Die Chronik der Verborgenen - Geliebte zauberhafte Kirschblüte - Renate Blieberger - E-Book

Die Chronik der Verborgenen - Geliebte zauberhafte Kirschblüte E-Book

Blieberger Renate

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Beschreibung

Ein romantischer Vampirroman für Erwachsene


Als Heilerin führt Sakura ein zurückgezogenes Leben fernab von den Intrigen des Hexenhofes und ist damit recht zufrieden. Entsprechend wenig entzückt ist sie daher von dem Befehl ihres Regenten, in eine Stadt voller Vampire zu reisen, um dort einen von ihnen zu heilen. Je näher sie den Vampir Jacob allerdings kennenlernt, desto mehr fühlt sie sich von ihm angezogen.

Jacob wurde von seiner Geliebten verraten, gegen seinen Willen in einen Vampir verwandelt und dann noch in den Wahnsinn getrieben. Als die Hexe Sakura seinen zerrütteten Geist betritt, erscheint sie ihm wie ein Licht in der Dunkelheit, ohne das er nicht mehr leben will. Um Sakura nicht zu verlieren, greift er zu einer riskanten Täuschung, die ihn recht bald in große Schwierigkeiten bringt und mit ihm die ganze Stadt.

Andere Bände der Serie:
Band 1: Die Chronik der Verborgenen - Geliebte Blutrose
Band 2: Die Chronik der Verborgenen – Geliebte magische Lilie

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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DIE CHRONIK

DER VERBORGENEN

Geliebte

zauberhafte Kirschblüte

von

Renate Blieberger

Inhaltsverzeichnis

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

Epilog

Leseprobe

 

 Prolog

Sakura

Ich heiße Sakura, das ist japanisch für Kirschblüte. Ein Name, den ich meiner japanischen Mutter verdanke. Ich bin eine Hexe, genauer gesagt eine Heilerin. Das ist eine sehr seltene Gabe, die ich von meinem englischen Vater geerbt habe. Hin und her gerissen zwischen zwei Kulturen und zwischen Magie und moderner Welt, fühle ich mich verloren. Der einzige Hort der Ruhe in meinem Leben ist das kleine Reich aus Kräutern und Büchern, das ich für mich erschaffen habe. Aber man gestattet mir nun nicht länger, mich dort zu verbergen und ich bete zu Mutter Natur, dass ich diese Entführung in die Außenwelt unbeschadet überstehen werde.

Jacob

Man gab mir bei meiner Geburt den Namen Jacob Stormcloud. Ich war Krieger, Lehrer, Liebhaber, Bruder und Vampir. Aber man hat mich verraten und nun bestehe ich nur noch aus Hunger, Wut, Schmerz und Dunkelheit. Nur noch tief in mir ist ein Stück meines alten Ichs lebendig. Doch genau dieser Teil, peinigt mich am meisten. Denn er erinnert mich an das, was ich verloren habe. In meinen wenigen hellen Momenten bete ich um den Tod, weil ich meine Existenz nicht mehr ertrage. Doch selbst den verweigert man mir.

 1. Kapitel

Sakura

Obwohl mein kleiner Kräuterladen nur wenige Blocks entfernt liegt, glaube ich in einer anderen Welt zu wandeln. Das Haus des Hexenregenten ist ein alter wuchtiger Bau, dessen graue, schnörkelige Fassade einen düsteren Eindruck vermittelt. Der Regent, bei dem Gedanken an ihn schaudert es mich. Bis vor Kurzem wäre es undenkbar gewesen, dass ein Mann die Hexengemeinschaft anführt. Aber das hatte sich geändert, als vor einigen Monaten die Regentin ermordet worden war und ihre Erbin den dunkeln Kuss erhalten hatte. Auch das war etwas, was bisher undenkbar gewesen war. Keine Hexe hätte freiwillig als Vampir weiterexistiert. Meine Überlegungen flößen mir Unbehagen ein, ebenso wie die Blicke der Menschen, die an mir haften. Ich habe das tiefschwarze Haar und die zarte Statur meiner Mutter geerbt, aber die grünen Augen und die europäischen Gesichtszüge meines Vaters. Diese Mischung zieht wie stets die Aufmerksamkeit auf mich. Es gibt kaum etwas, was ich mehr hasse. Ich bin achtundzwanzig, aber am liebsten verkrieche ich mich in meinem Refugium und tue das, was ich am besten kann, nämlich anderen zu helfen. Die meisten meiner Kunden halten mich für eine Naturheilerin, und das ist gut so. Nur die anderen Hexen wissen um meine wahre Macht. Ich vermag es, mit einer Berührung meiner Hände, Wunden zu heilen und mit einer Berührung meines Geistes einem verwirrten Verstand zu helfen. Aber das kostet mich einen hohen Preis, den ich nur bezahle, wenn es nicht anders geht. Aber da der Regent mich zu sich gerufen hat, fürchte ich, dieses Mal keine andere Wahl zu haben.

