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Eine Bruchlandung mitten in der Wildnis - handelt es sich etwa um Sabotage? Bobs Vater, ein bekannter Zeitungsreporter, scheint gefährlichen Machenschaften auf der Spur zu sein. Zu diesem Zweck wollte er in der Sierra Nevada einen geheimen Interviewpartner treffen. Doch nach dem Unfall ist der Reporter spurlos verschwunden. Fern jeglicher Zivilisation machen sich die drei ??? auf die Suche und stellen bald fest, dass Mr Andrews in die Gewalt skrupelloser Gangster geraten ist ...
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Seitenzahl: 174
und die gefährlichen Fässer
Erzählt von G. H. Stone
Aus dem Amerikanischen übertragenvon Leonore Puschert
Kosmos
Umschlagillustration von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
Umschlaggestaltung von eStudioCalamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch
Aus dem Amerikanischen übertragen von Leonore Puschert
Titel der Originalausgabe: „The Three Investigators – Rough Stuff“
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© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-14048-2
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Die Cessna surrte in der Morgensonne über die Sierra Nevada hinweg. Unter dem kleinen Flugzeug lagen die Kiefernwälder der wilden kalifornischen Gebirgslandschaft wie ein weites grünes Meer.
Bob Andrews spähte mit dem Fernglas aus der Kanzel in die Tiefe. Sein Vater auf dem Pilotensitz steuerte die einmotorige Turboprop-Maschine über den zerklüfteten Granit der Berggipfel und die sattgrünen Täler.
»Da ist was«, stellte Bob fest. »Es läuft dort unten durchs Gras. Ich glaube, es ist ein Berglöwe. Könnt ihr’s auch sehen?«
Peter Shaw stieß Justus Jonas mit dem Ellbogen an und zwinkerte ihm zu. Die beiden saßen auf den Passagiersitzen hinter Mr Andrews und Bob. Auch sie betrachteten aus dem Fenster das abwechslungsreiche Bergpanorama. Das Fernglas teilten sie sich zu dritt.
»Tatsächlich, ein Berglöwe!«, rief Peter. »Sicher auf Achse in Sachen Abendessen. Schaut genauso hungrig aus wie du, Justus. Nur dürfte der Bursche im Gegensatz zu dir eher Beschaffungs- als Verzichtprobleme haben!«
Justus erhob sich bedächtig. Nein, ganz so schlank wie der Berglöwe war er nicht. Er hatte ein rundes Gesicht und glatte schwarze Haare, und das weite T-Shirt, das er über der Hose trug, verbarg eine beachtliche Körperfülle. Aber irgendwann würde sich der Lohn für die Mühe seiner ausdauernden Diätübungen schon einstellen. Und bis dahin blieb Justus eben »vollschlank«, wie ihn alle kannten.
Raum zum Aufrechtstehen bot die Cessna nicht, und so schob sich Justus in gebückter Haltung zum Heck hin, wo Reisegepäck und Zubehör lagerten.
»Was machst du denn, Justus?«, wollte Peter wissen.
»Ich suche noch ein Fernglas«, erklärte Justus. »Damit ich mich in der Tierwelt genauer umsehen und ebenso witzige Vergleiche anstellen kann. Über einer Wüstenlandschaft wäre es einfach. Der unbedarfte Blick eines Kamels zum Beispiel –«
Alle lachten. Es war ein guter Start für ein sommerliches Wochenende. Die Sonne schien vom wolkenlosen blauen Himmel, und vor ihnen lag unbeschwerte Freizeit – ein ganzer Tag, vielleicht sogar zwei oder drei Tage. Das hing davon ab, wie lange Mr Andrews für seine Reportage in Diamond Lake brauchte.
Nun hatten sie abgehoben und ihre Alltagspflichten in Rocky Beach hinter sich gelassen, und nichts konnte sie mehr bremsen. Bald würden sie in einem der schönsten Ferienorte in den kalifornischen Bergen ihren Spaß haben. Diamond Lake war berühmt für seinen Golfplatz, für sein Schwimmbad von olympischen Ausmaßen und für Tennis, Reiten und gepflegte Campingplätze. Es gab sogar eine Landepiste für die Privatmaschinen der Prominenten und der reichen Geschäftsleute, die dort regelmäßig Urlaub machten.
