen Bestandteile ab? Es kommt auf die Rezepturen und die Kunst der Wurstmacher an. Am Ende stehen höchst erfreuliche und unterschiedliche Geschmackserlebnisse.

Jede Wurst nimmt für sich in Anspruch, die beste aller Würste zu sein. Und wenn sie es nicht selber tut, wird es nicht nur einen Metzger geben, der für sie Partei ergreift und sie in den Himmel lobt. Auch im Sinne eines gewissen Eigeninteresses. Aber wir hören aus einschlägigen Kreisen und können es auch mehrfach lesen, die Bratwurst sei die »Königin der Würste«. Was ist da dran? Wenn man Metzger dazu befragt, erntet man manchmal ein verschmitztes Lächeln. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch die Bratwurst-Lobby der vergangenen zwei bis drei Jahrtausende für dieses Image gesorgt hat. Schlimm wäre es aber nicht.

Natürlich haben auch viele andere Würste ihre Qualitäten. Doch Bratwürste verfügen über ganz besondere Eigenschaften, die andere Würste nicht aufzubieten haben. Zuallererst: Die Qualität der Ausgangsprodukte – natürlich vor allem die Güte des Fleisches und der weiteren Zutaten – sowie die Mischung der Ingredienzen machen eine gute Bratwurst aus. Ihre Zubereitung und Präsentation sind mannigfaltig. Andere wurstige Mitbewerber um die Gunst des Genießers tun sich erheblich schwerer. Nehmen wir als Beispiel die in Deutschland vor allem südlich des nach ihr scherzhaft benannten »Äquators« (die Donau) beliebte Weißwurst. Es gibt im Kern nur eine Darreichungsform: Man lässt die Wurst im heißen Wasser sanft ziehen. Sodann wird sie mit einer Laugenbreze und süßem Senf serviert. Das war’s dann auch schon. (Zugegeben, man kann auch Salat und manch anderes mit der Weißwurst anrichten, doch ihre Möglichkeiten sind überschaubar.)

Natürlich haben auch viele andere Würste ihre Qualitäten. Doch Bratwürste verfügen über ganz besondere Eigenschaften, die andere Würste nicht aufzubieten haben.

Welche Vielfalt indes eröffnet sich mit der Bratwurst! Ihre Zutaten variieren endlos. Vieles lässt sich zur Bratwurst verarbeiten: Schwein, Rind, Kalb, Lamm, Wild, Pferd oder Geflügel. Die Variationsmöglichkeiten sind zahlreich: das Fleisch, die Fettanteile, die Gewürze, die Mischung, die weiteren Zutaten, die Konsistenz – fein, mittelgrob oder grob. Sie ist offen für saisonale Beigaben (etwa Bärlauch) und trendige Weiterentwicklungen. Ihr Brät lässt sich manchmal schon im kalten Zustand genießen. Sie lässt sich grillen, in die Pfanne legen und im Sud garen. Sie schmeckt getrocknet und geräuchert. Sie lässt sich einbauen in schier unzählige Gerichte. Sie macht eine genauso gute Figur als Aufstrich auf einem Schwarzbrot wie als Teil einer Sülze.

Sie harmoniert mit vielfältigen Gemüse- und sonstigen Begleitern auf dem Teller. Sie kann ganz klein, ganz groß oder auch in Schneckenform daherkommen. Ein Alleskönner und Best-Performer in jeder Beziehung. Und sie kommt in allen Alters- und Gesellschaftsgruppen gleichermaßen gut an. Bei den Kleinen sind ganz zufällig auch die kleinen Bratwürste besonders beliebt. Sie schmecken am Imbissstand genauso gut wie beim gepflegten Stehempfang. Die Universalität der Bratwurst ist schier nicht zu übertreffen. Und wenn sich die Bratwurst mit Edelgemüse aus dem bekannten Königshaus namens Spargel auf dem Teller vereint, sind die letzten Zweifel an der Berechtigung des royalen Etiketts beseitigt.

