"Die Eingeborenen machten keinen besonders günstigen Eindruck" - Franz Ferdinand von Österreich-Este - E-Book

"Die Eingeborenen machten keinen besonders günstigen Eindruck" E-Book

Franz Ferdinand von Österreich-Este

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Beschreibung

Von 1892 bis 1893 unternahm der Habsburg-Thronfolger Franz Ferdinand mit einer großen Gefolgschaft eine Weltreise. Der 29-Jährige erkrankte auf den Molukken an Malaria, rauchte in China Opium, ließ sich in Japan mit 52.000 schmerzhaften Stichen tätowieren und ärgerte sich in den USA über die örtlichen Kochkünste: "Eine andere Mehlspeise als der ewige Pudding scheint überhaupt nicht bekannt zu sein." 1895 ließ er sein umfangreiches Reisetagebuch publizieren, nach seinem Tod geriet es in Vergessenheit. Er schildert darin nicht nur seine Erlebnisse unter anderem in Indien, Australien, Teilen der Südsee, Japan und Nordamerika, er gewährt auch Einblick in seine Gedanken, Gefühle, seine Marotten und Abgründe. Er ist ehrgeizig, misstrauisch, stets zu Geringschätzung und Spott aufgelegt. Dazu ein fanatischer Jäger, der nicht nur Elefanten und Tiger erlegt, sondern auch Koala-Bären und Stinktiere. Auffallend oft beschäftigt er sich mit der Attraktivität der weiblichen Besuchten - verschont aber auch sie nicht mit seiner Kritik: "Die Nasenringe verunstalten, indem sie bis zum Munde herabhängen, das ganze Gesicht, was die Application eines Kusses erheblich erschweren müsste." Ergänzt wird der Band mit etwa 50 Fotografien von Eduard Hodek, dem mitgereisten Tierpräparator, dem neben seinem blutigen Handwerk auch noch das Fotografieren oblag, und dem teils erstaunliche Aufnahmen gelangen. Ein Buch für Monarchisten und Antimonarchisten, Jäger und Jagdgegner, Liebhaber historischer Reiseerzählungen und unfreiwilligen Humors.

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FRANZ FERDINAND VON ÖSTERREICH-ESTE »Die Eingeborenen machten keinen besonders günstigen Eindruck«

FRANZ FERDINAND

VON ÖSTERREICH-ESTE

»Die Eingeborenen machten keinen besonders günstigen Eindruck«

TAGEBUCH MEINER REISE UM DIE ERDE 1892-1893

HERAUSGEGEBEN, EINGELEITET UND KOMMENTIERT VON FRANK GERBERT

www.kremayr-scheriau.at

ISBN 978-3-218-00872-3 Copyright © 2013 by Verlag Kremayr & Scheriau KG, Wien Alle Rechte vorbehalten Schutzumschlaggestaltung: Kurt Hamtil, Wien unter Verwendung eines Fotos von E. Hodek jun./C. Pietzner, Museum für Völkerkunde, Wien Lektorat: Katharina J. Schneider Satz und typografische Gestaltung: Kurt Hamtil, Wien Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien

Stationen der Reise

Triest — in See nach Port Said, 15. December 1892.

In See nach Port Said, 18. December.

Port Said, 20. December.

In See nach Steamer Point, 21. December.

In See nach Steamer Point, 22. December.

In See nach Steamer Point, 23. December.

In See nach Steamer Point, 24. December.

Steamer Point — Aden 27. December.

In See nach Colombo, 31. December

In See nach Colombo, 1. Jänner 1893.

In See nach Colombo, 4. Jänner.

Colombo, 5. Jänner.

Kandy — Kalawewa, 7. Jänner.

Kalawewa, 10. Jänner.

Kalawewa, 11. Jänner

Bombay, 17. Jänner

Bombay, 18. Jänner.

Bombay, 19. Jänner.

Bombay — Tandur, 20. Jänner.

Tandur, 21. Jänner.

Tandur, 23. Jänner.

Tandur — Haidarabad, 24. Jänner

Haidarabad, 25. Jänner.

Haidarabad. 26. Jänner.

Gwalior, 30. Jänner.

Gwalior — Calcutta, 31. Jänner.

Calcutta, 3. Februar.

Calcutta, 4. Februar.

Dardschiling, 6. Februar.

Benâres, 10. Februar.

Agra, 13. Februar.

Agra — Bhartpur, 14. Februar.

Agra — Bhartpur, 15. Februar.

Dehli, 18. Februar.

Alwar — Siriska, 20. Februar.

Siriska, 24. Februar.

Siriska — Alwar, 27. Februar.

Dschodpur, 28, Februar.

Dschodpur, 2. März.

Dschaipur — Agra, 7. März.

Dakna Bâgh, 8. März.

Dakna Bâgh, 9. März.

Beli, 18. März.

Beli, 19. März.

In See nach Singapur, 30. März.

In See nach Singapur, 2. April.

In See nach Singapur — Pulu Besar, 5. April.

Singapur, 6. April.

Dschohor — Singapur, 7. April.

Singapur, 8. April.

In See nach Java, 9. April.

Batavia, 11. April.

Batavia — Buitenzorg, 12. April.

Buitenzorg — Garut, 13. April.

Garut, 14. April.

Garut — Tjiandjur, 15. April.

Tjiandjur — Tanggeng, 17. April.

Sindangbarang — Tjipandak, 19. April.

Tjipandak, 20. .April.

Tjipandak, 21, April.

Buitenzorg — Batavia — Tandjong Priok, 27. April.

In See nach Port Kennedy, 28. April.

In See nach Port Kennedy, 29. April.

In See nach Port Kennedy, 4. Mai.

Port Kennedy, 5. Mai.

Port Kennedy, 7. Mai.

Port Kennedy, 8. Mai.

In See nach Sydney, 10. Mai.

In See nach Sydney, 13. Mai.

Sydney, 16. Mai.

Sydney, 17. Mai.

Narromine, 18. Mai.

Narromine, 19. Mai.

Mullengudgery, 20. Mai.

Sydney, 21. Mai.

Sydney — Auburn — Moss Vale, 22. Mai.

Badgery Station, 23. Mai.

Badgery Station, 25. Mai.

Sydney, 26. Mai.

Sydney, 27. Mai.

In See nach Neu-Caledonien, 28. Mai.

In See nach Numea, 29. bis 31. Mai.

Numea, 1. Juni.

Numea, 2. Juni.

Numea, 3. Juni.

In See nach den Salomon-Inseln, 4. Juni.

Owa raha, 7. Juni.

Owa raha — Ugi, 8. Juni.

Ugi, 9. Juni.

In See nach Neu-Guinea, 11., 12. und 13. Juni.

Port Moresby auf Neu-Guinea, 14. Juni.

Port Moresby, 15. Juni.

Port Moresby — Jagdlager am Laroki, 16. Juni.

Jagdlager am Laroki, 17. Juni.

Jagdlager am Laroki — Port Moresby, 18. Juni.

Port Moresby — Jagdlager am Vei Maori, 19. Juni.

In See nach den Aru-Inseln, 21. Juni.

In See nach den Aru-Inseln, 23. und 24. Juni.

Dobo, 25. Juni.

Dobo, 26. Juni.

Amboina, 28. Juni

Kajeli, 29. Juni.

In See nach Borneo, 3. Juli.

In See nach Borneo — Cap Po, 9. Juli.

Cape Po — Kutsching, 10. Juli.

In See nach Singapur, 11. Juli.

Singapur, 14. Juli.

Singapur, 13. Juli.

Hongkong, 21. Juli.

Hongkong, 22. Juli.

Hongkong — Kanton, 23. Juli.

Kanton, 24. Juli.

Kanton, 25. Juli.

Nagasaki, 2. August.

Nagasaki, 3. August.

Nagasaki — Kumamoto, 4. August.

Schimonoseki — Mija-schima, 6. August.

Mija-shima — Kiôto, 7. August.

Kiôto, 8. August.

Kiôto, 9. August.

Kiôto, 12. August

Kiôto, 13. August.

Nagoja — Kôsu, 15. August.

