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Pech für die drei ??? – ein Computervirus hat Dateien aus ihrem Rechner gelöscht! Doch damit nicht genug, fordert ein anonymer Erpresser über den Bildschirm die Summe von 5 Millionen Dollar. Bei ihren Ermittlungen stoßen Justus, Bob und Peter auf eine bekannte Filmfirma für Spezialeffekte. Dort stellt sich schnell heraus, daß der Erpresser und Datenkiller vor keinem Mittel zurückschreckt, um die drei Detektive bei ihren Nachforschungen zu behindern.
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Seitenzahl: 169
Angriff der Computer-Viren
erzählt von G. H. Stone
nach einer Idee von Robert Arthur
Kosmos
Umschlagillustration von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlageder Gestaltung von Aiga Rasch
Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten findest du unter kosmos.de
© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-14059-8
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Bob Andrews sprintete quer über den Schrottplatz zur Detektivzentrale der drei ??? im Campinganhänger. Er schwang einen Tennisschläger und jonglierte im Kopf seine zahlreichen Pläne umher.
Gerade hatten die Frühlingsferien begonnen, und Bob wollte keine einzige Minute ungenutzt verstreichen lassen. An diesem Nachmittag musste er dringend etwas Zeit für seine fast fertige Hausarbeit in Geschichte abzweigen, und später hatte er noch eine Verabredung auf dem Tennisplatz. Am Abend hieß es dann, für seinen Chef Sax Sendler, Inhaber der Talentagentur Rock Plus, mit einer Band die Anlage aufzubauen. Ein Glück, dass die drei ??? zurzeit nicht auch noch einen Fall aufzuklären hatten!
In der Schmiergrube gleich neben der Zentrale pfiff Bobs Freund, der Zweite Detektiv Peter Shaw, munter vor sich hin. Peter steckte bis zur Hüfte unter der Motorhaube des reparaturbedürftigen Transporters, den er zurzeit in Arbeit hatte. Bis zum Wochenende müsste das Vehikel wieder in Schuss sein, dann wollte er es zu einem guten Preis weiterverkaufen. Also war auch Peter in dieser Woche nicht für Detektivarbeit zu haben.
Da rappelte ein Wagen in voller Fahrt durch das offene Hoftor. Verblüfft drehte Bob sich um. Peter schnellte unter der Motorhaube hervor und hätte sich um ein Haar eine Beule am Kopf geholt. Wer hatte es denn hier so eilig, und dann noch in einem der altgedienten, verbeulten Kleinlaster der Firma »Gebrauchtwarencenter T.Jonas«? Mit quietschenden Bremsen kam er in einer Staubwolke zum Stehen.
»Hey, das ist Justus!«, rief Bob schallend zu Peter hinüber.
»Der hat sie wohl nicht mehr alle!«, schrie Peter zurück. Rasante Fahrer waren hier in Rocky Beach, auf dem Gelände der größten und besten Fundgrube für Schrott und Trödel, nicht gerade an der Tagesordnung.
Justus sah ernst und besorgt aus. Er stellte den Motor ab, sprang aus dem Pick-up und hastete wortlos an Bob und Peter vorbei zum Campinganhänger. Das runde Gesicht unter dem wie üblich zerwühlten schwarzen Haar war kreidebleich.
Was Justus, außer einem knurrenden Magen, zutiefst verabscheute, war körperliche Anstrengung. Falls der wohlgepolsterte Erste Detektiv einmal im Laufschritt ankam, versetzte das Peter und Bob sofort in Alarmbereitschaft. Und Justus’ verstörte Miene ließ erkennen, dass diesmal etwas wirklich Schlimmes passiert war.
»Justus! Wo brennt’s denn?«, rief Peter. Er wischte sich die Hände an seinem grünen T-Shirt mit dem Bären ab und spurtete hinterher. Peter war sehr groß, dazu muskulös und durchtrainiert, und er lief schnell und mühelos.
Bob rannte den beiden nach. »Verfolgt dich jemand?«, schrie er. Eine Sportskanone wie Peter war der große, schlanke, blonde Bob nicht, aber doch ein guter Läufer, wenn es darauf ankam.
Justus’ ausladende Hinterfront verschwand im Anhänger. Im nächsten Augenblick stürmten auch Peter und Bob hinein.
In der Zentrale der drei ??? herrschte die gewohnte Unordnung. Auf Schreibtisch und Aktenschrank lagen Arbeitsunterlagen neben leeren Portionsschalen aus dem Schnellimbiss herum. Der Geruch der Pizza von gestern – Sardellen und Oregano – hing noch in der Luft.