Seit ich das große Gebäude betreten habe, ist mir lediglich der Torwächter begegnet. Er war es auch gewesen, der mir den Weg zum Büro des Regenten gewiesen hatte. Nun trete ich in das Wartezimmer vor dem Büro. Auch hier ist niemand und ich verharre verunsichert. Vor Jahren war ich einmal an diesem Ort gewesen, um der Regentin bei meiner Ankunft in New York meine Aufwartung zu machen. Damals schien sich eine halbe Stadt in dem Gebäude aufzuhalten. Ich beginne, mich wie in einem Geisterhaus zu fühlen und bin unsicher, was ich tun soll. Während ich noch zaudere, öffnet sich die Tür am anderen Ende des Raums und ein blonder Hüne betritt das Wartezimmer, dessen Präsenz den Raum förmlich überflutet. Was mich daran erinnert, dass der Regent früher zu den Hexenkriegern gehört hat. Ich frage unsicher: „Eure Hoheit?“

Er zuckt kurz zusammen, strafft sich aber schnell wieder und seufzt: „Ich fürchte, ich habe mich noch nicht so ganz an den Titel gewöhnt. Bist du Sakura die Heilerin?“

„Ja, Eure Hoheit“, antworte ich mit gesenktem Kopf.

„Bitte kein Zeremoniell, darauf lege ich keinen Wert“, befielt er fast sanft. Ich sehe erstaunt hoch und mustere den Regenten nun genauer. Er trägt einen Zweiteiler, den ich eher bei einem Bodyguard als bei einem Regenten vermutet hätte. Allein das Zeichen der Regentin, das er an einer dicken Kette um seinen Hals trägt, weist ihn als unseren Herrn aus. Er fährt fort: „Bitte komm in mein Büro. Ich möchte dir etwas vorschlagen.“ Ich folge ihm, und habe Mühe, ein bitteres Schnauben zu unterdrücken. Von wegen Vorschlag. Als ob eines unserer Oberhäupter jemals lediglich einen Vorschlag unterbreitet hätte. Wenn die Regentin, oder nun der Regent einen Wunsch äußert, kommt das einem Befehl gleich, und selbst falls es nicht so wäre, würden mir meine Eltern eine Weigerung nie verzeihen. Seine Ernennung war einem gesellschaftlichen Erdbeben gleichgekommen und hatte die ganze Hexengemeinschaft durcheinander gewürfelt. Die, die im Moment über gute Positionen verfügen, haben panische Angst, diese zu verlieren und die, die keine haben, brennen auf eine Gelegenheit, eine zu bekommen. Aber niemand weiß so recht, was man von ihm halten soll. Nur über eines sind sich alle einig, er ist besser als eine Vampirhexe. Deswegen hatten sie seine Ernennung akzeptiert. Nun lauern alle, meine Eltern inklusive, auf eine Gelegenheit, sich bei ihm einzuschmeicheln. Abgesehen von mir. Ich hätte mich am liebsten wieder in meinem Laden verkrochen. Ich mag die Hexenpolitik ebenso wenig, wie große Menschenmassen. Wir durchqueren das kleine Vorzimmer, in dem früher immer eine Sekretärin gesessen hatte und betreten das große Büro. Das hat sich mit seinem neuen Besitzer gründlich verändert. Früher hatte es sehr antik und düster gewirkt. Nun ist es mit glatten modernen Möbeln eingerichtet und sogar ein Laptop steht auf dem Tisch. Der Regent ist vor dem Schreibtisch stehen geblieben, dreht sich nun zu mir um und sucht meinen Blick. „Ich bitte dich nur sehr ungern um das Folgende, aber es ist sehr wichtig. Man hat mir berichtet, du hättest die Gabe, einen kranken Geist zu heilen. Ist das wahr?“

