Die Eroberung des Südpols - Roald Amundsen - E-Book

Die Eroberung des Südpols E-Book

Roald Amundsen

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Beschreibung

Als erster Mensch in der Geschichte betrat Roald Amundsen am 14. Dezember 1911 den Südpol. »Der Glorreiche« – so die altnordische Bedeutung von Roald – ist der mit Abstand erfolgreichste Polarforscher der Arktis und Antarktis und einer der größten Abenteurer überhaupt. Vor seiner Mission zum Südpol gelang dem Norweger die legendäre Erstdurchquerung der Nordwestpassage und er kartierte die unberührten Weiten der Arktis und Antarktis. Amundsen gewann den tragischen Wettlauf zum Südpol gegen Robert Falcon Scott. Sein Expeditionsbericht über Die Eroberung des Südpols ist mehr als ein Logbuch: Ein hochspannendes, eindringliches Zeugnis der vielen Entbehrungen und Ängste, aber auch des unbeschreiblichen Triumphgefühls bei der Ersterreichung des einsamen Pols. Der Südpol hat bis heute nichts von seiner magischen Anziehungskraft verloren. Forscher und Abenteuertouristen erliegen ihr weiterhin, aber Amundsens Aufzeichnungen ermöglichen die Teilnahme an einem Erlebnis, das kein heutiger Besuch mehr bieten kann: Die Faszination des allerersten Eindrucks, eingefangen und festgehalten von einem der bedeutendsten Entdecker der Weltgeschichte.

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Seitenzahl: 335

Veröffentlichungsjahr: 2025

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DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER

Roald Amundsen

DIE EROBERUNG DES SÜDPOLS

Mit einem Vorwortvon Fridtjof Nansen

Textauswahl und RedaktionGernot Giertz

Inhalt

Vorwort

Die Geschichte der Südpolarforschung

Die Teilnehmer an der norwegischen Südpolfahrt 1910–1912

Winter auf der Eisplatte

Zum Pol

Wissenschaftlicher Beweis, dass Roald Amundsen mit seinen vier Gefährten den Südpol erreicht hat

Zeittafel

Vorwort

Wenn der Entdecker den Sieg gewonnen hat, jubeln ihm bei seiner Heimkehr alle entgegen. Wir sind alle stolz auf die vollendete Tatsache, für unser Volk – für die ganze Menschheit! Es ist uns, als hätten wir eine neue Feder auf unserem Hut und als hätten wir sie billig erworben.

Wie viele von denen, die heute mitjubeln, sind wohl damals dabei gewesen, als es die Ausrüstung des Unternehmens galt, als es am Allernotwendigsten fehlte, als Zusammenschluss und Unterstützung am dringendsten und notwendigsten waren? Sind die Leute da Sturm gelaufen, um zuerst anzukommen? O nein, da stand der Leiter der Forschungsreise meist allein, allzu oft musste er erfahren, dass die größten Schwierigkeiten daheim überwunden werden müssen, ehe das Schiff den Anker lichtet. Wie es einst Kolumbus erging, so erging es seitdem unzähligen anderen.

Und so ist es auch Roald Amundsen ergangen – nicht nur das letzte Mal, als er mit der »Gjøa« auszog, um Forschungen am magnetischen Nordpol anzustellen und durch die nordwestliche Durchfahrt zu segeln, sondern auch diesmal, als er im Jahr 1910 mit der »Fram« zum Fjord hinauszog, zur Fahrt quer über das Nordpolarmeer. Was hat dieser Mann an Sorgen und Schwierigkeiten durchgemacht, die ihm hätten erspart werden können, wenn bei denen, in deren Hand es lag, sie ihm zu erleichtern, das Verständnis größer gewesen wäre! Und Amundsen hatte doch schon bewiesen, dass er aus dem richtigen Holz geschnitzt ist: Die beiden großen Aufgaben seiner Fahrt auf der Gjøa waren ja gelöst worden. Immer hat er das Ziel erreicht, das er sich gesteckt hatte, er, der mit seiner kleinen Jacht durch das ganze Eismeer nördlich von Amerika fuhr, auf dem Weg, der seit vierhundert Jahren vergeblich gesucht worden war. Er setzte sein Leben und seine Fähigkeiten ein, was wäre natürlicher gewesen, als dass wir es uns zur Ehre gerechnet hätten, einen solchen Mann zu unterstützen?