Die Tür knallte zu. Hastig riss Justus die Plastikhülle vom PC der drei ???. Er war nicht nur das Superhirn des jugendlichen Detektivtrios, sondern auch Elektronikexperte und ausgefuchster Programmierer. Bob und Peter schauten zu, wie Justus sich hinsetzte, den Computer startete und ungeduldig auf einige Tasten drückte. Dann schob er zwei Disketten in die Schlitze des Laufwerks. Leise summte das Gebläse der Maschine.
Justus holte tief Atem und blickte gespannt auf den Bildschirm.
»Sag doch was, Justus.« Peters Stimme klang eindringlich.
»Spuck’s aus«, ermunterte ihn Bob.
Justus schüttelte den Kopf und hielt sich die beiden mit einer unwirschen Handbewegung vom Leib. Zum Reden war er jetzt nicht aufgelegt.
Alle drei starrten auf den Monitor. In bernsteinfarbener Schrift erschienen auf der schwarzen Fläche die Befehlszeilen des Betriebssystems. Justus rief eine Datei auf.
Bob wurde ungeduldig. »Fummel nicht so lang rum, Justus, ich muss auch an den PC. Die Geschichtsarbeit kurz überarbeiten. Ich hab nicht viel Zeit, die Mädchen rücken bald an.« Mit dem Daumennagel ratschte er über die Bespannung seines Tennisschlägers. Er und Peter waren mit Elizabeth Zapata und Kelly Madigan zum gemischten Doppel verabredet. Bob hatte Elizabeth vor Kurzem in der Stadt beim Plattenkauf kennengelernt, und Kelly war Peters feste Freundin.
»Uii!«, machte Peter verdattert.. »Kelly!« Er sah an sich herunter. T-Shirt und Jeans hatten reichlich Schmieröl und weiße Spachtelmasse abbekommen. »Ich muss mich umziehen!«
Gerade als Peter nach hinten sauste, wo seine Kleidung zum Wechseln lag, ließ der Computer ein hohes, durchdringendes Fiepen hören. In Riesenlettern knallten drei Worte auf den Bildschirm: FATAL DISK ERROR!
»Was heißt denn das?«, Bob ahnte nichts Gutes.
»So ein Mist«, stöhnte Justus. »Die Dateien auf der Diskette lassen sich nicht in den Arbeitsspeicher einlesen. Das bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen … Wir haben den Virus abgekriegt!«
»Was, ein Virus?«, rief Peter von hinten. Er hatte das T-Shirt ausgezogen und bearbeitete Hände und Arme mit Waschpaste. »Na, ich hab gute Abwehrkräfte.«
»Kein Krankheitserreger, Peter«, knurrte Justus. Wieder ließ er die Finger auf der Tastatur umherflitzen, um dem Computer auf die Sprünge zu helfen. Wenigstens einen Teil der auf der Diskette gespeicherten Informationen müsste er doch aufspüren können! »Ein Computervirus.«
Peter kam verblüfft herüber und stellte sich hinter Justus. Immer wenn Justus es mit einem neuen Befehl versuchte, fiepte es Unheil verkündend, und dazu erschien auf dem Monitor die lakonische Mitteilung: FATAL DISK ERROR.
»Was ist ein Computervirus?«, fragte Peter schließlich.
»Eine kurze Befehlszeile, die so angelegt ist, dass sie unaufhörlich Kopien von sich selbst erstellt«, erklärte Justus voll Ingrimm. »Ein solcher Virus ist ein eigenständiges Unterprogramm, das sich unbemerkt in jedes Programm oder Betriebssystem einschleusen lässt, damit es sich dort immer weiter fortpflanzt. Der Virus frisst Daten auf oder würfelt sie sinnlos durcheinander.«
»Was macht der Virus?« Peter war das unheimlich.
»Der Virus löscht Daten oder lässt ganze Programme abstürzen«, versuchte Justus es mit anderen Worten. »Oder er manipuliert das System, sodass der Anwender sich nicht mehr auf korrekte Funktion seines PC verlassen kann.«
»Dann können Computerviren also Textdateien oder Berechnungen zerstören?«, fragte Bob.
»O ja«, sagte Justus. »Viren sind etwas ganz Gemeines. Manche lassen den PC so lange sinnlose Rechenoperationen ausführen, bis die Festplatte abstürzt. Andere wüten wahllos in gespeicherten Daten. Die Liste möglicher Schäden durch Viren ist endlos.«
»Sag mal, Justus, wie ist das möglich, dass wir so einen Virus abgekriegt haben und es jetzt erst merken?«, fragte Bob.
