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Frank Bannerman freut sich nach einer langen Geschäftsreise auf ein gutes Essen und das Wiedersehen mit seiner Freundin. Doch dann kommt alles ganz anders: zwei zwielichtige Männer zwingen ihn mit Waffengewalt zu einer Besprechung mit seinem Chef. Dieser ist gar nicht zufrieden mit Bannermans Arbeit und seine Methoden, dem Ausdruck zu verleihen, sind alles andere als harmlos. Frank Bannerman ahnt jedoch nicht, dass dies nur der Auftakt zu einer Reise in die Hölle ist. "Kronzeugenregelung" ist eine weitere dystopische Erzählung aus Arthur G. Wolfs umfangreicher UMC-Saga, von der bei Neobooks bereits "Schwarz-Weisse Tode", "Die Neongrüne Katze" und "Das Fest der Grauen Mondin" erschienen sind.
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Seitenzahl: 28
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Arthur Gordon Wolf
Kronzeugenregelung
Eine UMC-Story
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Kronzeugenregelung
Impressum neobooks
"Darf ich Ihnen noch etwas bringen?"
Bannerman hob träge den Kopf. Die tiefstehende Nachmittagssonne ließ ihn selbst durch seine modische Ray Ban hindurch blinzeln. Für einen Moment erschien die Person vor ihm wie ein schwarzer Schatten, dann aber passten sich seine Augen den Lichtverhältnissen an, und er erkannte den jungen Kellner, der ihm mit einer übertrieben höflichen Verbeugung zulächelte. Das weiße Tuch über seinem linken Arm strahlte dabei heller als in jedem Waschmittel-Werbespot.
Bannerman überlegte kurz. "Ja, bringen Sie mir bitte noch einen Kaffee", sagte er schließlich. Der Kellner nickte wie ein UMC-Spielzeughündchen mit defektem RAM-Speicher. "Aber gerne...", lächelte er. "Das wäre dann alles?"
Obwohl die Nachfrage alles andere als überraschend kam - jeder Kellner stellte sie bei jeder neuen Bestellung - kam Bannerman dennoch ins Grübeln. Der heutige Tag war etwas Besonderes; ihm war nach feiern zumute. Nach mehr als sechs Monaten harter Arbeit an der Westküste genoss er es, endlich wieder in New York zu sein. Von seinem Stamm-Cafe auf der Dachterrasse des 72. Stockwerks an der 5th Avenue aus bot sich ihm ein atemberaubender Blick über den Central-Park, die gigantische, 1,7 km hohe 'Columbus-Needle' im Südosten und den wuselnden gelben Schwarm der Lufttaxen, die wie zornige Hummeln bis weit über den Hudson hinaus ihre Kapriolen schlugen. Erst jetzt spürte er, wie sehr er dies alles hier vermisst hatte. Er schloss die Augen und seufzte. Das Schicksal meinte es gut mit ihm. Das, was diesen wundervollen Tag allerdings auf schon unverschämte Weise geradezu perfekt werden ließ, war das Treffen mit seiner Freundin Doreen. Nach all der Zeit würde er sie endlich wiedersehen. Wie sehr hatte er sich in den vielen einsamen Nächten nach ihr gesehnt, nur ihr interaktives Foto in Händen, das ihn stets mit dem gleichen glockenhellen Lachen erfreute. - Als eine sanfte Brise vom Hudson her über die Terrasse wehte, meinte Bannerman bereits den Duft ihrer kastanienbraunen Haare zu erahnen.
Ein vernehmliches Räuspern ließ ihn aus seinen Tagträumen erwachen.
"Ähem..Sir.." Das Lächeln des Kellners zeigte nicht den Hauch einer Verstimmung. "Darf ich fragen, ob Sie noch überlegen oder wünschen Sie Ihrem Kaffee nichts weiter hinzuzufügen?"
"Ich....äh....also...ich überlege noch", stammelte Bannerman nervös. Nur mühsam gelang es seinen Augen, die Leuchtkristalle der auf den Tisch projezierten Speisekarte zu entziffern. Der Schatten neben ihm verströmte eine buddhahafte Ruhe, eine Tatsache, die ihn nur noch nervöser werden ließ. Wie lange mochte der Kerl wohl schon auf seine Antwort gewartet haben?, fragte er sich. Nach einem kurzen Moment der Unsicherheit zuckte Bannerman schließlich mit den Schultern. Wen zum Teufel kümmerte es eigentlich, wie lange ein Kellner auf die Bestellung warten musste?! Der Gast war König...und außerdem: Aus welchem Grund sollte man vor einem P104 ein schlechtes Gewissen bekommen? Die Dinger waren doch gerade deswegen hergestellt worden, um ewig lächelnd die Wünsche anderer zu erfüllen. Da die P-Serie keine Gefühle besaß, konnte auch kein noch so unfreundliches Verhalten eines Gastes ihre einprogrammierte Servilität beeinflussen. Dumm war nur, dass diese 'Lächler' so perfekt aussahen; nur deshalb vergaß er immer wieder, dass mittlerweile nahezu alle Dienstleistungen von biomechanischen Androiden ausgeführt wurden. 'Bio-Chemical-Computers Inc. sei Dank! Und der großen Mutter UMC!', rezitierte er stumm einen altbekannten Werbespruch.
Bannerman gab das Dechiffrieren der bunt schillernden Zeichen auf seinem Tisch auf und blickte den Kellner mit neu erwachtem Selbstbewusstsein an.