Aber was hat er erleben müssen?

Lange plagte er sich, nur um die Ausrüstung aufzubringen, immer waren die Geldmittel knapp, und gering war und blieb das Interesse für ihn und sein Unternehmen bei allen – die wenigen ausgenommen, die ihm von jeher nach besten Kräften geholfen hatten. Er selbst opferte alles, was er auf dieser Welt besaß. Aber gerade wie das letzte Mal musste er auch bei dieser Fahrt mit Sorgen und Schulden beladen seine Heimat verlassen, und ebenso wie damals zog er in einer Sommernacht in aller Stille in die weite Ferne.

Es ging dem Herbst zu, da traf eines Tages ein Brief von ihm ein: Um sich das Geld zu verschaffen, das er daheim zu einer Nordpolfahrt nicht hatte bekommen können, wollte er nun zuerst nach dem Südpol! Die Leute waren starr – sie wussten nicht, was sie sagen sollten. Nach dem Nordpol über den Südpol reisen! Dem Plan etwas so Großes und Neues hinzufügen, ohne erst um Erlaubnis zu fragen – das war unerhört! Einige fanden es großartig, anderen kam die Sache zweifelhaft vor, viele schrien, es sei ungehörig, pflichtvergessen – ja Verschiedene wollten sogar, er solle zurückgehalten werden. Aber keine von diesen Äußerungen erreichte ihn. Er hatte seinen Kurs eingeschlagen, er selbst hatte ihn bestimmt, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

Dann wurde die Sache allmählich vergessen, jeder dachte wieder nur an seine eigenen Angelegenheiten. Nebel herrschte; Nebel tagaus, tagein, Woche um Woche, der kleinen Menschen so wohltuende Nebel, in dem alles verschwindet, was groß und hervorragend ist. Da – ganz unerwartet dringt die helle Frühlingssonne durch die Nebelschicht!

Eine neue Botschaft ist da! Die Leute waren wieder starr – sie sehen in die Höhe: Hoch über ihnen glänzt eine Tat, ein Mann – Jubel erfüllt die Herzen; – die Augen leuchten mit den Fahnen um die Wette.

Warum? Wegen der großen geografischen Entdeckungen? Wegen der wichtigen wissenschaftlichen Ausbeute? Ach nein – das kommt erst später und dringt nur zu den wenigen Sachkundigen! Aber das war es, was alle begriffen: Menschengeist und Menschenkraft hatten über Naturgewalt und Naturkräfte gesiegt – dies hebt die Menschen heraus, empor über das Grau des Alltags – es ist ein Ausblick auf schimmernde Fernen mit himmelhohen Bergen, die sich von einem frostblauen Himmel abheben, auf gletscherbedecktes Land von unermesslicher Ausdehnung, ein Märchen aus längst entschwundenen Eiszeiten, der Sieg der Lebendigen über das erstarrte Reich des Todes. Von eisernem, zielbewusstem Manneswillen tönt es – durch erstarrende Kälte, durch Schneestürme und Tod hindurch!

Denn diesen Sieg verdankt man nicht den großen Erfindungen der Gegenwart und den vielen neuen Hilfsmitteln auf allen Gebieten; die Mittel sind uralt, es sind dieselben, die der Nomade schon vor Tausenden von Jahren kannte, als er über Sibiriens und Nordeuropas Schneefelder dahinjagte. Aber alles, das Große und das Kleine, war bis in alle Einzelheiten durchdacht – und der Plan wurde glänzend durchgeführt. Auf den Mann kommt es an; hier wie überall.

Wie alles Große sieht das Vollendete ganz einfach und selbstverständlich aus, man meint: Natürlich, so hat es sein müssen!