»Wisst ihr bei einer Erkältung immer genau, in welcher Sekunde ihr euch den Schnupfen geholt habt?«, kam Justus’ Gegenfrage.
»Nein.« Das mussten Bob und Peter zugeben.
»Und genauso ist es mit Computerviren. Das hängt ganz davon ab, wie sie programmiert wurden. Manche laufen sofort in gespeicherten Daten Amok, andere können monatelang stillhalten und irgendwann zuschlagen!« Justus klatschte die geballte Faust in die Handfläche. »Beim Arbeiten mit dem PC werden sie von einer Diskette auf die nächste übertragen. Man muss also vorsichtig sein, wenn man sich irgendwo Disketten borgt. Sonst holt man sich womöglich selbst den Virus in den eigenen PC!«
»Das muss ich meinem Mathelehrer sagen«, meinte Peter. »An Zahlen kann man sich also anstecken!«
»Und ich würde gern damit diesen miesen Typen anstecken!« Justus schüttelte seine Faust. »Lässt da einen Virus los und hält sich wahrscheinlich auch noch für den Größten. Diese Diskette können wir vergessen. Restlos gelöscht, das ganze Spiel!«
Bob wurde es plötzlich ganz mulmig. Er griff nach der Diskettenbox und gab sie Justus. »Im Schweiße meines Angesichts habe ich mir diese Geschichtsarbeit abgerungen. Sogar Verabredungen habe ich dafür platzen lassen. Sag, dass mein Text noch steht!«
Justus entschied sich sicherheitshalber für Zurücksetzen und Warmstart. Dann legte er Bobs Diskette ein.
Bob starrte wie gebannt auf den Bildschirm und hielt den Atem an. Justus rief das Verzeichnis auf.
Piep. FATAL DISK ERROR. Riesenpech für Bob.
»Auch futsch!«, stöhnte Bob. »Das ist doch nicht zu fassen. Alles weg! Und ich darf das ganze Zeug noch mal schreiben. Das waren fünfzehn Seiten!«
»Tut mir echt leid, Junge.« Peter klopfte Bob auf die Schulter und stellte dann noch zwei Stühle vor den PC-Platz. »Was ist da zu machen, Justus?«
Justus war schon eifrig am Werk. Er nahm eine andere Diskette zur Hand und erklärte dazu: »Die enthält ein Hilfsprogramm fürs Durchchecken und Neuordnen der Sektoren einer Diskette. Hab ich mir rasch noch auf der Heimfahrt gekauft. Man könnte dieses Programm mit einem starken Vergrößerungsglas vergleichen. Passt mal auf.« Er legte seine Neuerwerbung ins Laufwerk ein und rief das Hilfsprogramm auf. Anschließend wechselte er die Diskette gegen Bobs Exemplar aus.
Bob stand plötzlich auf und trat an das Bücherregal. Peter blickte kurz hinüber und sah ihn hektisch in einem Stapel Papier blättern.
Peter beugte sich wieder neben Justus zum Bildschirm vor.
»Das Hilfsprogramm gestattet den unmittelbaren Einblick in die Daten auf den Spuren einer Diskette«, sagte Justus. »Davon gibt es ’ne ganze Menge – auf jeder Diskette dreihundertsechzig Spuren in konzentrischer Anordnung.«
»Wie die Tonspuren bei einer CD?«
»Richtig. Und die Spuren sind nach Sektoren unterteilt.« Plötzlich füllte sich der Bildschirm mit Zeilen aus sinnlosen Ziffern- und Buchstabenketten. »Die einzelnen Sektoren werden uns nun der Reihe nach vorgeführt.«
»Das blick ich keinen Meter«, bekannte Peter. »Müsste ich das Zeug lesen können, oder was?«
»Eigentlich ja.« Justus stöhnte immer wieder, während die Minuten verstrichen. »Normalerweise hätten wir hier die Informationen auf Bobs Diskette vor uns – eine korrekt eingegebene und gespeicherte Textdatei. Aber davon ist nichts mehr übrig. Die Viren haben auf dieser Diskette geradezu gewütet und nichts als sinnlosen Zeichensalat hinterlassen. Alle Daten sind vernichtet!«
Da kam von Bob ein aufgeregter Ausruf. »Ich hab’s!« Er schwenkte einen Stapel bedruckter Blätter. »War mir doch so, als hätte ich vor ein paar Tagen meine Rohfassung ausgedruckt – ein Glück! Ich dachte schon, ich müsse noch mal ganz von vorn anfangen. Wenigstens ist der Text noch da. Jetzt kann ich ihn korrigieren, wie ich vorhatte, und dann muss ich eben alles noch mal runtertippen.«
Bob grinste erleichtert und ließ sich neben Peter nieder. »Ich kann wohl doch noch meine Ferien genießen!«
»Nun krieg dich wieder ein – der nächste Dämpfer kommt garantiert«, warf Justus ein. »Bis jetzt wissen wir nämlich nicht, was sich sonst noch verabschiedet hat. Auf der ersten Diskette vorhin befand sich nur ein Spiel, das regt mich nicht auf. Aber jetzt müssen wir prüfen, ob die Inventarliste unseres Warenlagers noch intakt ist … und die Datenbank für unsere Ermittlungen … und erst die Registratur unserer Fallprotokolle …«
»Ich halt’s nicht aus!« Peter fasste sich an den Kopf.
