Die Diebin - Martina Taler - E-Book

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Martina Taler

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Beschreibung

In der jungen Bundesrepublik wächst die überdurchschnittlich intelligente Heike auf. Nach dem Studium möchte Sie Wohlstand und Luxus - und zwar möglichst sofort. Ohne langsam auf der Karriereleiter aufzusteigen, zumal diese Möglichkeit für Frauen in dieser Zeit kaum bestand. So nutzt Sie ihre Intelligenz für Ihre Raubzüge. Auch im Bett weiß sie ganz genau was sie will und lebt dort ihre devote Ader aus. Doch sie will immer mehr ...

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Vorwort
1 Wunderkind und Studentin
2 Francesco
3 Frau
4 Erster Diebstahl
5 Autodiebstahl
6 Juwelenraub
7 Bankraub
8 Kambele
9 Zurück in Deutschland
10 Erklärungen zu BDSM
11 Weitere SM-Bücher
12 Impressum

Martina Taler

Die Diebin

ISBN 978-3-945967-93-5

(c) 2021 Schwarze-Zeilen Verlag

1. Auflage 2021

www.schwarze-zeilen.de

Alle Rechte vorbehalten.

Für Minderjährige ist dieses Buch nicht geeignet. Bitte achten Sie darauf, dass das Buch Minderjährigen nicht zugänglich gemacht wird.

Die auf dem Cover abgebildeten Personen stehen in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt dieses Buchs!

Vorwort

Bei diesem Roman handelt es sich, um ein reines Phantasieprodukt. Die Geschichte ist jedoch in einen historisch, korrekt dargestellten Kontext eingebettet. Historische Fakten sind kursiv dargestellt.

Der Text enthält erotische Szenen und es werden einvernehmlich ausgelebte Formen von BDSM dargestellt.

1 Wunderkind und Studentin

1950 sind D-Mark, Marshallplan und Markwirtschaft die Grundlage für das deutsche Wirtschaftswunder. Über die Hälfte der Trümmer ist beseitigt. Die Rationierungen sind vorbei. In Deutschland ist »Wohlstand für Alle« nicht nur ein Schlagwort. Es scheint möglich.

***

Im Frühling des Jahres 1950 erblickte ich das Licht der Welt. Mama taufte mich Heike. Als Baby war ich scheinbar besonders klein und kränklich. Erst mit zwei Jahren machte ich meine ersten Schritte. Und ich stolperte häufiger als andere Kinder.

Im Gegensatz zu meiner körperlichen Entwicklung war meine geistige Reifung verblüffend. Bereits mit drei Jahren sprach ich grammatikalisch korrekt. Niemand im Kindergarten sprach so gut wie ich. Auch nicht meine beste Freundin Amy. Manchmal durfte ich Amy zu Hause besuchen. Ihr Vater war Soldat. Ein Amerikaner. Ihre Mutter kam auch aus Amerika. Aus Kalifornien. Sie sah damals so wunderschön aus. Wie ein blonder Engel.

Nur wenige Jahre später war aus ihr ein ziemlich pummliger Engel geworden. Eigentlich sah sie jetzt weniger aus wie ein Engel, vielmehr wie ein blondes Nilpferd mit Pickeln.

Durch die Gespräche mit meiner Freundin Amy und ihrer Engelsmutter konnte ich bereits mit vier Jahren Englisch. Ich wuchs sozusagen zweisprachig auf. Scheinbar sog ich Sprachen in mich auf. Vokabeln oder grammatikalische Feinheiten musste ich nicht lernen. Was ich einmal hörte, konnte ich mir merken. Mein Gedächtnis war ziemlich bemerkenswert.

Alles was ich sah, blieb mir in Erinnerung. Meine Mama, die ich so sehr liebte. Die kleine Wohnung in Stuttgart-Vaihingen. Mein Bett. Mamas Bett, das gleich neben meinem stand. Der Kastanienbaum im Hof, auf dem ich so gerne kletterte. Von hier oben sah ich die Hühner der Nachbarn.

Und ich sah meine kleinen braunen Füße. Wie sie im warmen Staub des Weges wirbelten. Der weite Weg in den Kindergarten. Da war der Wind, der mit den Blättern der Linden plauderte. Die Morgensonne, die die Lindenblüten kochte. Es duftete so fein. Zwischen dem Grün der Linden sah ich das Dach der Kirche. Dahinter die Baracke des Kindergartens. Die vielen Freunde. Schöne Bilder.

***

Als ich fünf war, starb meine Mutter. Die dicker werdende Engelsmutter nahm mich bei sich auf. Ich nannte sie Tante. Sie und ihr Mann, der US-Soldat, hatten nun zwei kleine Mädchen. Wir sprachen Englisch und Deutsch.

