Die Chinesische Truhe - Tianjun Liu - E-Book

Die Chinesische Truhe E-Book

Tianjun Liu

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Beschreibung

Deutsche und chinesische Psychotherapeut:innen stehen untereinander in regem Kontakt. In China schufen der rasche gesellschaftliche Wandel und die traumatischen Wunden der Kulturrevolution einen großen Bedarf an professioneller Hilfe. Im Gegenzug befruchten traditionelle chinesische Ansätze die hiesige Psychotherapie mit wertvollen Anregungen. Tianjun Liu, Direktor des Qigong-Forschungslabors an der Universität Peking, erkannte das therapeutische Potenzial einer traditionellen chinesischen Entspannungstechnik. Auch der Hypnotherapeut Bernhard Trenkle war von ihrer hohen Wirksamkeit überrascht. Gemeinsam entwickelten sie die Technik weiter und kombinierten sie mit weiteren Verfahren. Die Chinesische Truhe lässt sich für eine Vielzahl von Problemen und Zielen nutzen, darunter Stress- und Burnout-Prophylaxe, Schmerzen, psychosomatische Beschwerden, Konzentrationsprobleme, Schlaf- und Traumafolgestörungen.

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Seitenzahl: 188

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Tianjun LIU / Bernhard TRENKLE

Die Chinesische Truhe

Symptome symbolisieren und unbewusst auflösen

Aus dem Chinesischen von Sheng CHENunter Mitarbeit von Anna MÜLLER

2021

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Hypnose und Hypnotherapie«

hrsg. von Bernhard Trenkle

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: Heinrich Eiermann

Umschlagfoto: © iStock.com/Tom Gowanlock

Redaktion: Veronika Licher

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Erste Auflage, 2021

ISBN 978-3-8497-0393-6 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8341-9 (ePUB)

© 2021 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel bei .

Aus dem Chinesischen übersetzt von Sheng CHEN unter Mitarbeit von Anna MÜLLER

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carl-auer.de/.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Vorwort

1Grundbegriffe

1.1Definition

1.2Schlüsselbegriffe

1.2.1Leere(n) ()

1.2.2Shen-Behandlung ()

1.2.3Cunxiang / Vertiefende Imagination ()

1.2.4In Ruhe ()

1.2.5Die therapeutische Beziehung ()

1.2.6Symptome ()

1.2.7Symbole ()

1.2.8Bewegung ()

1.2.9Linderung oder Remission der Symptome ()

1.3Der Charakter der Chinesischen Truhe

1.3.1»Shen-Behandlung«

1.3.2Vertiefende Imagination und Ruhen

1.3.3Form und Inhalt

2Das Therapieverfahren

2.1Statische Phase

2.1.1Dreifach regulierende Entspannung: Körper, Atem, Denken und Fühlen

2.1.2Das Ausgangssymptom festlegen

2.1.3Das Symbol für das Ausgangssymptom intensiv imaginieren

2.1.4Den Träger für das Symbol vertiefend imaginieren

2.1.5Protokoll A ausfüllen

2.2Dynamische Phase

2.2.1Dreifach regulierende Entspannung

2.2.2Das Symbol in den Träger legen

2.2.3Den Träger mit dem Symbol bewegen

2.2.4Die Wirksamkeit der Behandlung evaluieren

2.2.5Protokoll B ausfüllen

2.3Evaluation der Wirksamkeit

2.3.1Qualitative Evaluation

2.3.2Quantitative Evaluation

2.4Setting

2.4.1Einzelkontakt (Angesicht zu Angesicht)

2.4.2Gruppe

2.4.3Behandlung über Video

2.4.4Behandlung über Audio

Anhang 1: Protokolle

3Fallbeispiele

3.1Fallskizzen

3.1.1Wut (ein Küchenmesser mit tropfendem Blut)

3.1.2Trauer (Stein)

3.1.3Schlaflosigkeit (Leinwand)

3.1.4Soziale Ängste (kleiner Zweig)