Mijanoschita, 16. August

Mijanoschita — Tôkio — Jokohama, 17. August.

Jokohama — Tôkio, 18. August.

Tôkio — Nikkô, 20. August.

Nikkô — Jokohama, 22. August.

Jokohama, 24. August.

In See nach Vancouver, 25. August.

In See nach Vancouver, 26. August bis 4. September.

Vancouver, 5. September.

Vancouver, 6. September.

Vancouver — Banff, 8. September.

Banff, 9. September.

Penticton, 11. September.

Penticton — Shingle Creek, 12. September.

Shingle Creek — Black Mountain, 13. September.

Black Mountain — Shingle Creek, 14. September.

Shingle Creek — Penticton, 15. September.

Penticton — Priests’ Landing, 16. September.

Priests’ Landing — Revelstoke, 17. September.

Revelstoke — Northport, 18. September.

Northport — Spokane, 19. September.

Livingston — Mammoth Hot Springs Hotel, 21. September.

Fountain Geyser Hotel, 22. September.

Fountain Geyser Hotel, 23. September.

Grand Cañon Hotel, 25. September.

Mammoth Hot Springs Hotel, 26. September.

Mammoth Hot Springs Hotel — Livingston, 27. September.

Manitou, 1. October.

Manitou — Chicago, 2. October.

Chicago, 3. October.

Niagara Falls, 4. October.

New York, 6. October.

New York, 7. October.

In See nach Havre, 8. bis 14. October.

Paris, 16. October.

Stuttgart — Wien, 17. bis 18. October.

Ein Grantler auf großer Fahrt – Einführung zur Person und zur Weltreise Franz Ferdinands

Der Aufenthalt im Wilden Westen war der absolute Tiefpunkt der Tour. Die erhofften Grizzlybären wollten dem Erzherzog nicht vor die Büchse laufen, Cowboys legten in seiner Anwesenheit die Füße auf den Tisch, überall herrschte Rauchverbot, und auch das Essen bot dem hohen Touristen Anlass zur Kritik: „Eine andere Mehlspeise als der ewige Pudding scheint überhaupt nicht bekannt zu sein.“

Franz Ferdinand von Österreich-Este, dessen Namen wir in diesem Buch mit FF abkürzen (das war auch sein offizielles Monogramm), fühlte sich überdies von amerikanischen Journalisten verfolgt. Obwohl er grundsätzlich nicht mit ihnen sprach, schrieben sie respektlose Artikel über ihn. Was er am 19. September 1893 im „Spokane Daily Chronicle“ unter der Schlagzeile „FRANZ IS HERE“ lesen musste (oder besser gesagt, was ihm daraus übersetzt wurde, denn der Erzherzog verstand kein Englisch), machte ihn besonders wütend. Der Text, schreibt er in sein Tagebuch, strotze vor „böswilligen Unwahrheiten“. Allerdings unterlässt er es, diese zu benennen, sondern mokiert sich bloß über einige Details. Der Reporter habe es aber nicht geschafft, ihn zu ärgern, behauptet FF tapfer und widerlegt diese Behauptung wenige Zeilen später, indem er eine sehr unvorteilhafte Beschreibung der Stadt Spokane (Bundesstaat Washington) gibt: Zwischen „geschmacklosen, roth oder grün angestrichene Bauten“ erstreckten sich Straßen mit „ganz außerordentlichen Kothmengen“.

Durch die dankenswerte Hilfe von Jeanette Olson (vom Archiv der heutigen Tageszeitung „The Spokesman-Review“, einem Nachfolgeblatt des „Daily Chronicle“) bin ich in den Besitz des Artikels gelangt, der FF so echauffierte. Darin wird der Erzherzog zunächst als „großer, gut aussehender junger Mann“ und als wahrscheinlicher nächster Monarch von Österreich-Ungarn bezeichnet. Dann geht es zur Sache: Bevor er Anwärter auf die Krone geworden sei, habe FF ein vergnügungssüchtiges, leichtfertiges Leben geführt und sei in Wien als „so ziemlich der wildeste junge Offizier“ berüchtigt gewesen. Weiter: „Es wird behauptet, dass er sich gebessert habe, seit er Thronfolger wurde, und jetzt beklagen sich die Leute, dass er zu kalt und zu ungezogen (naughty) sei, um der Herrscher einer großen Nation zu sein.“

Für FF war es sicher ein Schock zu erfahren, dass sein schlechter Ruf bereits um die halbe Welt gedrungen war. Und womöglich hat er eine solche Beurteilung zum ersten Mal schwarz auf weiß vor Augen geführt bekommen – österreichische Zeitungen werden es nicht gewagt haben, ein Mitglied des Kaiserhauses in ein so schlechtes Licht zu rücken. Ob FF seine Charakterisierung tatsächlich unwahr fand oder sich vielmehr so ärgerte, weil sie zutraf, vermag ich nicht zu entscheiden. Er war zeit seines Lebens bei vielen unbeliebt, der amerikanische Artikel ist nicht der einzige Beleg dafür, dass sich dies bereits in seinen jüngeren Jahren (er war damals 29) so verhielt. Und was seine Vergnügungen anbetrifft, räumte der Erzherzog später selbst ein, seine Jugend mit „Wein, Weib und Gesang“ verbracht zu haben.

Aber nach dem überraschenden Suizid des Kronprinzen Rudolf 1889 wurde aus dem problematischen Jüngling FF (er war auch ein schlechter Schüler gewesen) der erste Anwärter für die Nachfolge seines Onkels, des bereits knapp 60-jährigen Kaisers Franz Joseph I.

FF, Jahrgang 1863, war der älteste Sohn des Erzherzogs Karl Ludwig von Österreich, eines jüngeren Bruders des Kaisers. Als er acht alt Jahre war, starb seine Mutter an Tuberkulose. 1875 machte ihn der kinderlose Franz V. von Österreich-Este – aus einer norditalienischen Nebenlinie der Habsburger – zu seinem Universalerben, unter der Bedingung, dass er seinen Adelsnamen annehme. Das tat FF ungern, weil er fürchtete, nun für einen, wie er sagte, „Katzelmacher“ gehalten zu werden, doch das Vermögen war wirklich riesig.

Mit dem Tod seines Cousins Rudolf erwachte schlagartig der Ehrgeiz des Thron-Reservisten; der Kaiser ließ ihn nun durch Schnellkurse in Staatsrecht und Politik für Höheres vorbereiten. Das eröffnete dem Emporkömmling sogar die Möglichkeit, eine ausgedehnte Bildungsreise für sich zu fordern, die seinen Machtanspruch manifestieren sollte. Auf sein Drängen hin gestattete und finanzierte ihm Franz Joseph I. eine Fahrt um die Erde – und das gar noch auf dem modernsten Schiff der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine, der „Kaiserin Elisabeth“. Mit gut 400 Mann Besatzung und einer etwa 20-köpfigen Reisegesellschaft FFs ging es, um nur einige Stationen zu nennen, über Indien nach Java, dann über Australien und einige Pazifik-Inseln sowie Hongkong und Kanton bis Japan. Dort musste er auf Passagierdampfer umsteigen, denn während seiner etwa einmonatigen Durchquerung Nordamerikas hätte es die „Elisabeth“ nicht schaffen können, Südamerika samt Kap Hoorn zu umrunden, um ihn in New York wieder an Bord zu nehmen.