Wenn ich von den Entdeckungen der Vorgänger absehe – die selbstverständlich eine notwendige Bedingung zum Erfolg waren –, so erscheint sowohl der Plan als die Ausführung wie eine reife Frucht norwegischen Lebens und norwegischer Erfahrung aus alter und neuer Zeit. Es ist das tägliche Winterleben der Norweger in Schnee und Kälte, unserer Bauern beständiger Gebrauch von Schneeschuhen und Schlitten auf den Bergen und im Walde, unserer Seeleute ergiebige Walfischjagd im Eismeer, unserer Entdecker Reisen in den Polargegenden – dies alles, verbunden mit der Verwendung von Hunden als Zugtiere, ist dem Plan zugrunde gelegt worden und hat dessen Ausführung möglich gemacht, als der rechte Mann kam.

Deshalb, wenn der rechte Mann erst kommt, geht es durch alle Schwierigkeiten hindurch, als seien gar keine vorhanden, jede einzelne ist vorausgesehen und im Geiste schon vorher erlebt worden. Darum komme keiner daher und rede von Glück und günstigem Zufall! Amundsens Glück ist das Glück des Starken, der weisen Voraussicht.

Wie sehr entspricht doch das Telegramm, das er heimgeschickt hat, ihm selbst und der ganzen Fahrt! So einfach und schlicht ist es, als handle es sich um einen Osterausflug ins Gebirge. Er spricht von dem, was erreicht ist, nicht von denen, die sich abgemüht haben. Jedes Wort ist mannhaft! So musste der rechte Mann sein: ruhig und stark.

Noch ist es zu früh, die Tragweite der neuen Entdeckungen messen zu wollen. Aber schon das Telegramm hat den Nebel so weit gelichtet, dass die Umrisse Form annehmen. Sie tauchen schon auf aus dem Nebelheim, diesem Märchenland des Eises, das so ganz verschieden von allen anderen Ländern ist.

In dieser merkwürdigen Eiswelt hat Amundsen seinen eigenen Weg gefunden; von Anfang bis Ende sind er und seine Reisegenossen durch ganz unbekannte Landstrecken auf ihren Schneeschuhen gefahren; es gibt in der Weltgeschichte nicht viele Entdeckungsreisen, auf denen eine so lange noch nie betretene, von keinem menschlichen Auge je gesehene Strecke von Menschenfüßen zurückgelegt worden ist. Die Leute hielten es für selbstverständlich, dass Amundsen nach dem von Shackleton entdeckten Beardmore-Gletscher steuern werde, um auf diesem Weg die hohen Schneegefilde in der Nähe des Pols zu erreichen; denn dort konnte er ja sicher sein, vorwärts zu gelangen. Wir aber, die Amundsen kannten, dachten, es sähe ihm ähnlich, sich gerade von da wegzuwenden, wo andere Leute schon gegangen waren. Und glücklicherweise behielten wir recht. Auf der Hinreise zum Pol fällt Amundsens Weg an keiner einzigen Stelle mit dem englischen zusammen.

Dies ist ein großer Gewinn für die Forschung. Wenn in einem Jahr Kapitän Scott mit allen seinen Entdeckungen und Beobachtungen von der anderen Strecke wohlbehalten zurückkehrt, werden Amundsens Ergebnisse sehr im Wert steigen, weil die Verhältnisse dann von zwei Seiten beleuchtet werden. Gerade der gleichzeitige Vorstoß gegen den Pol von verschiedenen Ausgangspunkten aus war das Günstigste, was der Wissenschaft widerfahren konnte. Das durchforschte Gebiet wird dadurch so viel größer, der Entdeckungen sind es viel mehr, und die Bedeutung der Beobachtungen ist dadurch oft ums Doppelte, ja ums Vielfache größer.

Nehmen wir z. B. die meteorologischen Verhältnisse: Eine Reihe fortlaufender Beobachtungen an einem Ort hat gewiss ihren Wert; wird sie aber gleichzeitig durch die Beobachtungsreihe eines anderen Ortes derselben Gegend ergänzt, so steigt ihr Wert bedeutend und unsere Kenntnisse der atmosphärischen Bewegungen erweitern sich ungemein. Ebenso ist es bei anderen Untersuchungen. Scotts Reise wird sicherlich auf vielen Gebieten eine reiche und wichtige Ausbeute bringen; aber auch der Wert seiner Beobachtungen wird durch die Zusammenstellung mit denen von Amundsen noch vermehrt werden.