Meine Pflegeeltern waren immer nett zu mir. Mein Pflegevater arbeitete in den Patch Barracks, einem Truppenstützpunkt der US-Army in Stuttgart-Vaihingen. Manchmal besuchten meine Schwester Amy und ich ihn in der Kaserne. Dort gab es Hamburger mit Ketchup. Das schmeckte köstlich.

Amy und ich gingen in die gleiche Klasse. Unsere Lehrer waren nett. Ich ging gern zur Schule. Besonders gern mochte ich Turnen und Naturkunde. Beim Turnen konnte ich mich an dem dicken Seil bis ganz nach oben ziehen. Niemand konnte so gut klettern wie ich.

In der dritten Klasse bauten meine Mitschüler einfache Stromkreise aus Batterien, Draht, Büroklammern und Glühbirnchen. Ich diskutierte unterdessen mit der Lehrerin über Elektrotechnik. Jede Schulstunde zur Naturkunde bot meinen bedauernswerten Mitschülern wahre Funkenflüge meiner Geistesblitze.

Meine gleichfalls bedauernswerte Lehrerin musste viele meiner Fragen beantworten. Fragen zu Elektronen und zu miniaturisierten Teslaspulen. Die gute Frau Maier bemühte sich redlich, etwas Falsches an meinen Überlegungen zu finden. Allerdings ohne Erfolg.

1957 ist die BRD die zweitstärkste Wirtschaftsmacht hinter den USA. Und das nur zwölf Jahre nach dem Krieg. Die dritte Bundestagswahl bringt Adenauers dritte Amtszeit.

Das durchschnittliche Monatsgehalt liegt bei 500 D-Mark. Die meisten Deutschen haben zwölf Tage Urlaub pro Jahr. In der BRD gibt es schon 1 Million Fernsehgeräte.

***

Noch ungewöhnlicher als meine Begeisterung für Natur und Technik war meine Begabung für Mathematik. Meine Lehrer sagten meinen Pflegeeltern, ich wäre ein Wunderkind. Mit zehn Jahren beherrschte ich die Mathematik, die man fürs Abitur brauchte. Ich erhielt eine Einladung an die Universität in Stuttgart-Vaihingen. Die Herren Professoren wollten das mathematische Wunderkind kennenlernen. Auch sie hielten mich für etwas Besonderes.

Meine Pflegemutter war sehr stolz auf mich. In den Sommerferien durfte ich ein Praktikum bei einem Informatik-Professor machen. Er arbeitete mit mir an der Theorie und Implementierung von Programmiersprachen. Ich hatte viel Freude daran, mich mit dem Professor und seinen Assistenten über Gleichungssysteme zu unterhalten.

Am Ende der Schulferien war ich reicher. Um die nähere Bekanntschaft mehrerer Professoren und Assistenten. Da gab es sogar eine Assistentin. Sie war mein großes Vorbild. Auch wenn sie nicht ganz so gut rechnen konnte wie ich. Sie war so hübsch. Wir spielten manchmal Schach. Sie arbeitete an Computerschachprogrammen.

***

In der Schule übersprang ich die vierte und die siebte Klasse. Offenbar verhinderte ein grundlegender Defekt im Kopf meiner Mitschüler das Begreifen simpelster Zusammenhänge. In der vierten Klasse wirkten diese Explosionen von kollektivem Unvermögen drollig.

In der siebten Klasse wurde mir klar, dass ich mich deutlich von meinen Mitschülern unterschied. Sie hassten die Schule. Ich nicht. Mir gefiel der Anblick von Lehrern. Besonders, wenn sie einen Stapel Klassenarbeiten trugen.

Meine Klassenkameraden fragten voller Furcht den Lehrer:

»Sind die Klassenarbeiten schwer?«

Ich mochte es, wenn er dies bejahte. Ich mochte Herausforderungen.

Noch toller fand ich es, als einmal eine Lehrerin antwortete: »Nein, nicht schwer. Ich kann sie mit einer Hand tragen.«

Ich liebte Neues und Unerwartetes. Mein Leben lang mochte ich jede Art von Herausforderung - Prüfungen, Rätsel und auch sportliche Wettkämpfe. Und mein Leben lang gierte ich nach Neuem - neue Sinneseindrücke und neue Erlebnisse.

***

Im Alter von zwölf Jahren ging ich in die 9. Klasse. Obwohl ich natürlich die Jüngste in meiner Klasse war, hatte ich ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Es fiel mir so schwer, den wirbelnden Tanz meiner Gedanken zu kontrollieren. Ich musste den armen Lehrern meine Fragen stellen. Innerlich gluckste ich vor Glück, wenn die Antwort den Inhalt der ganzen Stunde vorwegnahm.