Ich vermute, dass FF schon damals von der Ambition getrieben war, seine kaiserlichen Verwandten in mehrfacher Hinsicht zu übertreffen. Franz Joseph hatte 1869 eine Reise in den Orient unternommen, 1881 tat dies auch Rudolf. Für FF musste es dann schon eine Weltreise sein. Über ein Reisetagebuch Franz Josephs ist nichts bekannt, Rudolf verfasste ein Werk von über 300 Seiten – FF würde seinen Cousin weit übertrumpfen und 1100 Seiten vorlegen. Franz Joseph und Rudolf waren leidenschaftliche Jäger – FF wollte es zum Waidmann mit der höchsten Abschusszahl aller Zeiten bringen; wahrscheinlich sind die 274.899 von ihm im Laufe seines Lebens getöteten Tiere heute noch Weltrekord. Zwar trat er seinem Onkel auch in späteren Jahren mit jener Unterwürfigkeit gegenüber, die das Habsburger Protokoll verlangte, doch insgeheim schimpfte er über Franz Joseph, baute seine Militärkanzlei zu einer Art Gegenregierung aus, von der aus er k. u. k. Entscheidungsträger drangsalierte (er mischte sich auch in die Kulturpolitik ein, bekämpfte die moderne Malerei und Architektur) und konnte es nicht erwarten, beweisen zu dürfen, der bessere Kaiser zu sein. Doch der Monarch erwies sich als erstaunlich langlebig und wollte auch nicht zugunsten des Neffen abdanken, seit dieser nach bitterem Streit mit ihm durchgesetzt hatte, unter seinem Stand heiraten zu dürfen. So ehelichte der Thronfolger 1900 die aus niederem böhmischem Adel stammende Sophie von Chotek. Die „erlaubten“ Prinzessinnen hatten ihm alle nicht gefallen; außerdem wollte er Erbschäden vermeiden, weil, wie er formulierte, bei den Habsburgern „immer Mann und Frau zwanzigmal miteinander verwandt“ seien, mit dem Resultat, „dass von den Kindern die Hälfte Trottel und Epileptiker sind.“

Nur in Sachen Popularität konnte der Thronfolger nie auch nur entfernt in die Nähe Franz Josephs gelangen. FF hat oft betont, dass ihm Beliebtheit egal sei, dennoch darf man in seinem Reisetagebuch den Versuch sehen, nicht nur Klugheit und Führungsqualitäten zu demonstrieren, sondern auch Sympathien zu gewinnen: durch die Preisgabe seiner Jagd- und Sammelleidenschaft und durch die Schilderung einiger peinlicher Situationen. Auch das eine oder andere Scherzchen streut er ein sowie, recht häufig, erotisch getönte Bemerkungen über die Frauen der bereisten Völker, die er manchmal schön, manchmal zum Fürchten hässlich findet. Mit solchen – nach heutigen Begriffen – sexistischen Passagen buhlt er um das verständnisvolle Schmunzeln der männlichen Leser.

Natürlich berichtet FF nichts über Sexualkontakte auf der Reise, doch dass es solche gegeben hat, halte ich für eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich. Ein indirekter Hinweis auf das Thema, der aber nicht FF, sondern ganz allgemein die Seeleute der „Elisabeth“ betrifft, findet sich in einem „Vorfallenheitsbericht“ der Kriegsmarine (entdeckt vom Historiker Georg Rigele): Während das Schiff längere Zeit in Yokohama vor Anker lag, stieg die Anzahl der „venerisch Erkrankten“. Hintergrund ist wohl, dass die Japanerinnen unter europäischen Männern als freizügig und begehrenswert galten, was auch der Erzherzog in seinem Tagebucheintrag vom 3. August anspricht.

Die Nonchalance, mit der FF die exotischen Frauen taxiert, gründet ebenso auf Rassismus wie seine allgemeinen Einschätzungen der Völker. Befremdlich für heutige Leser sind beispielsweise seine Herabwürdigung der Inder und Chinesen. Wir, die wir die schrecklichen Folgen der Rassenlehre im 20. Jahrhundert kennen, sollten uns aber klarmachen, dass diese Denkungsart damals weit verbreitet und sogar politischer Usus war – der Kolonialismus jener Tage gründete ja auch auf der Vorstellung von der naturgegebenen Überlegenheit der Weißen. Immerhin zeigt sich FF in seinem Rassismus differenziert: Findet er das Äußere gefällig, ist er auch geneigt, den Menschen „Bildungsfähigkeit“ zuzusprechen, während Hässlichkeit Dummheit impliziert – eine trügerische, aber ebenfalls populäre Analogie.

Am erschreckendsten dürften heutige Leser jedoch die Jagdabenteuer FFs finden. Weniger die Großwildjagden sind verstörend, sondern sein Tötungsdrang gegenüber harmlosen oder gar possierlichen Tieren. Auch hier kann man anführen, dass sein Tun vor dem Hintergrund äußerst blutiger Adelsjagden nicht ganz ungewöhnlich war. Dennoch haben die Pirsch-Episoden seines Reisetagebuchs wohl schon damals seinen Ruf verdüstert, hinzu kamen in späteren Jahren Berichte über zynische Schlächtereien, bei denen er an einem Tag über 2000 Fasanen und an einem anderen fast 3000 Möwen abgeknallt haben soll (Gehilfen hatten seine Schnellschussgewehre nachzuladen und die Kadaver zu zählen) – alles, um seinen Rekord zu erhöhen. Seine „maßlose Leidenschaft“ habe ihm auch in waidmännischen Kreisen manchen Gegner geschaffen, schreibt Biograf Theodor von Sosnovsky, und Friedrich Weissensteiner berichtet, für sein „unbegreifliches Hobby“ sei er mit einem Ohrenleiden gestraft worden, „das ihm mehr zu schaffen machte, als er es sich selbst eingestehen wollte.“

Heutige Jagdgegner mögen es sogar gerecht finden, dass der Erzherzog selbst durch eine Kugel sterben musste – bekanntlich erschoss ihn der Attentäter Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 während eines Besuchs in Sarajewo, der Hauptstadt von Bosnien, das Franz Joseph annektiert hatte, das aber von Serbien beansprucht wurde. Aus der Tiertötungslust FFs darf man indes nicht auf eine allgemeine Blutrünstigkeit schließen; er sei kein Kriegstreiber gewesen und habe in den Balkan-Krisen ab 1908 eine mäßigende Position vertreten, meinen Historiker.

Zum Glück ist das Reisetagebuch mehr als bloß ein Dokument von Rassismus und jägerischem Größenwahn. Obwohl es sich um einen wohlkalkulierten Text und nicht um ein intimes Gedankenprotokoll handelt, gestattet uns der designierte künftige Führer einer Großmacht mit 40 Millionen Untertanen ziemlich weitreichende Einblicke in seine Wahrnehmung, in sein Fühlen und Denken, in seine Marotten und Abgründe. Entstanden ist eine sehr sonderbare Mixtur aus Ignoranz, Vorurteil, Ideologie, originellen An- und Einsichten, respektablen Landschaftsbeschreibungen, Plädoyers für den Naturschutz sowie einem Quäntchen Selbstironie. Dass seine Aufzeichnungen so lebendig sind, liegt vielleicht auch daran, dass der Erzherzog – wiewohl intelligent – nicht besonders gebildet war und sich vor allem als Mann der Tat begriff. Statt viel zu räsonieren, stürzt er sich ins volle Leben, verkostet die ungewöhnlichsten chinesischen Speisen, probiert Opium, lässt sich tätowieren und liefert sich ein Wettschießen mit dem besten indischen Schützen.

Diese textliche Wundertüte ist überaus reizvoll, und immer noch frage ich mich, wieso das Tagebuch so lange in Vergessenheit geraten konnte. Als Antwort kann ich nur vermuten, dass dies mit dem Umstand zu tun hat, dass der ohnehin Ungeliebte ja nie den Thron bestieg, im Nachhinein also nur als Randfigur der Historie erschien, und dass seine Person auch noch mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs assoziiert wird, jener – nicht nur für Österreich – ersten Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Hinzu kam sicher, dass sein Reisebuch nur noch in Archiven zugänglich war und die 1100 Seiten des Originals dann doch einiges Sitzfleisch verlangen.

Obwohl ich FF in vielem monströs finde, entdecke ich auch Wesenszüge, die mir gefallen. Er hat Mut gehabt und sich vielerlei Reisegefahren ausgesetzt – nicht nur auf den Jagden. In der Tat zog er sich die Malaria zu, und vielleicht sind die Fieberanfälle, die ihn 1895 und 1896 fast umbrachten und die von den Ärzten seiner Tuberkulose zugeschrieben wurden, in Wirklichkeit Folge der Tropenkrankheit gewesen.