3.1.5Bauchschmerzen (ein weißer Ball)

3.1.6Schulterschmerzen (eine blutige Glasscherbe)

3.2Fallprotokolle und -schilderungen

3.2.1Gereizt- und Bedrücktsein (ein alter Baum)

3.2.2Husten, Bedrückung und Engegefühl (Eisenstangen im Körper)

3.2.3Gewissenskonflikt / schlechtes Gewissen (ein riesiger Eisenhaken im Körper)

3.3Falldialoge

3.3.1Kopfschmerzen, HWS-Schmerzen (Obstmesser)

3.3.2Ängste (Eisball mit hartem Kern)

3.3.3Schluckauf (ein kleiner Frosch)

3.4Transkription eines Falls (mit Erfahrungsbericht der Klientin)

3.4.1Ängste, Depressivität (eine Betonsäule in der Luftröhre/Speiseröhre)

4Wirkmechanismen

4.1Statische Phase

4.1.1Dreifach regulierende Entspannung

4.1.2Das Ausgangsymptom festlegen

4.1.3Das Symbol für das Ausgangssymptom intensiv imaginieren

4.1.4Den Träger für das Symbol intensiv imaginieren

4.1.5Protokoll A ausfüllen

4.2Dynamische Phase

4.2.1Dreifach regulierende Entspannung

4.2.2Das Symbol in den Träger legen

4.2.3Den Träger mit dem Symbol bewegen

4.2.4Die Wirksamkeit der Behandlung evaluieren

4.2.5Protokoll B ausfüllen

Anhang 2: Die therapeutische Beziehung in der Anwendung der Chinesischen Truhe

Epilog

5Die Chinesische Truhe in Deutschland und Europa

Die Truhen-Trance nach Tianjun Liu in der Fassung von Bernhard Trenkle

Auf welche Entfernung stellen wir die Truhe?

Augenbewegungen

Wie wird EMDR angewandt?

Theorie über die Wirkung von EMDR

Eye Movement Integration (EMI)

Fallbeispiele

Fallbeispiel 1

Fallbeispiel 2

Die Daumen-Fernseher-Technik

Die Daumen-Fernseher-Technik kombiniert mit EMDR

Die Truhen-Technik von Tianjun Liu kombiniert mit EMDR

Fallbeispiel 3

Literatur

Über die Autoren

Vorwort

Nicht nur das Problem des Klienten behandeln, sondern den Klienten zu dem Ort bringen, an dem es kein Problem gibt …

Die Chinesische Truhe ist eine innovative chinesische Behandlungstechnik, die leicht zu erlernen ist. Ihre Wirksamkeit hat sie bereits erwiesen. Und seit ihrer zunehmenden Verbreitung erntet sie sowohl innerhalb als auch außerhalb Chinas zahlreiche positive Rückmeldungen. In diesem Handbuch werden vor allem das Vorgehen in der klinischen Praxis und die Wirkmechanismen dargelegt, um einen standardisierten Arbeitsvorgang zum Lernen und Beherrschen der Technik anzubieten.

Dieses Buch ist in fünf Kapitel gegliedert. Im Kapitel 1 werden die Grundbegriffe der Chinesischen Truhe vorgestellt. Im Kapitel 2 werden die 10 Behandlungsschritte in der klinischen Anwendung dargestellt. Diese zwei Kapitel liefern einen knappen, aber vollständigen Einblick, was die Chinesische Truhe ist. Damit die Leser einen direkten, anschaulichen Eindruck von der Chinesischen Truhe gewinnen, werden im Kapitel 3 mehr als 10 typische Fälle illustriert. Dabei ist die Klientel sowohl von psychischen Störungen als auch von somatischen Beschwerden betroffen, sie reicht vom Kind bis zum Senioren, sodass Bandbreite und Wirksamkeit der Chinesischen Truhe ziemlich umfassend widergespiegelt werden können. Wie die Chinesische Truhe wirkt? Im Kapitel 4 werden die Wirkmechanismen vorgestellt. Dabei werden sowohl moderne Psychologie und physiologische Theorien als auch Theorien aus der traditionellen chinesischen Medizin integriert, die wissenschaftlichen Grundlagen der Methode werden kurz und klar dargelegt. In Anbetracht dessen, dass dieses Buch den Schwerpunkt auf die klinische Anwendung legt, ist die Erläuterung der Wirkmechanismen eher knapp gehalten und leicht zu verstehen, sie beinhaltet allerdings nicht viel Grundlagenforschung bzw. Experimente.