Emsig wühlte Justus in den Sachen hinten im Flugzeug herum. »Mit dem Fernglas könnte ich vielleicht sogar schon Mr Andrews’ Kontaktperson erspähen«, sagte er verschmitzt, während er Werkzeuge, einen leeren Saftbehälter, einen alten Schaumgummiball und andere Dinge aufhob und wieder weglegte. »Wie hieß er noch gleich, Mr Andrews?«
»Dazu hatte ich mich nicht geäußert«, erwiderte Mr Andrews.
»Aha!«, bemerkte Justus. »Ihr Partner ist also ein Mann. Ich fragte, wie er hieße, und das ließen Sie so stehen. Das ist unser erster Anhaltspunkt, Leute!«
»Unsinn«, wehrte Mr Andrews ab, doch dabei lächelte er. Justus hatte wieder einmal ins Schwarze getroffen.
»Sag schon, Dad«, drängte Bob. »Wer ist er nun? Wir halten bestimmt dicht.«
»Tut mir leid.« Mr Andrews schüttelte den Kopf. Er war ein schlanker, liebenswürdiger Mann, hochgewachsen, mit großen Händen und Füßen. Noch überragte er seinen Sohn ein wenig, doch vermutlich nicht mehr lange. Er trug eine Sonnenbrille, eine Baseballmütze von den Los Angeles Dodgers und einen marineblauen Anorak, aus dessen Brusttasche ein halbes Dutzend Schreibstifte hervorschauten.
»Um was geht es denn in dem Bericht, den Sie schreiben wollen?«, fragte Peter. »Um einen Spitzenathleten? Einen, der in Diamond Lake in extremer Höhe trainiert?« Peter, der begeisterte Sportler, interessierte sich natürlich besonders für solche Themen. Der große, kräftige und durchtrainierte Bursche hatte seine Freunde schon des Öfteren aus misslichen Lagen befreit. »Hey, jetzt weiß ich’s – ein Boxer! Im nächsten Monat wird nämlich die Endrunde der kalifornischen Meisterschaft ausgetragen!«
»Kein Wort werdet ihr von mir erfahren. Ein Reporter darf seine Informationsquellen nicht vorschnell preisgeben«, erklärte Mr Andrews.
»Ja, ja, alles bestens bekannt.« Bob seufzte. »Ohne vertrauliche Informationsquellen«, wiederholte er die so oft gehörten Worte, »kann ein Reporter seine Geschichte nicht bis in alle Hintergründe durchleuchten.«
»Und wenn ein Reporter seine Quellen offenlegt«, zitierte Peter den Rest der wohlbekannten Litanei, »dann trocknen sie aus!«
»Wir wissen, wie wichtig Geheimhaltung ist«, versicherte Justus Mr Andrews, »und Sie können sich darauf verlassen, dass wir nichts ausplaudern werden!«
Mr Andrews grinste. »Tu ich ja. Was ihr nicht wisst, könnt ihr nicht ausplaudern!«
Die drei Jungen stöhnten. Nein, Mr Andrews ließ sich nicht herumkriegen. Schließlich gehörte er zu den besten Reportern bei seiner Zeitung, einer der ganz großen in Los Angeles. Unter keinen Umständen würde er etwas über die Sache, in der er jetzt unterwegs war, verraten.
Am Vortag hatte Bob zu Hause mitbekommen, wie sein Vater eines der kleinen Flugzeuge des Presseverlags für diesen Sonderauftrag in Diamond Lake anforderte. Bob hatte gehört, dass es um etwas Brandaktuelles ging, doch wer beteiligt war, was vorlag und welcher Zweck damit verfolgt wurde, das war ihm entgangen.
»Wundert mich nur, wieso du dich darauf eingelassen hast, uns mitzunehmen«, murmelte Bob.
