Die elegante Frau - Gertrude Aretz - E-Book

Die elegante Frau E-Book

Gertrude Aretz

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Beschreibung

Madame de Pompadour, Lady Hamilton und Eugénie de Montijo waren Frauen, die zu ihrer Zeit die feminine Eleganz geradezu verkörperten. In diesem Werk präsentiert Gertrude Aretz Formen modischer Eleganz und Sitten anhand herausragender Persönlichkeiten vom Rokoko bis ins 20. Jahrhundert.

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Seitenzahl: 485

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Gertrude Aretz

Die elegante Frau

Eine Sittenschilderung

vom Rokoko bis zur Gegenwart

Impressum

Cover: Gemälde "Marie Antoinette" von Élisabeth Vigée-Lebrun (1783)

Covergestaltung: nexx verlag gmbh, 2015

ISBN/EAN: 9783958705760

Rechtschreibung und Schreibweise des Originaltextes wurden behutsam angepasst.

www.nexx-verlag.de

Zur Einführung

Die Kunst und die Lust zu gefallen, anzuziehen und mit besonderer Betonung aller Reize zu verführen, sind in der Geschichte der Frau so alt wie die Welt selbst. Zu allen Zeiten und in allen Ländern ist und war der Kult der Schönheit der Ausdruck höchster Kultur. Je mehr ein Volk Kultur besitzt, desto größer ist der Luxus, desto verfeinerter und raffinierter der Geschmack in allen Dingen der Körperpflege und des Körperschmucks, kurz der Eleganz. Aber Eleganz und Mode haben ihre Gesetze wie die Mathematik.

Die Einstellung des Geschmacks und die Begriffe von der Schönheit des Weibes sind bei den verschiedenen Rassen und Völkern verschieden und hängen ganz von dem Zeitalter ab. Von jeher und überall betrachtete es die Frau als ihr besonderes Vorrecht, schön zu sein. Mit welchen Mitteln sie das vor allem in den letzten Jahrhunderten erreichte, soll dieses Buch erläutern. Die Mittel sind verschieden und kapriziös wie die Frau selbst, wie die Epoche, in der sie lebt, und der Geschmack der Zeit. So ist für das 18. Jahrhundert typisch Frankreich mit dem Rokoko, dem Direktorium, dem Empire, während im 19. Jahrhundert neben Frankreich auch England und Deutschland, und im 20. Jahrhundert ebenfalls Amerika für die Eleganz der Frau und die Rolle, die sie im mondänen Leben spielt, maßgebend sind. Außerdem sind Mode und Eleganz mit den Sitten einer Epoche und eines Landes eng verknüpft. Es ist daher logisch, dass sich die einzelnen Kapitel auch mit den allgemeinen Sitten beschäftigen, die das Leben und die Umwelt einer eleganten Frau berühren oder ihr das Gepräge geben.

Die elegante Frau ist eine Zauberin, die Phänomene zuwege bringen kann. Eine nach den Begriffen des Gesetzes der Schönheit absolut hässliche Frau zum Beispiel kann in das Bereich der Schönheit eintreten oder wenigstens die Grenze der Schönheit berühren, wenn sie es mit Geschmack versteht, ihre eigentlichen körperlichen Nachteile in Vorteile zu verwandeln. Ein hervorragender Kenner der Frau und bedeutender Historiker Frankreichs, Octave Uzanne, sagt in seinem ausgezeichneten Werk »Die Pariserin« über die Koketterie der Frau: »Um stets schillernd und begehrenswert zu bleiben, um stets, wie erlesene Kunstwerke und Blumen, Nachfrage zu finden, legen die Frauen Schmuck an und umgeben sich mit Reiher- und Straußenfedern, wie die Vögel der Juno.« – Die Eleganz ist die Literatur der Frau. Ihr persönlicher Stil prägt sich in ihrem Anzug aus. Ihr Geschmack, ihr Takt, ihre Vornehmheit, ihr ästhetisches Empfinden, das alles liegt in ihrer Art sich zu kleiden und zu schmücken. Der Mann hat nur das Recht sich anzuziehen, die Frau hingegen darf und soll sich schmücken, verschönen, um die Trübsal des Lebens mit dem Glänze ihres Schmucks, ihrer Anmut und ihrer Schönheit zu erfüllen. Nicht immer ist das allerdings mit äußeren Mitteln zu erreichen, nicht immer können schöne Kleider, Schmuck, Puder, Schminke, Lippen- und Augenstift über Mängel, die ihr von der Natur gegeben sind, hinweghelfen, denn die größte Rolle zum Erfolg einer Frau spielt ihr persönlicher Charme, sowohl der seelische als der physische, immerhin aber vermag eine Frau durch geschickte Betonung ihrer Eigenart wenigstens eine äußere Wirkung zu erzielen.

Alles kann sich in der Eleganz der Frau widerspiegeln: Koketterie, Liebe, Leidenschaft, Sinnlichkeit, Keuschheit, gewollte oder ungewollte, Herbe und Süße, kühler Stolz, Reserviertheit ebenso wie frivole Herausforderung und Laszivität. Immer aber ist es zu allen Zeiten und bei allen Völkern die eigene Natur des Weibes sich zu schmücken, für den Mann zu schmücken, mögen auch manche behaupten, sie täten es einzig und allein zu ihrer eignen Freude und Ästhetik. Im Innersten ihres Herzens möchte auch die Kühlste und Sprödeste, wenn nicht den Männern so wenigstens einem Manne, gefallen, und sie wird sich so zu schmücken wissen, dass sie ihm gefällt. Auch den Frauen, ihren Mitschwestern, will sie gefallen, wenn auch nur, um schöner als die andere zu sein, und so wiederum auf den Mann zu wirken.

Zu allen Zeiten beherrschte die Erotik die Eleganz der Frau und wird sie immer beherrschen, selbst in unserem sportlichen Zeitalter. Nur schließt die sportliche Eleganz und Koketterie der modernen Frau eine neue Erotik in sich. Das Schwüle, Geheimnisvolle, Verlogene der früheren Jahrhunderte ist dem natürlichen, gesunden Reiz des trainierten Körpers gewichen. Sonne, Wasser, Luft, die drei bedeutendsten Faktoren zur Entfaltung der Schönheit des menschlichen Körpers, haben das Wunder bewirkt.

Aber auch die Frau des 20. Jahrhunderts verzichtet durchaus nicht auf Kunst und Kosmetik, auch nicht auf Modetorheiten und Unpraktisches, wenn sie dazu dienen, ihre Schönheit und ihren Körper in ein vorteilhaftes Licht zu setzen oder, wenn es gilt, die Laune eines Augenblicks zu befriedigen. Nur versteht sie es besser als ihre elegante Schwester der früheren Jahrhunderte, Hygiene und Gesundheit mit Eleganz zu vereinen. Trotz allen Fortschritts geistiger Entwicklung und Tätigkeit will auch die moderne Frau verführerisch sein, und sie ist es vielleicht in höherem Maße, weil sie noch Klugheit, Wissen und Geist zur Verfügung hat.

Mit ihrem seltenen Sinn für Harmonie hat die Frau stets begriffen, dass sie die Natur ausgleichen, ihre Person ihrer Umwelt, ihrer Zeit anpassen muss. Nur die Mittel sich zu verschönen und sich zu schmücken und so dem Ideale nahezukommen, das man in ihr sieht, sind verschieden. Die eine versucht es mit kostbaren Steinen, die andere mit Farben, Bemalungen, Tätowierungen. Manche hüllt sich in prunkvolle Stoffe, eine andere in leichte, duftige Gewebe und Spitzen. Die einen mästen ihren Körper, wie die Frauen des Orients, um sich dem Manne begehrenswert zu machen, die anderen essen nichts, damit sie die schlanke Linie nicht einbüßen. Wieder andere verstümmeln ihre Füße, wie die Chinesinnen, oder man drückt, wie bei manchen Indianerstämmen, bei der Geburt den Kopf der Mädchen so schmal, dass er wie eine langgezogene Birne aussieht. Bei der Europäerin und Amerikanerin sind es besonders die Brust, die Hüften, die Beine, der schmale straffe Leib, die sich dem Wandel des Schönheitsideals und der Mode unterwerfen mussten. Und dabei spielt das Mieder und der Hüftgürtel die größte Rolle. Erst in unserem sportlichen Zeitalter büßen sie ihre Macht ein.

Alle Anthropologen aber sind sich darüber einig, dass jedes einzelne dieser Schönheitsideale auf erotischer Basis beruht, wie auch der Schmuck, die Eleganz und die Mode der Frau.

Von alters her spielten Parfüme und kosmetische Mittel eine große Rolle. Die vornehme Araberin und Ägypterin liebten starke Wohlgerüche. Besonders bevorzugt war Moschus und Ambra. Sie salbten ihre Körper mit duftenden Ölen, färbten die Ränder ihrer Augen mit Antimon, ihre Nägel mit dem Saft der Hennapflanze. An Fuß- und Handgelenken trugen sie goldene und silberne Spangen. Sie kleideten sich in feine, kostbare, oft farbige Stoffe. Das bis auf die Knöchel herabfallende, ganz enganliegende Gewand der Ägypterin betonte besonders die überaus schlanken Formen. Es war bisweilen so durchsichtig, dass bei der geringsten Bewegung des Körpers die einzelnen Linien äußerst reizvoll hervorgehoben wurden. Auch der später aufkommende Mantel war von feinem, durchsichtigem Gewebe. Die Eleganz und Anmut der ägyptischen Tänzerinnen ist berühmt. Und in der Vielseitigkeit ihrer Frisuren und der Verschönerung ihres Kopfschmucks war die Ägypterin geradezu genial. Sie saß oft stundenlang vor dem Spiegel, um die kunstvollen Haartrachten zuwege zu bringen, die sie immer wieder neu erfand. Viele ersparten sich auch die Arbeit und trugen Perücken, genau wie die Damen des 18. Jahrhunderts.