Die Gliederung und die Untertitel in Kapitel 4 sind identisch gehalten zu denen im Kapitel 2, um den Lesern das Nachschlagen und Vergleichen zu erleichtern.

Kapitel 5 wurde von Bernhard Trenkle, Vorstand der International Society of Hypnosis (ISH), verfasst. Er stellt im Text die Umstände unserer Begegnung dar und berichtet, wie er die Chinesische Truhe kennengelernt hat, wie er sie anwendet und mit anderen Therapiemethoden verknüpft.

Bernhard Trenkle ist einer meiner Mentoren im Bereich Psychotherapie und genießt international einen prominenten Ruf als Hypnotherapeut. Er schätzt die Chinesische Truhe unter anderem aufgrund der wissenschaftlichen Bindung an die hypnotherapeutische Praxis. Da Ost und West unterschiedliche Sichtweisen und Schwerpunkte in der Forschung der Humanwissenschaften vertreten, zeigt Bernhard Trenkles Verständnis und Interpretation der Chinesischen Truhe seinen eigenen unverwechselbaren Stil. Dafür interessiere ich mich besonders, wie es auch umgekehrt der Fall ist. Dieses wechselseitige Interesse ist der Hauptgrund, warum ich ihn eingeladen habe, an diesem Buch mitzuwirken, und warum er meine Einladung mit Freude angenommen hat. Wie er sagt, ist die Verbreitung der Chinesischen Truhe außerhalb des chinesischsprachigen Raums »ein gutes Beispiel für die Begegnung und die Bereicherung unterschiedlicher Weltkulturen«.

Es ist über zehn Jahre her, dass die Chinesische Truhe erstmals veröffentlicht wurde. Als junge Therapietechnik wird sie sich noch weiterentwickeln und verfeinern. Ich wünsche mir zahlreiche Rückmeldungen und Anregungen von interessierten Lesern, damit diese Technik weiter perfektioniert werden kann.

Tianjun LIU

1Grundbegriffe

Die Chinesische Truhe wurde von Tianjun Liu, dem Erstautor dieses Buches, zum ersten Mal 2008 auf dem 5. Internationalen Psychotherapie-Kongress in Peking als »die Truhe leeren« oder »leere Truhe« vorgestellt. 2009 wurde die Technik in »Leere-Technik« umbenannt und 2012 in einer chinesischen Fachzeitschrift beschrieben. Tianjun Liu und seine Mitarbeiter haben seitdem im Klinikalltag weiter schrittweise an der Entwicklung und Verfeinerung der Methode gearbeitet und mehrere Fachartikel dazu veröffentlicht. Im Folgenden wird die Methode als Chinesische Truhe vorgestellt (Anm. d. Übers.).

1.1Definition

Die Chinesische Truhe findet ihre Wurzeln in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Sie geht von der Vorstellung des »Shen«1 als Voraussetzung für alle Behandlungen aus und integriert Kerntechniken wie »Cunxiang« (vertiefende Imagination; vgl. Abschnitt 1.2.3) und »Ruhen/Meditieren« (vgl. Abschnitt 1.3.2) aus dem »Xiulian«2, dem mentalen Training des antiken China. Der Therapeut unterstützt den Klienten dabei bewusst, seine Imaginationsfähigkeit zu stärken. Die zu bewältigenden psychischen Störungen und psychosomatischen Beschwerden werden als Symbole konkretisiert und dann von einem extra dazu geschaffenen Träger aufgenommen.3 Im Anschluss wird der imaginierte Träger mitsamt dem Symbol wiederholt auf unterschiedliche imaginäre Entfernungen bewegt. Das Symbol und der Träger werden während der Bewegung in der Vorstellung quantitativ/qualitativ verändert oder auch völlig eliminiert und so die Beschwerden bzw. deren negative Einflüsse reduziert oder remittiert.