»Schreib es deinem Charme und deiner Überredungskunst zu«, sagte Mr Andrews mit einem anerkennenden Blick auf seinen wohlgeratenen Sohn – blond, blauäugig, gut aussehend und rundum sympathisch. »Und natürlich deinem festen Versprechen, dass ihr drei euch aus der Sache heraushalten werdet. Es ist euch bekannt, dass hier absolut kein Fall für die drei ??? vorliegt.«
Ja, das war den drei Jungen bekannt. Seit Jahren betrieben sie ihre Junior-Detektei »Die drei ???« und konnten keinem Geheimnis widerstehen. Sie hatten schon viele rätselhafte Fälle gelöst, eine Menge seltsamer Geschehnisse aufgeklärt und sogar etliche Diebe und sonstige Gauner der Strafjustiz zugeführt.
»Nun sehen Sie es doch nicht so eng. Wir machen ja auch gerade Urlaub«, versicherte Peter Mr Andrews.
»Eben«, bestätigte Justus. »Nur Spaß ist angesagt!« Er warf den weichen Ball durch die Kanzel. Mit einem »Plopp« traf er Bob mitten ins Gesicht.
Peter drückte Bob in seinen Sitz zurück und hielt ihn trotz seiner Proteste und seines Gezappels fest.
»Hey, da verzichtet man auf drei bezahlte Arbeitstage, und dann muss man sich solche blöden Scherze gefallen lassen!«, stieß Bob lachend hervor.
Um mit dabei zu sein, hatte Bob bei Rock-Plus, der Agentur für Talentvermittlung, in der er regelmäßig aushalf, freigenommen. Der alte Studebaker, den Peter zurzeit für einen Vetter von Justus reparierte, musste ein paar Tage warten. Und Justus hatte in einem Sondereinsatz die vollständige Inventarliste des »Gebrauchtwarencenter T. Jonas« nach dem neuesten Stand in eine Computerdatei aufgenommen und ausgedruckt. Die Firma handelte mit Schrott und Trödel und gehörte Justus’ Onkel Titus und Tante Mathilda. Leider hatten diese beiden Computer-Laien die gespeicherten Daten schon einmal versehentlich gelöscht. Deshalb hatte Justus vorsichtshalber im letzten Augenblick vor der Abreise Sicherungskopien erstellt und gut verwahrt. Nun konnte nichts mehr passieren!
Mit dem Geld, das sich die Jungen auf diese Weise in den vergangenen Sommerwochen verdient hatten, konnten sie sich ein einfaches Dreibettzimmer in Mr Andrews’ Hotel leisten. Fürs Essen würde es wohl auch reichen. Schwimmen und Sonnenbaden beim Hotel kostete nichts, und natürlich wollten sie noch anderen Freizeitspaß zum Nulltarif ausfindig machen.
»Schaut mal, ihr drei«, meldete sich Mr Andrews. »Das ist doch wirklich großartig. Seht ihr das Tal da vorn?« Er wies mit einem Kopfnicken hin.
Bob spähte durchs Fernglas und gab es dann an Peter weiter. Beide Jungen waren beeindruckt von dem Anblick.
»Ich könnte ja ein wenig runtergehen, dann sehen wir es noch besser«, sagte Mr Andrews. »Wir sind auch schon fast im Anflug auf Diamond Lake.«
Die Maschine ging mit der Nase sacht nach unten. Ruhig und rhythmisch arbeitete der Motor.
Justus gab die Suche nach einem weiteren Fernglas auf und kam zu seinem Sitz hinter Mr Andrews zurück. Er blickte nach vorn, auf das enge, lang gestreckte grüne Hochtal, dem sie sich näherten. Es war zu beiden Seiten von steil aufragenden Granitfelsen umschlossen und verlief fast genau in Nord-Süd-Richtung. Ein wallähnliches Felsmassiv erstreckte sich am südlichen Ende jeweils einige Kilometer nach Osten und Westen. Ein Wasserfall stürzte in silbrig sprühenden Kaskaden von der dem Tal abgewandten Steilwand herab und setzte als Gebirgsbach seinen Lauf fort.
