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Magisterarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Film und Fernsehen, Note: 1,7, Universität zu Köln (Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Vereinigten Staaten von Amerika sehen sich einer terroristischen Bedrohung ausgesetzt, die das Leben von mehreren tausend Menschen gefährdet. Die Hoffnungen, die unmittelbar bevorstehende Katastrophe abwenden zu können, ruhen auf einem Bundesagenten, der zusammen mit seinen Kollegen einer Anti-Terror-Einheit den Kampf ge-gen die Terroristen aufnimmt. Diesem Schreckensszenario fiebern Woche für Woche Millionen von Menschen entgegen: Die Thrillerserie 24, in der Situationen wie die beschriebene dargestellt werden, gilt seit ihrem Start im US-Fernsehen im November 2001 als großer Publikumserfolg.1 Auch die Kritik lobt das Format und attestiert diesem ein hohes Maß an Dramatik und Spannung. Zudem werden immer wieder die für eine Fernsehserie innovativen Techniken, wie die Erzählweise in Echtzeit oder die Verwendung von Split-Screens, besonders hervorgehoben. Seit einiger Zeit jedoch sehen sich die Verantwortlichen der Serie mit diversen Vorwürfen konfrontiert. So wird bemängelt, dass sich nach bislang sechs ausgestrahlten Staffeln gewisse Abnutzungserscheinungen bemerkbar machten, und die Serie durch ihre Formelhaftigkeit zu vorhersehbar geworden sei.2 Diese Kritikpunkte treffen in ähnlicher Form sicher auf eine Vielzahl von Fernsehserien mit einer langen Laufzeit zu, und letztlich macht es auch einen Teil des Erfolgs einer Serie aus, dem Zuschauer hinsichtlich der Handlung eine gewisse ‚Verlässlichkeit‘ zu bieten. Was die Kritik an 24 so brisant macht, ist der Umstand, dass zu den regelmäßig wiederkehrenden Handlungselementen auch die Anwendung von Folter zählt. Der Serie wird vorgeworfen, solche Folterhandlungen als effektives Mittel zur schnellen Informationsbeschaffung darzustellen und Probleme, die mit diesen Maßnahmen verbunden sind, auszublenden. Im Hinblick auf die momentan stattfindenden Diskussionen zur Legalität bestimmter Verhörmethoden und zur Zulassung der sogenannten ‚Rettungsfolter‘ werden Stimmen laut, die Serie trage dazu bei, die Anwendung von Folter gesellschaftlich zu legitimieren. In dieser Arbeit soll analysiert werden, auf welche Art und Weise die Folterthematik in 24 dargestellt wird. Dabei ist zu prüfen, welche narrativen Funktionen die Folterszenen erfüllen, und wie diese Sequenzen bildlich vermittelt werden.
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Die Vereinigten Staaten von Amerika sehen sich einer terroristischen Bedrohung ausgesetzt, die das Leben von mehreren tausend Menschen gefährdet. Die Hoffnungen, die unmittelbar bevorstehende Katastrophe abwenden zu können, ruhen auf einem Bundesagenten, der zusammen mit seinen Kollegen einer Anti-Terror-Einheit den Kampf gegen die Terroristen aufnimmt. Diesem Schreckensszenario fiebern Woche für Woche Millionen von Menschen entgegen: Die Thrillerserie24,in der Situationen wie die beschriebene dargestellt werden, gilt seit ihrem Start im US-Fernsehen im November 2001 als großer Publikumserfolg.1Auch die Kritik lobt das Format und attestiert diesem ein hohes Maß an Dramatik und Spannung. Zudem werden immer wieder die für eine Fernsehserie innovativen Techniken, wie die Erzählweise in Echtzeit oder die Verwendung von Split-Screens, besonders hervorgehoben.
Seit einiger Zeit jedoch sehen sich die Verantwortlichen der Serie mit diversen Vorwürfen konfrontiert. So wird bemängelt, dass sich nach bislang sechs ausgestrahlten Staffeln gewisse Abnutzungserscheinungen bemerkbar machten, und die Serie durch ihre Formelhaftigkeit zu vorhersehbar geworden sei.2Diese Kritikpunkte treffen in ähnlicher Form sicher auf eine Vielzahl von Fernsehserien mit einer langen Laufzeit zu, und letztlich macht es auch einen Teil des Erfolgs einer Serie aus, dem Zuschauer hinsichtlich der Handlung eine gewisse ‚Verlässlichkeit‘ zu bieten. Was die Kritik an24so brisant macht, ist der Umstand, dass zu den regelmäßig wiederkehrenden Handlungselementen auch die Anwendung von Folter zählt. Der Serie wird vorgeworfen, solche Fol-terhandlungen als effektives Mittel zur schnellen Informationsbeschaffung darzustellen und Probleme, die mit diesen Maßnahmen verbunden sind, auszublenden. Im Hinblick auf die momentan stattfindenden Diskussionen zur Legalität bestimmter Verhörmethoden und zur Zulassung der sogenannten ‚Rettungsfolter‘ werden Stimmen laut, die Serie trage dazu bei, die Anwendung von Folter gesellschaftlich zu legitimieren. In dieser Arbeit soll analysiert werden, auf welche Art und Weise die Folterthematik in24dargestellt wird. Dabei ist zu prüfen, welche narrativen Funktionen die Folterszenen erfüllen, und wie diese Sequenzen bildlich vermittelt werden. In Zusammen-
124- Season 1-6,USA 2001-2006.