***

Dann traf mich die Pubertät. Diese leidvolle Zeit brachte mir geringes Längenwachstum, einige hässliche Pickel und ziemlich üppige sekundäre Geschlechtsmerkmale. Außerdem schenkte mir die Pubertät eine fast zwei Jahre lang anhaltende schlechte Laune. Im 14. Jahrhundert hätte man gesagt, böse Mächte hätten mir üble Gedanken in den Kopf gesetzt. Um 1920 wären diese üblen Gedanken zweifelsfrei die Spätfolgen eines Freud´schen Komplexes gewesen. Um 1960 kam nur ein biochemisches Ungleichgewicht in Frage – vermutlich Serotonin. Ich kannte die Theorien. Ich wusste, dass in Zukunft eine neue und noch absurdere Erklärung für misslaunige Mädchen gefunden würde. Ich persönlich fand die Sache mit den bösen Mächten eigentlich recht plausibel.

Ich übersprang auch die zehnte Klasse. Das meiste was ich sagte und tat, stieß bei meinen Mitschülern auf schlichtes Unverständnis. Das, und der Fakt, dass ich so viel jünger war als meine Klassenkameraden, waren die Gründe dafür, dass ich keine richtigen Freundinnen hatte. Ich war eine Außenseiterin. Natürlich. War ich doch für meine Mitschüler eine Quelle permanenter Enttäuschung und Selbstzweifel.

Damals beschäftigte ich mich in meiner Freizeit mit Wahrscheinlichkeitsrechnung und Esoterik. Nach zwei Monaten intensiver Esoterik-Studien hatte ich alles Esoterische - von Astrologie, über Wünschelruten, PSI bis zu den Heilkräften von Steinen - als Humbug erkannt. Ich war geheilt von meiner kindlichen Begeisterung für Übersinnliches.

Ich verachtete die lügenverbreitenden Autoren der Esoterik-Bücher. Andererseits dachte ich darüber nach, selbst ein Buch über Heilsteine zu schreiben. Dies wirft nicht nur ein Bild auf meine finanzielle Situation. Ich bekam nämlich kein Taschengeld. Es zeigt auch meine moralische Standfestigkeit. Sie war nicht vorhanden. Ich war davon überzeugt, dass Moral eine Erfindung schwacher Geister war, um der Dominanz stärkerer Geister Grenzen zu setzen.

Und damals verachtete ich schwache Geister. Was in meinem Fall dazu führte, dass ich damals praktisch alle Menschen verachtete. Ich war leidlich angewidert von Menschen im Allgemeinen und von meinen viel älteren Mitschülern im Besonderen. Da aber viele Dreizehnjährige von älteren Mitmenschen angewidert sind, fiel meine damalige Menschenverachtung nicht weiter auf.

Was auffiel, war, dass ich mit fünfzehn Jahren ein Zeugnis über die allgemeine Hochschulreife hatte. Ich fühlte mich reif für ein Studium. Parallel zu dieser Berechtigung für ein Studium erhielt ich ein Vollstipendium der Volkswagenstiftung. Ich studierte an der Universität in Stuttgart-Vaihingen. Da meine Tante den Verlust der besserwisserischen und ewig schlecht gelaunten Pflegetochter für erträglich hielt, war sie froh, dass ich die meiste Zeit des Tages in der Uni verbrachte.

Ich studierte Philosophie. Meine Pflegeeltern erlaubten es mir, weil ich versprach, danach etwas Richtiges zu studieren. Das bedeutete, etwas, mit dem man Geld verdienen konnte. Mathematik zum Beispiel. Ich studierte aber nicht um des späteren Geldes willen.

Ich wollte Erkenntnis. Wer bin ich? Als Tierchen geboren, saugte ich Wärme und Brot von den Eltern, Anerkennung von Freunden, Schulwissen von Lehrern. Was kann man wissen? Moral oder Mode. Was soll ich tun? Meine Hormone werden eine Partnerschaft erzwingen. Ein Wirtschaftssystem baut einen in eine Maschine ein. Zahnräder altern, stumpfen ab. Die Biologie stoppt. Die Physik beginnt. Vielleicht auch die Theologie. Was darf ich hoffen? Vor allem aber: Wer will ich sein?

Ich lernte viel Neues. Ich lernte, mit Menschen umzugehen. Ich lernte, dass der begrenzte Horizont meiner Mitmenschen häufig nicht nur auf schlichter Dummheit basierte. Oft waren es anerzogene religiöse oder moralische Schranken im Denken. Ich lernte die Ursachen dieser Schranken kennen. Es war faszinierend, wie Erziehung und Kultur das menschliche Verhalten prägten.