Ich stelle klar: „Das kommt auf den Zustand des betreffenden Verstands an. Um einen Geist zu heilen, muss noch ein Rest der gesunden Persönlichkeit vorhanden sein.“

„Das ist mehr, als mir jeder andere zusagen konnte. Eine alte Freundin hat mich gebeten, jemand mit solch einem Leiden zu helfen“, erklärt er mir.

Obwohl mich bei dem Gedanken an die Folgen für mich, ein kalter Schauer überläuft, antworte ich respektvoll: „Wenn es in meiner Macht steht, werde ich helfen Eure Hoheit.“ Sein attraktives Gesicht nimmt einen angespannten Ausdruck an, was Unbehagen wie eine Spinne meinen Rücken empor kriechen lässt. Wenn schon der Regent sich dabei nicht wohlfühlt, dürfte es für mich noch unerfreulicher werden, als sonst.

Er fügt hinzu: „Es gibt etwas, was du über deinen Patienten wissen solltest. Er ist ein Vampir.“ Ich keuche vor Schock auf. Er beruhigt mich: „Du musst diesen Auftrag nicht annehmen, wenn du es nicht willst.“ Meint er das ernst? Oder will er mich nur testen? Ich habe keine Ahnung, und solange ich das nicht sicher weiß, könnte eine Weigerung den Ruin meiner Familie bedeuten. Das kann ich nicht riskieren.

Ich würge hervor: „Wo ist dieser Vampir?“

„An einem geheimen Ort der Vampire“, erklärt er. Instinktiv fasse ich mir an den Hals, weil mir plötzlich das Atmen schwerfällt.

Ich krächze: „Wenn Eure Hoheit es wünscht, werde ich es tun. Wer wird zu meinem Schutz mitkommen?“

Er erwidert sichtlich unbehaglich: „Niemand, der Ort ist sehr geheim. Von den Hexen war bisher nur ich dort. Aber du bist dort in Sicherheit. Ich habe die Verantwortlichen vor Ort kennengelernt und versichere dir, es sind gute Leute.“ Ich würge vor Grauen. Er schickt mich in den Tod oder in die Sklaverei. Ein Teil von mir schreit danach, sein Angebot anzunehmen und den Auftrag abzulehnen, aber ich weiß, das kann ich meiner Familie nicht antun.

Also flüstere ich brüchig: „Ich werde es tun. Aber ich habe eine Bitte.“

„Welche?“, fragt er.

Ich schlucke und fahre dann fort: „Falls mir etwas zustoßen sollte, sorgt bitte dafür, dass meine Familie einen sicheren Platz in der neuen Ordnung bekommt.“

Zu meiner Überraschung kommt er zu mir, legt sanft eine Hand auf meine linke Schulter und versichert: „Den wird sie bekommen, auch wenn dir nichts passieren sollte. Aber glaube mir, du bist sicher bei ihnen, sonst würde ich dich nicht bitten, zu gehen.“ Ich sehe in seine tiefblauen Augen und erkenne, dass er von seinen Worten überzeugt ist. Nur dumm, dass ich diese Überzeugung so gar nicht teile. Vampire sind blutrünstige Monster, die uns Hexen hassen. Warum nur muss ich von allen Hexengaben gerade die der Heilung haben und warum so gar keine offensive Magie, mit der ich mich verteidigen könnte? Aber ich kenne meine Pflicht. Wenn das der Preis für die Sicherheit meiner Familie ist, werde ich ihn bezahlen.