2Vgl. Thomas Abeltshauser: Amerikanische Agenten, aschfahl und blutverschmiert. Die sechste Staffel der Thrillerserie „24“ startet. In: Welt Online, 23.06.2008, URL: http://www.welt.de/welt_print/article2134754/ Amerikanische_Agenten_aschfahl_und_blutverschmiert.html (29.07.2008).
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hang damit wird untersucht, ob das Bild, das die Serie von der Anwendung der Folter zeichnet, tatsächlich so undifferenziert ist, wie Kritiker es bemängeln. Zunächst erfolgt eine Definition des Begriffs der ‚Folter‘. Nach einem kurzen Überblick über die grundlegenden Züge der historischen Entwicklung der Folter wird das völkerrechtlich festgehaltene Folterverbot dargestellt. Der aktuelle politische und gesellschaftliche Diskurs der Folter wird nachfolgend - unter Bezugnahme auf die Vorgänge in Abu Ghuraib und den Fall des entführten und ermordeten Jakob von Metzler - thematisiert. Anhand zweier gegensätzlicher Positionen werden dann die Argumente erläutert, die bei der umstrittenen Frage nach einer Zulassung der ‚Rettungsfolter‘ geltend gemacht werden.
In einem nachfolgenden Schritt wird dargelegt, warum es in der jüngeren Vergangenheit offenbar zu einer Zunahme an Folterdarstellungen in den verschiedenen Medien gekommen ist. Dabei wird gezeigt, dass zwischen fiktiven und realen Bildern eine Wechselwirkung besteht. Anhand der FilmeMarathon ManundDirty Harrywird veranschaulicht, wie das Kino die Folter thematisiert und darstellt. Nach einer kurzen Einführung in die Thematik des Formats24wird die Kritik zusammengefasst, die sich bezüglich der in der Serie gezeigten Folterszenen artikuliert hat. Die darauffolgende Analyse der Darstellung der Folter konzentriert sich auf drei Gesichtspunkte: Zunächst wird untersucht, wie sich das Echtzeitformat und das Dilemma-Prinzip auf den Gebrauch der Folter in der Serienhandlung auswirken; anschließend wird geprüft, wie die Anwendung dieser Maßnahmen inhaltlich und formal vermittelt wird, wobei ein besonderes Augenmerk auf der bildlichen Darstellung liegt. Außerdem wird analysiert, ob im Zusammenhang mit der Folter auftretende Probleme sowie negative Konsequenzen für Täter und Opfer von der Serie - wie von der Kritik bemängelt - tatsächlich vollständig ausgeblendet werden.
Abschließend wird kurz auf die seit einiger Zeit äußerst populären Horrorfilme eingegangen, die durch eine explizite Darstellung von Folterszenen auffallen, und für die sich deshalb die Bezeichnung ‚Torture Porn‘ eingebürgert hat. Es wird dargelegt, wie sich diese Filme in ihrer Thematisierung und Darstellung der Folter von24unterschei- den.
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Beim Versuch, den Begriff der ‚Folter‘ umfassend zu definieren, treten Schwierigkeiten auf, die nach Peters durch den Wandel, den die Folter in ihrer Entwicklung und ihrer Betrachtungsweise erfahren hat, bedingt sind. So sei die rein rechtliche Definition der Folter seit dem 17. Jahrhundert nach und nach durch eine moralische ersetzt worden, die ihrerseits seit dem 19. Jahrhundert von einer gefühlsbetonten verdrängt wurde. Der Begriff der ‚Folter‘ sei deshalb heute ein moralisch-emotionaler, der ein nicht näher spezifiziertes Leiden meint, das ein Mensch einem anderen Menschen mit oder ohne Grund zufügt.3Eine etwas präzisere, wenn auch knappe Formulierung findet sich im Lexikon: Hier ist Folter als Zufügung physischer oder psychischer Schmerzen zur Erzwingung einer Aussage definiert.4
An dieser Stelle soll sich im Hinblick auf die weiteren Ausführungen auf die rechtliche Dimension der Folter konzentriert werden. Die einzige weltweit geltende Definition findet sich in Art. 1 Abs. 1 des Anti-Folter-Übereinkommens derVereinten Nationen:5
Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck ‚Folter‘ jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhendem Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht wurden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.6
Nach dieser Definition gilt das Zufügen von Schmerzen also nur dann als Folter, wenn es durch eine in amtlicher Eigenschaft handelnde Person bzw. auf deren Veranlassung oder mit deren Einverständnis geschieht. Peters spricht in diesem Zusammenhang von einer unausweichlich öffentlichen Dimension der Folter, da sie ein Vorgang sei, dem jemand seitens einer staatlichen Instanz und aus vorgeblich öffentlichem Interesse
3Vgl. Edward Peters: Folter. Geschichte der Peinlichen Befragung [Torture 1984]. Hamburg 1991, S. 23.