Selbst zu Hause war ich meiner Pflegemutter und meiner Schwester fremd geworden. Das wollte und konnte ich bald ändern. Es fiel mir leicht, ihnen wieder zu gefallen. Ich lernte Mitgefühl. Ich lernte, mich in meine Mitmenschen zu versetzen. Und ich lernte, geduldiger zu werden. Der gütige und altersweise Professor dozierte: »Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.«

Ich lernte auch, mich anzupassen, ohne mich zu verbiegen. Natürlich blieb ich den so viel älteren Kommilitonen dennoch suspekt. Ich blieb das nette kleine Mädchen mit dem fotografischen Gedächtnis. Ich war immer freundlich. Dennoch hatte ich keine Freundin. Und - was mir in diesen Tagen erstmals unangenehm bewusst wurde - ich hatte keinen Freund.

Erst als ich sechzehn war, bewirkte mein ansteigender Spiegel von Sexualhormonen, dass ich meine Tage bekam. Und ich bekam Sehnsucht nach Jungs. Ich sehnte mich nach einem festen Freund. Früher wollte ich ein Pony oder lieber ein Pferd. Jetzt wollte ich einen Freund - nein - einen jungen Mann. Meine Träume - und nicht nur sie - wurden feuchter.

Oft betrachte ich neidvoll die Paare von Studenten, die im Garten der Universität flanierten. Manche von ihnen küssten sich sogar. In aller Öffentlichkeit. So etwas sah man nur hier an der Universität. Viele fanden so ein Verhalten unschicklich. Ich nicht. Ich beneidete die jungen Frauen, die geküsst wurden. Ich war eben ein unmoralisches Mädchen. Seit ich - vorlesungsbedingt - die Ursprünge jeder Moral kannte, wurde ich noch unmoralischer. Ich hätte gerne einen Mann geküsst. Auch in der Öffentlichkeit. Hauptsache, die starken Arme eines Mannes spüren. Seine sicherlich, festen Lippen auf den meinen. Seinen Atem riechen. Aber ich war eben noch ein halbes Kind.

Meine andere - erwachsene - Hälfte besorgte sich in der Uni-Bibliothek anregende Literatur. Ich las von Romantik, Erotik und von Sex. Ich las erotische Weltliteratur. Abends. Zu Hause. In meinem Zimmerchen. Ich saß im Schlafanzug an meinem Schreibtisch. Meistens legte ich beim Lesen meine Füße auf den Tisch. Wenn ich aufsah, sah ich meine Füße in den kuschligen Wollsocken. Diese Füße waren nicht eng beisammen. Damals wurde mir klar, dass, wer die Hände in den Schoß legt, nicht untätig sein musste.

Manchmal legte ich eine Lesepause ein. Hielt inne und verknüpfte das Gelesene mit realen Erlebnissen. Vor ein paar Tagen hatte Friedrich, ein Mitstudent, meinen Unterarm berührt, als er mit mir sprach. Er war groß. Und selbst seine sanfte Berührung meines Arms erschien mir kraftvoll und fest. Als er mit mir sprach, sah ich ihn an. Seine Augen. Wie sie leuchteten. Seine Lippen. Die winzigen Fältchen. Ich roch seinen Atem. Ein wenig Zigarettenrauch. Ein wenig Wurstbrot. Vor allem aber roch ich einen Mann.

Ich legte das Buch zur Seite. Aufgeschlagen. Den Buchrücken nach oben. Es war ein historischer Roman. England im achtzehnten Jahrhundert. Es ging um einen Mord. Einer der Verdächtigen war ein strenger Lord. Er behandelte seine Dienstmägde schlecht. Die Autorin ließ ihn böse erscheinen. Klar war er böse, wenn man – aus heutiger Sicht - die Rechte von Untergebenen und die Gleichberechtigung von Frauen als moralisch gültige Dogmen hinnahm. Was aber wenn man die aktuellen politischen Gegebenheiten außer Acht ließ? Prangerte Jesus die Sklaverei im Römischen Reich an? Wer vertrat die Rechte der Frauen im Tross von Wallenstein? Die Inhalte moralischer Grundsätze wurden zu jeder Zeit von den Mächtigen geprägt.

Mir war es egal. Ich genoss es, wenn der englische Lord das hübsche Dienstmädchen rügte. In einer Szene legte er sie sich tatsächlich übers Knie und versohlte ihr den Hintern. Durch die Kleidung hindurch. Weiter wagte sich die keusche Autorin nicht zu gehen. In meiner Phantasie musste sie die Röcke abstreifen, um seine harte Hand zu empfangen. Ich las und empfand ein schaurig schönes Wohlbehagen.