1.2Schlüsselbegriffe

1.2.1Leere(n) ()

»Leere(n)« steht sowohl für das Ziel, ohne Wünsche, ohne Bedürfnisse, ohne Beschwerden zu sein, als auch für die Handlung (Bewegung ins Leere).

1.2.2Shen-Behandlung ()

Der Begriff des »Shen« in der TCM unterscheidet sich von den Vorstellungen zu Bewusstsein und Psyche in der modernen Psychologie. In der chinesischen Medizin bilden Geist/Seele und Form eine Einheit. »Shen« stellt die Essenz aller Lebensaktivitäten dar, die fünf inneren Organe4 verfügen über »Shen« (siehe Kap. 4); die Unterscheidung zwischen Körper und Psyche spielt keine wesentliche Rolle. Ein weiser TCM-Arzt beginnt jede Behandlung mit der Behandlung von »Shen«, wir würden sagen, mit der Behandlung der Seele. Anders als in der westlichen Psychotherapie bedeutet dies, nicht nur die psychischen Beschwerden zu adressieren, sondern den Menschen als eine Einheit, ein Ganzes zu betrachten und entsprechend zu unterstützen.

1.2.3Cunxiang5 / Vertiefende Imagination ()

Die »vertiefende Imagination« und die Meditation sind in Buddhismus und Daoismus des antiken China zwei Wege, psychische Vorgänge zu regulieren und sich körperlich und mental zu stärken.

Beim Cunxiang wird, ähnlich wie im Prozess der intensiven Imagination in der westlichen Psychologie, ein Gegenstand klar, konkret und lebhaft imaginiert. Beispielsweise wird das Bild der Mutter im nüchtern-wachen Zustand als Produkt der Vorstellungskraft im Kopf wahrgenommen (»Wahrnehmungsbild«), während das Bild der Mutter im Traum dem Erleben der vertieften Imagination entspricht, einem »Objektbild«. Das sogenannte »Objektbild« ist so lebendig und gegenwärtig, dass es beim Cunxiang als Realität wahrgenommen wird.

1.2.4In Ruhe ()

Im intensiven meditativen Zustand, im Ruhen, hören alle bewussten kognitiven Aktivitäten auf. Das »Ruhen«6 kann hier ein leerer Bewusstseinszustand sein, der sich einstellt, wenn das Denken aufgehört hat. Es kann auch den Prozess bedeuten, in dem das Denken langsam aufhört. Denken ist eine Aktivität, aber nicht ausschließlich eine bewusste. Auch wenn das bewusste Denken aufhört, besteht das Bewusstsein weiterhin.

1.2.5Die therapeutische Beziehung ()7

Der gemeinsame Arbeitsgegenstand bei der Behandlung mit der Chinesischen Truhe ist die Entwicklung der Imagination von Symbol und Träger. Der Therapeut lädt den Klienten ein, zu imaginieren. Dabei werden Anliegen, Fragen, Schilderungen, Wünsche und Emotionen des Klienten ernst genommen, seine innere Welt findet Gehör; die Durchführung der Technik wird trotz der Standardisierung des Verfahrens individuell auf ihn abgestimmt. Die Arbeitsatmosphäre kann dabei seriös oder locker sein, sogar lustig, es kann auch gemeinsam gelacht werden. Es gibt dennoch eine eindeutige Arbeitsteilung und der Klient wird bei seiner Aufgabe klar angeleitet. Seine aktive Beteiligung regt, verbunden mit der Führung durch den Therapeuten, das Selbstwirksamkeitsgefühl an.