 2. Kapitel

 

 

Jacob

 

Ich renne durch ein Labyrinth aus Gängen, wie so oft in der Vergangenheit. Mir ist bewusst, mein gefangenes Ich durchläuft wieder einmal eine schmerzhafte Erinnerung, aber ich kann nichts dagegen tun. Es ist selbst für meine Vampiraugen dunkel und ich erkenne den Boden unter meinen Füssen nur mit Mühe. Plötzlich taucht ein warmes Licht vor mir auf und ich ändere meine Richtung, um es zu erreichen. Als ich näher komme, schält sich die Kontur einer Steintür aus der Dunkelheit. Das Licht ist eine Fackel an der Wand neben der Tür. Wie unter Zwang bleibe ich vor der Tür stehen. Meine innere Stimme kreischt alarmiert auf, aber dennoch fasse ich nach dem Griff. Noch ehe ich eintrete, erklingt ein kehliges Stöhnen aus dem Raum. Ich erstarre vor Grauen, weil ich dieses Stöhnen gut kenne. Ich hatte es oft gehört, wenn ich und Janet miteinander geschlafen hatten. Janet meine Geliebte und mein Boss bei den Vampirjägern. Einem Teil von mir ist bewusst, was nun geschehen wird, weil ich es schon Tausende Male erlebt habe und doch reiße ich die Tür auf. Der Anblick lässt mich, wie jedes Mal, vor Entsetzen erstarren. Janet liegt mit gespreizten Beinen und lustverzerrtem Gesicht auf einem Tisch und zwischen ihren Schenkeln steht ein schlanker Vampir mit bronzefarbener Haut und hüftlangem schwarzen Haar, der sie mit harten Stößen nimmt. Schmerz und Wut sprudeln in mir hoch, als ihr Verrat mir wieder einmal vor Augen geführt wird und ich stürze mich brüllend auf sie. Der Vampir lacht auf und plötzlich falle ich, unfähig mich zu bewegen, zu Boden. Er sagt zu ihr, ohne mir einen Blick zu schenken: „Du hast mir einen schlechten Diener gebracht. Er ist zu widerspenstig.“ Zum wiederholten Mal brennt sich der Schmerz ihres Verrats in meine Seele. Sie hatte mich ihnen ausgeliefert und mich zu dem gemacht, was ich einst gejagt und gehasst hatte.

Janet windet sich unter ihm hervor, kommt zu mir und erwidert aufreizend: „Dann müssen wir ihm eben Manieren beibringen. Hallo Jacob, willkommen beim Kult des alten Blutes.“

„Du Verräterin“, knurre ich. Sie lacht auf, greift nach einer Fackel und drückt sie gegen meine rechte Wange. Schmerz durchzuckt mich und ich brülle auf. Ihr Gesicht verschwimmt vor mir. Fast bin ich versucht, mich an die Erinnerung zu klammern, so schmerzhaft sie auch ist, denn das Folgende wird noch schlimmer. Der Schmerz auf meiner Wange breitet sich aus und durchflutet meinen ganzen Körper. Alles wird in eine Schwärze gehüllt, die nicht mal meine Vampiraugen durchdringen können und dann kommt der Durst. Er wühlt in mir und droht mich zu zerreißen und ich bin dankbar, als nach einer gefühlten Ewigkeit die Schwärze mein bewusstes Denken dann endlich völlig verschluckt, denn mit den Gedanken schwindet auch der Schmerz. Das Letzte, was ich höre, ist ein wütendes Fauchen.

 

 

Sakura

 

Der Regent hatte mir nicht viel Zeit gelassen. Man hatte mich zu meinem Laden gefahren und nach einer Stunde wieder abgeholt, um mich direkt zum Flughafen zu bringen, wo ich eine kleine Privatmaschine bestiegen hatte. Noch vor der Landung hatte man mir die Augen verbunden und mit einem Wagen hierher verfrachtet. Also habe ich keine Ahnung, wo hier ist. Meine Nerven liegen blank und in meiner Vorstellung taucht seit Stunden ein furchtbares Szenario nach dem Anderen auf. Als nun die Autotür mit einem Klacken geöffnet wird, zucke ich ängstlich zusammen. Eine melodische Männerstimme sagt sanft: „Ich entschuldige mich für die Umstände Heilerin. Willkommen beim Kult des alten Blutes.“ Er löst behutsam meine Augenbinde und ich sehe in das hübscheste Männergesicht, das mir jemals untergekommen ist. Er ist unverkennbar ein Vampir, und zwar ein ziemlich alter. Seiner Aura nach zu urteilen, ist er vor mindestens einem halben Jahrtausend verwandelt worden. Optisch wirkt er allerdings wie Anfang zwanzig. Er ist kaum einen halben Kopf größer als ich und schmal gebaut. Eine seidige blonde Haarmähne rahmt das hübsche Gesicht ein, das von zwei hellblauen Augen dominiert wird und fließt bis zu seinen schmalen Hüften. Ohne seine Fangzähne hätte er wie ein Engel gewirkt. Ich sehe sie zwar nicht, weil er sie hinter einem dezenten Lächeln verbirgt, aber das hilft nichts. Ich fühle trotzdem, was er ist. Ich hatte nie eine Vorliebe für hübsche Männer, aber so manche Frau wäre bei ihm zweifellos schwach geworden. Ich weiß jedoch leider nur zu gut, welch furchtbare Bestie sich hinter dem engelhaften Äußern verbirgt. Wohl von meinem Blick auf meinen seelischen Zustand hingewiesen fügt er ernst hinzu: „Du hast nichts zu befürchten. Die Königin persönlich hat mir befohlen, für deine Sicherheit zu sorgen. Man nennt mich Elias und ich leite diesen Ort in ihrer Abwesenheit. Wie darf ich dich nennen?“