***

Mein Stiefvater hat mich nur einmal geschlagen. Ich hatte ihn zu sehr geärgert. Ihm war eben die Hand ausgerutscht. Das galt damals als normal und ich verband diese Ohrfeige nicht mit etwas Sexuellem. Jetzt aber, beim Lesen, als der Lord seine Magd züchtigte, roch ich in Gedanken den Atem Friedrichs. Ich stellte mir vor, wie ich auf den Knien des Lords lag. Oder auf denen von Friedrich. Wie ich seine Anstrengung hörte. Seinen keuchenden Atem und die Schläge, mit denen er mich bestrafte.

Friedrich, der Lord und Kapitän Ahab. Aus ihnen mischte ich mir meinen Traummann. Kapitän Ahab aus dem 1956er-Film Moby Dick wurde gespielt von Gregory Peck. Ein Kapitän. Ein großer Mann. Autoritär. Ein harter Kerl. Nur noch ein Bein. Eine Narbe quer durchs Gesicht. Er gefiel mir trotzdem. Oder gerade deshalb? Man sah ihm seine Härte an. Ob Seeleute wohl heute auch noch kräftige Hände hatten?

Ich fasste mich an. Ob Männer kräftiger hinlangten? Ich erhöhte den Druck, als ich meine Klitoris rieb. So mochte ich es. Ich nahm den kleinen Knubbel zwischen die Finger. Drückte mich. Lotete die Grenze zwischen Lust und Schmerz aus. Entschied mich für die Lust. Für das wohlige Kribbeln. Das Wort Kitzler gefiel mir gut. Das Kitzeln wurde zum Ziehen. Bis hoch in den Bauch. Ich hatte nie Probleme dabei, mir einen Orgasmus zu verschaffen. Ich gab mich dem schönen Gefühl hin.

Nun war ich satt. Mit meinen Höhepunkten war es, wie mit dem Niesen. Das Kitzeln. Das Hoffen auf Erlösung. Und das Gefühl des Erfolgs. Der Zufriedenheit. Ich hatte gelesen, dass Männer nach dem Erreichen des Höhepunktes sehr müde wurden. Mir ging es genauso. Ich brauchte keinen zweiten Orgasmus. Ich ließ das Buch liegen und ging zu Bett. Ich würde noch lange Freude an meinem strengen Lord haben.

Im Allgemeinen las ich schnell. Und ich konnte mir praktisch alles merken, was ich gelesen hatte. So war es, als ich mit meinem Philosophiestudium begann. Und so war es auch noch nach der Abschlussprüfung, die ich nach nur dreieinhalb Semestern mit der Note 1,0 bestand. Eins-Komma-null war übrigens auch exakt der Notendurchschnitt der drei anderen Studiengänge, die ich in den nächsten beiden Jahren parallel absolvierte. Damals wollte ich Lehrerin werden.

Auf die Philosophie folgten zeitgleich ein Studium der Physik, der Geschichte und der Kunstgeschichte. Die dabei entstandenen Diplomarbeiten trugen so blumige Titel wie Verwendung von Schwingquarzen zur Mikrowägung, Schriftzeichen in mesopotamischen Hochkulturen und die Rolle der Frau im Spätwerk von Peter Paul Rubens. Wie es sich gehörte, wohnte ich bei meinen Pflegeeltern. Durch meine Stipendien lag ich ihnen aber nicht auf der Tasche.

1967 gibt es das erste Farbfernsehen in der BRD. In den USA besingt Scott McKenzie »San Francisco«. Der Sommer ´67 ist der legendäre »Summer of Love«. Hippie sein, wird Mode: locker und sexy. Frauen tragen Miniröcke oder Hotpants. Dazu Stiefel und Maximantel. Andere tragen weite Hosenanzüge aus Samt.

***

Mit siebzehn Jahren fehlten mir noch vier Jahre bis zur Volljährigkeit. Erst mit einundzwanzig Jahren galt man als erwachsen. Ich fühlte mich jedoch schon sehr erwachsen. In meinen Träumen besorgte ich mir die Antibabypille und reiste nach San Francisco, um Hippie zu werden. Von John Lennon stammt das Zitat »Zahme Vögel singen von Freiheit. Wilde Vögel fliegen!« Ich würde ein wilder Vogel werden.

Freiheit. Liebe. Freie Liebe. Sex. Ich dachte oft an Sex. In der Straßenbahn. In der Uni. Selbst in der Kirche. Ich sah verschiedene Männer an und überlegte, was ich mit ihnen machen würde.