Bei der Anwendung der Chinesischen Truhe besteht zwischen dem Behandler und dem zu Behandelnden eine kooperative Beziehung. Dabei gibt der Therapeut die Anweisungen, der Klient setzt sie um. Die Anleitungen des Therapeuten nehmen dabei auf, was die Schilderungen, Wünsche und Emotionen des Klienten vorgeben, und er richtet sich genau danach, was er aus der der inneren Welt des Klienten vernimmt. Im Vorfeld bespricht der Therapeut intensiv mit dem Klienten, was er zu tun hat und wie. Das Ergebnis der vertiefenden Imagination von Symbol und Träger wird als gemeinsamer Arbeitsgegenstand von beiden genauer untersucht. Auch dies zeichnet die kooperative Beziehung aus.

1.2.6Symptome ()

Gegenstand der Chinesischen Truhe sind subjektive Beschwerden des Klienten, wie psychische oder psychosomatische Probleme bzw. Störungen. In der Regel gibt es ein akutes hauptsächliches Problem, welches verschiedenen Krankheitsbildern zugeordnet werden könnte. Die Aufgabe der Anwendung der Chinesischen Truhe besteht jedoch nicht in der Diagnostik. Insofern gibt es keine entsprechenden Indikationen oder Kontraindikationen. Die zu behandelnden, subjektiv als negativ empfundenen Erlebnisse und damit verbundene Verhaltensabweichungen wie Zwänge können sowohl somatischer als auch psychischer Natur sein. Psychische Beschwerden beinhalten v. a. negative Emotionen wie Ängste und Depressivität, körperliche Beschwerden sind beispielsweise Schmerzen oder ein Taubheitsgefühl. Die somatischen Beschwerden können Ausdruck einer psychischen Störung, aber auch Symptome einer somatischen oder psychosomatischen Erkrankung sein, beispielsweise Kopfschmerzen bei Erkältung oder Menstruationsbeschwerden. Insgesamt zeigt sich eine bessere Wirkung der Chinesischen Truhe bei der Behandlung psychischer Beschwerden.

1.2.7Symbole ()

Die Reduktion oder Remission der Symptome geschieht durch die Veränderung eines für sie stehenden Symbols während der vertiefenden Imagination, nicht durch eine unmittelbare Intervention. Im psychischen Prozess wird beim Imaginieren das negative Erleben konkretisiert, beispielsweise wird Wut als Feuer, Schmerz als Nadelstich imaginiert. Nachdem ein Symbol aufgetaucht ist, wird noch ein geeigneter Träger gesucht, in dem das Symbol seinen Platz findet. Das Symbol stellt die Symptome des Klienten dar, der Träger seine Fähigkeit, die Symptome auszuhalten.

1.2.8Bewegung ()

Ein Kernschritt der Behandlung ist die wiederholte Bewegung des mit dem Symbol bestückten Trägers auf unterschiedliche imaginäre Entfernungen. Dabei werden drei Stufen der Bewegung unterschieden, die hintereinander durchgeführt werden: das Warm-up, das Bewegen im Sichtbaren und das Bewegen jenseits des Sichtbaren. Sobald Symbol und Träger mittels Bewegung jenseits des Sichtbaren gebracht wurden, sollte im Bewusstsein des Klienten das Nichts herrschen,8der angestrebte leere Zustand. »In die Leere kommen« ist ein weiterer Kernschritt dieser Behandlungsmethode.

1.2.9Linderung oder Remission der Symptome ()

Die klinische Praxis hat erwiesen, dass sich nach der Bewegung in die Leere das Symbol und der Träger vielfältig verändern, tendenziell schwächer werden oder verschwinden. Da das Symbol die Symptome des Klienten verkörpert, der Träger seine Fähigkeit, die Symptome auszuhalten, geht ihre Veränderung mit der Linderung oder Remission der Symptome einher.