Ich gebe mir einen Ruck und krächze: „Ich heiße Sakura.“ Er hält mir höflich eine Hand entgegen, zieht sie jedoch langsam zurück, als ich zusammenzucke, und macht mir Platz. Ich will nach meiner Tasche greifen, aber sie ist nicht mehr da. Ich fahre herum und erkenne verblüfft, dass eine Frau sie bereits in der Hand hält, die eben den Wagen umrundet. Ich schlucke nervös, weil ich sie in meiner Panik vor dem Vampir gar nicht bemerkt habe. Ich muss aufmerksamer sein, was immer das an diesem Ort auch nützen mag. Ich steige endlich aus und musterte die Beiden misstrauisch.

Elias deutet auf die Frau und erklärt: „Das ist Alani. Sie wird für die Zeit deines Aufenthalts deine Dienerin sein und sich um all deine Wünsche kümmern. Falls du mit ihr nicht zufrieden sein solltest, kannst du dich auch jederzeit an mich wenden. Sie wird dich in deine Gemächer bringen, damit du dich einrichten kannst, ehe ich dir deinen Patienten zeige ...“

Ich protestiere: „Ich würde lieber zuerst meinen Patienten sehen. Wie ich dem Regenten schon erklärt habe, muss noch ein Teil seines Geistes heil sein, damit ich ihm helfen kann. Ich will lieber feststellen, ob das der Fall ist, ehe ich mich bei euch häuslich einrichte.“ Obwohl mich dabei schlechtes Gewissen überkommt, wünsche ich mir, dass er verloren ist, damit ich sofort wieder verschwinden kann.

Der Vampir erwidert höflich: „Natürlich. Ich werde dich zu ihm führen. Alani bringt dein Gebäck weg und stößt dann zu uns.“

 

 

Der blonde Vampir führt mich einen schmalen Pfad entlang. Links und rechts von uns wuchert üppige Vegetation. Es ist heiß und die Luft fühlt sich feucht an. Meine Reise hat mich vermutlich weit nach Süden geführt. Abgesehen von ein paar Vogellauten ist es völlig still.

Ich frage nervös: „Sind wir allein hier?“

Er wendet sich zu mir um und erklärt höflich: „Nein, es leben unzählige Vampire und Diener auf diesem Areal. Aber dein Regent meinte, du würdest dich in Gegenwart von Vampiren unwohl fühlen. Also hat die Königin angeordnet, dass die anderen Vampire sich aus diesem Teil fernhalten.“

„Diesem Teil?“, frage ich gedehnt.

Er schenkt mir ein Lächeln. „Dein Patient befindet sich im persönlichen Flügel der Königin. Im Moment gehen wir durch den kleinen Park, der dazugehört.“ Klein? Offensichtlich haben wir unterschiedliche Ansichten von klein. Wir sind nämlich schon eine halbe Stunde unterwegs. Er fährt fort: „Früher waren mehr Diener hier. Aber die Königin legt nicht so viel Wert darauf wie der göttliche Seth.“

„Göttlich?“, frage ich irritiert.