Kleine Geschichte der Bratwurst

In Deutschland sind rund 1500 Wurstsorten bekannt. Vielleicht gibt es auch mehr. Es existiert kein offizielles Wurstregister. Ein deutscher Hersteller hat allein 1500 Wurstgewürze im Angebot. Die Ausgangsprodukte – das Fleisch, die Zubereitungsart, die Zusammensetzung, die Haut, die Konsistenz, die Optik und vieles mehr – ergeben schier unzählige Wurstsorten. Sicher ist: Deutschland ist das Wurstland Nummer eins.

Der Kunsthistoriker und leidenschaftliche Wurstliebhaber Wolfger Pöhlmann schreibt: »Die einmalige Vielfalt an unterschiedlichen Wurstsorten ergibt ein Abbild von Deutschland, seiner Geschichte und Kultur. (…) Im Phänomen Wurst spiegeln sich ökonomische, politische, gesellschaftliche wie soziale Umstände, aber auch psychologische, religiöse, moralische und ethische Fragen.« Würste machen nicht nur satt, sondern können für Wohlbefinden und höchsten Genuss sorgen. Im besten Fall setzen sie die angenehmsten Gefühle frei. Das beginnt schon damit, wenn man im zarten Kindesalter beim Einkauf an der Hand der Mutter über den Tresen eine Scheibe Gelbwurst gereicht bekommt.

Wer weiß, welche Köstlichkeiten sich noch in mancher Metzgerei abseits der medialen Wahrnehmung einschlägiger Food-Magazine verbergen. Wahrscheinlich gibt es noch viel zu entdecken und noch mehr zu bewahren. Dabei werden heute in Deutschland zwei Drittel der Wurst in Supermärkten verkauft. Die industrielle Fertigung wächst, die Zahl der Metzger (Schlachter, Fleischer) nimmt kontinuierlich ab. Es fehlt auch der Nachwuchs. Die Verbraucher beobachten Tierhaltung und Produktionsbedingungen kritisch, vegetarische und vegane Kost nehmen einen höheren Stellenwert ein. Umso mehr gilt es gerade auch bei fleischlichen Produkten, genau hinzusehen.

Würste machen nicht nur satt, sondern können für Wohlbefinden und höchsten Genuss sorgen.

Jede Wurst legt nicht nur Zeugnis vom Können seines Herstellers ab. Jede Wurst ist ein Kulturgut. Mit zwei Enden. Und das seit mindestens 7000 Jahren. Aus der Zeit um 5000 v. Chr. sind in Ägypten, Syrien und China Zeichnungen und Malereien von Würsten überliefert. Die Wurst ist eines der ältesten von Menschenhand hergestellten Nahrungsmittel. Zerlegtes Fleisch, Speck, Gewürze, manchmal auch Innereien und Blut wurden in Därme oder Mägen gestopft, zugeschnürt, unmittelbar für den Verzehr gebraten oder auch gekocht, geräuchert und getrocknet.

Mit diesen Methoden war es möglich, das Fleisch der gejagten oder auch (seit rund 10.000 Jahren) gehaltenen Tiere (wie zunächst Schafe und Ziegen, später auch Schweine und Rinder) über längere Zeit haltbar zu machen. Es ging auch darum, möglichst viele Bestandteile eines Tieres, auch vermeintlich minderwertige, zu verwerten. Die heutige »Nose-to-Tail«-Bewegung ist deshalb: ein alter Hut.

Homer lebte in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. Er hat uns mit der Odyssee eine der bedeutendsten abendländischen Dichtungen hinterlassen. 24 Gesänge und etwa 12.000 Verse verzeichnet das Epos. Odysseus, König von Ithaka, hat alle möglichen Irrfahrten und Prüfungen hinter sich, als er nach zehn Jahren aus dem Trojanischen Krieg heimkehrt. Als Bettler verkleidet ist er wieder an seinem Hofe, wo gerade eine Festgesellschaft versammelt ist. Seine treue Ehefrau Penelope wird von vielen zudringlichen Freiern umworben. Schließlich verspricht sie demjenigen ihre Hand, der den Bogen ihres Mannes zu spannen in der Lage ist. Odysseus beobachtet alle vergeblichen Versuche, ehe er selbst die Waffe erhält – und die Freier tötet. Schließlich erkennt die Gesellschaft in ihm den König.