Die Ägypterin, die Griechin, die Römerin, die Asiatin, die dunkle Frau des Urwalds, die Amerikanerin und Europäerin – ganz gleich –, alle sind und waren bedacht, durch Ausschmückung oder Pflege des Körpers und durch Hervorhebung körperlicher Reize Augen und Sinne des Mannes auf sich zu lenken. Die Schönheit siegt. Und da alle schön sein wollen, sind sie schön. Und schön ist, was gefällt.

Die wirkliche Eleganz der Frau, mit allem Raffinement einer verfeinerten Kultur, haben indes – wenn man von den alten Kulturen der Ägypter, Inder, Perser, Griechen und Römer absieht – erst die letzten Jahrhunderte gezeitigt. Das Christentum brachte jahrhundertelang Kasteiung in den meisten Lebensgenüssen und so auch in der Kleidung und dem Luxus der Frau. Reicher Schmuck und kostbare Gewänder, Gold und Geschmeide, waren im Mittelalter nur dem Ritterstand vorbehalten. Die Bürgerfrauen mussten ihre koketten Neigungen mit sehr einfachen Mitteln bestreiten. Wenn sie sich bisweilen etwas mehr erlaubten oder gar die Künste der hochgestellten Damen anwandten, so wurden sie bald von einem gestrengen Magistrat in ihre Schranken zurückgewiesen. Eines schickt sich nicht für alle, war der damalige Wahlspruch.

So erleben wir – mit einigen Ausnahmen in der Epoche der Renaissance – erst wieder im Zeitalter des Rokoko wirkliche Eleganz der Frau, wahrhaftes Raffinement aller Lebensgenüsse. Die Frau des 18. Jahrhunderts ist bewusster kokett, bewusster schön, bewusster raffiniert als ihre elegante Schwester der Renaissance, deren größter Reiz in ihrem ungekünstelten Wesen, aber auch in ihrer derben Erotik und Sinnlichkeit bestand. Die Liebe der Rokokodame ist keine Leidenschaft, keine reine Sinnlichkeit, sondern ein erotisches Spiel, ein raffiniertes Flirten, ein Spielen und Tändeln mit dem Feuer, ein aufreizender Genuss aller Grade der Liebkosungen. Die Frauen schwelgen im Exhibitionismus ihrer speziellen körperlichen Reize und heben diese besonders in den Einzelheiten ihrer Kleidung hervor. Das erotische Element wird nicht mehr durch unverhüllte Nacktheit betont, sondern durch halbe Verschleierung bestimmter Reize des Körpers. Die hochgeschnürte, tiefentblößte Brust ist mit einem halbverhüllenden Busentuch bedeckt und doch den verzehrenden Blicken der Männer preisgegeben. Der weitgebauschte Reifrock verhüllt eifersüchtig alles von der Büste abwärts und lässt nicht das Geringste von den Formen einer Frau ahnen. Aber dieser Reifrock – man nannte ihn Vertugadin –, der übrigens bereits im 16. Jahrhundert zur allgemeinen Mode wurde, war ebenso verlogen und ebenso raffiniert wie die ganze Zeit. Er spielte besonders tugendhaften Damen, oder die es wenigstens sein wollten, oft die übelsten Streiche, und den anderen, den Koketten und Frivolen, diente er als erotisierender Vermittler. Sein schelmischster Streich lag in der Eigenschaft, dass er, wenn die Trägerin sich setzte, infolge seines Reifengestelles vorn in die Höhe zu gehen pflegte, oft weiter als es mancher Dame lieb sein mochte. Denn nicht jede hatte ein schönes Bein oder ein kokettes Strumpfband zu zeigen, das im 18. Jahrhundert eine ganz besondere Rolle spielte, gewissermaßen die Dessous der späteren Zeiten ersetzte. Denn der Luxus der Unterwäsche ist erst eine Errungenschaft des l9. Jahrhunderts. Beinkleider kannten die Damen des 18. Jahrhunderts schon gar nicht. Es galt direkt als Schande solche zu tragen. Nicht einmal die Tänzerinnen trugen sie auf der Bühne. Die berühmte Camargo hatte weder Trikot noch Tanzhöschen an. Nur älteren Frauen wurden Beinkleider zugestanden oder in Krankheitsfällen auch bisweilen einer eleganten jungen Frau. Dann aber waren sie aus warmen Stoffen, aus Flanell oder Barchent, zum Schutz gegen Kälte. Aus Koketterie gestattete das Rokoko in keiner Weise dieses Kleidungsstück, das gerade bei den Französinnen in späterer Zeit eine so pikante Rolle spielte.

An die Stelle der eleganten Dessous als Reizmittel trat bei den Damen des 18. Jahrhunderts das Busentuch. Man konnte unter ihm viel ahnen und je nach Kaprice sehen lassen. Es spielte wohl die bedeutendste Rolle in der Erotik der damaligen Zeit. Das erste galante Abenteuer junger Männer wie Lauzun, Rétif de la Bretonne und anderer begann fast immer mit dem Lockern des Busentuchs.

Nicht weniger wichtig für die Koketterie war der Fächer und in den südlichen Ländern besonders der Domino und die Gesichtsmaske. Die vornehme Dame trug eine solche Maske stets, wenn sie das Theater besuchte, um besser, und ohne erröten zu müssen, die lasziven Stücke der damaligen Zeit mit anhören zu können. Sie bevorzugte die Maske aber besonders bei ihren nächtlichen Rendezvous, ihren Liebesabenteuern. Das Mysteriöse erhöhte den Reiz ihrer Persönlichkeit, und mancher Liebhaber bekam das Gesicht seiner Schönen nie zu sehen, denn er sollte unter der Maske – wenn auch nicht immer eine Herzogin – so doch wenigstens eine hochgestellte Dame der Gesellschaft vermuten. Wie oft mögen die armen Galane angeführt worden sein, ohne je die Wahrheit zu erfahren. Aber das lag im Liebesideal und der Erotik jener galanten Zeiten.

Auch die »Mouches« oder Schönheitspflästerchen standen mehr denn je im 18. Jahrhundert im Dienste der Erotik. Obwohl man sie bereits im 17. Jahrhundert anwendete, trieb man doch erst im 18. einen wahren Kult damit. Die Damen klebten sie überall dahin, wo sie den Blick des Mannes auf einen besonderen körperlichen Reiz hinlenken wollten, nicht nur auf die Wangen, nicht nur an Stirn und Schläfen. Man brauchte sie zwar bisweilen, um kleine Hautunregelmäßigkeiten zu verdecken, meist jedoch, um die Schönheit und Weiße der Haut zu erhöhen. So sah man sie tief im Busenausschnitt einer eleganten Schönen, und der Liebhaber entdeckte sie oberhalb des Knies, oder auf den schlanken Hüften und dem zarten gepuderten Rücken seiner Angebeteten. Ein Grübchen am Körper verführte so leicht dazu, eine »Mouche« in seine Nähe zu setzen, um es noch pikanter zu machen. Diese kleinen schwarzen Fleckchen machten die Haut so weiß und jugendlich, so frisch und appetitlich! Der Körper erschien jünger, reizvoller. Und keine Frau des 18. Jahrhunderts durfte und wollte altern. Die sehr schöne und berühmte Tänzerin Marie Madeleine Guimard schien das Elixier der Jugend erfunden zu haben. Sie sah noch als Vierzigjährige blendend aus und blieb fast bis ins hohe Alter auf der Bühne. Das Geheimnis dieser ewigen Jugend enthüllt uns Casil Blaze: »Als die Guimard 20 Jahre alt war, ließ sie sich malen. Nach diesem Jugendporträt schminkte sie sich jeden Morgen und Abend in ihrem Boudoir und ihrer Loge. Vor ihrem Spiegel mischte sie mit geschickter Hand die Farben nach dem Jugendgemälde und zauberte auf ihrem dreißig-, vierzig- und fünfzigjährigen Gesicht die Züge des Bildes hervor, das sie als Zwanzigjährige darstellte.« Leider wurde auch sie später von den verheerenden Pocken heimgesucht, wodurch sie viel von ihrem Charme einbüßte.