Ich wollte küssen. Endlich den ersten Kuss. Ich wollte eine fremde Hand an meinen Brüsten spüren. Eine harte Hand. Fest und bestimmend. Zwischen meinen Oberschenkeln. Bald.

***

Ich habe vermutlich das leistungsfähigste Gehirn, das jemals ein Lebewesen meiner Art besaß. Obwohl ich dies vermutete, achtete ich nicht weiter darauf. Denn es zählte seit jeher zu den Eigentümlichkeiten meiner Art, dass die meisten annahmen, gerade ihr Gehirn sei besonders leistungsfähig. Allerdings teilten - in meinem Fall - alle meine Professoren diese Vermutung.

Mit achtzehn Jahren hatte ich vier Diplome vorzuweisen. Als meine Professoren erfuhren, was das kleine Mädchen in nur drei Jahren erreicht hatte, waren sie verblüfft. Meine lieben Pflegeeltern waren natürlich sehr stolz auf mich. Sie glaubten, ihre kleine fleißige Pflegetochter strebe immer noch danach, Lehrerin zu werden. Sie glaubten allerdings auch, dass meine Diplome so etwas wie bestandene Schulfächer waren.

Meine Pflegemama freute sich, dass ich bald einen Beruf haben würde. Sie buk einen Apfelkuchen und erklärte mir die Wichtigkeit eines geregelten Einkommens für ein ausgeglichenes Leben.

Ihre mahnenden Worte beendete sie mit einem Seufzer, gefolgt von: »Alles wird doch immer teurer.«

Es hatte die Endgültigkeit des Amens in der Kirche. Wenn ich genau über ein festes Einkommen nachdachte, merkte ich, wie egal mir das war.

1968 wird die Mehrwertsteuer eingeführt. Zehn Prozent auf praktisch alle Waren. Alles wird teurer. Die Löhne steigen. Männer verdienen im Durchschnitt 1.100 D-Mark brutto im Monat. Frauen nur 700 D-Mark. Die Lohntüten sind verschwunden. Das Geld muss man sich jetzt von der Bank oder Sparkasse abholen. Dort, wo man sein Konto hat, muss man an den Schalter gehen. Auf Reisen oder am Wochenende kommt man nicht an sein Geld. Jeder hat ein Sparbuch. Das bringt circa drei Prozent Zinsen.

***

Natürlich hatte ich kein Geld. Ich hatte nur mein Kindersparbuch bei der örtlichen Kreissparkasse. Und das war leer. Trotzdem war ich zufrieden und fröhlich. Zufriedenheit und Fröhlichkeit erlebte ich zum Beispiel im örtlichen Turnverein. Hier trainierten meine Schwester Amy und ich zwei Mal die Woche. Hier war ich nicht die Jüngste. Wir waren alle im gleichen Alter. Wir turnten zusammen, duschten zusammen und manchmal am Wochenende fuhren wir mit dem Bus zu Wettkämpfen. Ich bekam Wimpel und Medaillen. Dann setzte ich ein bescheidenes Lächeln auf.

Zufriedenheit und Fröhlichkeit erlebte ich auch, wann immer ich mich im Spiegel betrachtete. Das tat ich gerne und oft. Ich gefiel mir. Allmählich änderte sich nämlich mein kindliches Aussehen. Allmählich legte ich an Fett zu. An den richtigen Stellen. Meine Hosen und Blusen wurden enger. Wenn ich mit männlichen Kommilitonen sprach, sahen sie mir nicht nur in die Augen und auf den viel zu dürren Mädchenkörper.

Im Umgang mit Menschen war ich viel geschickter geworden. Ich hatte viel über Psychologie gelernt. Nicht nur aus Büchern. Früher war ich in Gesprächen oft sehr direkt. Nun war ich viel freundlicher und ein wenig zurückhaltender. Das kam gut an. Ganz bewusst sprach ich langsamer, um meine Gesprächspartner nicht zu überfordern. Schon immer plante ich gerne und gründlich. Oftplante ich sogar den Fortgang und die Richtung eines Gesprächs.

Manchmal verspürte ich ein leichtes Gefühl der Leere. In der Schläfengegend. Ein Studium der Mathematik versprach anspruchsvolle und kurzweilige Unterhaltung. Also schrieb ich mich an der Universität von Tübingen für ein Mathematikstudium ein. Meine Pflegeeltern waren nicht begeistert, dass ich auszog. Drei Jahre vor der Volljährigkeit. Aber sie ließen mich ziehen.