»Ein phantastischer Anblick«, bestätigte Justus.
»Wie das Tal wohl heißt?«, meinte Bob.
»Möchte ich auch wissen«, sagte Mr Andrews. »Es ist prachtvoll. Jetzt schaut weiter voraus. Da liegt der See – Diamond Lake. Von hier aus noch etwa siebzig Kilometer nach Norden.«
Silberblau und fast kreisförmig glitzerte Diamond Lake wie ein in die Bergwelt eingesetzter Edelstein im Sonnenlicht. Längs einer Uferstrecke drängten sich Häuser, die von oben winzig erschienen, zusammen. Eine breite, asphaltierte Straße schlängelte sich zwischen den Bergen hindurch und umrundete den See.
Bob pfiff durch die Zähne, als er das alles sah. »Toll!«
»Und wir kommen gerade richtig zum Mittagessen!«, rief Justus.
»Du kriegst aber höchstens ein Stück Wassermelone«, zog ihn Peter auf.
In diesem Augenblick gab es in der Cessna eine kleine Erschütterung. Zumindest hatte Justus diese Empfindung. Ein fast unmerklicher Ruck ...
»Moment mal, habt ihr ...«, fing Justus an. Dann schien mit einem Mal die Zeit stillzustehen.
Die drei Jungen sahen einander an und blickten dann instinktiv nach vorn, zum Motor der Cessna.
Das vertraueneinflößende Surren war verstummt. Der Motor hatte ausgesetzt.
»Mr Andrews ...«
Schon zuckten die Hände des Piloten blitzschnell, aber besonnen über die Armaturentafel. Mr Andrews besaß den Pilotenschein seit zwei Jahren. Er hatte die verlagseigenen Maschinen oft selbst geflogen und jede Situation sicher zu meistern gewusst.
Er betätigte Schalter, las Instrumente ab und stutzte einen Augenblick, als sich nichts tat. Die Skalenzeiger standen auf null und bewegten sich nicht mehr. Auf den digitalen Anzeigen erschienen keine Ziffern. Flughöhe, Geschwindigkeit, Kraftstoff – überall Fehlanzeige.
»Die Stromversorgung ist ausgefallen!«, erkannte Bob.
»Und der Motor?«, fragte Justus, obwohl er die Antwort schon wusste.
»Aus«, sagte Mr Andrews. »Wir müssen schnellstens runter zur Landung, ehe wir abschmieren!«
Ohne Motorengeräusch glitt die Cessna durch die Luft, deren Pfeifen und Jaulen nun zu hören war. Mr Andrews riss das Mikrofon der Funkanlage an sich und drückte auf den Sendeknopf.
»Mayday! Mayday!« Seine Stimme war gefasst, aber eindringlich. »Hier Cessna November 3638 Papa. Motor ausgefallen. Versuchen Landung. Position ist ...«
Mr Andrews drückte Bob das Mikrofon in die Hand und korrigierte die Steuerung.
Bob drückte auf den Knopf und wiederholte: »Cessna November –«
»Lass mal, Bob«, unterbrach ihn Mr Andrews, der plötzlich ganz blass geworden war. »Das bringt ja nun nichts mehr.«
»Was?«, fragte Bob verwirrt.
»Wir sind ohne Strom«, sagte Justus. »Und damit auch ohne Funkverbindung.«
»Wir haben aber für den Notfall eine Funkbake an Bord, einen Leitstrahlsender«, fiel es Bob ein. »Bei Bruchlandung oder Absturz wird das Signal automatisch ausgelöst.«
»Schöne Alternative, vielen Dank«, sagte Justus mit klopfendem Herzen. »Hoffentlich schaffen wir eine einigermaßen glatte Notlandung ...«
Bob und Peter nickten nur.
Schweigend legten alle ihre Sicherheitsgurte an.
»Wie hoch muss die Mindestgeschwindigkeit im Gleitflug sein?«, wollte Justus wissen.
»Etwa hundertvierzig bei diesem Typ«, gab Mr Andrews knapp Auskunft.
»Und was bedeutet das?«, fragte Peter voll Unbehagen.
