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Jaron Hatamura ist Sonder-Ermittler der 'Unit-R(eplikant)', die sich ausschließlich mit Fehlfunktionen von Replikanten und VR-Spielen beschäftigt. Als der junge Agent zum Schauplatz eines bizarren Mordes gerufen wird, deutet alles zuerst auf die Tat eines wahnsinnigen Serien-Mörders hin. Der Täter wurde zudem noch vor Ort festgenommen. Alle seine Opfer waren Teenager, die ein bestimmtes VR-Horror-Spiel spielten. Ein Rätsel bleibt jedoch, wie der Täter jeweils an die Orte seiner Verbrechen gelangte. Als Hatamura den Verdächtigen verhört, beginnen Wirklichkeit und virtuelle Realität zunehmend zu verschwimmen. Um hinter das Rätsel der Morde zu gelangen, muss der Agent es selbst spielen. Und damit beginnt auch für ihn eine Reise ins Grauen... "Die Dunwich-Pforte" ist - wie auch meine Erzählung "Das Fest der Grauen Mondin" - Teil einer umfangreichen Saga, die ich 'UMC' getauft habe. Geschildert wird eine nicht mehr all zu ferne Zukunft, in der Replikanten und virtuelle Spiele an der Tagesordnung sind. Doch eines Tages zeigen viele der kybernetischen Systeme plötzlich Fehlfunktionen. Es kommt zu Todesfällen, die allerdings von den riesigen Hersteller-Firmen (maßgeblich die UMC) geheim gehalten werden. Doch worin liegt die Ursache? Sind die bio-elektronischen Gehirne Opfer eines perfiden Virus geworden oder steckt etwas ganz anderes dahinter? (weitere Infos zu 'UMC' finden sich auf meiner HP unter: http://www.arthur-gordon-wolf.de/U.M.C.1.html) Die Novelle belegte in der Kategorie "Beste deutschsprachige Kurzgeschichte" beim VINCENT-PREIS 2010 den ersten Platz.
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Arthur Gordon Wolf
Die Dunwich-Pforte
Eine UMC-Novelle
Dieses eBook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
„Die Dunwich – Pforte“
Impressum
Kapitel 1
Vorwort zur E-Book-Ausgabe
Die vorliegende Erzählung erschien erstmals 2010 in der Anthologie „DUNWICH – EIN REISEFÜHRER“ im Basilisk Verlag. Da die Sammler-Edition allerdings auf eine Auflage von nur 99 Exemplaren beschränkt wurde, waren die Bände bereits Monate vor ihrem Erscheinen vergriffen.
2011 wurde „Die Dunwich-Pforte“ mit dem ersten Platz in der Kategorie „Beste Deutschsprachige Kurzgeschichte“ mit dem VINCENT PREIS 2010 ausgezeichnet. (http://vincent-preis.blogspot.de/2011/06/die-gewinner-des-vincent-preis-2010.html)
Diese Erzählung, die von ihrem Umfang her schon eher als Kurz-Novelle bezeichnet werden kann, ist Teil eines umfangreichen Zyklus’, den ich einfach ‚UMC’ genannte habe. Es handelt sich dabei um verschiedenste Kurzgeschichten, Novellen und Romane, die sich alle mit einer alles andere als erfreulichen Zukunft auseinandersetzen. Am ehesten könnte man ‚UMC’ mit dem Begriff ‚Cyberpunk’ beschreiben. Anders als gewöhnliche Dystopien verknüpfe ich in meinen Erzählungen allerdings auch uralte Mythen, die nicht zufällig an die eines gewissen Herrn Lovecraft erinnern. Bei Neobooks ist auch noch meine UMC-Erzählung „DAS FEST DER GRAUEN MONDIN“ erschienen.
2011 habe ich „Die Dunwich-Pforte“ dann in einen umfangreichen Roman integriert (Arbeitstitel „GRENZEN AUS NEBEL UND TAU“); da allerdings unsicher bleibt, ob und wann dieser Roman erscheint, habe ich mich zur Wieder-Veröffentlichung der ‚Dunwich-Pforte’ auf elektronischem Wege entschieden.