4Vgl. Folter. In: Der Brockhaus in fünfzehn Bänden. Bd. 4. Leipzig, Mannheim 1997, S. 410.
5Vgl. Rainer Hofmann: Das völkerrechtliche Folterverbot. In: Heribert Ostendorf (Hrsg.): Folter. Praxis, Verbot, Verantwortlichkeit. Münster 2005, S. 9-34, hier: S. 22.
6Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984, URL: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/ Themen/Menschenrechte/Download/_C3_9CbereinkommenGegenFolter.pdf (31.07.2008).
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unterworfen werde.7Während sich das Anti-Folter-Übereinkommen in Bezug auf den Urheber der Schmerzen also auf amtliche Personen beschränkt, umfasst seine Begriffsbestimmung hinsichtlich Zweck oder Absicht des Zufügens der Schmerzen eine Vielzahl unterschiedlicher Formen wie z. B. Geständnisfolter, Aussagefolter, Straffolter oder Vernichtungsfolter.8Für die weiteren Betrachtungen scheint es sinnvoll, drei Elemente festzuhalten, die nach Breuer kennzeichnend für die Folter sind: Neben dem Bestehen eines räumlichen und physischen Gewaltverhältnisses zwischen dem Folterer und seinem Opfer sind dies das Zufügen von körperlichen Schmerzen oder seelischem Leiden sowie die Verfolgung eines bestimmten Zwecks.9
Fast die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch ist die Anwendung von Folter als legales Mittel anerkannt worden, bis sie im 18. Jahrhundert im Zuge der Aufklärung in größerem Umfang verboten wurde.10Dabei lässt sich feststellen, dass die Geschichte nicht geradlinig in Richtung der Abschaffung der Folter verlief, sondern von Fortschritten, Umbrüchen und Rückfällen geprägt ist.11Grundsätzlich können drei Gründe für die Anwendung von Folter unterschieden werden: als Mittel der Wahrheitsfindung, als Straf- oder Züchtigungsmaßnahme sowie als reine Quälerei aus niederen Motiven.12Im antiken Griechenland vollzog sich ein Wechsel von einem archaischen zu einem sehr viel komplexeren Rechtssystem, bei dem neben dem Problem des Beweises die Unterscheidung zwischen einem freien Mann und einem Sklaven Bedeutung erlangte. Während die bereitwillige Aussage eines Bürgers als ‚natürlicher‘ Beweis galt, wurde Sklaven ein erzwungener Beweis unter Gewalt abgerungen, um ihre Aussagen so de-7Vgl.Peters: Folter, S. 23.
Für die Analyse der Thematisierung von Folter in den in dieser Arbeit behandelten Filmen und in24kann diese Beschränkung der Folter auf einen Vorgang, der öffentlichen Instanzen vorbehalten ist, allerdings nicht aufrecht erhalten werden.
8Vgl. Wolfgang Schild: Folter einst und jetzt. In: Peter Nitschke (Hrsg.): Rettungsfolter im modernen Rechtsstaat? Eine Verortung. Bochum 2005, S. 69-93, hier: S. 69.
9Vgl. Clemens Breuer: Das Foltern von Menschen. Die Differenz zwischen dem Anspruch eines weltweiten Verbots und dessen praktischer Missachtung und die Frage nach der möglichen Zulassung der „Rettungsfolter“. In: Gerhard Beestermöller/Hauke Brunkhorst (Hrsg.): Rückkehr der Folter. Der Rechtsstaat im Zwielicht? München 2006, S. 11-23, hier: S. 13.
10Vgl. ebd.
11Vgl. ebd., S. 16.
Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit kann die Historie der Folter hier nur in ihren grundlegenden Zügen und stellenweise verkürzt dargestellt werden.
12Vgl. ebd., S. 13.
