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Der Ermittler Argus Panoptes erhält den Auftrag, eine wertvolle Pflanze zu suchen, die seinem Auftraggeber gestohlen wurde. Doch der vermeintlich einfache Auftrag entpuppt sich schnell als eine gefährliche Jagd nach einem der größten Geheimnisse Saramees, und so gerät Argus immer tiefer in den tödlichen Kampf um die Lilie von S’un Ak Meeh … Inhalt In den Gärten von Bol D'Agon von Arthur Gordon Wolf Die Lilie von S’un Ak Meeh von Arthur Gordon Wolf
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Saramee – Stadt der Vertriebenen
In den Gärten von Bol D'Agon
Autor: Arthur Gordon Wolf
Geschichten aus Saramee Band 6
In den Gärten von Bol D'Agon
»… und in der ew'gen Schatten Sphär'
glimmet ein dunkles Feuer.
Einer eis'gen Sonne gleich
thronet es über den Wundern
der finst'ren Gärten
von Bol D'Agon.«
(aus dem »Buch der Sieben Zauber«)
Thallek Yur stöhnte. Die geschlossenen Läden vor den Fenstern ließen das Sonnenlicht nur als diffusen Schimmer ins Zimmer fallen; trotz des Schutzes schien die Hitze alle Gegenstände um ihn herum zu verflüssigen. Die Konturen der Stühle und Schränke zitterten wie wogendes Schilf. Selbst die Wände machten dabei keine Ausnahme. Der Geldwechsler tauchte ein Tuch in einen hölzernen Trog und fuhr sich dann damit über seinen kahlen Schädel. Da das Wasser seinem Empfinden nach jedoch nur unwesentlich unterhalb des Siedepunktes lag, bereitete es ihm keine nennenswerte Erfrischung. Wie ein stoischer Karrial fuhr er dennoch mit seinem Ritual fort. Dünne Rinnsale wanden sich wie Feuerwürmer seinen halb entblößten Körper hinab und vereinigten sich unter dem Stuhl zu einem kleinen See. Ein Schwarm Kiskaden wurde von der Feuchtigkeit angezogen und schwebte wie ein surrender Nebel darüber. Die Blutkäfer mussten sich allerdings beeilen; in der Schwüle verdunstete die Pfütze genauso schnell, wie sie entstanden war.
Thallek wollte sich soeben einen neuen Aufguss für seine unfreiwillige Sauna holen, als ein Kunde den Raum betrat. Obwohl die Gestalt nur durch wenige Lichtbänder vom dichten Grau der Umgebung abgehoben wurde, erkannte der Geldwechsler sie sofort. Die leicht gebeugte Haltung, die dunkelblaue Robe, die nun fast schwarz schimmerte, und ein seltsamer süßlich-erdiger Geruch vermengten sich zu einem unverkennbaren Charakteristikum. Thallek hatte nie den Namen des Mannes gehört, er wusste lediglich, dass er Mitglied einer obskuren Sekte war, die sich die Hüter des Opalwaldes nannte. Er kümmerte sich nicht um derlei Dinge; in Saramee gab es unzählige Glaubensgemeinschaften; sie kamen und gingen wie die Wolken und die Flut, wie die Menschen und Rassen, die sich in jenem dampfenden Miasma, das sich Stadt nannte, Glück und Erfolg erhofften. Saramee war die Stadt der Narren. Sollten sie seinetwegen doch einen schielenden Affen oder einen Baum anbeten, Thallek tolerierte einfach alles. Jedenfalls solange es Profit abwarf.
Der Besucher trat näher an den Tisch heran, auf dem der Geldwechsler nach wie vor seine behaarten Beine ausgestreckt hatte.
»Warme Tage und kühle Nächte, Meister Yur«, sagte der Priester. Angesichts der momentan herrschenden Hitze wirkte der Gruß doppelt ironisch; zudem war der Kuttenträger der einzige Kunde, der Thallek »Meister« nannte.
Mit einer übertrieben umständlichen Geste schob der Hausherr die Beine vom Tisch und wuchtete seinen massigen Körper in eine halbwegs seriöse Sitzhaltung. Durch die plötzliche Bewegung aufgeschreckt, zerstob der Kiskadenschwarm unter ihm und suchte unter wütendem Surren nach neuen Weidegründen.
»Seid mir gegrüßt«, entgegnete Thallek, während er sich mit ausgreifenden Wischbewegungen einige der blutgierigen Plagegeister aus dem Gesicht wedelte. »Es freut mich zu sehen, dass zumindest Ihr deutlich weniger unter dem verdammten Wetter zu leiden scheint als unsereiner.« Diese Bemerkung bezog sich unverkennbar auf den Umstand, dass der Priester selbst jetzt noch eine weite Kapuze trug, die einen Großteil seines Kopfes verschattete. Wenn es Thallek recht bedachte, so hatte er tatsächlich noch nie das Gesicht des mysteriösen Hüters gesehen.