Alle Damen des 18. Jahrhunderts waren bestrebt, so jung wie möglich oder wenigstens ohne ein bestimmtes Alter zu sein. Dazu verhalfen ihnen nicht nur die Mouches, Puder und Rouge, sondern auch die weißgepuderten Haare. Jede Frau hatte die gleiche Haarfarbe. Das Zeichen des Altwerdens, graue Haare, war verschwunden. Färben der Haare war nicht üblich. Man legte sich mit den kompliziertesten Frisuren schlafen und löste sie oft tage- und wochenlang nicht auf. Auf Reinlichkeit und Hygiene legte die elegante Welt des 18. Jahrhunderts den geringsten Wert. Die Hauptsache war, dass die Frau nach außen hin schön und elegant und für Liebesintrigen und galante Erlebnisse immer so hergerichtet war, dass sie dem Manne gefiel. Madame de Mailly, die erste Mätresse Ludwigs XV., ließ sich abends, ehe sie zu Bett ging, von ihren Frauen wie zur größten Galafestlichkeit frisieren. Die goldenen, mit Diamanten geschmückten Kämme steckten im Übermaß in dem schönen weißgepuderten Haar. Und so geputzt verbrachte sie die ganze Nacht mehr sitzend als liegend in ihrem von tausend Kerzen erleuchteten und mit Spiegeln umgebenen Schlafzimmer, bis der junge König zu ihr kam. Und doch war sie die ärmste aller Mätressen Ludwigs XV. Man sagt, sie habe sich, wie es so viele Damen ihrer Zeit taten, die Juwelen, die sie trug, leihen müssen. Der König war noch nicht der verschwenderische Galan, zu dem er sich seinen späteren Mätressen gegenüber entwickelte. Madame de Mailly musste für ihn eine Eleganz und einen Reichtum vortäuschen, die sie nicht besaß. Sie musste schön und begehrenswert durch äußere Mittel, durch Putz sein.

Das 18. Jahrhundert war das Zeitalter der Frau und machte sie zur unbedingten Herrscherin, zum Idol des Mannes. Keine Epoche hat Frauenschönheit und die Schönheit der Einzelheiten des weiblichen Körpers so überschwänglich gewürdigt und in Literatur und Kunst verewigt wie die galante Zeit. »Die belebte, ausdrucksvolle, herausfordernde Nacktheit, die blonde und rosige, zarte und fröstelnde, weiche Nacktheit, eine halberblühte Nacktheit, über die wie drohend eine Gänsehaut hinläuft, eine spitzbübische Nacktheit«, nennt Uzanne die nackte Schönheit der Frau des 18. Jahrhunderts, die Lemoine, Watteau, Boucher, Fragonard, Vanloo und andere Maler in immer reizvolleren Darstellungen dem Auge des Beschauers zeigen. Viele große Damen ließen sich von diesen Künstlern für ihre Geliebten in besonders pikanten Kostümen, äußerst gewagten Dekolletés oder ganz nackt malen. Man legte den größten Wert auf eine schöngeformte Büste. Marie Antoinette ließ von ihrem vollendet schönen Busen einen Abguss machen und verwendete das einzigartige Kunstwerk aus Sevres-Porzellan als Fruchtschale im kleinen Trianon.

Derartige Schönheit war natürlich nicht allen Damen des 18. Jahrhunderts von der Natur verliehen. Aber das enge, hochgeschnürte Mieder, das die Wespen- und Schneppentaille erzeugte, half jenen Damen, deren Büste mit Schönheitsfehlern behaftet war, über diese Nachteile hinweg, denn es vermochte wenigstens den unkritischen Blicken im Ballsaal oder auf der Straße volle Rundungen vorzutäuschen. Die Mageren hingegen schützte das bauschige Brusttuch, das manchmal von Drahtgestellen unterstützt wurde und so eine nicht vorhandene Fülle der Formen verbarg. Es wurde daher auch »Menteur« (Lügner) genannt.

Wie bereits erwähnt, ist das 18. Jahrhundert das Jahrhundert des ausgesprochenen Exhibitionismus. Auf unzähligen Bildern der Zeit sind Schaukelszenen dargestellt, wobei es den Damen besonders darauf anzukommen scheint, soviel wie möglich von ihren Reizen, die der Vertugadin sonst verbirgt, sehen zu lassen. Und der Mann, der auf diesen Bildern stets nur Zuschauer ist, scheint keinen anderen Gedanken zu haben, als so viel wie möglich mit seinen Blicken zu erhaschen.

Trotz dieser ungeheuren Freiheit der Sitten aber mussten die Damen, die sich so ausgelassen benahmen und denen kein Abenteuer zu galant und gewagt erschien, doch wenigstens zum Scheine die Tugendhaften und Unschuldigen spielen. Das erhöhte den Reiz und den Preis ihrer Persönlichkeit. Sie mussten noch erröten können, wenigstens im Beginne eines Flirts oder in Gesellschaft. Und die Schönen des Rokoko wussten Mittel, die ihnen nicht mehr zur Verfügung stehende Schamröte der Natur zu ersetzen. Es gab eigens zu diesem Zweck zubereitete Taschentücher. Man nannte sie bezeichnenderweise »Mouchoirs de Venus«. Sie waren mit einer starken Essenz getränkt, die, sobald man die Tücher an die Nase führte, das Blut in Wangen und Schläfen trieb – und jede Dame hatte den gewünschten Erfolg des Errötens. Die leichten Sitten hatten jedes Schamgefühl der Frauen aus ihrer Seele verdrängt. Selbst junge und noch unschuldige Mädchen konnten nicht mehr erröten. Sie hörten und sahen zu viel. Auch sie mussten sich dem Zeitgeist in Kleidung und Gebaren anpassen, denn das junge Mädchen stellte seine Reize genauso zur Schau wie die reife verheiratete Frau.

An Stelle des Schamgefühls trat bei der Frau des 18. Jahrhunderts eine große Liebenswürdigkeit, Höflichkeit, künstliche Geziertheit und äußerliche Verschämtheit. Alles, jede Bewegung, jeder Schritt, jede Geste musste mit Grazie und Anmut ausgeführt werden. Infolge der außerordentlich hohen Stöckelschuhe waren die Damen gezwungen, sich in kleinen trippelnden Schritten vorwärts zu bewegen. Nicht bei allen sah es vielleicht graziös aus. Casanova besonders fiel am französischen Hofe auf, dass die Damen unsicher auf den Beinen waren und beinahe vornüber zu fallen schienen, wenn sie gingen. Andere Zeitgenossen bestätigen indes, dass gerade in diesen durch die Mode gezwungenen, gemessenen Bewegungen ein großer Reiz gelegen habe, weil sie einen so starken Kontrast zu den ungebundenen sonstigen Sitten bildeten.

Es gab eine Menge Bücher über Verhaltungsmaßregeln, über Anstand und Sitte, obwohl man sich um den wahren Anstand durchaus nicht kümmerte. Aber man musste mit Grazie sprechen, mit Grazie sich setzen, mit Grazie gehen, stehen, mit Anstand eine Prise nehmen – auch die Damen schnupften –, mit Grazie in die Chaise steigen, die Treppen hinaufhüpfen, sich verbeugen und tanzen. Das ganze gesellschaftliche Leben stand unter diesem äußeren Schein, und die Marquise Dudeffand hatte recht, als sie einmal an Walpole schrieb: »Wir sind Kinder der Kunst. Einen wahrhaft vollkommen natürlichen Menschen unter uns sollte man auf dem Jahrmarkt zeigen. Er wäre ein Wunder.«

Besser als alles zeigt uns die galante Literatur dieses von Erotik durchtränkten 18. Jahrhunderts das Künstliche, Frivole und doch gleichzeitig Graziöse im Gebaren der Frau als Geliebte. Nur ein Beispiel aus dem damals von allen Damen gelesenen galanten Roman Godard d'Aucourts »Themidor; meine Geschichte und die meiner Geliebten«. Rosette empfängt ihren Geliebten. »Wie ein Opfer Amors hatte sie sich mit Bändern geschmückt und sich sorgfältig in wohlriechendem Bade gereinigt. Auf einem einfach gebauten Altar aus Myrtenholz lagen verschiedene große seidene Kissen – ein Tuch aus feinem Leinen war darüber gebreitet, und eine Decke mit rosafarbenem Taffet, mit Liebesszenen durchwirkt und an den Enden aufgerollt, wartete der Verwendung als Hülle für irgendwelche Zeremonie. Rosette selbst hatte sich auf den Altar gelegt. Ihre Hände hatte sie über dem Kopf leicht vereinigt. Ihre Augen waren geschlossen; ihr Mund ein wenig geöffnet, wie um ein Opfer zu erbitten. Eine natürliche und frische Röte bedeckte ihre Wangen. Der Zephir hatte ihr ganzes Äußere geliebkost. Ein durchsichtiger Musselin-Schleier verhüllte die eine Hälfte ihres Busens, die andere zeigte sich unbefangen den Blicken. Von der einen Seite war die Betrachtung erlaubt und auf der anderen wurde sie unter dem Anschein, verboten zu sein, nur noch pikanter. Ihre Arme erschienen in ihrer ganzen Fülle und Weiße ... Rosette schlief, jedoch mit der Fähigkeit leicht zu erwachen und in der begehrlichen Stellung einer Begehrenden ...«

Und wie Rosette benehmen sich die meisten Frauen dieser, wie Maupassant sich ausdrückt, »raffinierten, ausschweifenden, bis in die Fingerspitzen künstlichen Gesellschaft, dieser vor allem anmutigen und geistreichen Gesellschaft, für die das Vergnügen das einzige Gesetz und die Liebe die einzige Religion war«.