Auch großen Fleiß muss man ihm zubilligen. 15 Notizbücher hat er auf der Reise gefüllt, eine Riesenarbeit. Und ich mag zudem, dass er ein recht typischer „österreichischer Grantler“ gewesen ist (wie auch der Salzburger Soziologe Justin Stagl findet), er gehörte also einem interessanten Menschenschlag an, wie er in der literarischen Sphäre etwa durch – in unterschiedlicher Weise – Thomas Bernhard und Karl Kraus vertreten wird. Letzterer hat den Erzherzog im Übrigen geschätzt. FF klagt, anders als die Vorgenannten, in seinem Reisebuch freilich nicht über die Zustände in Österreich, sondern über die Unzulänglichkeiten der bereisten Völker – deshalb habe ich auch eine seiner schlecht gelaunten Sentenzen zum Titel dieses Buchs gemacht.

FF sah die Welt durch die scharfen Brillengläser seiner Skepsis, wie Theodor von Sosnovsky formulierte, und es kann ja kein Fehler sein, den Standpunkt der Masse erst einmal in Zweifel zu ziehen. Sein Misstrauen gegen vorgegebene Urteile ist durchaus erfrischend, etwa wenn er wiederholt darauf beharrt, Gegenden, die in den Reiseführern als schön beschrieben werden, enttäuschend zu finden (was die kanadischen Rocky Mountains, verglichen mit den Alpen, betrifft, muss ich ihm sogar Recht geben). Nur sollte die Skepsis nicht in ein ständiges Misstrauen umschlagen – und unter einem solchen hat FF aber gelitten. „Die meisten Menschen sind Schufte“, hat er geglaubt, und bis zum Beweis des Gegenteils halte er jeden für einen „gemeinen Kerl“. Sogar Freunde und Weggefährten mussten damit rechnen, von ihm über Nacht fallen gelassen zu werden. So hat er seinen langjährigen obersten Gefolgsmann (und Begleiter auf der Weltreise) Leo Graf Wurmbrand-Stuppach verstoßen, als dieser es wagte, seine Brautwahl zu kritisieren. Sein Lehrer Max Wladimir Freiherr von Beck, der auch das Reisetagebuch lektorierte, stand nur bis 1906 in seiner Gnade. Als Beck in seiner neuen Funktion als österreichischer Ministerpräsident das allgemeine (Männer-)Wahlrecht einführte – mit Billigung des Kaisers –, verdarb er es sich mit FF, dem strikten Antidemokraten.

Wohl zwei Jahre lang arbeitete Beck, damals Hofbeamter, nach dem Ende der Weltreise daran, aus den über 2000 Seiten der handschriftlichen Aufzeichnungen FFs eine publizierbare Fassung zu erstellen. Vor einigen Jahren verglich der Historiker Georg Rigele einen Teil der Notizbücher mit der Druckfassung. Aus den „schmutzigen Kanälen“ der Stadt Osaka hatte der Lektor Beck etwa „unreines Wasser führende Kanäle“ gemacht und manch andere kräftige Ausdrücke abgemildert. Auch dass FF zu seiner „großen Freude“ Zeuge eines (leichten) Erdbebens in Tokio wurde, ist in der Druckfassung nicht mehr zu lesen. Ebenso verringerte Beck die häufigen Hinweise auf den reichlichen Champagnerkonsum des Erzherzogs und strich eine Passage, in der sich FF während eines Diners so betrinkt, dass er von japanischen Bedienungs-Mädchen ausgelacht wird.

Wäre es da nicht noch interessanter gewesen, den Text des vorliegenden Buchs aus den Original-Notizen zusammenzustellen? Abgesehen von dem enorm großen Aufwand, den dies für den Herausgeber und den Verlag bedeutet hätte, sprach vor allem dagegen, dass dort vieles sehr holprig formuliert und ohne Bearbeitung nur schwer lesbar ist – und noch einmal von Neuem zu tun, was damals bereits Max von Beck erledigte, wäre ziemlich unsinnig gewesen. Im Übrigen hat FF manche der Eingriffe Becks wieder rückgängig macht, denn er las aufmerksam die Fahnenabzüge und bestand nicht selten auf seinen ursprünglichen Formulierungen.

Gerne gebe ich selbst Rechenschaft darüber, nach welchen Kriterien ich aus den zwei Riesenbänden die Auswahl für dieses Buch – etwa noch ein Fünftel des ursprünglichen Umfangs – getroffen habe. Als Journalist daran gewöhnt, eine möglichst große öffentliche Wirksamkeit anzustreben, wollte ich auf besonders prägnante und drastische Aussagen des Erzherzogs keinesfalls verzichten. Diese Stellen, die ihn heutigen Lesern in einem eher düsteren Licht erscheinen lassen, sind aber nicht überrepräsentiert. Auch einem schon lange Toten gegenüber sollte man fair bleiben, und so habe ich mich bemüht, eine Mischung zu finden, in der viele Nuancen des Originals vertreten und somit auch jene Passagen enthalten sind, die vergleichsweise modern wirken, etwa seine Kritik an der Zerstörung der kanadischen Urwälder, ebenso seine scharfe Attacke auf den US-Kapitalismus.

Grundsätzlich habe ich mich genau an den Text der beiden gedruckten Bände gehalten – und also auch die Rechtschreibung übernommen und die manchmal veralteten Begrifflichkeiten. Manches heute nicht mehr Verständliche muss deshalb in Fußnoten erklärt werden.

Vielleicht sollte ich am Ende noch berichten, warum ich als Deutscher mich mit einer so urösterreichischen Figur beschäftigt habe. Ich habe einen böhmischen Urgroßvater. Dieser Jan Červenák hat sich wohl eher schlecht als recht durchs Leben geschlagen und war zeitweise als Heger in einem staatlichen Forst beschäftigt. Ein Heger päppelt die Wildtiere auf – bis der Jäger kommt. Und der erschien eines Tages in Gestalt des Erzherzogs Franz Ferdinand. Nachdem auch meine liebe Großmutter Cilly, damals nur ein paar Jahre alt, einen Blick auf den hohen Besucher hatte erhaschen können, machte sich FF daran, seine Abschusszahlen zu erhöhen, und zu diesem Zweck, so wird es jedenfalls in meiner Familie erzählt, musste mein Uropa vor dem Gast niederknien, der ihm einen Gewehrlauf über die Schulter legte und so bequem jene Auerhähne und Sechzehnender erledigen konnte, die ihm die Treiber herbeischeuchten. Ob die Zweckentfremdung meines Ahnen als Stativ ein Jux sein sollte, oder ob FF am Vorabend zu viel Champagner gebechert hatte, oder ob damals seine Hand schon zitterte, ist unbekannt.

Später hat jene Kaskade von historischen Ereignissen, die die Ermordung des Thronfolgers auslöste, auch meine Familie in Mitleidenschaft gezogen. Oma Cilly, ethnisch eine Tschechin, aber gut Deutsch sprechend, heiratete einen, wie man später sagte, Sudetendeutschen. 1945 fiel ihr Mann in den letzten Kriegswochen, 1946 wurde sie zusammen mit meiner Mutter nach Bayern vertrieben. Als sie 2004 im Alter von 99 Jahren starb, war sie wohl einer der letzten Menschen, die dem leibhaftigen FF noch begegnet waren. Auf die Frage, welche Nationalität sie besitze, hat sie immer geantwortet: „Ich bin Österreicherin.“

Um etwa 1912: Franz Ferdinand mit Familie bei einer alpenländischen Gams-Treibjagd. Vorne, von links: Söhne Maximilian und Ernst, Tochter Sophie, FF, Gattin Sophie

Zu den Fotografien in diesem Buch:

Wahrscheinlich die meisten der hier versammelten, oft beeindruckenden Fotos stammen von Eduard Hodek junior (1858–1929). Er wird auf der Namensliste des Reisegefolges als Taxidermator bezeichnet, eine Bezeichnung für einen Tierhäuter und Präparator. Er war in seinem Metier hoch angesehen und durfte sich sogar k. u. k. Hofpräparator nennen. Weil FF viele Jagdtrophäen nach Hause bringen wollte, nahm er Hodek mit; gleichzeitig betätigte sich dieser auch als Fotograf, obwohl ein Laie auf diesem Gebiet.