Irgendwo dort, wo Thallek den Mund des Priesters vermutete, bildete sich eine winzige Lachfalte.
»Mein Orden lehrt uns, jedweden Temperaturen – ob nun hoch oder tief – zu widerstehen«, sagte der Verhüllte. »Der Geist ist stärker als der Körper.«
Nun war es an Thallek, ein Lächeln zu unterdrücken. Große Worte, mein Freund, dachte er. Große Worte. Doch ich weiß, welchen Gott du tatsächlich anbetest. Bei Cakura schert sich dein Körper nämlich einen Dreck um deinen Geist. Einige Wochen zuvor hatte er bei einem seiner seltenen Besuche in der Nassen Feder die vertraute Kutte eher zufällig an einem der Hehlertische entdeckt. Er konnte sich nicht sicher sein, dass es sich dabei um seinen Stammkunden gehandelt hatte, denn auch damals hielt sich der Hüter hinter der Kapuze verborgen; wenn man jedoch eins und eins zusammenzählte, so sprach vieles für diese Theorie. Es gab nur wenige Menschen in Saramee, die nachtblaue Kutten trugen, und noch weniger Priester, die regelmäßig höhere Geldbeträge benötigten. Wer aber süchtig nach Cakura war, brauchte Geld. Sehr viel Geld.
»Womit kann ich Euch heute dienlich sein?«, fragte er überflüssigerweise.
Sein Gegenüber zog einen kleinen Lederbeutel aus den Tiefen seines Umhangs und legte ihn vor Thallek auf den Tisch. Die Hand des Hüters wirkte auf den ersten Blick menschlich, die Fingernägel begannen jedoch schon am zweiten Glied und liefen in spitzen Krallen aus. Für den Geldwechsler wirkten sie wie die Kreuzung aus einem Xer und einem Jinjed. Oder gehörte die Sekte gar einer eigenen, bislang unbekannten Rasse an?
»Ich … ich meine … unser Orden bedarf für gewisse Anschaffungen einiger finanzieller Mittel«, begann der Priester stockend. »Wie viel könnt Ihr mir dafür geben?«
Thallek öffnete den Beutel und entnahm ihm einen schmalen, bläulich schimmernden Stein von der Größe einer Cil-Münze. Um die Ware genauer in Augenschein nehmen zu können, lehnte er sich zur Seite und schob die Lamellen des Fensterladens nach oben. Augenblicklich strömte gleißendes Sonnenlicht in den Raum. Mit Daumen und Zeigefinger wischte er sich den Schweiß aus den Augen. »Ganz nett«, murmelte er schließlich gelangweilt, während er im Kopf bereits den Wert des Objekts überschlug. Es handelte sich um eine Art Smaragd, doch weder seine starke blaue Färbung noch die vielen wellenförmigen, in hellem Purpur erstrahlenden Einschlüsse waren normal. Einen derartigen Stein hatte er noch nie gesehen. Das Ding war definitiv kein Smaragd, doch das minderte nicht seinen Wert. Ganz im Gegenteil. Liebhaber würden für einen Edelstein dieser Güte sicher ein kleines Vermögen zahlen.
»Wirklich interessant«, nuschelte er wie im Selbstgespräch. Eine interessante Rarität von beträchtlichem Wert. Allerdings musste man das nicht unbedingt dem Kunden auf die Nase binden.
Thallek setzte sich im Stuhl auf und bedachte den Priester mit einem mitleidigen Lächeln. »Für einen Laien sieht das Steinchen fast wie ein Smaragd aus«, begann er seine Expertise. »Kenner sehen aber sofort an dem viel zu starken Blauton und der Kristallstruktur, dass es sich um einen eher minderwertigen Halbedelstein handelt.« Der Geldwechsler machte eine kleine Kunstpause, um die Wirkung seiner Worte sacken zu lassen. Die verhüllte Gestalt vor seinem Tisch zeigte jedoch keinerlei Regung.
»Die roten Einschlüsse sind jedoch recht hübsch«, fuhr Thallek schließlich fort. »Bei einem ordentlichen Schliff wird es sicher ein schönes Farbspiel geben …«
»Wie viel ist der Stein Eurer Meinung nach wert?«, unterbrach ihn der Hüter. Seine Stimme zitterte nun vor Nervosität.
Thallek kostete jede Sekunde voll aus. »Nuuuun«, brummte er gedehnt, »im Grunde nicht viel. Doch weil Ihr ein Stammkunde seid, wäre ich bereit, 8 Rhad dafür zu bezahlen.«