Die Frauen der galanten Zeit

Die Königin der Eleganz

Ein Land reinster Schönheit von bezauberndstem Glanz steht vor uns, wenn wir an die Zeit des Rokoko denken. Ein sehnsuchtsvolles Gefühl bemächtigt sich unser, die wir in einer Zeit des Hastens, des Mechanismus und der Technik leben, nach jener glücklichen liebenswürdigen Epoche, die nur dem reinsten Lebensgenuss und der Grazie geweiht zu sein schien. Reizende tändelnde Frauen, elegante ritterliche Männer leben in diesem Paradiese ohne Sorgen, ohne Qualen, nur allein mit sich und ihren Herzens- oder Liebesangelegenheiten beschäftigt. Sie sind glücklich, wunschlos glücklich. Das Leben hat ihnen alles, was der Mensch begehrt, in den Schoß geworfen. Es ist wie in einem Märchenland! Wer die Kunst und Literaturerzeugnisse dieses Zeitalters betrachtet, muss unbedingt annehmen, dass das ersehnte Wunderland der Liebe der Alten, jene Insel, wo die Menschen nur der Liebe und dem Genüsse lebten, wirklich vorhanden gewesen ist. Nicht in unerreichbarer Ferne, sondern ganz nahe.

Die Menschen des 18. Jahrhunderts scheinen das Paradies auf die Erde verlegt zu haben. Jene galanten höflichen Kavaliere in ihren mit Diamanten, Federn, Samt, Seide und Gold geschmückten Kleidern, jene ätherischen liebeheischenden und liebeverheißenden Damen in mythologischen Kostümen, reizenden verführerischen Negligés und pikanten Deshabillés scheinen nur zur Liebe, zur Freude und Wollust geschaffen zu sein. Das Leben ist keine Last, keine Plage, keine Sorge. Es besteht nur aus graziösen Schäferspielen, anmutigen Tänzen, ländlichen Lustbarkeiten, glänzenden Bällen und galanten Abenteuern. Die Rokokomenschen wohnen in prächtigen Palästen mit koketten Boudoirs, sie ruhen in weichen seidenen Betten, wandeln auf blumigen sonnigen Wiesen oder auf schattigen, geheimnisvollen Wegen herrlicher Parke, kurz, sie haben nur eine Beschäftigung: zu lieben, zu genießen, zu leben und leben zu lassen!

So wenigstens erscheint uns das Leben im 18. Jahrhundert, wie es uns Kunst und Literatur übermitteln. Die Zeit ist versunken. Das Leid, das der bittere Ernst des wirklichen Lebens auch den damals lebenden Menschen nicht ersparte, ist vergessen. Nur die Erinnerung an das Schöne, Ideale, an das Typische jener galanten Zeit ist geblieben. Ein sehnsuchtsvoller Traum von Liebe, Glück, Grazie und Eleganz.

Ihrem tiefsten Wesen nach ist jene Zeit ein einziger Lobgesang von überwältigender Schönheit auf die Frau, eine Verherrlichung der Sinnenlust und des Liebesrausches, alles Galanten und zum Genüsse Reizenden, ausgehend von den leichtlebigen Sitten der französischen Könige und ihrer Höfe. Die typischste Vertreterin der eleganten und galanten Frau jener Epoche ist Madame de Pompadour. Ihr Name und das Rokoko sind zwei unzertrennliche Begriffe. Die lange Herrschaft dieser überaus klugen Kurtisane ist das goldene Zeitalter der Eleganz, der Mode, der Frivolität, der Leichtlebigkeit, aber schließlich auch der schönen Künste. Wie keine andere königliche Mätresse, ja wie nur wenige ihres Geschlechts, besaß die Pompadour einen wahrhaft feinen schöpferischen Geschmack, der mit einer überaus fruchtbaren Phantasie und einem mehr als mittelmäßigen Talent Hand in Hand ging. Ihre ganze Persönlichkeit trug den Stempel des Zierlichen der Zeit. Sie war das geborene Luxusgeschöpf, das keine Beschränkung der Mittel kannte. Und als sie die Geliebte des genusssüchtigen Königs wurde, als sie mit vollen Händen aus dem Staatsschatz und der Privatschatulle Ludwigs XV. schöpfen konnte, da legte sie ihrer größten Leidenschaft, der Verschwendung, keinerlei Schranken auf. Aber der Geist dieser eleganten Kurtisane war so schöpferisch, dass ihr Name sich für immer mit der Zeit verknüpfte.

Wer den literarischen Nachlass des 18. Jahrhunderts durchblättert, ist erstaunt, immer wieder den Namen Pompadour im Zusammenhang mit irgendeinem Kunstwerk, irgendeinem Erzeugnis der Zeit zu finden. Heute noch bezeichnet man ein kleines Täschchen der Damen mit dem Namen der Favoritin Ludwigs XV. Sicher war an dieser Verhimmelung nicht zum kleinsten Teil jener unglaubliche Byzantinismus schuld, der sich darin gefiel, allem einen gewissen Glanz und größere Anziehungskraft durch den Namen der offiziellen Mätresse des Königs zu verleihen. Sicher sind auch die Pariser mehr geneigt als alle anderen Großstädter, alles was neu und Mode ist, zu ihrem Idol zu machen. Das konnte auch Casanova bei seinem ersten Pariser Aufenthalt beobachten, als er sich einem Freunde gegenüber wunderte, weshalb man einen Tabakladen förmlich belagerte und alle Leute ihren Tabak nur eben da kaufen wollten. Nicht etwa, weil dort der Tabak besser gewesen wäre als anderswo, sondern weil eine elegante Frau, die Herzogin von Chartres, diesen Laden in Mode gebracht hatte. Sie hatte ihren Wagen ein paarmal vor dem Laden halten lassen, um ihre Tabaksdose zu füllen. Das allein genügte, um alle Schnupf er mobil zu machen; und die Tabakhändlerin erwarb dadurch ein Vermögen. Aber die Idolatrie war nicht nur der Grund, dass alles, was die Pompadour erfand, in Mode kam. Diese Frau besaß die Gabe, die wir nicht nur bei hochstehenden oder besonders feingebildeten Damen finden, sondern oft gerade bei Mädchen und Frauen aus sehr einfachem Stande: nämlich ihre eigene Person mit ganz besonders gutem Geschmack zu kleiden und zu umgeben. Aus einem Nichts entsteht in ihren Händen ein Kunstwerk. Ein wenig Stoff, ein Band genügen, um daraus die entzückendste Schleife zu binden, die wiederum gerade da angebracht wird, wo sie am reizendsten wirkt. Man war bezaubert von dieser Zauberin des Geschmacks. Im Handumdrehen hatte jeder einzelne Gegenstand, den die Marquise erfand, den Namen »à la Pompadour«.

Sie war indes nicht die Sklavin der Mode, sondern ihre Königin. Die Kostüme und Kleidungsstücke dieser eleganten, extravaganten Frau waren nicht bloße Modelaunen. Sie besaßen wirklichen Kunstwert und waren Muster von wahrhafter Eleganz und feinem Geschmack. Jede Toilette, die sie trug, war ihre eigene Erfindung; sie überraschte nicht nur durch Pracht und Kostbarkeit, sondern vor allem durch die Art, wie sie sie zu tragen verstand und wie sie ihrer Individualität angepasst war. Selten ließ sie sich von der Eitelkeit hinreißen, um jeden Preis durch ein Kleid wirken zu wollen, das zwar Mode war, aber sich nicht für ihre Person eignete. Immer war sie individuell, stets neu, stets erfinderisch. Sie zeigte sich dem König oder während ihrer berühmten Levers, zu denen alle Höflinge Zutritt hatten, in einem verführerischen Morgenanzug eigener Erfindung, der die Linien ihres reizenden Körpers vorteilhaft hervorhob, und die Welt besaß ein »Déshabillé à la Pompadour«. Diese Deshabillés gehörten im 18. Jahrhundert zu den beliebtesten Vermittlern der Erotik. Madame Pompadour und ihre eleganten Zeitgenossinnen legten darauf die größte Sorgfalt, denn sie wussten, dass eine Frau am verführerischsten im Negligé ist. Und wie raffiniert und pikant man diese Negligés zu gestalten verstand, geht aus den vielen Sittenschilderungen der Zeit über die Levers der vornehmen Frau, der Dame des Adels und der großen Kurtisanen hervor.