»Wenn wir zu langsam werden, schmiert die Maschine ab«, erklärte Justus mit angespanntem Ausdruck. »Wir müssen die Nase immer runterhalten. Dann gibt uns die Schwerkraft zusätzlichen Schub, und wir bleiben über hundertvierzig.«
»Wenn wir die Cessna überziehen«, stellte Bob zornig fest, »plumpst sie runter wie ein Stein.«
»Du könntest dich ja vorn auf die Spitze setzen, Justus«, versuchte Peter zu scherzen.
Die Jungen rangen sich ein Grinsen ab, doch mittlerweile machte sich in der kleinen Kanzel die Spannung unangenehm bemerkbar.
Die Spitze des Flugzeugs wies jetzt genau auf die unten liegenden Granitberge. Im Vergleich dazu wirkte die Maschine so zerbrechlich wie ein Spielzeug. Wenn sie gegen eines dieser Felsmassive stieß, würde sie in kleinste Trümmer zersplittern. Dann gäbe es für die Insassen keine Rettung!
Justus wurde es vor Angst ganz flau im Magen, und der Schweiß brach ihm aus.
Peter hatte die Hände ineinander verkrampft. All seine Muskeln waren so angespannt, dass er buchstäblich glaubte, aus der Haut fahren zu müssen.
Bob schluckte und versuchte gleichmäßig zu atmen. Er gelobte im Stillen, dass er niemals wieder über Justus’ Übergewicht lästern würde, wenn sie nur alle heil davonkamen ...
»Wohin wollen wir?«, fragte Bob mit beklommener Stimme.
»Dort runter!« Mr Andrews zeigte hin. Eine ausgedehnte Grasfläche kam immer klarer ins Blickfeld, östlich des Tals, das sie zuvor gesehen hatten.
»Wie lang noch?«, fragte Justus.
»Drei Minuten«, brummte Mr Andrews. »So etwa.«
Die Jungen schauten wie erstarrt zu den Fenstern hinaus. Sie konnten den Blick nicht abwenden, während die Maschine im Sinkflug nach unten sauste. Bäume und Felsen wurden rasch größer. Der lang gestreckte, helle Bergzug im Norden der grasbewachsenen Fläche wurde höher und heller – und rückte immer näher. Bob dachte an seine Mutter. Schrecklich wäre das, wenn sie aus der Zeitung von dem Absturz erfahren müsste. Ihr Mann und ihr Sohn ... tot.
Je mehr sich das Flugzeug der Erde näherte, umso mehr schien es zu beschleunigen – als wolle es wie eine Rakete ins Verderben schießen!
»Runter mit dem Kopf!«, befahl Mr Andrews. »Die Arme zum Schutz vors Gesicht!«
»Dad –«
»Ja, du auch, Bob. Spiel hier nicht den Helden.«
Bob beugte sich auf seinem Sitz vor und legte die Arme um den Kopf. »Wenigstens sind wir für die Landung gerüstet«, murmelte er, sich selbst und den anderen zur Beruhigung. »Das Fahrgestell muss man bei der Cessna nicht erst ausfahren.«
Von den Bremsen redete niemand. Es war klar, dass sie ohne Stromversorgung nicht ansprechen würden.
Das Rauschen des Luftstroms um das Flugzeug wurde lauter.
Jetzt!, dachte Bob in höchster Erregung.
Die Cessna schlug auf.
Der Anprall riss Bob und die anderen in die Gurte und wieder in die Sitze zurück. Bob spürte einen scharfen Schmerz und sah rote und weiße Funken.
Noch einmal schnellte die Maschine in die Luft und krachte von neuem mit betäubender Wucht auf die Erde. Wiederum wurden sie alle wie Marionetten vor- und zurückgeschleudert. Und dann machte die Cessna noch einen Sprung.
»Achtung!«, brüllte Mr Andrews.
Das Flugzeug prallte zum dritten Mal auf. Es bebte, knirschte und machte noch etliche kleine Hopser. Aber es hob nicht nochmals ab. Dafür schoss es nun auf dem Boden dahin wie eine abgefeuerte Kanonenkugel.