Bei der Vorbereitung einer Ausstellung über den ceylonesischen und indischen Teil der Reise hat Regina Höfer 2010 herausgefunden, dass viele der Aufnahmen von dort, die bisher Hodek zugeschrieben wurden, von anderen Fotografen stammen. Hintergrund ist offenbar, dass Hodek bei der Schießwut des Erzherzogs so viele Kadaver zu enthäuten hatte, dass er kaum noch zum Fotografieren kam. Deshalb stellte FF örtliche Lichtbildner an, darunter einen Fréderick Ahrlé und einen Charles Kerr, von dem die Aufnahmen mit dem toten Elefanten stammen. Die Bilder aus Hydarabad machte Lala Deen Dayal, der Hoffotograf des dortigen Fürsten.

Heikel wird die Zuschreibung auch dadurch, dass die Reisegesellschaft zusätzlich Fotografien typischer Ansichten (Porträts und Landschaften) angekauft hat, die später mit den Bildern Hodeks vermengt wurden. Bei den nach dem indischen Teil der Reise aufgenommen Fotos erscheint mir die Urheberschaft Hodeks nur bei jenen sicher, die FF bzw. seine Reisegruppe zeigen.

In den originalen Tagebuch-Bänden sind keine Fotos zu sehen – wahrscheinlich aus drucktechnischen Gründen. In diesem Buch werden die Aufnahmen, soweit feststellbar, zum ersten Mal in größerer Zahl überhaupt gedruckt.

Frank Gerbert

Franz Ferdinand von Österreich-Este: Tagebuch meiner Reise um die Erde 1892–1893

Von Jugend auf bin ich viel gereist. Mannigfache Veranlassungen haben mich kreuz und quer durch Europa geführt, so dass sich mir reiche Gelegenheit geboten hat, unseren alten Erdtheil kennen zu lernen. Auch das Land der Pharaonen, Syrien und Palästina habe ich durchwandert. Die Verschiedenartigkeit, die Ursprünglichkeit der empfangenen Eindrücke von Ländern und Leuten, von Zuständen und Dingen haben mir Belehrung, Befriedigung, Genuss verschafft. Kein Wunder, dass in mir früh die Reiselust rege geworden ist, dass sie sich im Laufe der Jahre immer mächtiger entwickelt und endlich zu dem Wunsche ausgestaltet hat, es möge mir beschieden sein, eine Wanderung um die Erde zu vollbringen. Dieser Wunsch ist in Erfüllung gegangen. […]

Durch die allergnädigste Fürsorge Seiner Majestät1 war es mir gegönnt, einen großen Theil der Reise auf einem Juwel unserer ruhmvollen Flotte, an Bord des Torpedo-Rammkreuzers2 »Kaiserin Elisabeth«3 zurückzulegen. Den Allerhöchsten Intentionen gemäß hatte die »Kaiserin Elisabeth« die ostasiatischen Gewässer zu befahren. Durch diese Reise sollte einem Theile der Marine Gelegenheit geboten sein, sich weitere praktische Ausbildung anzueignen, sowie maritime und wissenschaftliche Studien vorzunehmen. Andererseits aber sollte durch die Entsendung eines imposanten Kriegsschiffes in ferne Meere die Machtstellung der Monarchie zu gebürendem Ausdrucke gebracht und so deren handelspolitischen Interessen in wirksamer Weise Vorschub geleistet werden. […]

1 Kaiser Franz Joseph I., 1830–1916, Onkel FFs

2 Kriegsschiff mit Torpedolanciervorrichtungen und einem Rammbug

3 benannt nach Elisabeth von Österreich-Ungarn („Sisi“), Gattin Franz Josephs. Das Schiff war 1890 vom Stapel gelaufen. 1914 Selbstversenkung während der britisch-japanischen Belagerung der deutschen Kolonie Tsingtau in China.

Nicht die Neugierde, welche den Globe-Trotter um den Erdball treibt; nicht lediglich die Vorliebe für die Jagd, obwohl diese für sich allein in Anspruch nehmen kann, den Reisenden unausgesetzt in unmittelbare Berührung mit ursprünglichem Naturleben zu bringen; nicht der Wunsch, jenseits des Oceans seltsames Schaugepränge, exotischen Glanz anzustaunen, haben mich bestimmt, fast ein langes Jahr ferne von der Heimat zu verweilen. Was mich hiezu bewogen hat, ist das Streben gewesen: aus der persönlichen Anschauung anderer Erdtheile, aus dem Einblick in fremde Staatsgebilde und Gemeinwesen, aus der Berührung mit fremden Völkern und Menschen, mit ausländischer Cultur und Sitte Belehrung zu gewinnen; aus der Besichtigung wundersamer Werke der Kunst, aus der Betrachtung fremdartiger Natur und ihrer unerschöpflichen Genuss zu schöpfen. In offener See — auf festem Lande: in fürstlichen Palästen — in dürftigen Hütten; in Metropolen — in einsamer Wildnis; in üppigen Niederungen — auf lichten Bergeshöhen habe ich gefunden, was ich gesucht. An Erfahrungen, an seltener Beute, an Sammlungen reich bin ich heimgekehrt.

Triest — in See nach Port Said, 15. December 1892.

Das Häusermeer Wiens versinkt am Horizont; einen letzten Gruß noch der schönen Stadt — erst nach einer langen Fahrt um die Erde werde ich sie wiedersehen!

Die Eltern, die jüngeren Schwestern, Otto und meine Schwägerin4 gaben mir das Geleite nach Triest. Am 14. December abends trafen wir daselbst ein. Unmittelbar nach der Ankunft schiffte ich mich auf dem Rammkreuzer »Elisabeth« ein, an dessen Bord mich der Commandant, Linienschiffs-Capitän v. Becker5, und der Stab empfiengen. […] In den Cabinen wurden Photographien und Bilder aufgehängt, die Bücher der reichhaltigen Reisebibliothek geordnet, Waffen ausgepackt und instandgesetzt. Bald war die Arbeit gethan und ich gieng wieder auf Deck. Die wohlbekannte Istrianer Küste mit ihren kahlen Felsen und den netten, weißen Ortschaften zog an uns vorbei; fernhin erglänzte noch der Gipfel des Monte Maggiore. Ein prachtvoller Sonnenuntergang beschloss den Tag.

4 Otto Franz Joseph, 1865–1906, jüngerer Bruder FFs sowie dessen Ehefrau Maria Josepha

5 Alois Ritter von Becker, 1842–1900

In See nach Port Said, 18. December.

Die ungezwungene Heiterkeit unserer Matrosen macht einen wohlthuenden Eindruck. Bei den strengen, mitunter harten und gefahrvollen Anforderungen, welche der Dienst stellt, darf man hierin gewiss einen Beweis für die physische und psychische Gesundheit der Mannschaft, aber auch für den vortheilhaften Einfluss eines streng geregelten militärischen Lebens erblicken. Es ist sehr erfreulich zu sehen, wie die Angehörigen der verschiedensten Nationalitäten und Länder kameradschaftlich verbunden sind. […]

Eine Geschützmannschaft der „Kaiserin Elisabeth“. Gegen Ende der Reise bedauerte FF, nicht Gelegenheit gehabt zu haben, mit den Bordkanonen auf Wale zu schießen.

Unbeschadet der Nationalität jedes Einzelnen fühlt sich die polyglotte Mannschaft im Dienstverbande unter einer stolzen, ruhmvollen Flagge zur Einheit zusammengefasst. Hiedurch wird das Bewusstsein der Vereinigung aller Nationalitäten unter einem Herrscherhause und in einem gemeinsamen Vaterlande genährt und gekräftigt — gewiss eine erzieherische Wirkung des Heeresdienstes, die nicht sorgfältig genug gepflegt und gefördert werden kann.6

6 An Bord befand sich noch ein weiterer Erzherzog, Leopold Ferdinand von Österreich (1868–1935), aus einer Seitenlinie der Habsburger, der als Seekadett mitreiste. Zwischen den Großcousins kam es bald zu einem Zerwürfnis, angeblich weil Leopold kritisierte, FF führe sich schon wie ein Kaiser auf. FF beschwerte sich über ihn brieflich bei Franz Joseph, und dieser befahl Leopold, in Sydney das Schiff zu verlassen und heimzureisen. Er entsagte 1902 dem Adelsstand, nahm den Nachnamen Wölfling an und heiratete eine Prostituierte.