Die Toilette einer Frau des galanten Zeitalters nahm viele Stunden in Anspruch und verschlang einen guten Teil des Tages. Da man aber auch etwas von seinen Freunden haben wollte, lud man sie zum Lever ein, um in ihrer Gesellschaft diese langen Stunden vor dem Toilettentisch zu verkürzen. Außerdem hatte die elegante Frau dabei die beste Gelegenheit, alle ihre Reize ihren Bewunderern einzeln vorzuführen. Dieses Schauankleiden des 18. Jahrhunderts gehörte zum guten Ton sogar in dem viel prüderen England. Bei vielen einflussreichen Damen des Hofes und Mätressen, wie der Pompadour und mancher ihrer Vorgängerinnen, wurde während der Levers Politik gemacht. Es erschienen Minister, Staatsräte, hohe Diplomaten und die fremden Gesandten, oder man sprach über die neuesten Erscheinungen der Literatur und Kunst. Meist aber dienten die Stunden der Toilette dem galanten Liebesgetändel. Es entspannen sich pikante Flirts, und nicht immer wurde mit Blicken geflirtet. Koketterie und Leichtsinn, verliebte Laune und Sinnlichkeit verliehen, je nach Veranlagung der Frau oder ihrer Freunde, dem Lever einer Dame die gewünschte Note. Die Pompadour war eine der klügsten aber auch kokettesten Frauen ihrer Zeit. Sie verstand es nicht nur, während dieses Schauankleidens Ministern Ratschläge zu erteilen, hohe diplomatische Stellen zu vergeben, Lettres de cachets aus ihrem Boudoir zu senden, sondern ganz besonders verstand sie die Sinne des Königs und ihrer Bewunderer in diesen Augenblicken zu entflammen. Sie liebte es, ihre Levers recht lange auszudehnen, probierte dabei alle möglichen Negligés, Kleider, Galaroben, Schuhe, Pantöffelchen, Strümpfe und Strumpfbänder an. Jeder einzelne Reiz ihres Körpers musste zur Geltung kommen. Sie war ein echtes Kind ihrer Zeit und liebte alles Schöne ihrer Person zur Schau zu stellen. Die Schultern, die Arme – sie hatte ganz wundervoll geformte Arme, die sogar Marie Leszczinska bemerkte – den Nacken, den entzückenden kleinen Fuß und die zartgebauten schlanken Beine. Der Puder verleiht ihrer Haut einen Marmorschimmer und nimmt ihr die warmen aufregenden Farben des Lebens. Sie sitzt wie ein ätherisches Wesen vor ihrer Frisiertoilette in eine Wolke von Duft und Spitzen gehüllt, um im nächsten Augenblick alles wieder von sich zu reißen und ihre Glieder in neue verführerische Stoffe zu hüllen, die zur Erhöhung ihrer Schönheit beitragen. Die Blicke der Männer ruhen bewundernd, die der wenigen anwesenden Damen neugierig auf dieser koketten Beherrscherin der Eleganz; jede Frau aber merkt sich genau alle Einzelheiten ihrer Kleidung und ihres Boudoirs. Es kam schließlich so weit, dass es bald keinen Gegenstand, kein Kleidungsstück, kein Möbel mehr gab, das nicht à la Pompadour gewesen wäre. Toilettengegenstände, Bänder, Fächer, Taschen, Kleider, Mäntel, Wagen, Tische, Betten, Schränke, Tafelgeschirr, ja sogar Zahnstocher trugen ihren Namen. Es war nicht »schick« nicht à la Pompadour gekleidet, nicht à la Pompadour eingerichtet zu sein, nicht à la Pompadour zu fahren, zu reiten, sich zu unterhalten und zu beschäftigen.

Man nahm sich ihren Salon, ihr Boudoir und ihr Schlafzimmer nicht nur in Bezug auf die Einrichtung zum Muster. Auch den Ton, der darin herrschte, ahmte man nach. Den größten Wert legten ja die Damen des Rokoko auf die beiden intimsten Räume der Frau, das Schlafzimmer und das Ankleidezimmer. Zu jener Zeit, da die Ehe der höheren Klassen nur Relief, oft sogar nur reiner Schein, wo das ganze Leben der eleganten Frau auf Genuss, Flirt und Wollust gestimmt war, legte man natürlich die Schlafzimmer der Ehegatten möglichst weit auseinander, aber nicht etwa, um das Neue in der Ehe nie ersterben zu lassen, sondern um ungestörter seinen Abenteuern nachgehen zu können. Der Gatte, der verlangt hätte, etwa das Schlafgemach seiner Frau zu teilen, wäre ausgelacht worden. Auch zum Lever seiner Frau war er nicht zugegen. Erstens war er meist anderweitig engagiert und zweitens wäre seine Anwesenheit ja nur störend gewesen. Es lag durchaus nicht im Geschmack der Zeit, bürgerlich und ehrbar zu erscheinen, noch viel weniger aber es zu sein. Auch der Geliebte hatte nicht alle Rechte auf seine Mätresse. Die Damen liebten die Abwechslung. Der leichtsinnige und von den Frauen sehr begehrte Herzog von Lauzun musste das mehr als einmal erfahren. Am tiefsten traf es ihn, als die wunderbar schöne Lady Barrymore, die eine Zeitlang am Hofe in Paris lebte, ihre Liebe und ihren Körper gleichzeitig ihm und dem jungen Herzog von Artois schenkte. Als Lauzun sich betrogen sah und sie zur Rede setzen wollte, erwiderte sie im echten Sinne des Rokoko: »Sie tun unrecht, Lauzun, mich aufzugeben. Sie gefallen mir. Sie sagen meinem Geschmack zu, ich liebe Sie sehr, aber meine Freiheit ist mir lieber als Sie. Ihnen opfere ich sie nicht. Ich dulde nicht, dass mein Geliebter ein eifersüchtiger, unbequemer, herrschsüchtiger und, in Bezug auf meine Treue, eigensinniger Ehegatte ist ... Entzweien wir uns doch nicht um einer so geringfügigen Sache willen, Lauzun.« Und als er sie küsste, flüsterte sie: »Ich will keine Opfer bringen. Ich behalte den Grafen Artois und Sie.« Das war die Liebe der Frau des 18. Jahrhunderts.

Es ist selbstverständlich, dass diese Frauen ihre Schlafzimmer, in denen sie sich die meiste Zeit des Tages aufhielten, mit dem höchsten Raffinement und Luxus ausstatteten. Ihre meiste Sorgfalt galt dem Bett. Es beanspruchte den breitesten Raum im Zimmer und schien im wahren Sinne des Wortes ein Tempel der Liebe zu sein. Mit Curt Moreck zu sprechen war es »der esprit der Wollust, der in dem Boudoir der Dame des 18. Jahrhunderts aus leichtem Holzwerk und aus einem Schaum von Seide, Spitzen, Straußenfedern jene muschelartigen Pfühle der Liebe entstehen ließ, wie unter dem Zauberstabe einer Fee, der Spiegel in die Draperien des Hintergrundes und in den Plafond des Betthimmels einließ,« um die Schönheit der darin Ruhenden zu vervielfältigen. Der Maler der Zeit, der in seinen Bildern die Grazie der Frau im Bett am reizvollsten darzustellen verstanden hat, ist Fragonard. Seine Bilder haben uns überliefert, welche herrschende Rolle im Liebesleben des 18. Jahrhunderts dieser persönlichste aller Einrichtungsgegenstände spielte, und welch intimen Reiz selbst die Frauen der Bürgerkreise ihren Schlafzimmern zu verleihen wussten. Wie viel mehr musste den großen Kurtisanen und den galanten Damen des Hofes und der hohen Gesellschaft daran liegen, ihre Boudoirs zu einem verführerischen Rahmen ihrer halb oder ganz entblößten Schönheit zu gestalten. Und Frau von Pompadour war auf diesem Gebiet Meisterin.

Zu ihrer großen Enttäuschung musste sie indes bald die Erfahrung machen, dass trotz allem der König bereits nach einem Jahr gleichgültig wurde und sich körperlich nicht mehr sehr viel aus ihr machte. Es verbreitete sich bereits am Hofe das Gerücht, sie werde demnächst weggeschickt werden, der König langweile sich auch mit ihr. Sie zitterte bei dem Gedanken, dass sie ihre so mühsam errungene Stellung als »Maitresse en titre«, allen Glanz und Reichtum gleich im Anfangsstadium ihrer Karriere wieder aufgeben sollte. Sie schrieb ihrem Temperament die Schuld zu, denn sie war von Natur aus kalt. Fast musste sie sich zu den Pflichten einer Geliebten, die sie weder aus Sinnlichkeit und Leidenschaft noch aus Liebe, sondern nur aus Ehrgeiz geworden war, zwingen. Am liebsten hätte sie es wie Maria Leszczinska gemacht: ihre Tür verriegelt, wenn der König nachts bei ihr anklopfte. Täglich sann sie auf alle möglichen Mittel, um ihre körperliche Veranlagung mehr der des Königs anzupassen. Die Sorge, sie könne ihn ganz verlieren, trieb sie dazu, Aphrodisiaka zu gebrauchen. Anfangs ließ sie sich nur ihre Speisen stark würzen. Zum ersten Frühstück trank sie einige Tassen stark ambrierte Vanillen-Schokolade. Zu Mittag aß sie scharf gewürzte Suppen und eine Menge Trüffeln. Schließlich aber nahm sie in ihrer Verzweiflung einen sogenannten »Liebestrank«, den ihr irgendein Quacksalber verschrieb. Alle diese Dinge sollten ihr das nötige Temperament verschaffen. Sie war eben auch in dieser Hinsicht ein echtes Kind ihrer Zeit und glaubte, wie alle Menschen des galanten Zeitalters, an solche Wunderkuren und Geheimmittel, die natürlich nur schädlich auf die Gesundheit wirkten. »Liebestränke« und »Liebespillen« einzunehmen war fast allgemeiner Brauch jener Genussmenschen, denn man war darauf bedacht, sich so lange wie möglich in fortwährendem erotischen Rausch zu erhalten. Äußerst beliebt waren die sehr gefährlichen aphrodisischen Gifte wie die Kanthariden, die man den Speisen beimischte oder als Dragees verzehrte. Da die elegante Frau und der Mann beständig auf Liebesabenteuer aus waren und immer etwas erleben mussten und sicher auch erlebten, aber eine von Natur aus frigide Frau nicht im geringsten geschätzt war, suchte man das Fehlende durch künstliche Mittel zu ersetzen.