Es gibt mehrere Fundstellen bei Homer, die auf die Bratwurst jener Zeit verweisen. Im 18. Gesang, Vers 40, heißt es: »Aber Eupeithes Sohn Antinoos sprach zur Versammlung: / Höret, was ich euch sage, ihr edelmütigen Freier! / Hier sind Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefüllet, / die wir zum Abendschmaus auf glühende Kohlen geleget. / Wer nun am tapfersten kämpft, und seinen Gegner besieget, / dieser wähle sich selbst die beste der bratenden Würste.«

Nach bestandener Auseinandersetzung wird der Held mit einer Bratwurst belohnt (18, 115): »Freute der edle Odysseus sich herzlich, Antinoos bracht ihm / Jetzo den großen Magen, mit Fett und Blute gefüllet.« Dabei handelte es sich wohl eher um eine recht nährreiche Blutwurst. Aber gebraten war sie. Und an anderer Stelle (20, 25) steht: »Also wendet der Pflüger am großen brennenden Feuer / Einen Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefüllet, / Hin und her und erwartet es kaum, ihn gebraten zu sehen.« Spätestens hier hat in der Weltgeschichte die erste Stunde der Bratwurst geschlagen. Zumindest die erste schriftlich überlieferte.

Marcus Gavius Apicius (ca. 25 v. Chr. bis 42 n. Chr.) gilt als römischer Feinschmecker und Liebhaber von Luxus. Von ihm stammt das älteste erhaltene Kochbuch De re coquinaria (Über die Kochkunst). Es enthält über 400 Rezepte und Küchentipps, unter anderem auch Hinweise, wie man eine Bratwurst macht: »Hacke Fleisch und stampfe es im Mörser mit Weißbrot ohne Kruste, das zuvor im Wein eingeweicht wurde. Ebenso stampfe Pfeffer und nach Belieben Myrthenbeeren. Forme kleine Klößchen, in die du noch Pinienkerne und Pfefferkörner hineinsteckst. Hülle sie in Wursthaut und koche sie leicht.«

Ein halbes Jahrhundert später beschreibt der römische Senator und Dichter Titus Petronius in seinem Roman Satyricon in deutlichen Worten die Gesellschaft seiner Zeit. Bei einem opulenten Gelage in den besseren Kreisen kommen auch »Bratwürste, die auf silbernem Bratwurstrost rauchten«, vor. Die Autorin Dorothea Čerpnjak schreibt: »Federico Fellini hat den Stoff 1969 verfilmt. Die Bratwurst-Szene in Fellinis Satyricon ist zwar kurz, aber beeindruckend fleischig.« Beim römischen Satiredichter Juvenal (1./2. Jahrhundert) fungieren Bratwürste scherzhaft als Weihegeschenke für Ehe- und Kindersegen.

Von Italien aus ging die Bratwurst auf Wanderschaft. Über das Römische Reich breitete sie sich weiter in Europa aus. (Apicius lebte auch eine Zeit lang in der Gegend um Köln, der einstigen Colonia Claudia Ara Agrippinensium.) Um 1200 findet sich die »pratwurst« in deutschsprachigen Lexika. Es mehren sich schriftliche Belege im deutschen Sprachraum.

Die Obrigkeit achtete auf das gesundheitliche Wohl der Bevölkerung. Im Mittelalter wuchs das Image der Metzger noch. Ihre Zünfte setzten wichtige Qualitätsstandards. Sie waren schließlich – ähnlich den Brauern – für die Grundversorgung der Stadtgesellschaft mitverantwortlich. Die Bratwurst fand Eingang in verbindliche Ordnungen, auch wegen opulenter Feste des Adels und wohlhabender Bürger, die die Nachfrage steigerten. Die Gefahr war real, dass Bratwürste auch mit fragwürdigem Inhalt gestreckt wurden, vor allem als die Metzger bei der Versorgung durch die Bevölkerungsexplosion in Schwierigkeiten gerieten.

Die Bratwurst war Bestandteil des allgemeinen Nahrungsangebots. Man achtete zunehmend darauf, dass Regeln ein- und die Qualität hochgehalten wurden. Die Zünfte wurden in Rinds- und Schweinemetzger geteilt, um der Brätpanscherei den Garaus zu machen. Die Rezeptur der Nürnberger Bratwürste wurde 1313 vom Rat der Reichsstadt Nürnberg festgeschrieben. »Alles Schweinelenden-Prät soll man in die Würste hacken«, heißt es in der vom Rat erlassenen Satzung. Es handelte sich also um bestes Schweinefleisch. Das Regelwerk verwies auch auf einen Fleischbeschauer.