Port Said, 20. December.

Vor dem Diner unternahmen wir noch einen kleinen Spaziergang in dem nichts weniger als anziehenden Port Said und besorgten einige Einkäufe, welche sich größtentheils aus Cigaretten und verschiedenen orientalischen Gegenständen zusammensetzten. Eigenthümlich ist die Kaufmanie, die den Reisenden in fremden Ländern so leicht erfasst. Er fühlt sich gedrängt, jede Kleinigkeit, ob schön, ob hässlich, mitunter sogar argen Tand zu erwerben, nur um etwas für den betreffenden Ort Charakteristisches heimzubringen, als gelte es, sich über den Besuch fremder Länder handgreiflich auszuweisen. So ergieng es auch uns schon in Port Said, wo wir unserer Kauflust die Zügel schießen ließen. Mit den nutzlosesten, weit über ihren Wert hinaus bezahlten Dingen beschwert, verließen wir die Bazars und füllten unsere ohnehin nicht an Raumverschwendung leidenden Cabinen mit dem erworbenen Kram.

In See nach Steamer Point7, 21. December.

7 britische Kolonialstadt bei Aden, heute Stadtteil Adens (nun zum Jemen gehörig)

Die Canal-Compagnie hatte die Freundlichkeit, unsere Durchfahrt dadurch thunlichst zu beschleunigen, dass sie allen entgegenkommenden Dampfern die telegraphische Weisung ertheilte, an den Ausweichestellen zu stoppen, sich zu vertäuen und uns passieren zu lassen. Dies dürfte nicht eben die besondere Freude der Capitäne jener Schiffe erregt haben, so dass wohl manch derbes Wort rauhen Seemannskehlen entschlüpft sein mag, als wir in voller Fahrt an den ungeduldig harrenden Schiffen vorbeizogen und den Blicken entschwanden. Ein großer, englischer Dampfer war bei dem Ausweichen auf den Grund gerathen und arbeitete, so lange wir ihn sehen konnten, fruchtlos mit der Maschine, um sich freizumachen.

In See nach Steamer Point, 22. December.

Unser Lotse Achmed Ali, ein Araber aus Port Said, in langem gelben Burnus, einen rothen Fez auf dem Haupte, nannte mich immer Padischah, indem er sich rastlos vor mir verneigte, wobei in seiner Miene jener Ausdruck gutmüthiger Verschmitztheit lag, den man häufig bei den Söhnen der Wüste beobachten kann. In meiner Abwesenheit erkundigte er sich beim Wachofficier lebhaft, ob ich ihn in Aden mit einem Bakschisch bedenken würde. Auf die Bemerkung des Officiers, dass dies nicht gebräuchlich sei, schlug er demselben vor, ihm zu einem Bakschisch zu verhelfen, den sie dann miteinander theilen könnten.

Lotse Achmed Ali schmeichelte FF – des Trinkgelds wegen, wie dieser mutmaßte.

Dieser originelle Einfall, der auf die Landesüblichkeit gewisser Sitten ein Streiflicht wirft, unterhielt mich begreiflicherweise, und ich beschloss, den Ehrenmann bei seiner Ausschiffung mit einem Bakschisch, der ihm allein bleiben sollte, zu beschenken, damit er lerne, was bei uns Brauch ist.

In See nach Steamer Point, 23. December.

Bald fesseln uns die Farbentöne und Formen, bald die Bewegung, dann wieder die majestätische Ruhe des Meeres und stets aufs neue regt dies erhabene Stück der göttlichen Schöpfung unser Denken und Empfinden an: jetzt durch den Gischt des Kessels, in dem das gewichtige Eisenschiff einem Federballe gleich auf- und niedersteigt; dann durch die leicht gekräuselten Schaumkämme der Wellen am Buge — mag ein Nebelschleier den Horizont verhüllen, die glühende Sonne Luft und Meer in rosiges oder purpurnes Licht tauchen oder sanfter Mondschein die nimmermüden Wellen mit Silberglanz übergießen. Stunde auf Stunde vermag ich auf der Commandobrücke zu stehen, das Auge bald auf das Wellengetriebe, bald zum Firmament lenkend. Wem das Himmelsgewölbe mehr ist als ein leerer Luftraum, wer die See liebt und begreift, der erfreut sich an der Kraft und dem Zauber des Lichtes, an der schimmernden Glätte, wie an dem Tosen des Meeres. Ist die Sonne versunken, so blicken wir auf zu den Sternbildern und erinnern uns, dass auch die Lieben in der fernen Heimat jetzt wohl emporsehen zu denselben Gestirnen, und dass sie fühlen, was uns bewegt.

In See nach Steamer Point, 24. December.

Wahrhaft glühende Wünsche und Gedanken sende ich aus dem Rothen Meere nach Hause; denn Phöbus8 meint es heute mehr als gut mit uns. In der Sonne haben wir über 40°, im Maschinenraum über 60°Celsius, dazu einen glühend heißen Südsüdostwind, welcher der Atmosphäre jede erfrischende Wirkung benimmt.

8 Beiname des altgriech. Gotts Apoll, der auch als Gott des Lichts galt

Clam9 und ich mussten lächeln, als wir vormittags einen kleinen Weihnachtsbaum, den ich aus den Konopišter Wäldern10 mitgenommen hatte, in meiner Kajüte aufputzten und dabei fortwährend »von der Stirne heiß, rinnen musste der Schweiß«11. Jede Viertelstunde eilten wir auf Deck, um etwas bessere Luft zu athmen, da die drückende Schwüle unter Deck kaum zu ertragen war. Auch die Lichter und die Gegenstände, die uns meine Mutter zur Schmückung des Baumes mitgegeben, zeigten schon die Spuren der tropischen Hitze; sie waren ganz weich geworden und begannen zu schmelzen.

9 Oberleutnant Heinrich Karl Graf Clam-Martinic, 1863–1932, Kämmerer und Vertrauter FFs. Später Politiker, von 1916 bis 1917 österr. Ministerpräsident. Die Ernennung zum Kämmerer war in der Habsburgermonarchie Adeligen vorbehalten; Kämmerer bildeten die unmittelbare Gefolgschaft des Kaisers oder anderer Spitzen der Dynastie.

10 In Konopiště in der Nähe von Prag befanden sich FFs Schloss und Ländereien.

11 Zitat aus Friedrich Schillers Gedicht „Lied von der Glocke“

Weihnacht: FF sitzend vor dem Baum, stehend als Zweiter von rechts sein Großcousin Leopold Ferdinand, mit dem er sich in den folgenden Wochen böse zerstritt (siehe Fußnote 6).

Steamer Point — Aden 27. December.