***

Ich zog in ein winziges Zimmer im Studentenwohnheim. Bezahlen konnte ich meine kleine Studentenbude dank eines staatlichen Sonderstipendiums für Hochbegabte.

Die Mathematik machte mir Freude. Ich begriff rasch. Schon im zweiten Semester hatte ich die meisten Scheine gesammelt und ergatterte eine Arbeit als Hilfswissenschaftlerin am Institut für Mathematik. Ich arbeitete an der Erforschung nichteuklidischer, kybernetischer Funktionen.

2 Francesco

1968 erscheint ein italienisch-deutscher Film namens »Marquis de Sade: Justine«. Zwei zukünftige Weltstars spielen mit: Klaus Kinski (de Sade) und Romina Power.

Eine pseudo-sozialkritische Handlung dient als Vorwand, um Frauen zu demütigen und zu quälen. Es geht um angedeutete Sexualität, Gewalt und Grausamkeit. Der Film spielte hohe Gewinne ein.

***

Im Stuttgarter Hauptbahnhof gab es ein großes Bahnhofskino. Hier liefen Filme nur für Erwachsene. Ich betrachtete fasziniert und ein wenig verschämt die Filmplakate hinter den Glasscheiben. Die halbnackten Frauen in diesen Filmen wurden erniedrigt und gequält. Meine Kommilitoninnen diskutierten oft darüber, ob derart frauenfeindliche Filme verboten werden sollten. Ich nahm nicht an diesen Diskussionen teil. Ich hätte gerne einen dieser Filme gesehen.

***

1968 sind Frauen nicht gleichberechtigt. Auch nicht unter Studenten.Bei einer Veranstaltung wirft eine Frau eine Tomate, der berühmte Tomatenwurf in Frankfurt. Dies wird eine Initialzündung für die Frauenbewegung in der Bundesrepublik.

***

Ich war eine emanzipierte Frau. Ich hatte wahrlich keinen Mangel an Selbstüberschätzung. Natürlich nicht. Alles, was ich begonnen hatte, war mir vortrefflich gelungen. Vier Diplome. Und auch das aktuelle Mathematikstudium ging in Rekordzeit zu Ende. Zudem sah ich fantastisch aus. Vor allem wenn ich lächelte. Was mir ausgesprochen gut stand. Wie eigentlich jeder Gesichtsausdruck, den ich vor dem Spiegel optimiert hatte.

Und so lächelte der Leiter des mathematischen Instituts auch zurück, als ich ihn anlächelte.

»Wirklich Herr Professor? Sie denken, ich könnte die Diplomarbeit beginnen?«, fragte ich augenklimpernd.

Der ansonsten so strenge ältere Herr nickte und lächelte gütig. »Ihre Diplomarbeit könnte heißen: Dissipative Strukturen in thermodynamisch nicht isolierten Systemen. Oder so ähnlich«, sagte mein Professor.

Seit er mich kannte, förderte er mich. Er trieb mich an. Er drängte mich zu einer Publikation in Fachjournal. Er sah seinen Namen gerne gedruckt. Neben dem meinen. Der Professor war immer auch der Co-Autor.

Ich hatte es nicht so eilig wie er.

Mir gefiel es an seinem Institut. Erst recht, seit Francesco in unserem Institut arbeitete. Francesco war ein Gaststudent aus Italien. Er kam aus Mailand. Er war beinahe zwei Köpfe größer als ich. Eine schwarze Mähne umgab sein mediterran gebräuntes Gesicht. Seine etwas zu blauen Augen blitzten, wenn er mit mir sprach. Sein Deutsch hatte diesen verführerischen, italienischen Akzent. Und seine Hände waren groß und kräftig. Francescos außerordentlich unordentliche Rasur stand in krassem Gegensatz zu seiner stets eleganten Kleidung. Er trug keine Jeans und Sandalen. Er trug immer gut gebügelte Stoffhosen und Hemden. Seine Lederslipper waren sicher auch aus Italien.

Ich trug die Kleidung der Hippies. Gegen den Willen meiner lieben Pflegeeltern. Aber seit ich nicht mehr zu Hause wohnte, erlaubten sie mir diese kleine modische Eigenheit. In der Uni durfte ich meinen dunkelroten Hosenanzug aus Samt tragen. Unter den wadenlangen Hosenbeinen hatte ich lange, schwarze Stiefel. Und unter der Bluse einen Büstenhalter. Ich hatte ihn mir nicht nur gekauft, um meine gewaltige Oberweite zu bändigen. Ich hoffte auf seine Wirkung bei Francesco.