»Die Arbeit von Monaten!«, stöhnte Bob.
»Vor allem die Lagerliste«, sagte Justus mit einem tiefen Seufzer. Dieses umfangreiche Verzeichnis hatte er für Tante Mathilda und Onkel Titus, die Eigentümer der Firma Jonas, im Alleingang erstellt. Und es hatte viel Schweiß und Geduld gekostet, jeden Trödel- und Schrotthaufen nach Einzelposten zu sortieren und alles in einer Lagerliste geordnet zu erfassen. Angewidert und empört blickten die Jungen auf den Monitor mit dem Datenwirrwarr. Doch dann bekamen alle drei große Augen. Da tauchten plötzlich lesbare Worte auf! Der Speicherplatz war Sektor null auf der Spur nächst dem Mittelpunkt: DAS CHAOS LÄSST GRÜSSEN! FÜNF MILLIONEN DOLLAR, ODER SIE WERDEN SAMT IHREN DATEN GELÖSCHT!
»Was? Da will einer fünf Millionen Dollar von uns?« Peter war so verblüfft, dass seine Stimme überkippte.
»Oder wir werden gelöscht?«, rief Bob.
»Jungs«, quetschte Justus heraus, »wir stecken da in einer ganz üblen Sache drin!«
»Was soll das sein, Justus? ’ne Art Erpressung?«, fragte Bob bestürzt. »Wer macht denn so was mit uns?«
»Einer, dem das noch verdammt leidtun wird!«, antwortete Peter drohend.
»Nun dreht nicht gleich durch, Jungs.« Justus wechselte nochmals die Disketten im Laufwerk, um zu überprüfen, ob auch die nächste infiziert war. Dies bestätigte sich, und er seufzte entmutigt. »Ich bin schon dabei, das Problem einzukreisen. Angefangen hat es damit, dass ein Junge aus meinem Computerclub – Kevin Collins – mich vor zwei Stunden hier anrief. Er konnte nämlich zwei seiner Disketten einfach nicht mehr einlesen.«
»Dasselbe wie hier«, sagte Bob.
Justus nickte. »Ich fuhr rasch zu ihm rüber. Das Programm für den Sektorentest hatte er, und ich checkte alles durch. Und auf Sektor null, genau wie vorhin bei unserer Diskette, entdeckte ich –«
»Den Text mit dem CHAOS?«, fiel Bob ein.
»Was sonst!«
»Dann ist die Drohung gar nicht nur auf uns gemünzt!«
»Schätzungsweise nicht«, bestätigte Justus.
»Ist sowieso idiotisch«, meinte Peter. »Wie sollen wir die Kleinigkeit von fünf Millionen lockermachen?«
»Ich könnte momentan höchstens zehn Dollar zusammenkratzen«, bekannte Bob. »Und fiebere sowieso schon der nächsten Auszahlung entgegen!« Der Teilzeitjob bei Rock Plus brachte Bob außer freiem Eintritt zu Privatclubs und Gigs leider nicht allzu viel ein, und dabei war er dringend auf jeden Cent angewiesen, um für seine Freizeitvergnügen über genügend Bares zu verfügen.