Nur spezialisierte Schweinemetzger durften die Nürnberger Bratwurst herstellen, und sie mussten ihre Produkte täglich den geschworenen Metzgern und Marktmeistern vorlegen, die sie strengstens hinsichtlich Rezeptur, Struktur, Fleischzusammensetzung und Wassergehalt prüften. Wurden sie als minderwertig beanstandet, zwang man diese unehrenhaften Handwerker, ihre Produkte in die Pegnitz zu werfen. 1497 legte eine Metzgersatzung Größe, Art der Füllung und Preis fest: Aus einem Nürnberger Pfund (etwa 560 Gramm) waren für Garküchen fünf Würste, für Privatleute aus der gleichen Menge vier Würste zu produzieren. »1370 wurden in Esslingen erstmals die Größe und das Gewicht von Bratwürsten amtlich festgelegt«, berichtet Dorothea Čerpnjak. »Metzger, die beim Verlängern von Wurstbrät mit minderwertigen Zutaten erwischt wurden, mussten mit Turmhaft oder Prügelstrafe rechnen.«

Eine Ausgabenaufstellung des Arnstädter Jungfrauenklosters vom 20. Januar 1404 gilt als erster schriftlicher Nachweis der Thüringer Bratwurst. Dort ist vermerkt: »1 gr vor darme zcu brotwurstin«. Es wurde also ein Groschen für Darm ausgegeben, in den Brät gefüllt werden sollte. 1432 erlegte die Fleischhauerordnung in Weimar den Metzgern so etwas wie ein Reinheitsgebot auf.

Nur spezialisierte Schweinemetzger durften die Nürnberger Bratwurst herstellen, und sie mussten ihre Produkte täglich den geschworenen Metzgern und Marktmeistern vorlegen, die sie strengstens hinsichtlich Rezeptur, Struktur, Fleischzusammensetzung und Wassergehalt prüften.

Fixiert wurde dies im Weimarer Statutenbuch von 1433. Sinngemäß steht dort – nach Uwe Keith: »Auch sollen sie (die Fleischer, d. Verf.) die Bratwürste, Leberwürste und anderen Würste von reinem, frischem Fleisch machen, das weder finnig (ohne Finnen – Larven des Schweinebandwurms) noch wandelbar (gammelig) ist, und sie sollen keine Milzen, Herzen, Nieren noch anderes Ungefährde (alles irgendwie Gefährliche, d. Verf.) noch fremdes Fleisch, welches nicht dazugehört, nehmen.« Zugleich legte die Ordnung die Strafen bei Zuwiderhandlung fest.

Die Galler Metzgerzunft schrieb 1438 in ihren Satzungen: »Item die Bratwürst söllend sy machen von schwinignenn Braten, und darunter hacken gut Kalbelen und jung Ochsen mit Kalber zenen. Und nammlich under drü Pfund Bratten ain Pfund Speck tun umnd nit minder. Sie sonnd och kain Nieren, Hertz noch Halsflaisch darzu nehmen.«

Lange Zeit waren Bratwürste ein Luxusgut, das sich eher Wohlhabende einverleibten, oder etwas, das man sich nur zu besonderen Anlässen leistete. Das hatte sich schon im ausgehenden Mittelalter geändert. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die Herstellung hochwertiger Bratwürste in Nürnberg für viele Metzger sogar unwirtschaftlich, weil die Preise ständig sanken. (Aus der Misere kam die Branche dadurch, dass die Würste immer kleiner wurden – bei gleichbleibenden Preisen.) Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Dezimierung der Bevölkerung war die Fleisch- und Wurstversorgung kein Problem mehr.