In diesem Herbst erscheint eine erste Solo-UMC-Novelle im Verlag VOODOO-PRESS – „DIE WEISSEN MÄNNER“ und aktuell arbeite ich an einem Nachfolger in Romanlänge. (Arbeitstitel „MADENJÄGER“)
Wie man sieht, bin ich emsig bemüht, die Saga weiter und weiter zu ‚spinnen’. Nähere Infos zum UMC-Projekt und der ungefähren zeitlichen Einordnung der einzelnen Erzählungen im Gesamt-Zyklus finden sich auf meiner HP an dieser Stelle: (http://www.arthur-gordon-wolf.de/U.M.C.1.html) und aktuelle NEWS natürlich immer auf der Hauptseite.
Über Fragen oder Feedback zum UMC-Projekt und „Die Dunwich-Pforte“ würde ich mich sehr freuen. Denn: Je mehr Leser sich für meine krude Mischung aus Fantasy, SF, Horror und Crime interessieren, umso eher werden sicher auch die Verlage ihr Schubladen-Denken überwinden können und auch eine Publikation längerer Werke ins Auge fassen.
Ich bedanke mich jetzt erst einmal für das in mich gesetzte Vertrauen und wünsche spannende, unheimliche Unterhaltung!
Arthur Gordon Wolf, im August 2012
(http://www.arthur-gordon-wolf.de)
P.S.: Und Entschuldigung dafür, dass ich alle Fußnoten entfernen und als Erläuterungen hintenan stellen musste, doch leider sieht das E-Book-System bislang keine Fußnoten vor.
„Die Dunwich – Pforte“
-1-
Die Sonne strahlte von einem beinahe wolkenlosen Himmel, als der Gleiter sanft im Park von Highgate IV landete. ‚Highgate IV’ war die euphemistische Bezeichnung für eine hässliche Vorstadt aus riesigen grauen Betonblöcken, die wie mutierte Kristalle aus den Tiefen der Erde ans Tageslicht gebrochen zu sein schienen. ‚Kaum anders als bei uns in Nagoya“, dachte Jaron Hatamura. Der junge Mann verließ das Taxi und beschirmte mit der Hand seine Augen. Auch die Sonne konnte das monotone Geflecht aus Stahl und Beton nicht wohnlicher erscheinen lassen. Langsam wanderte sein Blick hinauf bis zum Dach des Gebäudes. Irgendwo dort oben war es geschehen. In der 28. Etage von Block 104. „Irgendwie passend“, murmelte Hatamura und zog sich den Trenchcoat enger um die Schultern. In seinem Beruf fiel es schwer, nicht zynisch zu werden, doch der Name „TOD“ schien hier an jedes Haus mit blutroten Lettern geschrieben zu sein. Wie ein unsichtbares Graffiti. Es gehörte wirklich keine große Fantasie dazu, sich diese farblosen Stalagmiten als die Überreste eines äonenalten Friedhofs gigantischer Gottwesen vorzustellen.
Bevor er zum Haupteingang des Blocks ging, blickte sich Hatamura ein letztes Mal um. Er stand auf einem staubgrünen anämischen Flecken Gras an dessen Rändern niedrige, halb verdorrte Büsche ehrfurchtsvoll im Schatten der Betonriesen kauerten. Wie er im Anflug beobachtet hatte, war dieses winzige Areal das einzige in ganz ‚Highgate IV’. Die Bezeichnung „Park“ hätte es aber auch dann nicht verdient, wenn der Boden aus englischem Rasen und doppelt so groß gewesen wäre. ‚Willkommen in ‚Manchaku- City’’, dachte Hatamura. Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen. Er war kaum zwei Jahre alt gewesen, als seine Eltern Honshu verlassen hatten, um dem Ruf der allmächtigen U.M.C. in den Westen zu folgen. Zu spät hatte sein Vater erkennen müssen, dass der Welt umspannende Multi- Konzern die Wirklichkeit hinter einer bunt- schillernden Fassade versteckt hielt. Wagte man einen Blick dahinter, so erkannte man Verfall, Armut, Monotonie und Hässlichkeit. Hinter den leuchtenden Holo- Video- Wänden mit karibischen Stränden und den Werbeplakaten mit glücklich lächelnden Models verbarg sich ein Abgrund, der selbst den der Slums von Nagoya bei weitem übertraf. Seit er denken konnte, waren für ihn die Vereinigten Staaten der Nördlichen Föderation „Manchaku- City“ gewesen. Das Land der Täuschung und des Betruges.