Justus kam wieder zur Sache. »Da bei Kevin beide Disketten betroffen waren, konnten wir daraus schließen, dass Computerviren am Werk waren. Da wurde mir heiß und kalt, denn mir fiel sofort eine Virusgeschichte ein, die vor ein paar Jahren passiert ist. Damals hatte ein Collegestudent einen Computervirus entwickelt und wollte in einem Experiment nachweisen, dass das riesige PC-Netzwerk einer zentralen Behörde nur unzulänglich abgesichert sei. Beim Programmieren des Virus war ihm aber ein Fehler unterlaufen, und das Ding lief Amok. Das führte bei sechstausend Computern zum Festplatten-Crash, und es entstand ein Schaden von gut hundert Millionen Dollar!«
Peter pfiff durch die Zähne. »’ne Menge Zaster.«
»Du sagst es.« Justus nickte. »Das Problem stand sofort vor mir: Wie weit hatte Kevins Virus sich inzwischen ausgebreitet? Die Daten auf einer seiner Disketten waren schon restlos gelöscht. Darauf war vermutlich irgendwann der Virus eingeschleust worden, und von hier aus hatte er Kevins andere Disketten befallen. Falls es sich so verhält, dann kann unser ganzer Club den Virus abgekriegt haben.«
»Habt ihr eine bestimmte Diskette reihum weitergegeben?«, fragte Bob.
»Mhm«, gab Justus kleinlaut zu. »Es war ein spannendes Computerspiel drauf, und jeder kopierte es auf eine eigene Diskette. Kevin wollte gleich alle anderen anrufen und sie warnen, und ich raste hierher zurück, um zu prüfen, wie es bei unserem PC aussieht.«
»Aber wo hat Kevin sich den Virus nun geholt?«, fragte Peter. Da klopfte es an die Tür des Anhängers, und eine weibliche Stimme rief »Peter! Hallo, machst du auf?«
»Auwei!« Peter sprang auf, raffte seine Sachen zusammen und flüchtete sich zum Umziehen in die kleine Nasszelle hinten im Anhänger. »Kelly ist da! Ich muss los!«
»Feigling!«, rief ihm Justus nach. Er und Bob waren es längst gewöhnt, dass der große Macker Peter sich von Kelly um den Finger wickeln ließ.
»Bob, bist du auch da?«, rief draußen ein anderes Mädchen. »Wir sind startklar fürs Tennis!«
Bob öffnete die Tür. Unter Aufbietung seines ganzen Charmes strahlte er die beiden Mädchen an. »Darf ich bitten?«, sagte er mit einladender Geste. »Treten Sie näher, meine Damen.«
Mit erhobenen Tennisschlägern marschierten Kelly Madigan und Elizabeth Zapata zur Tür herein. Sie trugen pastellfarbene Sonnentops und kurze, weiße Röcke. Das lange Haar hatten sie am Hinterkopf zusammengebunden.
»Wo steckt denn Peter?« Kelly sah sich im Raum um.
»Der ist noch nicht so weit«, erklärte Bob.
»Ach nee!« Kellys grüne Augen blitzten.
»Aber er nimmt es sich schwer zu Herzen«, versicherte ihr Bob. »Er wäre doch am liebsten immer bei dir. Stimmt’s, Justus?«
»Hm?« Justus hatte sich gerade ausgemalt, wie tückische Killerviren auf makellose Daten stürzen. Er war dabei, die verseuchten Disketten von den heil gebliebenen zu trennen, indem er den Sektor null jeder Diskette auf die CHAOS-Drohung hin überprüfte.
»Na ja …«, meinte Kelly belustigt.
»Du weißt doch, dass Peter der rettende Engel für Notfälle ist«, fuhr Bob fort. »Und das haben wir hier gerade – einen Computernotfall.«
»Oh, Peter versteht was von Computern?« Kelly staunte. »Und ich dachte immer, da kennt er sich nicht aus. Bin zutiefst beeindruckt!«
»Hey, Kell.« In Shorts und einem frischen, weißen Poloshirt mit dem Bild der Heavy-Steel-Rockband trat Peter wieder in Erscheinung. Er ordnete mit den Fingern das zerwühlte rötlich braune Haar und grinste seine Freundin an. »Kannst du mir verzeihen?«
Sie fasste ihn unter. »Dieses eine Mal vielleicht noch!«
»Dann kommt«, sagte Elizabeth und ging zur Tür. Bob schloss sich ihr an.
»Sekunde noch.« Justus hob den Kopf. »Unsere Verluste habe ich nun registriert.«
Die Hand schon am Türgriff, blieb Bob stehen. »Und? Sieht’s schlimm aus?«
»Zwei sind völlig gelöscht«, gab Justus mit düsterer Miene bekannt, »und drei weitere sind stellenweise zerstört. Die Invasion hätte sich weit verheerender auswirken können.«
»Was meint er damit?«, erkundigte sich Elizabeth bei Bob.