Es ist natürlich, dass stimulierende Leckerbissen zu den beliebtesten Gerichten der Tafel des 18. Jahrhunderts gehörten: Austern, Fische, Krebse, Artischocken, Trüffeln, Schildkröten, scharf gewürzte Ragouts. In dieser Beziehung war der Tisch Ludwigs XIV. und XV. berühmt. Es wurden bis zu achtzig Gänge bei einem Mahl aufgetragen, die mit dem größten Raffinement der französischen Kochkunst zubereitet waren. Dazu gab es die auserlesensten Weine. Und doch glaubten diese Genussmenschen noch zu geheimen Mitteln ihre Zuflucht nehmen zu müssen, um ihre Sinne anzufachen. Liebestränke werden bereits im »Frauenzimmerlexikon« von 1715 erwähnt. Natürlich zogen die Erfinder und Lieferanten dieser »Elixiere« den größten Vorteil daraus, denn in Wahrheit nützten sie nichts und waren nur Quacksalberei. Auch Frau von Pompadours Leidenschaft gewann dadurch nicht an Kraft. Sie blieb passiv und kalt, und der König tröstete sich bald – allerdings durch die persönliche Vermittlung seiner Favoritin – mit den jungen Mädchen im Hirschpark.

Auch abergläubisch wie alle Damen des 18. Jahrhunderts war die Pompadour. Eine große Rolle spielte damals die berühmte »Kabbala«, die Casanova nach Paris brachte und mit der er bereits in Venedig sein Glück gemacht hatte. Er täuschte damit nicht nur die kleinen galanten Frauen und Mädchen, die seinen Weg kreuzten, sondern auch manche hohe Dame des Hofes. Man war überzeugt, dass er Wunder verrichten könnte, ebenso gut wie Saint-Germain, Cagliostro und andere.

Aber weder Wunderkuren noch Elixiere, noch die Kabbala nützten der Pompadour. Leider musste die reizendste, hübscheste und koketteste Frau Frankreichs sehr früh die Vergänglichkeit aller Schönheit erfahren. Bereits mit fünfunddreißig Jahren war ihr einst so blendender Teint fahl und verwelkt. Die entzückende Gestalt, die zarten Rundungen der Büste und Schultern waren verfallen und eckig geworden. Sie musste die stärksten kosmetischen Mittel anwenden, um die Runzeln und Mängel zu verbergen, die sich durch ein frühzeitiges Altern auf ihrem Gesicht einstellten. Die allgemeine Mode des Schminkens und Puderns in Frankreich kam ihr daher sehr gelegen. Nur scheint sie später des Guten etwas zu viel getan zu haben, denn viele Zeitgenossen berichten, man habe kaum noch ihre Gesichtszüge unter der dicken Schminke erkennen können. Ein scharfer Beobachter der Sitten der Zeit schrieb sogar, man habe am Hofe Ludwigs XV., als Madame Pompadour den Ton angab, durch die »alberne Gewohnheit des Schminkens« eine so lächerliche Ähnlichkeit unter den Damen herbeigeführt, dass man Mühe hatte, eine von der andern zu unterscheiden. Man habe sich kaum noch ausgekannt. Das Rot leuchtete so stark auf den Wangen der Damen des Hofes, dass man sie alle für Furien hätte nehmen können, die eben im Begriff gewesen wären einen wilden Tanz aufzuführen. »Und«, fährt der strenge Berichterstatter fort, »sie verwischen dadurch nicht allein vollständig ihre Züge, sondern ersticken auch jegliches Begehren des Mannes, denn man hat nur den einen Wunsch: sie zu fliehen.«

Seine Ansicht scheint aber doch nicht von allen Männern geteilt worden zu sein, denn die meisten dieser so bemalten Damen hatten den größten Erfolg und konnten sich durchaus nicht beklagen, dass sie von ihren Anbetern gemieden wurden. Allerdings fand auch Casanova, dass man sich zur Zeit der Pompadour am Hofe Ludwigs XV. etwas zu rot schminkte, aber es gefiel ihm: »Der Reiz dieser Malerei«, schreibt er, »besteht in der Nonchalance, womit man sie auf die Wangen aufträgt. Man will auch gar nicht, dass dieses Rot natürlich aussehen soll. Man legt es auf, um den Augen eine Lust zu bereiten, denn man sieht darin Anzeichen eines Rausches der Sinne, der außergewöhnliche Genüsse und zauberhafte Liebesrasereien verspricht.« Es mag überdies wohl eine spezielle Art der Pompadour und ihrer Damen gewesen sein, sich so leuchtendes Rot auf die Wangen zu schminken, denn im Allgemeinen bevorzugte gerade das Rokoko die pikante Blässe der Frauen. Um diese interessante Blässe noch besonders hervorzuheben, klebte man sich eben die schwarzen »Mouches« an. Aber eins ist gewiss: in keinem Zeitalter ist so viel Puder und Schminke verbraucht worden wie im 18. Jahrhundert. Es schminkten sich sowohl Herren wie Damen und Kinder. Man wollte dem Alter Einhalt gebieten. Es sollte ja keine alten Frauen geben. Auch die weißgepuderten Haare für Jung und Alt verwischten den Altersunterschied. Mancher Frau gelang es durch Schönheitsmittel besser als Frau von Pompadour, das Altern wenigstens um zehn Jahre hinauszuschieben, und der Lippenstift trug gleichfalls sein Scherflein dazu bei. Vielleicht tat auch darin die Marquise zu viel, als sie ihre schwindende Jugend bemerkte und sie doch nicht aufhalten konnte.

Und dennoch besaß diese Frau, der nur eine Treibhausschönheit in den kurzen Jahren ihres Aufblühens vergönnt war, das Geheimnis, aus den verfallenen Überbleibseln ihres Körpers durch alle möglichen Künste noch ein Wesen zu machen, das imponierte. Wenn sie in der letzten Zeit ihrer Herrschaft im Salon des Königs oder zur Gala bei Hofe erschien, wo es viele junge, schöne und elegante Frauen gab, sie also die Konkurrenz zu fürchten hatte, zog sie doch aller Blicke auf sich, obwohl sie nicht mehr jung und nicht mehr schön war. Jeder bemerkte zwar unter ihren verzweifelten Anstrengungen, schön zu sein, den Verfall ihrer Reize, aber ihre Gesamterscheinung und ihr Auftreten schienen einem jeden zu gebieten: Sieh mich an! Hier bin ich! Es war das Selbstbewusstsein ihrer Person, ihrer Machtstellung, das ihr eine derartige Sicherheit verlieh. Nie in ihrem Leben war sie schüchtern oder zaghaft gewesen. Ihr kühner Unternehmungsgeist allein hatte sie durch alle Klippen des Lebens geführt. Jugend und Schönheit waren ihr anfangs dabei behilflich gewesen. Später wusste sie diese beiden von der Natur verliehenen Gaben nicht nur durch Kunst und Kosmetik, sondern durch Intelligenz, Einfluss und Macht zu ersetzen. Ohne Frage war sie keine gewöhnliche Frau und keine durchschnittliche Kurtisane. Sie kämpfte bis zuletzt und gab nicht eine Handbreit des einmal Errungenen auf. Aber sie blieb auch bis zuletzt kokett und auf ihre Schönheit bedacht.

Es liegt etwas Erschütterndes in der Tragik des Vergehens der Schönheit und in der Geste, die diese gefeierte Kurtisane auf ihrem Sterbebett noch tat, um den Augen der Welt nicht den Anblick ihres Verfalls zu gönnen. Als ihre letzte Stunde nahte und der Geistliche, der ihr das Abendmahl gereicht hatte, sich von ihr verabschieden und gehen wollte, rief sie ihn lächelnd zurück: »Warten Sie doch noch einen Augenblick, Herr Pfarrer,« sagte sie, »wir gehen gleich zusammen.« Dann legte sie schnell noch ein wenig Rot auf, um die Totenblässe ihres Gesichts zu verbergen, und schlief ein. Wenige Stunden später war sie nicht mehr.

Von kleinen Modistinnen, Ladnerinnen, Figurantinnen, großen Tänzerinnen und Schauspielerinnen

Der Modesalon

Seit dem achtzehnten Jahrhundert ist die Pariserin diejenige Frau, die den Geschmack und die Eleganz für beinahe ganz Europa bestimmt. Ihre Art sich zu frisieren, zu schmücken, zu kleiden, die Ideen, die sie ihren Schneiderinnen und Putzmacherinnen gibt, ihre Koketterien und Kapricen dienten und dienen noch den meisten Nationen zum Vorbild. Für sie ist der Luxus, der ihre Person umgibt, ein Altar, auf dem sie mit der größten Inbrunst dem Gotte der Mode und Eleganz opfert. Die Kleidung ist die Synthese des allgemeinen Wesens einer eleganten Frau; das 18. Jahrhundert war ganz besonders das Zeitalter des Kleiderluxus. Es war, wie Fuchs bemerkt, »die Lösung des Zeitproblems,« nämlich »die harmonische Einheit des Körpers aufzulösen und ihn in seine Reize zu zerlegen, bei der Frau vor allem in Busen, Schoß und Lenden ... Was vordem (in der Renaissance) nackt in der sinnlichen Vorstellung gestanden hatte, steht jetzt immer nur ausgezogen oder entkleidet vor ihr.« Die Frau des 18. Jahrhunderts wirkte nicht durch gesunde körperliche Schönheit, sondern durch Betonung und Hervorhebung aller einzelnen Reize ihrer Persönlichkeit. Sie war aber auch in der Erotik ihrer Kleidung raffinierter als die Frau der Renaissance in der betonten Nacktheit. Wie erwähnt, setzte die Rokokodame dem Manne alle Reize einzeln in kleinen Gaben vor, sei es, dass sie die stark heraufgeschnürte bloße Brust mit einem hauchdünnen Tuch verhüllte, das sich indes oft durch Zufall oder gewollt verschob und löste; oder sie zeigte mit einem graziösen Aufheben des weiten Reifrockes beim Besteigen der Chaise und des Wagens, beim Hinaufgehen einer Treppe ein schlankes Bein, den in hohen Stöckelschuhen steckenden zierlichen Fuß. Am meisten jedoch diente der weiblichen Koketterie immer wieder das Busentuch. Jede Frau wusste es auf ihre Weise in ihre Dienste zu stellen. Auch die kleinen Modistinnen und Ladnerinnen, oder vielleicht gerade sie, verstanden das am besten. Man konnte es entweder züchtig um die Schultern legen und die zarten, kaum begonnenen Formen eifersüchtig verhüllen, oder es im gegebenen Augenblick – wie zufällig – ein wenig lockern, um den Blicken eines Verehrers eine ganz kleine Ahnung von den darunter verborgenen Schönheiten zu geben. Denn diese Mädchen hatten ein besonderes Talent, alles nur in kleinen Dosen zu verabreichen. Wiederum diente das Busentuch auch dazu, den darunter befindlichen Kleiderausschnitt noch weiter zu dekolletieren, so dass der Busen fast ganz frei lag. Das Tuch verdeckte ja auf der Straße und in Gesellschaft das allzu Offene, obwohl es oft von so hauchdünnem Gewebe war, dass die Formen deutlich durchschimmerten. In intimen Stunden mit dem Geliebten oder dem, der es werden sollte, war es ein ausgezeichneter Vermittler, ein graziöser Beistand der Koketterie, der nie seine Wirkung verfehlte. Wie oft mögen diese Busentücher in zärtlicher Liebe gelöst oder in leidenschaftlicher Liebesraserei heruntergerissen worden sein.