Einen wichtigen Anhang zu Amundsens Polarfahrt bildet die Schlittenreise des Leutnants Prestrud und seiner beiden Gefährten, die diese in östlicher Richtung nach dem im Jahr 1902 von Scott entdeckten unbekannten Edward VII.-Land machten. Es sieht fast aus, als hinge dieses Land mit den Ländermassen und mächtigen Gebirgsketten zusammen, die Amundsen in der Nähe des Pols fand; und schon sehen wir neue Probleme aufdämmern.

Aber nicht allein die Reisen über Eisfelder und Hochgebirge sind meisterhaft durchgeführt worden, unser Dank gebührt auch Kapitän Nilsen und seinen wackeren Leuten; sie haben die »Fram« zweimal durch diese südlichen mit Eis erfüllten Fahrwasser geführt, die verschiedene Sachkundige für so gefährlich hielten, dass die »Fram« unmöglich hindurchkommen könnte. Und beide Male wurde die Fahrt mit einer Schnelligkeit und Sicherheit ausgeführt, wie wenn das Schiff eine stehende Straße zurückgelegt hätte. Der Baumeister der »Fram«, der prächtige Colin Archer, kann mit Fug und Recht stolz darauf sein, wie sein »Kind« auch diese Aufgabe gelöst hat – dieses Schiff, das am weitesten nord- und am weitesten südwärts auf unserer Erde vorgedrungen ist. Aber Kapitän Nilsen und seine Leute an Bord der »Fram« haben noch mehr getan, sie haben eine Forschungsreise ausgeführt, die in Beziehung auf wissenschaftlichen Wert allem gleichgestellt werden kann, was ihre Gefährten in der unbekannten Eiswelt erreicht haben, obgleich die meisten Leute wohl nicht imstande sind, das einzusehen. Während Amundsen und seine Genossen den Winter im Süden verbrachten, hat Nilsen mit der »Fram« das Meer zwischen Südamerika und Afrika erforscht. Nicht weniger als sechzigmal haben sie angehalten, um in diesem wenig bekannten Meeresgebiet in einer Tiefe von 1000 und mehr Metern Temperaturmessungen, Wasser- und Planktonproben aufzunehmen. So haben sie gewissermaßen die beiden ersten Querschnitte durch den südatlantischen Ozean gemacht und dadurch der menschlichen Wissenschaft neue Gebiete der unbekannten Meerestiefe erschlossen. Diese durch Lotungen erhaltenen Aufnahmen sind die vollständigsten und längsten, die von irgendeinem Teil des Weltmeeres bekannt sind.

Wäre es unnatürlich, wenn die, die sich so sehr abgemüht und so viel erreicht haben, nun heimkehrten, um auszuruhen? O nein; aber Amundsen denkt an Größeres. Zunächst ist dies getan, nun gilt es, das eigentliche Ziel zu erreichen. Im nächsten Jahr geht es durch die Beringstraße nordwärts in Eis, Kälte und Dunkelheit hinein, quer über das Nordpolarmeer. Die Reise soll fünf Jahre dauern. Das erscheint fast übermenschlich, aber Amundsen ist auch dazu der rechte Mann. Die Hauptforschungsreise, die er jetzt unternehmen will, wird er gerade so sicher durchführen, wie die, von der er eben heimkehrt.

Aber während wir hierauf warten, wollen wir uns einstweilen über das freuen, was erreicht ist. Wir wollen den schmalen Schlittenspuren folgen, die die kleinen schwarzen Punkte – Hunde und Männer – über die endlose weiße Fläche dort im fernen Süden wie einen Schienenstrang mitten ins Herz des Unbekannten hinein gezogen haben. Der Wind jagt mit rastlosem Sausen über diese durch die Schneewüste führenden Spuren hin – bald werden sie ausgelöscht sein.

Aber der Schienenstrang der Wissenschaft ist gelegt, unser Wissen ist bereichert worden.

Und die Tat leuchtet hell für alle Zeiten.