1.3Der Charakter der Chinesischen Truhe

1.3.1»Shen-Behandlung«

Wie bereits erwähnt, beginnt ein weiser Arzt die Behandlung mit der Behandlung der Seele, von »Shen«. Bereits im ersten schriftlich vorliegenden TCM-Fachbuch, dem Huangdi Neijing, das vor etwa 2200 Jahren zusammengestellt wurde, wird erwähnt, dass das Wesen der Akupunktur in der Behandlung des Shen liege. Bei der Anwendung der Chinesischen Truhe wird die subjektive Wahrnehmung des Klienten symbolisch verkörpert und verändert und so die Krankheit behandelt. Die Methode hat sich aus der wissenschaftlichen Weiterführung und Entwicklung der traditionellen Behandlung des Shen ergeben.

Das Verständnis der TCM vom Menschen und den Krankheiten ist, wie schon erwähnt, anders als das der modernen Schulmedizin. Einer der wichtigsten Unterschiede liegt in der Betonung der Ganzheit: der Einheit von Körper und Psyche, der Einheit von Mensch und Universum. Dabei bildet jeder Mensch im realen Leben eine Einheit von Körper und Seele, kein Mensch existiert rein physiologisch oder nur seelisch-geistig. Menschen, die nur aus Körper bestehen, sind Komapatienten ohne Bewusstsein9; Menschen, die allein aus Psyche bestehen, können nur im Zustand des Nahtods sein, wenn der Geist den Körper verlässt.

Krankheit gehört zum Menschsein dazu. Eine Methode zu ihrer Behandlung kann ihre Wurzeln sowohl in der Psyche als auch im Körper finden. Das heißt allerdings nicht, dass Psychotherapie nichts mit dem Körper und die Behandlung des Körpers nichts mit der Psyche zu tun habe. Beide hängen miteinander zusammen.

»Shen« (als Begriff) der TCM unterscheidet sich von der Verwendung des Wortes »Psyche« in der modernen Psychologie, indem es zwar psychische Aktivität, vielmehr jedoch die essenziellen Lebensaktivitäten darstellt. Im Huangdi Neijing wird »Shen« als der innere Antrieb, der Ursprung der Lebensaktivitäten bezeichnet. Nur durch »Shen« ergeben sich Funktionen und Vitalität, nur so die Aktivitäten des täglichen Lebens. Das Huangdi Neijing bezeugt weiter, dass man stirbt, wenn das »Shen« verloren geht, und lebt, wenn »Shen« gewonnen wird. Übertragen auf die Behandlung einer Krankheit betont die TCM die Wichtigkeit der Behandlung des Shen als Beginn jeglicher Behandlung. Sie ähnelt der Psychotherapie in der modernen Schulmedizin, die somatische und psychische Behandlungsformen unterscheidet, adressiert jedoch nicht nur psychische Beschwerden. Die klinische Praxis zeigt, dass die Chinesische Truhe nicht nur diverse psychischen Störungen gut behandeln kann, sondern auch diverse, in der modernen Schulmedizin als somatisch klassifizierte Krankheiten. Die Wirkmechanismen sind daher nicht auf die psychische Ebene beschränkt.

1.3.2Vertiefende Imagination und Ruhen

Cunxiang, die intensive Imagination, zeichnet sich als eine dynamische und sukzessiv vertiefende Imagination bestimmter Bilder aus. Mit der Chinesischen Truhe wird Cunxiang in die Psychotherapie eingeführt. Anhand einer Reihe gut handhabbarer Fragen wird der Klient angeleitet, Symbol und Träger mental von abstraktem Denken über das bildliche Denken zum konkreten Denken hin zu vertiefen, sodass Symbol und Träger vom »Wahrnehmungsbild« zum »Objektbild« übergehen. Dies führt über eine Imagination, wie sie in der modernen Psychologie beschrieben ist, hinaus und verstärkt die Wirkung der symbolischen Behandlung.

Der Unterschied zwischen Imagination in der Psychologie und Cunxiang im mentalen Training liegt in der Unterscheidung von »Wahrnehmungsbild« zu »Objektbild«, von bildlichem Denken zu konkretem Denken.