Er erläutert immer noch lächelnd: „Unser vormaliger Gebieter, der diesen Ort und auch den Kult gegründet hat, ist vor einem Jahr zu seinen Mitgöttern aufgestiegen, um seinen rechtmäßigen Platz an ihrer Seite einzunehmen.“ Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Ich habe es nicht nur mit blutrünstigen Monstern zu tun, sondern auch noch mit Verrückten. Ich ziehe es vor, keine Fragen mehr zu stellen und laufe stumm weiter.

Nach einigen Minuten kommt ein weißer Prachtbau in Sicht. Er leuchtet fast in der Dunkelheit, so sauber sind die weißen Steinplatten. Er wirkt zwar antik, aber die große Glasfront, die an den Park grenzt, weist auf ein wesentlich jüngeres Baudatum hin. Elias öffnet die Tür und tritt beiseite, um mir den Vortritt zu lassen. Wie schön, ein Monster mit Manieren. Nach einigen Metern begegnet uns eine Dienerin, die ein Tablett trägt, auf dem ein Blutbeutel liegt. „Ihr trinkt aus Blutbeuteln?“, rutscht mir über die Lippen.

„Für gewöhnlich nähren uns die Diener, aber bei deinem Patienten … das wäre einfach zu gefährlich für die Diener“, seufzt er betrübt. „Wir hoffen wirklich, dass du ihm helfen kannst.“

„Warum ist gerade dieser Vampir so wichtig?“, frage ich misstrauisch. Nach allem, was ich weiß, machen sie für gewöhnlich keine großen Umstände, was Problemfälle angeht, geschweige denn, dass sie uns Hexen um Hilfe gebeten hätten.

„Sein Bruder ist der Liebhaber der Königin“, erwidert er knapp. Ich mustere ihn verstohlen von der Seite, aber sein Gesicht wirkt nun undurchdringlich.

„Bitte nicht auch noch interne Intrigen“, flehe ich still. Die Dienerin hat uns die letzten Meter begleitet und öffnet nun eine massive Steintür. Ihre Bewegungen wirken etwas steif und sie ist blass geworden. Als ich ihr ins Innere folge, verstehe ich warum. Das Geschöpf, das im Inneren an das Bett gefesselt ist, als Vampir zu bezeichnen, wäre freundlich gewesen. Seine Augen glühen blutrot, er hat die Fänge gefletscht und faucht furchterregend. Als die Dienerin sich dem Bett zögernd nähert, reißt er an seinen Ketten und versucht, nach ihr zu schnappen.

Instinktiv taumle ich einen Schritt zurück, nur um gegen Elias zu prallen. Ehe ich mich von ihm lösen kann, legt er sanft seine Hände auf meine Schultern und versucht mich zu beruhigen: „Keine Angst, die Fesseln halten. Er kann dir und auch ihr nichts antun. Überzeuge dich selbst.“ Starr vor Angst blicke ich wieder zu dem tobenden Bündel Vampir. Die Dienerin hat inzwischen den Blutbeutel vom Tablett genommen und hält ihn von oben über sein Gesicht. Mit einem gierigen Schnappen fährt sein Kopf hoch und er schlägt die Zähne in den Beutel. Er reißt und zerrt daran, bis das Plastik nachgibt und sich das Blut über seine untere Gesichtshälfte und seinen Hals ergießt. Krampfhaft schluckend trinkt er, was nicht sofort an ihm runter läuft.

Ich würge hervor: „Es wäre gnädiger, ihn zu töten.“

Elias erwidert bitter: „Ich weiß, aber die Königin wünscht seine Heilung. Wie willst du vorgehen?“ Ich stehe da, wie zur Salzsäule erstarrt. Vor mir ein tobender Vampir und hinter mir ein Vampir, der immer noch meine Schultern festhält. Wenn ich es vermocht hätte, hätte ich mich in Luft aufgelöst, Wille des Regenten hin oder her. Aber das ist Wunschdenken. Ich bin hier und muss da durch.

Ich krächze: „Um festzustellen, ob ich ihn heilen kann, muss ich ihn an den Schläfen berühren“, nähere mich dem Bett aber nicht, weil mich die Angst immer noch lähmt.