Bob hielt seinen Gurt umklammert und den Kopf eingezogen. Das irrsinnige Tempo drückte ihn in seinen Sitz zurück. Ihm war so mulmig zumute wie nie zuvor. Sie waren am Leben – aber wie lange noch?
Plötzlich zerriss das ohrenbetäubende Kreischen berstenden Metalls die Luft.
Bob, sein Vater und die beiden anderen wurden nach vorn gerissen und zurückgeworfen. Dann wurden sie alle mit dem Kopf gegen die Seitenwände geschleudert. Bücher und Papiere segelten durch die Kanzel. Elektrokabel und Zubehörteile flogen ihnen um die Ohren. Bob bekam einen Schlag gegen den Arm. Der Schmerz durchzuckte ihn so stark, dass er kaum atmen konnte. Und immer noch raste das Flugzeug vorwärts, schleudernd und von einer Seite zur anderen schwankend.
Und dann war es still. Ganz eigenartig still. Die Cessna war zum Stehen gekommen. Langsam hob Bob den Kopf.
»Dad ...«
Mr Andrews war mit abgewandtem Gesicht über der Armaturentafel zusammengesunken.
Bob rüttelte seinen Vater an der Schulter. »Dad! Geht’s dir nicht gut?« Doch sein Vater rührte sich nicht.
»Wir müssen ihn hinausschaffen!«, entschied Peter, der sich zwischen die beiden Vordersitze gedrängt hatte.
Rasch nahm Bob seinem Vater den Kopfhörer ab. Peter löste den Sicherheitsgurt des bewusstlosen Piloten. Mr Andrews hatte eine große Platzwunde an der Stirn, doch zum Glück blutete sie nur wenig.
Bob stieg hastig aus, Peter folgte ihm, und beide liefen um die Maschine herum. Bob war nichts passiert, Peter und Justus offenbar auch nichts, aber Mr Andrews war verletzt! Bob riss die Tür beim Pilotensitz auf. Dad atmet noch! war seine Hoffnung.
Peter tauchte neben Bob auf. Er umschlang Mr Andrews mit seinen starken Armen und hob ihn auf wie ein Kind. Dabei vergaß Peter seine eigenen kleinen Beschwerden und Schmerzen. Jetzt brauchte Mr Andrews seine Hilfe.
Peter lief mit seiner Last auf einige große Felsblöcke zu, die Schutz bieten würden. Bob hielt sich neben ihm, ohne seinen Vater aus den Augen zu lassen.
»Wo ist Justus?«, rief Peter Bob zu.
»Hier.« Justus’ Stimme klang schwach und benommen. Er hockte noch im Flugzeugwrack und fühlte sich sehr elend. Langsam und prüfend bewegte er Arme und Beine. Seine Glieder gehorchten ihm anscheinend noch ...
»Mach, dass du rauskommst!«, schrie ihn Peter an, der gerade um die Felsbrocken herumlief. Vorsichtig legte er Mr Andrews auf eine grasbewachsene Stelle.
Bob beugte sich über seinen Vater und tastete nach seiner Halsschlagader. »Dad, kannst du mich hören?«, fragte er. »Dad?«
Peter rannte zu Justus zurück.
»Ich komm schon«, murmelte Justus. Verwirrt sah er Peter an.
»Die Benzintanks!« Peter packte Justus am Arm.
Da plötzlich war Justus hellwach. »Die Benzintanks!«, wiederholte er entsetzt. Der Motor war ja noch heiß, und wenn die Tanks beim Aufprall beschädigt worden waren, konnte Sprit auslaufen und sich entzünden!
Justus ließ sich aus der Tür fallen und rappelte sich auf. Nun war keine Zeit mehr, sich um etwaige Wehwehchen zu kümmern. Entweder kam er nun vom Fleck – oder nicht! Stolpernd lief er Peter hinterher, auf die Felsblöcke zu, hinter denen schon Mr Andrews und Bob in Sicherheit waren.