Mit der Chinesischen Truhe werden Symbol und Träger im Prozess des »Cunxiang« dynamisch bearbeitet, wobei vielfältige Interventionsmöglichkeiten angeboten werden. Die Veränderung der psychischen Realität des Klienten im Behandlungsverlauf erscheint so unbegrenzt. »Cunxiang« stellt insofern eine methodische Ergänzung zur Psychotherapie dar, während das Ruhen als Erweiterung des Therapieziels zu sehen ist.

Psychotherapeutisches Vorgehen verschiedener moderner Schulen ist in der Zielsetzung meistens symptomorientiert – es geht um konkrete Problemlösung. Der »Leere-Zustand« des Ruhens ist allerdings etwas anderes, dort wird das Problem nicht gelöst, sondern ein psychischer Raum und ein psychisches Zeitfenster ohne Probleme angeboten. Bei genauer Betrachtung wird es immer Probleme geben. Nur an einem Ort ohne Probleme kann innerer Seelenfrieden realisiert werden. Dies ist das Ziel des traditionellen mentalen Trainings im Osten, es scheint in verschiedenen westlichen Schulen der Psychotherapie noch nicht angekommen zu sein. Wenn im viel zitierten Ausspruch Descartes’ »Ich denke, also bin ich« das »Denken« allein die Aktivität des Denkens beinhaltet und »Ich« nur das Ich-Bewusstsein, entspricht das Zitat nicht dem Bewusstseinszustand, der durch das traditionelle mentale Training im Osten erreicht wird. Die alten Meister im mentalen Training gingen davon aus, dass Bewusstsein ohne Denkaktivitäten der originäre Zustand des Bewusstseins, das reine Bewusstsein sei. Wenn mit der Chinesischen Truhe Symbol und Träger nach und nach auf eine Entfernung jenseits der psychischen Sichtweite gebracht werden, wird dem Klienten eine Leere eröffnet, nämlich ein psychischer Raum und ein psychisches Zeitfenster ohne Probleme. Auch wenn so ein »Leere-Zustand« anders ist als das, was im mentalen Training erzielt wird, ist er ausreichend wirksam, um psychische Probleme zu lindern.

1.3.3Form und Inhalt

Die Anwendung der Chinesischen Truhe ist methodisch an den Prinzipien der modernen kognitiven Verhaltenstherapie orientiert. Die Behandlung geht in insgesamt zehn Schritten vor und teilt sich in eine statische und eine dynamische Phase. Das gesamte Verfahren ist normiert und standardisiert, insofern leicht zu erlernen und zu beherrschen.

Die Chinesische Truhe nutzt auch Skalierungen und Aufzeichnungen als Methoden der Verhaltenstherapie, um die subjektive Einschätzung des Klienten bezüglich seiner Beeinträchtigung zu protokollieren und bildlich festzuhalten. Zudem wird nach jeder Sitzung und in der Katamnese (Follow-up) die Therapiewirksamkeit qualitativ und quantitativ bewertet. Diese Darstellungsformen erfüllen die Anforderungen der Standardisierung moderner Psychotherapie und erleichtern die statistische Auswertung zu Forschungszwecken.