Hatamura zeigte einem am Eingang postierten Polizisten seine Marke und folgte dann einem Hinweisschild mit dem Aufdruck ‚AUFZÜGE’. Der schlecht beleuchtete Korridor war mit Abfällen übersät. Behutsam wie ein Reiher stakste er über diverse Hindernisse hinweg. Der junge Mann war ganz froh darüber, dass ihm ein Großteil des Bodens verborgen blieb; der Gestank ließ in seinem Kopf ohnehin die widerlichsten Bilder entstehen.
Die Lift-Türen sahen aus, als wenn sie ein ‚Hummer’ mehrmals gerammt hätte. Die Konsole mit dem Rufknopf war an einer Seite gewaltsam aufgehebelt worden und entblößte einen wirren Strang bunter Drähte. Hatamura spielte kurz mit dem Gedanken, das Treppenhaus zu nehmen, entschied sich dann aber dagegen. Er trug maßgeschneiderte Schuhe aus echtem Kalbsleder. 28 Etagen waren dafür einfach eine Zumutung.
Als er widerwillig den Knopf drückte, erwachte zu seiner Überraschung irgendwo in den Eingeweiden des Hauses ein Motor.
„Ah, sieh’ an: Noch ein ‚Bug’“, begrüßte ihn der Mann an der Tür zu Appartement 12 E. Er war untersetzt und trug ein zerschlissenes Jackett über ausgebeulten Hosen. Seine letzte Rasur musste drei oder vier Tage zurück liegen. Hatamura fragte sich ernsthaft, warum der Mann seine Schuhe, die sich in einem ähnlich bemitleidenswerten Zustand wie die ganze Erscheinung befanden, in Schutzhüllen aus Plastik gesteckt hatte. Noch ehe er eine passende Antwort formulieren konnte, erschien ein weiterer Polizist hinter dem Rücken des Türstehers.
„Ist heute hier ’n ‚BUG’- Treffen?“, witzelte er. „Wusste gar nicht, dass ihr von der ‚Unit- R’ so ein feines Näschen habt. Kaum gibt’s Aas, schon stürzt ihr euch auf die Reste.“ Der Mann überragte seinen Kollegen um mindestens einen Kopf und war damit fast so groß wie Hatamura. Sein militärisch kurz geschnittenes Haar und die kantigen Gesichtszüge verliehen ihm ein aggressives Äußeres. Der Neuankömmling ließ sich von dem Imponiergehabe allerdings nicht beeindrucken. „Auch ich wünsche Ihnen beiden einen wunderschönen Guten Tag“, grinste er. Hatamura nickte nacheinander dem Kurzhaarigen und dem Dicken zu. „Lieutenant MacMonahan – Sergeant Crow.“
MacMonahan erwiderte das Grinsen mit einer wenig überzeugenden Imitation. „Wenn Sie hier rein wollen, dann ziehen sie sich `n paar Präser über ihre Treter. Und für die Hände…“
„Immer am Mann“, unterbrach ihn Hatamura und zog zwei hauchdünne Latex- Handschuhe aus seinem Mantel. Er zwängte sich an Crow vorbei in den Flur der Wohnung und entnahm einem Karton die bläulichen Plastik- Gamaschen der Spurensicherung. Bevor MacMonahan in einem der Nebenräume verschwand, drehte er sich nochmals zu Hatamura um.
„Und außerdem heißt es seit drei Wochen ‚Captain’ und nicht ‚Lieutenant.“
„Na wenn das kein Grund zur Freude ist!“, sagte der junge Mann, dessen linker Schuh teurer als das gesamte Outfit seiner beiden Kollegen war. „Meine Glückwünsche, MacMonahan. Auch an die holde Gattin!“
Wenn der glücklich Beförderte die letzte Bemerkung gehört hatte, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Jeder im Department wusste, dass MacMonahan seit einem halben Jahr geschieden war.