Die Eleganz des 18. Jahrhunderts war jedoch, trotz kostbarer Stoffe, zarter Spitzen, Blumen, Girlanden, Geschmeide, eine sehr äußerliche. Man legte nicht viel Wert auf das, was man nicht sah. Die wundervollen Brokatkleider, wahre Kunstwerke an Form und Geschmack, waren mit grober Leinwand gefüttert und mit dickstem Hanfzwirn genäht, so dass schwulstige, grobe Nähte entstanden. Die Haut der Rokokodamen muss nicht besonders empfindlich gewesen sein. Wenn man die in Museen und Sammlungen befindlichen Kleidungsstücke jener Damen genauer betrachtet, abgesehen von dem vielen Fischbein, den Drahtgestellen und so weiter, wundert man sich nicht wenig, dass die zierlichen Gestalten so schwere und schwerfällig genähte Kleider auf ihren Körpern ertragen konnten. Es gab schwere panzerartige Korsetts, die im Vergleich zu den Fischbeingehäusen des ausgehenden 19. Jahrhunderts richtige Eisenpanzer waren. Die duftigen Dessous einer späteren Zeit kannte die Dame des 18. Jahrhunderts nicht, nur für das Negligé, das sie morgens im Bett oder vor der Frisiertoilette trug, besaß sie die verschwenderischste Phantasie. Dann war sie immer in eine Wolke von Duft und Spitzen gehüllt. Manche war angezogener im Deshabillé als im Gesellschaftskleid.

Die Vermittlerinnen dieser Eleganz, die kleinen Modistinnen, Näherinnen, Ladnerinnen, die im Atelier und im Modesalon alle die Wunder für die kokette Frau entwarfen und verfertigten, waren schon im 18. Jahrhundert wahre Genies. Ein Zeitgenosse nennt sie die »Aristokraten der Pariser Arbeiterinnen«, besonders die Modistinnen, die damals nicht nur Hüte fertigten, sondern beinahe alles, was zur Toilette einer eleganten Frau gehörte. Sie selbst hatten oft mehr Geschmack und würden die schönen Dinge viel besser zu tragen verstanden haben – wenn sie die nötigen Mittel sie zu kaufen gehabt hätten –, als manche Dame der großen Welt, manche Schauspielerin und Kurtisane, denen die Jugend nicht mehr zur Unterstützung ihrer Reize zur Verfügung stand. Aber sie waren auch ohne Reichtum und trotz geringer Mittel elegant, denn sie besaßen Geschmack, Schick, und vor allem waren sie eitel.

Ein Modesalon im 18. Jahrhundert war nun ganz besonders geeignet, diese jungen Mädchen in allen Künsten der Koketterie vorwärtszubringen. Meist kamen sie aus der Provinz nach Paris und brachten nicht nur ihre Jugend sondern auch ihre Unverdorbenheit mit. Sie waren hübsch, sorglos, heiter, putzsüchtig, und der Putzladen oder das Atelier bedeuteten für sie den Inbegriff höchsten Raffinements. Ein solcher Laden übte einen unwiderstehlichen Reiz auf ihre Eitelkeit aus. Es dauerte nicht lange, und die kleine Bretonin oder Pikardin hatte gelernt, sich wie eine Pariserin zu bewegen und zu kleiden. Täglich kommen sie mit den eleganten Frauen der Ganz- und Halbwelt in Berührung. Ihre angeborene Vorliebe für den Luxus wächst mit jedem Tag. Es verkehren auch Herren in diesen Modesalons. Der Gent des 18. Jahrhunderts kauft mit Vorliebe für seine Gattin, oder noch öfters für seine Mätresse irgendein kostbares Stück. Nicht immer um dieses Kaufes willen tritt er ein, sondern oft nur, um sich unter den jungen hübschen Ladnerinnen und Modistinnen eine neue Geliebte zu suchen. Viele Modesalons waren gleichzeitig eine verkappte Vermittlungsstelle galanter Interessen. Und im Allgemeinen zeigten sich die graziösen liebenswürdigen Mädchen nicht spröde. Dann dauerte es aber auch nicht lange, und aus der etwas verlegenen, schüchternen Provinzlerin ward eine sehr kokette, sehr elegante Pariserin.

Die vornehmen Herren ihres Kundenkreises verfehlten nicht, die junge Modistin aufs lebhafteste zu interessieren. Durch ihren Beruf erlangte sie sehr bald die größte Erfahrung darin, was der anspruchsvolle Mann bei der eleganten Frau bevorzugt. Mussten diese jungen Dinger doch so oft dazu beitragen, die Damen jener Herren zu schmücken. Einmal galt es, ein aus dem Kloster entführtes junges Mädchen in die Kunst zu gefallen einzuweihen. Mit Hilfe schöner Kleider, verführerischer Deshabillés und allem, was zum Luxus der Frau des 18. Jahrhunderts gehört, wird sie für den Geliebten – bisweilen ist es auch ein Gatte – hergerichtet; und die Modistin mit ihrem guten Geschmack und ihren geschickten Händen verhilft dazu. Ein andermal heißt es eine junge Frau zu schmücken. Vielleicht soll sie bei Hofe vorgestellt werden, vielleicht auch gleich auf den ersten Blick den galanten König fesseln. Auf jeden Fall müssen ihre Reize in das beste Licht gestellt werden.

Hauptsächlich aber hat die kleine Ladnerin und Arbeiterin in einem solchen Geschäft Schauspielerinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen und die großen Kurtisanen zu bedienen, die vielleicht einst, wie sie selbst, im Laden standen oder mit emsiger Hand Stich um Stich an den duftigen Toiletten für andere nähten. Nun aber besaßen sie alle diese Wunderdinge selbst und dazu noch Wagen, Pferde, Chaisen, ein Haus und Dienerschaft. Eine dieser schönen Frauen kommt mit ihrem Geliebten in den Modesalon. Es werden kostbare Nichtigkeiten ausgesucht. Kaum scheint der Dame etwas gut genug, ihre Launen sind schwer zu befriedigen. Bewundernd hängen die Blicke der jungen Modistin, die sie bedient, an dem eleganten und freigebigen, nicht immer, aber bisweilen sehr jungen und hübschen Kavalier. Ein Blick in den Spiegel sagt ihr: Deiner jungen Schönheit würden diese Dinge auch gut stehen, vielleicht noch besser als dieser da. Und sobald die Kundschaft fort ist und die Patronin sich in ihr Zimmer zurückgezogen hat oder vielleicht ins Atelier verschwunden ist, hält das kleine Mädchen im Laden mit hochgeröteten Wangen eine Art Modenschau mit sich selbst ab. Sie probiert die kostbaren Brokate, die duftigen Musseline, die herrlichen weichen Seiden, setzt diesen und jenen Kopfputz zur Probe auf, steckt hier eine Blume, da eine Schleife an, und ist von der Wirkung vollkommen befriedigt. Mit einem resignierten Seufzer aber legt sie alles wieder in den Kasten. Sie darf diese schönen Dinge nur verkaufen oder verarbeiten, aber nicht selbst besitzen. Immer muss sie nur den Wünschen der vornehmen und eleganten Kundin Rechnung tragen, und es gelingt ihr mit einer fast beispiellosen Virtuosität. Nebenbei erblüht ihre eigene Schönheit immer mehr. Sie erregt selbst die Neugier der alten und jungen Gecken, die vor den Fenstern des Modesalons, der sich an der belebtesten Stelle des Palais-Royal befindet, flanieren und durch die Scheiben die darin hantierenden jungen Mädchen beäugen. Die kleinen lustigen Dinger in den kurzen Reifröckchen mit Paniers, mit ihren rosigen nackten Armen und zarten Formen unter dem leicht geknüpften Busentuch lachen ihnen aus blauen oder dunklen Augen zu, singen und trällern die ganze Zeit, während ihre fleißigen Finger die Nadel führen.