Neben Mr Andrews ließ sich Justus keuchend und mit schweißüberströmtem Gesicht auf die Erde fallen. Auch Peter kauerte sich hin.
Und dann warteten sie auf die Explosion, auf die Hitzewelle und den öligen Brandgeruch.
Bob hatte seine Jeansjacke ausgezogen und zusammengerollt unter den Kopf seines Vaters geschoben. »Der Puls ist normal«, sagte er mit einem Blick auf seine beiden Freunde.
Justus nickte. »Hoffen wir, dass er nur kurz ohnmächtig ist.«
»Er hält schon was aus«, meinte Peter. Er zog ebenfalls seine Jacke aus, deckte Mr Andrews damit zu und stand auf. Er reckte und streckte sich, ließ die Arme kreisen, und dann kauerte er sich wieder hin und wartete ab, bis das Flugzeug explodierte ... oder der Motor abkühlte. Vom Umherschleudern auf dem Sitz tat ihm der Rücken weh, und die Brust schmerzte noch vom Druck des Sicherheitsgurtes. Doch diese Beschwerden tat er damit ab, dass sie nicht viel schlimmer waren als ein Muskelkater nach dem Sport.
Mr Andrews stöhnte.
»Dad?« Bob reagierte sofort. »Wach auf, Dad.«
»Können Sie uns hören, Mr Andrews?«, versuchte es Justus.
Mr Andrews öffnete die Augen und sah seinen Sohn an.
Bob grinste seinen Vater fröhlich an. »Die Landung war super, Dad.«
»Echt spitze«, bestätigte Justus.
»Wann können wir Flugstunden bei Ihnen nehmen?«, erkundigte sich Peter.
Mr Andrews lächelte, sichtlich unter Schmerzen. »Seid ihr drei alle in Ordnung?«
»Klar, nur von der Maschine kann man das nicht gerade behaupten«, antwortete Justus.
Mr Andrews wollte sich aufsetzen, doch Bob hielt ihn behutsam davon ab.
»Die Maschine!«, rief Mr Andrews. »Eine Tragfläche ist ja wohl abgerissen?«
»Eine Tragfläche?«
Die Jungen standen auf und spähten hinter den Felsblöcken hervor. Ein Bild der Zerstörung lag vor ihnen. Das Flugzeug hatte eine lange Furche in die idyllische Bergwiese gepflügt. Die zerfetzten Stümpfe junger Baumschösslinge, deren Zweige von den Tragflächen der Cessna abrasiert worden waren, boten im Sonnenlicht einen traurigen Anblick. Eines der eineinhalb Meter langen Propellerblätter war abgebrochen. Die Trümmer hatte es dreißig Meter weit weggeschleudert. Zwei Räder des Fahrwerks waren unter der Maschine eingeknickt. Und die rechte Tragfläche, glatt abgerissen, hing eingeklemmt in dem zerklüfteten Felsmassiv, das die Cessna letztlich zum Stehen gebracht hatte. Es war klar, dass dieses Flugzeug nicht wieder von der Grasebene starten konnte – es würde nie mehr fliegen.
»O Mann«, sagte Bob.
»Wirklich Klasse, die Landung«, äußerte Peter seine Hochachtung.
»Und ich hab bloß ein paar Kratzer abbekommen.« Justus konnte es immer noch nicht fassen.
Mr Andrews hörte gar nicht richtig hin. »Wo ist meine Mütze?«, fragte er. Eigensinnig hielt er sich an einem großen Felsen fest und zog sich daran hoch.
»Dad!«
»Mr Andrews!«
Mr Andrews stand gegen den Felsen gelehnt und hielt sich den Kopf. Er lächelte mühsam. »Na ja, der Schädel brummt gewaltig.«
»Du solltest dich wieder hinsetzen!«, gebot Bob energisch.
»Nee, lass mal«, sagte Mr Andrews. »Muss mir den Vogel doch näher ansehen.«
»Aber der heiße Motor ...«, fing Peter an.
»Eine Explosion, meinst du?«, fragte Mr Andrews. »Na, wenn es bis jetzt nicht passiert ist, dann wird’s wohl keine mehr geben.«