Das jüdische Element ist in Steamer Point stark vertreten. Sobald der Europäer ans Land kommt, ist er von einer Schar semitischer Geldwechsler umgeben, die in Originalcostümen mit langen Pajes ihr Geschäft in höchst zudringlicher Weise betreiben. Sehr komisch war ein ganz kleiner, vielleicht achtjähriger Junge, welcher sich über die Werte und Kurse der verschiedensten Geldsorten vollkommen versiert zeigte. […]

In kleinen, einspännigen, mit einem Dache versehenen Wägelchen fuhren wir rasch auf der vorzüglichen Straße nach Aden, auf der sich ein äußerst buntbewegtes Bild entrollte. Trägen Schrittes zogen lange Karawanen schwerbeladener Kameele vorbei; schweigsame Araber, in lange Burnusse gehüllt, oder gröhlende, halbnackte Somâlis ritten auf Dromedaren oder auf winzigen Eselchen hinterdrein; ein Wagen um den andern kam heran, dieser das Gefährt eines sofort an seiner schwarzen Kopfbedeckung erkennbaren Parsis12, jener von einem ganzen Harem verschleierter Frauen erfüllt; Somâlis, Männer wie Weiber durchwegs schöne, wie aus Erz gegossene Gestalten, den Schädel meist glatt geschoren oder nur mit kurzem Kraushaar geziert, schritten unbedeckten Hauptes im Sonnenbrand und Straßenstaub fürbass; ächzende, blockende Herden weißer, schwarzköpfiger Fettschwanzschafe trippelten den Staub aufwirbelnd die Straße entlang; zur Rechten und zur Linken wurden hockend oder in den Lüften kreisend unzählige Geier und Weihen sichtbar. […]

12 Parsen, aus Persien stammende ethnisch-religiöse Gruppe, Anhänger Zarathustras

Die Stadt selbst wirkt nur durch die Eintönigkeit der üblichen Bauart, denn alle Häuser sind niedrig, grellweiß, so dass eines wie ein Ei dem andern gleicht. Hiefür entschädigt das bunte Völkergemisch in den Straßen. Somâli-Jungen mit lustigen, hübschen Gesichtern, pechschwarzen Augen und schneeweißen, tadellosen Zähnen umkreisten uns wie ein Bienenschwarm. Bakschisch-lüstern schrieen und sangen sie, führten Ringkämpfe auf und producierten, in die Hände klatschend, ihre Nationaltänze. Warf man gar ein kleines Geldstück unter die Jungen, so musste diese Unvorsichtigkeit mit längerer Sperrung der Passage gebüßt werden.

In See nach Colombo13, 31. December

13 Hauptstadt von Ceylon, heute Sri Lanka, damals britische Kronkolonie

Zur Sylvesterfeier hatte ich den ganzen Schiffsstab geladen. Abermals musste ein improvisiertes Glücksspiel am Achterdeck den Mittelpunkt des Festes bilden, wobei die unglaublichsten Gegenstände als Preise Verwendung fanden. Heiterkeit und Humor deckten manche Mängel, besonders die tropische Wärme des Champagners. Der Eisvorrath an Bord war völlig erschöpft, und ihn zu erneuern, war nicht möglich gewesen; einerseits hatte unser Schiffskoch in Aden alle Vorräthe an Eis ausverkauft gefunden, andererseits war in Steamer Point unsere Eismaschine gebrochen und noch nicht wiederhergestellt. So musste denn an die Stelle gekühlter Getränke gewärmter Trinkstoff treten, namentlich eine Bowle, die von unserem Chefarzt für uns gebraut war.

Als die Schiffsglocke die zwölfte Stunde verkündet hatte, der Neujahrsschuss gelöst war, begrüßten wir das neue Jahr zunächst mit der Volkshymne und dann unter den Klängen des Radetzky-Marsches mit kräftigem, dreimaligem Hipp Hipp Hurrah, in das auch die ganze Mannschaft einstimmte.

In See nach Colombo, 1. Jänner 1893.

Heute gelang es mir endlich, einen fliegenden Fisch von der Brücke aus zu erlegen.

In See nach Colombo, 4. Jänner.

Gegen 12 Uhr mittags erblickten wir in nebelgrauer Ferne die Umrisse indischer Gebirge.

Ein unterhaltender Sport, Jagd auf Rochen, fesselte mich um diese Stunde auf der Brücke. Sieben dieser flachen, nahezu 2 m langen Ungethüme schwammen backbord in so geringer Tiefe an uns vorbei, dass ich den dunkelbraunen Rücken, sowie die grünlich-weiß schillernde Unterseite dieser Thiere genau unterscheiden und hoffen konnte, eines derselben zu erlegen. Zuerst versuchte ich ohne die geringste Wirkung einen Schrotschuss, dann einen Kugelschuss, worauf ein großer Rochen sehr gut zeichnete14. Leider konnte ich der allzu schnellen Fahrt wegen nicht mehr beobachten, ob die Kugel eine tödliche gewesen.

14 Jägersprache: sichtbare Reaktion des Tiers auf den Schuss

Colombo, 5. Jänner.

Nachdem ich die Front abgeschritten, stellte mir der Gouverneur eine große Anzahl eingeborener Edlen, dann militärische Dignitäre, Geistliche, Richter und andere Beamte vor, mit denen sich die Conversation zumeist allerdings auf stumme Handbewegungen beschränkte, da ich ja leider des Englischen für die Führung eines Gesprächs nicht mächtig bin. […]

Hinter den Spalier bildenden Truppen stand Kopf an Kopf, dichtgedrängt, eine zahllose Menschenmenge — Engländer, Singhalesen, Inder, Afghanen, Malayen bunt durcheinandergewürfelt — und begrüßte uns durch Tücherschwenken und unarticulierte Laute. Insbesondere schien mein wallender grüner Federbusch die freudige Neugier der der versammelten singhalesischen Jugend zu erregen, da die Herren Buben von Colombo unaufhörlich schreiend und lebhaft gesticulierend, mit den Fingern nach ihm wiesen. […]

Die Hütten der Singhalesen sind ärmlich, das Volk selbst ist von schwächlicher Statur, auch, wie man sagt, wenig arbeitsam, dabei aber gutmüthig; es macht den Eindruck großer Kinder, die gedankenlos in den Tag hineinleben. […]

Der Gesichtsausdruck der Singhalesen ist unschön; ich konnte während meines Aufenthaltes unter den Weibern nicht ein hübsches Gesicht entdecken. Die Singhalesen heiraten außerordentlich früh, im Alter von 12 bis 14 Jahren, sind Monogamen und meist mit reichlichem Kindersegen bedacht.

Kandy15 — Kalawewa, 7. Jänner.

15 alte Königsstadt im gebirgigen Inneren Sri Lankas

Morgens 6 Uhr traten wir die für fünf Tage anberaumte Jagdexpedition ins Innere der Insel, und zwar nach dem nördlich von Kandy gelegenen Teiche und den Dschungeln von Kalawewa, an. 108 km sind es dahin. […]

Während unter ihm „die armen Teufel gewaltig schwitzten und schnoben“, gelangte der Erzherzog (sitzend, links) sehr bequem auf den Felsen von Dambul.

Gegen 11 Uhr vormittags hatten wir 45 km zurückgelegt und sollten Frühstückspause auf dem kegelförmigen Felsen Dambul halten, vorher jedoch dem auf demselben gelegenen berühmten Buddha-Tempel einen Besuch abstatten. Am Fuße des Felsens empfieng uns der angesehenste Edle der Gegend, gefolgt von seiner mit Spießen bewaffneten Leibgarde. Da der Aufstieg zum Tempel ziemlich lang und steil ist, so trugen uns je acht Singhalesen in kleinen, auf Stangen befestigten Sesseln den Hang hinan, wobei die armen Teufel gewaltig schwitzten und schnoben, aber bei der tropischen Hitze musste mein Egoismus größer sein als mein Mitleid, und so schwankte ich behaglich bis zu der Pforte des Tempels empor, der seines hohen Alters und seiner eigenthümlichen Bauart wegen höchst beachtenswert ist.

Fünf bedeutende Höhlen mit ganz kleinen Eingängen sind hier von Menschenhand in den Felsen gehauen und dienen als Tempel des Buddha. Sein Bildnis und die Episoden seines Lebenslaufes finden daselbst in unzähligen Varianten Wiedergabe. Beim Eintritt in diese Tempelhöhlen sieht man dem Eingange gegenüber unter einem baldachinartigen Vorbaue Statuen Buddhas, welche ihn theils in aufrechter Stellung als lehrenden Gott, theils sitzend, die Hände im Schoße gefalltet, als Sinnbild der Beschaulichkeit darstellen. Das Antlitz des Gottes, das nichts weniger als Intelligenz ausdrückt, und seine Extremitäten sind auf sämmtlichen Bildwerken mit grellgelber Farbe bestrichen, während die Gewandung in bunten Farben spielt. In einer dritten Stellung, nämlich in liegender, kommt Buddha im Höhlentempel von Dambul fünfmal vor. Diese Bildwerke sind aus dem Felsen gehauen, je 20 m lang und 3 m hoch und gleichen weit mehr großen Walfischen, als dem Ebenbilde eines Gottes.16[…]

16 FFs abfällige Haltung gegenüber dem Buddhismus beruht wohl auf der damals in Europa verbreiteten Ansicht, diese Religion sei besonders primitiv und rückständig.