Der gutaussehende Italiener kam morgens immer nach mir ins Institut. Offenbar war er ein Langschläfer. Irgendwann im Laufe des Tages trafen wir uns. In der kleinen Bibliothek, im Pausenraum bei Kaffee und beim Rauchen oder im Flur. Dann begrüßten wir uns. Jeden Tag lächelte er mich an. Privat gesprochen hatten wir nie. Vielleicht gefiel ich ihm nicht. Dieser Gedanke machte mich unsicher. Ich wusste nicht, was ich zu ihm sagen sollte. Vielleicht, dass ich gerne Pizza mag? Zu trivial. Besser ein Kompliment. Und angehängt eine Frage. Eines Morgens traf ich Francesco auf dem Flur.

»Guten Morgen, Francesco«, flötete ich. »Hallo, Heike«, antwortet er lächelnd und verlangsamte seine Schritte. Ich war mutig und blieb vor ihm stehen. Er lächelte auf mich herab. Jetzt musste ich ihm ein Kompliment machen. Die schönen Haare? Nein. Zu direkt. Mir fiel nichts Kluges ein.

»Francesco«, sagte ich schüchtern, »du hast immer so schön gebügelte Hemden.« »Oh, danke.«

»Wer bügelt eigentlich deine Hemden?«

Was Besseres war mir auf die Schnelle nicht eingefallen, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ein Mann am Bügelbrett stand. Sicher hatte er eine Frau zu Hause. »Ach das macht Ute«, erwiderte er mit einem Schulterzucken.

Hatte ich es mir doch gedacht, er hatte eine Frau oder zumindest eine Freundin. Aber noch bevor ich mir meine Chancenlosigkeit ausmalen konnte, sah ich ein verschmitztes Grinsen in seinem Gesicht. »Ute ist die freundliche Dame aus der Reinigung gleich neben der Uni.«

»Ist das nicht furchtbar teuer?«

»Meine Eltern haben Geld.«

»Du bist reich?«

»Nein. Meine Eltern. Sie freuen sich, dass ich studiere.«

Seine blauen Augen musterten mich. Ich wusste, dass er sechs Jahre älter war als ich, dass er in Tübingen sein Mathematikdiplom erworben hatte und nun hier an seiner Doktorarbeit saß. Was er wohl über mich wusste? Ganz sicher wusste er, dass ich komplexe Gleichungssysteme löste. Wofür mich unser Chef oft lobte.

Ziemlich sicher ahnte er, wie gut er mir gefiel. Sicher spürte er meine Gefühle. Es folgte eine erste vorsichtige Unterhaltung. Ein paar Worte über unsere Eltern. Dann über die Arbeit. Die Mensa. Zum Abschied ein unverbindliches: »Einen schönen Tag. Man sieht sich.«

Ein paar Tage später begrüßte mich Francesco besonders herzlich. Er gab mir die Hand. Ich freute mich über diese Nähe. Gerne hätte ich gehabt, dass Francesco mehr als meine Finger drückte. Aber dann ignorierte er mich wieder mit Hingabe. Er vermied jede weitere Berührung. Nicht einmal einen lobenden Klaps auf die Schulter, wenn ich eine elegante Lösung zu Papier gebracht hatte. Wieder war ich verunsichert.

Ein paar Tage später schöpfte ich wieder neue Hoffnung. Nach einer Besprechung fragte mich Francesco, ob ich mit ihm zum Mittagessen gehen wolle.

»Heike? Magst du?«

»Am Tisch der Doktoranden?«

»Wenn du magst. Oder zu zweit. Dann könnten wir noch über die Achsenbeschriftungen sprechen?«

»Gern... gerne sprechen«, stammelte ich.

Vermutlich etwas zu rasch. Und zu euphorisch. Ich verspürte eine plötzliche Aufwallung von Herzenswärme. Im Bauch. Oder hatte ich nur zu viel gefrühstückt? Nein. Schmetterlinge im Bauch? So fühlte sich Glück an. Verlegen sagte ich: »Wir sprechen über die Achsen, die Achsenbeschriftung.«

»Okay. Das freut mich«, sagte er.

Ich aß mit einem Mann. Ich war so stolz auf mich. Wir aßen Spaghetti Bolognese. Ich war jung und hungrig. In meiner Bude fraß ich, als ob es auf den elektrischen Stuhl ginge. Hier bemühte ich mich um Manieren. Wie ich es von zu Hause gewohnt war, schnitt ich meine Nudeln und aß sie mit dem Löffel. Francesco sah mir verwundert zu. Und ich ihm. Er wickelte die Spaghetti nämlich mit der Gabel am Tellerrand auf.

»So macht man das. Nun ja, in Italien.«

»Wirklich«, erwiderte ich verschämt.