»Dass uns eine Heidenarbeit ins Haus steht. Was ist kaputt, Justus?«
»Totalausfall bei zwei Disketten – die mit dem Spiel und die mit unseren jüngsten Fallprotokollen. Außerdem sind einzelne Abschnitte der Inventarliste vernichtet. Das Spiel kann ich leicht noch mal kopieren, aber unsere Protokolle …«
»Und die Back-up-Disketten?«, fragte Bob zwischen Hoffen und Bangen. »Du hast ja von unseren Dateien laufend Sicherheitskopien gemacht.«
»Mindestens jede Woche.« Justus schob seinen Stuhl zurück. »Aber die Schadensbilanz enthält leider auch die Back-ups. Nach meinen Feststellungen sind alle Dateien, die wir in den letzten acht Tagen in Arbeit hatten, mit dem Virus verseucht.« Er zog die Schublade des Schreibtischs auf und nahm einen Packen Geschäftskarten heraus. Er streifte den Gummiring ab und blätterte die Karten durch.
Bob schnippte mit den Fingern. »Leute, unsere Ferien können wir vergessen!«
»Da ist noch jemand, den ich verständigen muss«, sagte Justus ungerührt. Er entnahm dem Stapel einen gefalteten Zettel. »Norton Rome, unseren Programmierer. Vorige Woche hatten wir ihn zu einer Vorführung in unseren Club eingeladen. In seinem Vortrag erklärte er uns, wie man Programme für Computerspiele schreibt, und dann überließ er Kevin die Diskette mit dem Spiel. Also muss Norton Romes PC-System mit dem Virus infiziert sein, und womöglich weiß er das noch gar nicht!«
»Dann ruf gleich an und bring’s ihm schonend bei.« Bob schob Justus das Telefon hin.
»Heute ist Sonntag.« Justus wählte eine Nummer. »Ich versuch’s mal bei ihm zu Hause. Hoffentlich ist er da.« Während das Rufzeichen ertönte, schraubte Justus ein Glas mit Erdnussbutter auf, steckte einen Finger hinein, stach einen mundgerechten Klumpen aus der zähen Masse und ließ es sich schmecken. Das war seine neueste Blitzdiät – Erdnussbutter und Bananen.
»Erdnussbutter ist eine Kalorienbombe, Justus«, äußerte Kelly warnend. »Bananen sind auch nährstoffreich. Sehr ungünstig für die schlanke Linie.«
»Beides enthält viel Proteine und Kalium«, teilte ihr Justus mit, den Hörer am Ohr. »Sehr gesund.«
»Viel zu viel Kohlenhydrate und Fett«, widersprach Kelly eigensinnig. »Sehr bedenklich. Iss lieber Salate.«
Justus legte den Hörer auf. »Da meldet sich keiner. Dann müssen wir eben hinfahren.« Er leckte seinen Finger sauber.
»O nein, Justus«, hielt ihm Kelly mit energischem Kopfschütteln entgegen. »Wir gehen jetzt Tennis spielen. Das musst du schon solo erledigen.« Sie rümpfte die Nase und schraubte das Glas mit der Erdnussbutter zu.
Justus schälte eine Banane und schlug das Telefonbuch auf. »Rechnet besser nicht mehr mit Bob und Peter. Den Wagen draußen braucht später Onkel Titus, folglich brauche ich jemanden, der mich im Auto mitnimmt. Im Übrigen scheint sich hier ein Fall für die drei Detektive anzubahnen.«
»Das seid doch ihr, oder?«, fragte Elizabeth. »Ich hab schon von euch gehört. Aber was könnt ihr eigentlich ausrichten? Ihr habt noch nicht mal die Schule hinter euch.«
»Du würdest staunen, wenn du wüsstest, was für Fälle wir schon gelöst haben«, versicherte ihr Bob. Die drei ??? besaßen als Detektive tatsächlich langjährige Erfahrung.
»Ja, und wie viele Gangster wir gefasst haben, die jetzt im Knast schmoren!« Voll Begeisterung demonstrierte Peter einen blitzschnellen Yoko-keage-Angriff mit dem Fuß. Er und Bob beherrschten Karate, Justus hingegen hatte sich auf Judo spezialisiert.
»So, Romes Adresse hätte ich.« Justus klappte das Telefonbuch zu und zielte mit seiner Bananenschale auf einen bereits überquellenden Papierkorb. Er traf daneben.