Man weiß, dass viele große Herren des 18. Jahrhunderts sich ihre Mätressen aus diesem fröhlichen Mädchenkreis geholt haben. So waren der Herzog von Richelieu, der wüste Herzog von Chartres, der galante Herzog von Lauzun, Graf Artois und viele andere eifrige Kunden derartiger Modemagazine. Der Herzog von Richelieu hatte eine ganze Reihe galanter Abenteuer mit kleinen Modistinnen, Schneiderinnen und Statistinnen. Es war nicht schwer, ihre Bekanntschaft zu machen, und im Allgemeinen waren sie in jeder Beziehung gefällig. Man begegnete ihnen nach Schluss der Ateliers oder sonntags im Palais-Royal oder im Tuilerien-Garten. Leichtfüßig und kokett zogen sie an den ihnen begegnenden Männern vorüber und waren nicht abgeneigt, eine Einladung anzunehmen. Sie waren nicht immer schön, aber meist sehr hübsch, und alle waren jung, liebenswürdig, heiter und sorglos, Dinge, die der Frauenkenner besonders schätzt. Ihre Jugend war der größte Reiz und der verführerischste Zauber für die genusssüchtigen Kavaliere.

Viele dieser jungen Damen wurden indes von ihrer Brotgeberin scharf bewacht, nicht aus Moral, sondern aus rein geschäftlichem Interesse. Die Mädchen wohnten meist im Hause, wurden ernährt und gekleidet. Niemals durften sie ohne Erlaubnis eine Nacht außerhalb des Hauses verbringen, es sei denn, dass der Inhaberin des Salons ein besonderer Gewinn daraus erwuchs, wenn einer der reichen und angesehenen Kunden eine junge Arbeiterin mit sich nahm, um aus ihr eine jener Fürstinnen der Eleganz zu machen, die allerdings nicht immer als »Fürstinnen« endeten.

Bisweilen stießen indes auch diese vornehmen Kavaliere auf Widerstand bei jenen Novizen der Galanterie. Dann machten die Herren meist kurzen Prozess. Die Mädchen wurden unter Beihilfe eines ergebenen und schlauen Dieners mit Gewalt in die sehr berüchtigten »Petites Maisons« gebracht, die fast jeder galante Mann des 18. Jahrhunderts besaß. Dem Herzog von Chartres, dem eine Menge derartiger Entführungen zugeschrieben werden, missglückte dennoch bisweilen ein solcher Gewaltakt. Er war jung verheiratet, hatte eine reizende, sehr kokette Frau, aber eine kleine hübsche Pikardin, die er im Modesalon »Au trait galant« bei Mademoiselle Forgel gesehen hatte, gefiel ihm und schien ihm besonders begehrenswert. Sie hieß Rose und brachte oft die Kleider und Hüte für die junge Herzogin ins Palais-Royal, um sie anzuprobieren. Jedes Mal ist auch der Herzog anwesend. Er spielt den Verliebten, steckt ihr Zettel zu, macht Vorschläge. Es hilft ihm nichts: Rose scheint den größten Wert darauf zu legen, ihre Tugend und ihren guten Ruf zu bewahren. Auch später wirken die schönsten Versprechungen von reichen Geschenken nicht. Da erscheint eines Tages der Kammerdiener des Herzogs von Chartres bei Mademoiselle Forgel mit dem Auftrage, die kleine Modistin aus der Pikardie möchte endlich den Bitten seines Herrn nachgeben. Er werde sie genauso halten wie seine gegenwärtige Mätresse, die Schauspielerin Duthé; alles solle ihr zur Verfügung stehen: Wagen, Pferde, Dienerschaft, Diamanten, Perlen und die kostbarsten Toiletten. Aber nichts vermag Rose von ihrer Tugend abzubringen. Chartres ist verzweifelt. Seine Frau lacht über seine Niederlage; sie kennt alle seine Seitensprünge und hält sich selbst schadlos mit anderen Kavalieren. Es wäre ja ein Verstoß gegen den guten Ton gewesen, hätte sie die Eifersüchtige gespielt. Sie würde ihren Ruf als Frau von Welt aufs Spiel gesetzt haben, hätte sie ihren jungen Gatten so geliebt, dass sie keine Nebenbuhlerin duldete. Auch sie war ein echtes Kind ihrer Zeit und ebenso wie der Herzog von »der leichten Luft des Jahrhunderts« erfüllt. In den eignen Mann länger als drei Monate verliebt zu sein, wäre unmodern gewesen. Man spottete über glückliche Ehen und machte die frivolsten Scherze. Eine junge hübsche Frau war sehr unglücklich über alle diese Frivolitäten, denn sie liebte nur ihren Gatten. Als sie sich eines Tages, wie Gaston Maugras erzählt, im Salon des Herzogs von Choiseul befand und traurig in einer Ecke saß, weil sie den Zynismus der Männer und Frauen dieser Gesellschaft nicht ertragen konnte, trat ein alter Geistlicher auf sie zu und sagte: »Madame, seien Sie nicht traurig. Sie sind hübsch, und das schon ist ein Unrecht. Aber das würde man Ihnen vielleicht noch verzeihen. Wollen Sie jedoch hier ruhig leben, so müssen Sie die Liebe zu Ihrem Mann besser verbergen. Die eheliche Liebe ist hier das einzige, was nicht geduldet wird.«

Nun, die Herzogin von Chartres liebte ihren Mann nicht, und er liebte sie auch nicht. Es ging das Gerücht, dass er sehr brutal sei, ja der roheste und brutalste Liebhaber in ganz Paris. Er war Wortsadist und warf im zärtlichsten tête-à-tête mit den gröbsten und schamlosesten Worten um sich. Rose hatte keine Lust das mitzuerleben. Da sinnt der »galante« Herzog auf einen Gewaltstreich. Die kleine Midinette sollte entführt werden. In einem seiner Landhäuser soll sie sich seinem Willen beugen. Das alles bespricht er mit seinen guten Freunden, die gleich ihm Wüstlinge sind: den Herren de Conflans, Louvois, D'Entraigues. Aber der Kammerdiener des Herzogs hat Mitleid mit der Kleinen. Er verrät ihr den beabsichtigten Streich und rät ihr, auf der Hut vor jenen vornehmen Herren zu sein. Und Rose fasst einen Entschluss. Sie ist klug und kühn zugleich, die junge Pikardin.

Einige Wochen später wird sie wieder einmal mit Kleidern und Hüten nach dem Palais-Royal gesandt. Diesmal zu einer der Hofdamen, zur Gräfin d'Usson. Kurz nach ihrem Eintreffen wird der Gräfin der Herzog von Chartres gemeldet. Er hat den Kampf um das junge Mädchen also noch nicht aufgegeben. Der Etikette gemäß erhebt sich die Gräfin von ihrem Stuhl, um Seine Königliche Hoheit an der Tür zu empfangen. Der Herzog bittet sie, wieder Platz zu nehmen . Ohne zu tun als bemerke er Rose, setzt er sich neben Madame d'Usson und plaudert mit ihr, als wäre sonst niemand im Zimmer. Da zieht die kleine Modistin einen Sessel heran und setzt sich ganz ungeniert gerade an die Seite des Herzogs. Die Gräfin weiß nicht, was sie davon halten soll. Sie ist verlegen und schaut das junge Mädchen bedeutungsvoll an. Rose rührt sich nicht. Da sagt Madame d'Usson ungeduldig: »Fräulein, Sie vergessen, dass Sie Seine Königliche Hoheit vor sich haben.« »O nein, Madame, ich vergaß das sicher nicht.« »Nun, und warum benehmen Sie sich dann so?« »Oh, Frau Gräfin wissen ja nicht, dass ich, wenn ich wollte, noch heute Abend Herzogin von Chartres sein könnte.«

Der Herzog beißt sich auf die Lippen, erwidert indes nichts. Die Gräfin ist äußerst überrascht und scheint eine Erklärung von ihm zu erwarten. Statt seiner fährt Rose unbekümmert fort: »Ja, Madame, man hat mir alles, was ein armes Mädchen versuchen und verführen kann, versprochen. Und weil ich mich weigerte, wollte man mich einfach entführen. Wenn daher Ihre reizenden Hüte oder eines Ihrer Kleider nicht abgeliefert werden sollten, oder wenn Sie, Madame, erfahren sollten, dass die kleine Rose aus dem Modesalon von Mademoiselle Forgel verschwunden sei, so brauchen Sie nur Seine Königliche Hoheit zu fragen. Er wird es wissen, wo sie ist.«

»Was sagen Sie dazu, Monseigneur?«

»Ich glaube,« erwiderte der Prinz, »dass man sich nicht anders zu helfen weiß, wenn es sich darum handelt, eine so reizende Rebellin zu bezwingen.«

Von neuem wandte sich Rose an die Gräfin. »Madame müssen doch zugeben,« meinte sie, »dass diejenige, die ein Prinz zu seiner Auserwählten machen will, ein Wesen, das die intimsten Stunden des Lebens mit ihm teilt, auch in der Öffentlichkeit vertraut mit ihm verkehren kann. Monseigneur soll nicht vergessen, wer er ist, und ich werde mir stets des außerordentlichen Unterschieds bewusst sein, der zwischen ihm und mir besteht.«

Von da an hatte sie Ruhe vor ihm. Aber, als er sich etwas pikiert erhob und aus dem Zimmer ging, zischte er ihr im Vorbeigehen ins Ohr: »Schlange!«