„Ich werde seinen Kopf festhalten“, teilt Elias mir sanft mit, lässt mich los und geht zum Bett. Die Dienerin hat sich längst zur Tür zurückgezogen. Ich vermute, sie möchte ebenso gerne hier raus, wie ich. Als Elias das Kopfende des Betts erreicht, versucht der Vampir sofort, nach ihm zu schnappen und sein Fauchen wird noch wütender. Der blonde Vampir legt seine schlanken Hände auf die Stirn des Tobenden und drückt ihn nach unten. Woraufhin das Fauchen zu einem grauenhaften Knurren wird.

Ich trete zögernd näher, platziere mich an der anderen Seite am Kopfende des Bettes, berühre mit zitternden Händen seine Schläfen und frage gepresst: „Kennst du seinen Namen?“

„Er heißt Jacob Stormcloud“, antwortet Elias. Er hält Jacobs Kopf ohne große Mühe unten, obwohl der andere sosehr dagegen ankämpft, dass seine Halssehnen gespannt sind. Leidlich von meiner Sicherheit überzeugt sinke ich in eine leichte Trance und versenke meinen Geist in dem des Tobenden. Mich in einen fremden Geist zu versenken, fühlt sich an, wie ein langer Sturz ins Ungewisse. Als ich lande, umfängt mich Dunkelheit. Ich blinzle, aber es bleibt dunkel. Ist das sein Geist? Besteht er nur noch aus Dunkelheit? Es ist verlockend, gleich wieder zu gehen und ihn aufzugeben. Aber ich habe dem Regenten mein Wort gegeben. Ich taste nach einem anderen Geist in der Dunkelheit und erfühle nur Wut, Hunger und Kälte, bis ich im innersten Kern seines Selbst plötzlich eine Präsenz streife. Als ich sie berühre, werde ich zu ihr gezogen. Ohne Vorwarnung teilt sich die Dunkelheit und ich stehe in einem Raum aus Stein. Im Gegensatz zu dem Krankenzimmer, in dem mein Körper wartet, ist dieser hier eine Zelle. Der Raum wird durch ein schweres Gitter geteilt. Der Farbe nach zu urteilen könnte es aus Silber sein. Ein Mann steht hinter dem Gitter. Erst bei genauerem Hinsehen erkenne ich meinen Patienten. Seine Augen sind nicht rot, sondern braun und seine Züge nicht zur Fratze verzerrt. Jacob Stormcloud war offenbar ein sehr attraktiver Mann, ehe ihn sein Wahnsinn entstellt hat. Er hat markante aber gleichmäßige Züge und sein Körper ist muskulös, ohne klobig zu wirken. Lediglich eine verheilende Brandwunde an seiner Wange und die Wut in seinen Augen stören das Bild. Wut, die sich auf die Frau vor den Gitterstäben richtet. Ich schätze sie auf ungefähr dreißig. Sie ist eine rassige Schönheit, die man getrost als Vamp bezeichnen könnte. Sie hält einen Blutbeutel in der Hand und höhnt: „Na Jacob, immer noch nicht hungrig? Du musst nur vernünftig werden, dann kannst du hier raus und trinken.“

 

 

Jacob

 

Wieder einmal hat eine Erinnerung mich aus der Dunkelheit gerissen. Auch diese Erinnerung kenne ich schon in und auswendig. Aber wie üblich muss ich sie trotzdem durchleben. Einem Teil von mir ist bewusst, dass es nur eine Erinnerung ist, aber für einen anderen Teil ist diese Szene real und ich fühle alles wie damals. Ich bin wieder in meiner Zelle. Mein Körper krampft schon vor Hunger und der Blutbeutel, den Janet vor der Zelle hin und her schwenkt, macht es nicht besser. Ich fauche: „Fahr zur Hölle du Verräterin. Wie konntest du uns nur so verraten?“

„Für Macht und ewiges Leben, natürlich. Du kannst das auch haben, wenn du endlich vernünftig wirst. Ich habe Seth gesagt, dass du die perfekte rechte Hand für mich wärst. Du kannst mit uns herrschen, wenn ich erst mal seine Königin bin.“ Ihre Augen leuchten dabei fanatisch.