Makroskopisch gesehen sind die Psychotherapietechniken des Westens meistens standardisiert mit klaren Kriterien, während die regulierenden Techniken aus dem traditionellen mentalen Training des Ostens tiefere Veränderungen des Bewusstseins bewirken, dabei jedoch meistens in der Vermittlung nicht klar genug sind. Die Chinesische Truhe verbindet die jeweiligen Vorzüge zu einem Ganzen, den Inhalt aus dem Osten und die Form aus dem Westen, vergleichbar mit einer Rémy-Martin-Flasche, gefüllt mit Maotai (einem hochprozentigen und preisgekrönten chinesischen Schnaps). Schließlich hat Inhalt mehr Gewicht als Form. In der Chinesischen Truhe werden östliches und westliches Wissen kombiniert, die moderne Form dient dem traditionellen Inhalt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Chinesische Truhe eine innovative Technik zur Behandlung von körperlichen und psychischen Beschwerden ist. Dabei zeigen sich klar Merkmale der traditionellen chinesischen Kultur und der Sichtweise der TCM – Körper und Seele bilden eine Einheit – in der Anwendung zur Behandlung der Ausgangssymptome sowie der Integration westlicher Methodik bei Durchführung und Auswertung. Wenn man die Einteilung der modernen Schulmedizin zugrunde legt, nutzt die Behandlung mit der Chinesischen Truhe die psychische Ebene als Hebel. So kann die Methode auch als eine innovative, chinesisch geprägte Technik der Psychotherapie gesehen werden.

1Shen () kann, vereinfacht gesagt, als Essenz, Geist, Seele oder Psyche verstanden werden (Anm. d. Übers.).

2Xiulian () wird überwiegend als körperliche und mentale Trainings- und Meditationspraxis umschrieben (Anm. d. Übers.).

3Dies ist meistens ein Behälter, kann aber auch eine Befestigung (Gestell), ein Werkzeug (Schaufel) oder anderes sein, je nach Beschaffenheit des Symbols (Anm. d. Übers.).

4Hier sind Herz, Lungen, Leber, Milz und Nieren gemeint (Anm. d. Übers.).

5Während des Cunxiang (hier »vertiefende Imagination« genannt) wird die Wahrnehmung auf verschiedenen Sinneskanälen lebhaft und bei gleichzeitiger emotionaler Beteiligung aktiviert. Es findet sich kein entsprechender Ausdruck im Deutschen (Anm. d. Übers.).

6Eine Art Trance (Anm. d. Übers.).

7Im Orig.: Konsultieren (Anm. d. Übers.).

8Ein Zustand von Wunsch-, Bedürfnis- und Beschwerdelosigkeit; vgl. »Xiulian« und »Leerheit« im Buddhismus (Anm. d. Übers.).

9Übers. a. d. Orig. Dies ist keine allgemein-chinesische Vorstellung. Auch aus westlicher Sicht ist es unklar, ob alle Komapatienten ohne Bewusstsein sind (Anm. d. Red.).

2Das Therapieverfahren

Die Behandlung mit der Chinesischen Truhe ist in zehn Schritte unterteilt und wird in zwei Phasen durchgeführt, einer statischen und einer dynamischen Phase. Jede Phase wird eingeleitet durch dreifach regulierende Entspannungsübungen für Körper, Atem und Emotionen, wodurch der Klient in einem ruhigen Zustand ankommt. Am Ende jeder Phase wird ein Protokoll erstellt, um die Ergebnisse festzuhalten. So kann später eine Evaluation erfolgen.

2.1Statische Phase

In dieser Phase wird ein Symptom zur Behandlung ausgesucht. Es werden ein entsprechendes Symbol und ein passender Träger vertiefend imaginiert.

2.1.1Dreifach regulierende Entspannung: Körper, Atem, Denken und Fühlen

Diese dient dazu, zu entspannen und zur Ruhe zu kommen, Körper und Geist in Einklang zu bringen, den Übergang vom Alltagsleben zum Behandlungsbeginn zu gestalten.

Regulieren über den Körper

Aufrecht mit geradem Rücken auf dem vorderen Drittel der Sitzfläche sitzen. Beide Hände ruhen auf den Knien, die Augen sind leicht geschlossen.

Regulieren über die Atmung

Langsam, tief atmen. Aufmerksamkeit auf das Ausatmen gerichtet, das Einatmen kommt von allein. Beim Ausatmen darauf achten, dass nicht die ganze Luft vollständig ausströmt, sodass ein fließender Übergang zum nächsten Atemzug ermöglicht wird.

Regulieren über das Denken und Fühlen

Mit dem Ausatmen alle Gedanken und Gefühle aus dem Bewusstsein strömen lassen.