Crow schloss die Tür und drehte sich zu Hatamura um. „`n echt feinfühligen ‚Bug’ haben wir ja hier. Einen echten Skarabäus.“ Betont langsam schlurfte er an ihm vorbei. Als sich der Dicke zu ihm herüber beugte, konnte er ein Gemisch aus Zwiebeln und Pfefferminz riechen. „Wie nennt man die Biester noch gleich? Ach ja, Mistkäfer!“
Mit einem tiefen Seufzer beobachtete der Mann von ‚Unit- R’ wie der Sergeant behäbig den Flur entlang trottete. Hatamura war eigentlich ein Sonderermittler der DEA. Im CFT- Dezernat hatte er jahrelang nach den Herstellern und Händlern jener teuflischen Transmitter gefahndet, die das Opiat Carfentanyl in die Blutbahn des Süchtigen freisetzten. Als ‚gewisse Vorfälle’ bei Replikanten jedoch Überhand nahmen, war er für unbestimmte Zeit den ‚Bugs’ unterstellt worden. ‚Bug’ war der Slang- Ausdruck für die ‚Unit- R(eplikant)’, da sich dieses Spezial- Team ausschließlich um besonders drastische Fehlfunktionen von Replikanten und VR- Spielen kümmerte.
Ein Mann, auf dessen blauem Overall das große „U-R“- Emblem der Sonderabteilung prangte, trat in den Flur und winkte Hatamura zu.
„Grüß’ dich, Jar“, sagte er. „Die anderen Räume kannst du vernachlässigen. Da wuselt’s ohnehin vor ‚Nasenbären’ und ‚Plattwürmern’. Das wirklich Interessante gibt’s hier zu sehen.“
„Hi, Marv!“ Trotz des Ambientes konnte sich Hatamura ein Lächeln nicht verkneifen. „Hast du schön gehört? Einer der ‚Plattwürmer’ hat es sogar zum Captain geschafft.“ Für ‚U-R- Agenten’ waren alle normalen Polizisten ‚Plattwürmer’, die Leute von der Spurensicherung „Nasenbären“. Er herrschte ein wirklich herzhafter Ton zwischen den einzelnen Abteilungen.
Als Special Agent Jaron Katsuro Hatamura das hintere Zimmer betrat, verwandelte sich sein Lächeln schlagartig in einen stummen Schrei.
Der Raum war ein schmales Rechteck von etwa fünf Metern Länge und zwei Metern Breite. Er war mit einem Bett, einem Schrank und einem Schreibtisch mit Computer- Terminal und obligatorischem Steady- Ground möbliert; es gab nichts, was dieses Zimmer von dem hunderttausend anderer Jugendlicher unterschieden hätte. Bis auf das Blut.
Die Außenwand wurde durch die Holo- Projektion eines düsteren Friedhofs aufgelöst. Unzählige senkrecht und diagonal verlaufende Blutspritzer zerstörten jedoch die räumliche Illusion. Hatamura atmete keuchend aus. Erst jetzt bemerkte er, dass er bislang die Luft angehalten hatte. Als er erneut einatmete, musste er mit aller Kraft einen Würgereflex unterdrücken. Die Luft hatte eine fast greifbare Qualität angenommen, so sehr stank sie nach süßlichem Kupfer. Der Beamte zog sofort ein Taschentuch aus dem Trenchcoat und hielt es sich vor die Nase. Er war kein Neuling in dem Geschäft. Bei der Drogenfahndung hatte er zuweilen die Opfer brutalster Verbrechen gesehen, an DAS jedoch würde er sich nie gewöhnen können. Der Raum sah aus, als sei in seiner Mitte ein riesiger Farbbeutel explodiert. Ein tachistisches Environment in Purpur, Karmin, Zinnober, Violett, Schwarzbraun und Magenta. Erst als er in einer der bunt schillernden Lachen einen kleinen fleischlichen Klumpen entdeckte, rief er sich in Erinnerung, dass er sich nicht inmitten einer künstlerischen Inszenierung befand. Tatsächlich starrte Hatamura auf die Überreste eines menschlichen Körpers.
„Was…was zum Teufel ist hier geschehen?“, presste er mühsam hervor.
„Eigentlich dasselbe wie bei den letzten sieben Fällen auch“, antwortete sein Kollege. Special Agent Marvin Goodwin war seit sechs Monaten Hatamuras Partner. Der hagere kleine Mann mit dem schütteren roten Haar galt unter den Kollegen als ‚Urgestein’. Gerüchten zufolge hatte er schon Replikanten gejagt, lange bevor ein Schriftsteller wie Philip K. Dick die Träume eines Androiden erfand.