„Hast du vergessen, was sie sind?“, schleudere ich ihr entgegen. „Sie sind unsere Feinde.“

Sie lacht auf. „Du bist jetzt einer von ihnen Jacob. Es gibt kein Zurück. Werde vernünftig und nimm deinen Platz ein.“

Ich knurre: „Niemals. Eher sterbe ich.“

Ihr Kiefer spannt sich wütend an. „Vielleicht wirst du das und dann hole ich mir deinen Bruder. Ich hätte wohl von Anfang an ihn in mein Bett holen sollen. Nach seiner Enttäuschung wird er mich mehr zu schätzen wissen als du und dankbarer sein.“

Wut explodiert in mir und ich schreie sie an: „Lass Eric in Ruhe.“

Sie lacht hämisch auf. „Was willst du tun, falls nicht?“

„Ich töte dich“, knurre ich.

Ihre Augen verengen sich und sie erwidert hart: „Du wirst vernünftig werden und den Platz an meiner Seite einnehmen, oder hier drinnen verrotten.“

Das Bild, wie sie sich unter den Stößen des Vampirs lustvoll windet, taucht vor meinen Augen auf und ich knurre: „Das wird niemals passieren.“

„Wir werden sehen“, spottet sie, hebt den Blutbeutel hoch und schlitzt ihn mit ihrem Messer auf. Der kupfrige Geruch überflutet meine Sinne. Instinktiv stürze ich mich darauf und pralle gegen das Silber der Gitter. Mein Fleisch verbrennt zischend. Der Gestank vermischt sich mit dem kupfrigen Geruch des Bluts. Ich kann kaum noch denken, weil Hunger, Schmerz und Wut mich überfluten. Ich werfe mich wieder gegen das Gitter, doch ich fühle die erneute Verbrennung kaum, so sehr wühlt die Qual schon in mir.

Ich fauche: „Ich werde dich in Stücke reißen.“ Sie wirft den Kopf in den Nacken und lacht schallend.

Gleichzeitig schleudert sie den Beutel auf den Boden vor meine Zelle, zu weit entfernt, um ihn zu erreichen und höhnt: „Guten Appetit.“ Dann geht sie, immer noch lachend. Der Hunger zerrt an mir wie ein hungriges Tier. Ich werfe mich zu Boden und versuche, den Beutel zu erreichen. Er ist zu weit weg, aber die Pfütze breitet sich aus. Ich strecke mich weiter. Dass dabei meine Schulter an den Stäben zischend verbrennt, merke ich nur am Rande. Ich schaffe es mit den Fingerspitzen, die Pfütze zu erreichen und tauche sie ein. Rasch ziehe ich sie zurück und lecke sie ab. Es sind nur wenige Tropfen, aber genug, um ein wenig klarer denken zu können, leider. Ich merke, dass ich, wie ein Tier, am Boden kauere und wie ein Besessener immer wieder meine Finger ablecke, und reiße sie von meinem Mund weg, während Ekel mich überschwemmt. Ich krümme mich zusammen, fange an zu zittern und ein Schluchzen kommt aus meiner Kehle, das sich nicht unterdrücken lässt. Ich bin zu einer erbärmlichen Kreatur geworden, die nur noch an Blut denken kann, etwas, das ich früher abgrundtief verabscheut habe. Ich sollte sie dazu bringen, mich zu töten, aber dann würde sie sich Eric zuwenden, was ich nicht zulassen kann. Ich muss durchhalten und sie irgendwie stoppen. Als die Dunkelheit wieder auf mich zu kriecht, begrüße ich es.

Als mein Geist schon fast völlig in der Dunkelheit versunken ist, bemerke ich ein warmes Licht aus der Ferne. Eine weitere Vision, jetzt schon? Ich erstarre, weil ich nicht noch mehr ertragen kann. Aber plötzlich durchdringt die sanfte Stimme einer Frau die Dunkelheit und mein Grauen: „Jacob, komm zu mir.“ Ich kenne diese Stimme nicht, aber ihr Klang fühlt sich wie eine sanfte Berührung an. Ein Teil von mir sehnt sich danach, aber der Teil von mir, der sich in die Dunkelheit verkriechen will, ist stärker. Ich verharre an Ort und Stelle und versinke in der Dunkelheit, aber tief in mir bleibt ein Funken Sehnsucht zurück.

 

 

Sakura