Eine Anzahl Bonzen erzählte uns — natürlich in singhalesischer Sprache — offenbar höchst interessante Dinge, von denen wir aber nichts verstanden, worauf zum Schlusse die sehr verständliche Pantomime der Bitte um Bakschisch folgte.

Kalawewa, 10. Jänner.

Wir zogen anfänglich einige Zeit den Fährten nach, entschlossen uns aber endlich, da es des heftigen Regens wegen sehr schwer war, genau nachzukommen, zwei Schikâris17 auszusenden, um die Elephanten neuerdings einzukreisen und zu bestätigen. Diese Wartezeit benutzten wir zu einem Frühstück. Auf der Suche nach einem geeigneten Platze trafen wir auf ein äußerst seltenes und interessantes Thier, ein geradezu kolossales Exemplar einer Eidechse (Varanus salvator18), welches mich lebhaft an die Sage vom Tatzelwurm19 erinnerte. Das Reptil lag ungefähr 2 m vom Wege, blinzelte uns mit seinen kleinen Äuglein an und rührte sich nicht von der Stelle, obgleich wir laut sprachen und beriethen, wie wir es tödten sollten, da ich der Elephanten halber nicht zu schießen wagte. Endlich schnitten wir einen jungen Baum ab. Ich näherte mich der Eidechse wie Sanct Georg dem Drachen und hieb auf den Kopf des Wurmes ein, der mit seinem langen, stacheligen Schweife wüthend um sich schlug und den Boden aufwühlte. Mehrere weitere Hiebe zertrümmerten dem Thiere die Schädeldecke und bald lag dasselbe verendend auf dem Rücken, worauf wir es knickten und ihm mit einem liefen Schnitt die Brust öffneten. Es war ein Riesenthier: wenigstens 2 m lang, 0,5 m an Leibesumfang messend, 20 cm hoch, ähnelte es ganz einem Krokodile, für das ich es auch zuerst gehalten hatte. Die Decke, welche ungemein dick war, so dass wir sie nur mit einem scharfen Jagdmesser durchtrennen konnten, bestand aus harten Schuppen; der Rücken war schwarz mit gelben Ringen und Punkten, der Bauch ganz gelb; die Läufe waren wie jene eines Dachshundes nach außen gedreht und mit langen Krallen versehen. Wir ließen das merkwürdige Thier liegen, bezeichneten den Platz und begaben uns zum Frühstück nach einer kleinen Lichtung, über welche ein ganzer Flug Nashorn-Vögel oberhalb unserer Köpfe hinwegstrich.

17 einheimische Jäger und Jagdhelfer

18 Bindenwaran

19 gefährliches Fabeltier, in Sagen des Alpenraums vorkommend

Kalawewa, 11. Jänner

Der Elefantentöter und seine Helfer – neben zwei Ceylonesen begleiteten FF die britischen Kolonialbeamten Pirie und Murray.

Fünfhundert Schritte weilt mochte ich vorgegangen sein, als ich die Elephanten zu Gehör bekam und binnen kurzem auf einer kleinen Lichtung eines capitalen Elephanten gewahr wurde, der ruhig stand und hin und wieder an den Büschen äste. Ein großartiger Anblick. Mein Jägerherz schlug höher angesichts dieses an vorsündflutliche Thiere gemahnenden Kolosses. Ich schlich mich möglichst nahe heran, zielte scharf auf das Ohr und als ich losgedrückt, sah ich den Elephanten im Feuer stürzen. Durch den Schuss kam in das ganze Dschungel Leben. Von allen Seiten hörte man Elephanten brechen und ausreißen — es war ein fürchterlicher Lärm, da, wie sich später ergab, ungefähr dreißig Elephanten nach allen Richtungen auseinanderstoben. Ich stand noch auf dem Flecke, wo ich geschossen, als auf etwa sechs Schritte von mir ein riesiger, mit langen Stoßzähnen bewehrter Solitär-Elephant in voller Flucht aus der Dickung auf der kleinen Lichtung erschien. Mein zweiter Lauf war noch geladen, und so schoss ich denn gerade zwischen Licht20 und Ohren. Ein trompetenartiger Ton war die Antwort und anscheinend schwer getroffen, flüchtete der wankende Riese, ganze Stämme niederbrechend, in entgegengesetzter Richtung. Der Rest der Herde, nicht wissend, wo sich der Schütze befand, raste wie toll im dichten Dschungel umher, und jeden Augenblick sah ich entweder die Läufe oder den Rüssel oder den Kopf eines Elephanten zwischen den Büschen erscheinen. Leider wurden nun meine Begleiter von einer solchen Aufregung und Kopflosigkeit ergriffen, dass sie, statt mir die Reservegewehre zu geben, ein wohlgenährtes, regelloses Schnellfeuer ohne Ziel und Zweck eröffneten, wodurch sie die Elephanten nur noch scheuer machten und die Gefahr, sich wechselseitig anzuschießen, erhöhten. Im Kugelregen stehend, schrie ich den wilden Schützen zu, das Feuer einzustellen; doch ohne jeden Erfolg. Inzwischen hatte ich meine Büchse wieder geladen und sprang auf einen Wechsel vor, von welchem her ich starkes Brechen gehört hatte. Im dichten Unterwuchs sah ich mehrere Stücke sehr flüchtig vorbeiwechseln, wählte, durch eine ganz kleine Lücke hindurchblickend, ein starkes Thier aus und schoss es in voller Flucht nieder. […]

20 Jägersprache: Auge

Umgeben von den noch immer vor Freude schreienden Schikâris gieng ich ins Bungalow, um Hodek21 zu holen, und kehrte nach einem rasch eingenommenen Frühstück in das Dschungel zurück, wo Hodek sowie ein Photograph aus Kandy Aufnahmen machten22 und ersterer sodann die Elephanten zerlegte. Mit unsäglicher Mühe wurden die Häupter, die Läufe, sowie große Stücke der mehr als zolldicken Haut abgetrennt. Das Abhauen der Läufe mit großen Beilen glich dem Fällen starker Bäume. […]

21 Eduard Hodek jun. (1858–1929), Tierpräparator FFs, auch Fotograf der Reisegruppe

22 Der Fotograf aus Kandy hieß Charles Kerr; von ihm stammen die Aufnahmen mit dem toten Elefanten.

In vorgerückter Stunde, mitten in einer Wildnis, die, ferne von jeder civilisierten Niederlassung, nur von Singhalesen bewohnt ist und Elephanten, Büffel, Krokodile beherbergt, wurde ich in überraschender Weise an civilisatorische Einrichtungen gemahnt. Zwei Reporter, die hieher geeilt waren, um mich zu interviewen! Ein Interview im Bungalow, zu nachtschlafender Zeit, nach mehreren ermüdenden Jagdtagen, schien mir etwas viel verlangt, und so mussten die berufstreuen Opfer der Publicistik unverrichteter Dinge abziehen, um meilenweit ihrem Nachtlager zuzuwandern.

Bombay, 17. Jänner

Dichter Nebel bedeckte am Morgen die See und nur mit Mühe trug endlich die Sonne den Sieg davon. Als der Schleier zerrissen war, tauchten in der Ferne die Umrisse der Stadt Bombay, die umliegenden Hügel und Berge auf. Immer schärfer und schärfer bildeten sich die Contouren, immer deutlicher ließ die tropische Beleuchtung das Bild hervortreten. Bald genossen wir den Anblick der weit ausgedehnten Stadt mit ihren großen öffentlichen Gebäuden, ihren vielen Thürmen und Fabriksschloten, ihrem imposanten Hafen, in dem sich unzählige der größten Passagier- und Warendampfer, einheimische Küstenfahrer und Yachten befanden. […]

Nach der Rückkehr des Gouverneurs23