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nen der freien Bürger gleichzustellen.13Nach Aristoteles warbasanos,die Folter, eines der ‚äußeren‘ Beweismittel, die bei einem gerichtlichen Prozess verwendet werden konnten. Dabei durften dieserbasanosnur Sklaven und - unter bestimmten Voraussetzungen - Fremde unterworfen werden. Allerdings finden sich keine Belege dafür, dass die Folterung von Sklaven weit verbreitet oder gar gebräuchlich war bzw. dass die Athener eine hohe Meinung von auf solche Weise erlangten Zeugenaussagen hatten.14Ähnlich wie im griechischen Recht durften auch im römischen Reich zunächst nur Sklaven gefoltert werden, und dies auch nur dann, wenn sie eines Verbrechens angeklagt waren. Erst später konnten sie - mit starken Einschränkungen - auch als Zeugen einer Folterung unterzogen werden. Waren die freien Bürger zunächst von der Anwendung der Folter ausgenommen, konnte sie diese Maßnahme während der Kaiserzeit zunächst bei Fällen von Verrat, später jedoch bei immer mehr Vergehen treffen.15Nachdem die Christen im ersten Jahrhundert unter die Anhänger verbotener Religionsgemeinschaften fielen, wurden auch sie dem Personenkreis zugerechnet, der einem Folterverhör und einer nachfolgenden schmachvollen Aburteilung unterworfen werden konnte.16Zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert wurde das Privileg, von der Folter ausgenommen zu sein, immer mehr ausgehöhlt, bis die alte Trennungslinie zwischen privilegierten freien Bürgern und Sklaven schließlich verschwunden war, und sich auch erstere bei verschiedensten Delikten mit der Folter bedroht sahen.17Zwar belegen Quellen, dass sich Kaiser und Juristen der Problematik des Wahrheitsgehalts der unter Folter gemachten Aussagen durchaus bewusst waren; sie sahen jedoch - wie vor ihnen bereits die Griechen - offenbar keine Veranlassung, sich dieser höchst unzuverlässigen Praktiken zu entledigen.18
Gegen Ende der Antike und im frühen Mittelalter trat die Folter in den Hintergrund, bis sie im Hochmittelalter wieder stärker praktiziert und in die Rechtssysteme aufgenommen wurde.19So kam es im 12. Jahrhundert in Europa zu einer Revolution der Rechtskultur, die die Strafrechtsordnung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts prägen sollte. Eine der wichtigsten Neuerungen war, dass das alte Anklageverfahren durch ein Inquisitionsverfahren ersetzt wurde, in dem statt eines bestätigten und überprüften Eides
13Vgl. Peters: Folter, S. 34-36.
14Vgl. ebd., S. 37-40.
15Vgl. ebd., S. 42.
16Vgl. ebd., S. 49f.
17Vgl. ebd., S. 59.
18Vgl. ebd., S. 61.
19Vgl. Breuer: Das Foltern von Menschen, S. 14.
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eines freien Bürgers nun das Geständnis als ‚Königin der Beweise‘ die höchste Stelle in der Beweishierarchie einnahm. So erklärt sich das Wiederauftauchen der Folter zu dieser Zeit weniger aus dem Status des Angeklagten oder der Art des Verbrechens (wie noch im griechischen und römischen Recht) als aus dem Stellenwert, der dem Geständnis im Gerichtsverfahren nun zukam.20
Im damaligen Rechtssystem gab es nur zwei Beweise, die allein für eine Verurteilung ausreichten: Ein Angeklagter konnte entweder aufgrund der Aussage zweier Augenzeugen oder auf Grund seines Geständnisses verurteilt werden. Gab es weder entsprechende Zeugenaussagen noch ein Geständnis, konnten zwar Indizien als Teilbeweise herangezogen werden, jedoch reichten diese für einen Urteilsspruch nicht aus. Als einziger Ausweg blieb nach der Rechtslage ein Geständnis, und um dieses zu erhalten, griff man auf die Folter zurück.21Dabei zielte die Anwendung der Folter nicht auf ein einfaches Schuldbekenntnis, sondern auf eine eindeutige Aussage, die Details zum Tathergang enthielt, die, so die Annahme, außer dem Täter niemand wissen konnte. Dabei waren bestimmte Bedingungen an den Einsatz der Folter gebunden: neben dem Vorhandensein eines Augenzeugen oder eines wahrscheinlichen Grundes, dass der Angeklagte das Verbrechen begangen hatte, musste das Gericht zudem davon überzeugt sein, dass die Folter zu einem Geständnis führen würde. Daneben wurde der Angeklagte beschworen, von sich aus zu gestehen, wobei man ihm häufig die Folterwerkzeuge zeigte, bevor man sie einsetzte.22