In der Biedermeierzeit entdeckten die Menschen die Bratwurst auf neue Weise: Bei Ausflügen ins Grüne oder bei Zusammenkünften in und vor der eigenen Gartenlaube wurden die Würste selbst gegrillt. »Das kleine, private Glück der über glühender Holzkohle auf eigenem Rost brutzelnden Bratwürste gewann schlagartig große Bedeutung. Die Bratwurst wurde Kult. Eifrig transportierten die Hausfrauen frische Würste zwischen zwei Tellern nach Hause und beglückten damit Familie und Freunde«, schreibt Čerpnjak.

Schon im 18. und 19. Jahrhundert gingen Nürnberger Bratwürste, gebraten und eingelegt in Schmalz, in den Export. Johann Wolfgang von Goethe ließ sie sich mit der Post nach Weimar schicken. Er freute sich über die »Bratwürstchen, welche dort (in Nürnberg, d. Verf.) so vorzüglich gut gefertigt werden« und »mit Majoran gewürzt und ein wenig geräuchert« seien. Johann Leonhard Schrag, Verleger des Schriftstellers Jean Paul, ein ausgesprochener Wurstfreund, sandte 1813 (auf Jean Pauls umfangreiche Würste-Bestellung hin) nach Bayreuth Nürnberger Bratwürste. Der Dichter bedankte sich dichtermäßig: »Die Würste sind meinem Magen schöne Vergissmeinnicht von Nürnberg.« Und er fügte auch an, was nicht so gut war: »Nur die Blutwürste haben den Fehler, (…) zu viel Fett zu enthalten.«

Tatsächlich wurde die Bratwurst im 19. Jahrhundert in Deutschland zum Verkaufsschlager. Dies zeigt auch die Wortverlaufskurve für »Bratwurst«, erstellt vom Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. Es durchforstet alle digital zugänglichen Veröffentlichungen jedweder Art. Lag die Frequenz im Jahr 1600 bei unter 1, stieg sie um das Jahr 1840 auf rund 2,7, um 1920 auf 0,5 abzusinken, ehe es ab dann ganz allmählich wieder nach oben ging. Der Erste Weltkrieg hatte die Möglichkeiten des Bratwurstverzehrs, sowohl was die Hersteller als auch die finanzielle Lage der Verbraucher anbelangte, deutlich begrenzt.

Die fränkischen Metzgerinnungen versuchten mit 1500 Rostbratwürsten positiven Einfluss auf die Verhandlungen um den Völkerbund in Genf zu nehmen, begleitet von einem Mundartgedicht: »Dös riecht an Blinder in der Nacht: / A Volk, das solche Broutwürscht macht, / Dös Volk is in sein Innern gsund!« 1926 wurde Deutschland wieder in den Völkerbund aufgenommen. Wie es um »das Volk« und seine »Gesundheit« bestellt war, zeigte sich indes nur wenige Jahre später auf menschenmordende Weise.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verharrte die Kurve der Nennung des Begriffs »Bratwurst« in Zeitungen sehr lange auf einem konstant niedrigen Niveau. Dies änderte sich ab der Mitte der 1980er-Jahre. Bis 2016 schoss die Kurve um das Siebenfache nach oben, ehe es danach wieder einen sanften Rückgang gab. Man kann nur vermuten, dass die weitere Popularisierung der Bratwurst unter anderem mit der neuen Lust am Grillen zu tun hat.

Der Erfolg der Bratwurst mit der Tendenz zur Massenware ist eine Folge der Industrialisierung. Noch im Mittelalter zerkleinerten Metzger das Fleisch mit Wiegemessern und füllten die Därme mit einem Trichter. Die Gerätschaften wurden über die Zeit aber immer besser. Man entwickelte zum Beispiel mechanische Wurstspritzen. Die neuen Dampfmaschinen des 19. Jahrhunderts betrieben über Transmission große Wiegemesserapparate und Kolbenfüllmaschinen. Weitere technische Innovationen wie Dampfwölfe, Wurstfüllvorrichtungen und die aus Amerika importierten Schnellschneidemaschinen, die Kutter (von to cut – schneiden), revolutionierten die Produktion. Große staatliche oder städtische Schlachthöfe waren wichtiger Teil der immer effizienteren industriellen Fleischverwertung. Die Bratwurst ist seither allseits verfügbar und bezahlbar.

Der Erfolg der Bratwurst mit der Tendenz zur Massenware ist eine Folge der Industrialisierung.