Lysaker, 3. Mai 1912

Fridtjof Nansen

Die Geschichte der Südpolarforschung

Das Leben ist ein SpielballGeworfen vom Zufall

Am 14. Dezember 1911 standen fünf Mann auf dem südlichen Ende unserer Erdachse, sie pflanzten die norwegische Flagge da auf, und gaben dem dortigen Gebiet den Namen des Mannes, für den sie alle mit Freuden Leib und Leben opfern würden, nämlich König Haakon VII.-Land. Nun war also der Schleier für immer gelüftet, und eines der größten Geheimnisse des Erdballs hat aufgehört zu bestehen.

Und weil ich einer von den Fünfen war, die an jenem Dezembertag an dieser Enthüllung teilnahmen, ist es mir zugefallen, die Geschichte des Südpols zu schreiben.

Die Südpolarforschung ist schon sehr alt. Schon ehe unser Begriff von dem Aussehen des Erdballs feste Form angenommen hatte, war mit den Reisen nach südlichen Gegenden begonnen worden. Wohl gelangten nur wenige von den Forschern jener fernen Zeiten bis zu dem Gebiet, das wir jetzt als das antarktische bezeichnen, aber die Absicht und die Möglichkeit der Ausführung waren doch vorhanden und berechtigen zu dem Ausdruck Südpolarforschung. Die treibende Kraft bei diesen Unternehmungen war – wie auch sonst so oft – die Hoffnung auf Gewinn. Herrschsüchtige Persönlichkeiten sahen ihre Besitztümer im Geist vergrößert. Geldgierige Männer träumten von ungeahnten Mengen des verlockenden Metalls. Begeisterte Missionare jubelten laut im Gedanken an die vielen verlorenen Schafe. Den bescheideneren Schluss machte die wissenschaftlich gebildete Welt. Aber – alle haben ihren Anteil erhalten: Politik, Handel, Religion und Wissenschaft.

Zu den Ersten rechne ich die vielen Reisenden, die ohne einen sicheren Begriff von dem Aussehen und den Verhältnissen unserer südlichen Halbkugel den Kurs gen Süden lenkten – komme, was da kommen mag! Mit diesen werde ich mich nur flüchtig beschäftigen, um der anderen Gruppe um so mehr Platz einräumen zu können, nämlich den eigentlichen antarktischen Reisenden, die, mit dem Aussehen des Erdballs vertraut, ihren Kurs über das große Weltmeer nahmen und südwärts fuhren, um das antarktische Ungeheuer – falls es das Glück wollte – mitten ins Herz zu treffen.

Mit Dank und Bewunderung wird man sich immer der ersten Seefahrer erinnern, die mit ihren bescheidenen Seglern in Sturm und Nebel hineinsteuerten und unsere Kenntnis über die Eisländer im Süden erweiterten. Es waren mutige Männer!

Der Anfang war sehr bescheiden, aber allmählich wurde doch viel gewonnen. Eine Länderstrecke nach der anderen wurde entdeckt und der menschlichen Macht unterworfen. – Die Kenntnis von dem Aussehen unseres Erdballs wurde immer größer und nahm festere Formen an, und wir sind diesen ersten Entdeckern für alle Zeiten großen Dank schuldig.

Heinrich, Prinz von Portugal, verdient in erster Linie als Bahnbrecher auf dem Gebiet der allerersten Polarforschung genannt zu werden. Ein ums andere Mal hatte er seine gut geschulten tüchtigen Seeleute auf Entdeckungsreisen ausgeschickt. Seiner unermüdlichen Arbeit verdankt man die erste Kreuzung des Äquators. Diese fand ungefähr ums Jahr 1470 – zehn Jahre nach seinem Tod statt.

Durch Bartholomäus Diaz kam die Welt in der Kenntnis der südlichen Gegenden um einen großen Schritt vorwärts. Er fuhr im Jahr 1487 von Lissabon ab und erreichte die Algoa-Bai in Südafrika. Zweifellos kam dieser furchtlose Seemann auf seiner Reise über den 40. Grad südlicher Breite hinaus – das war ein tüchtiger Sprung in der Richtung der antarktischen Gegenden.

Vasco da Gamas Reise im Jahr 1497 ist zu bekannt, als dass sie weiterer Erwähnung bedürfte.

Dann begegnen wir dem größten Seehelden der alten Zeit, Ferdinand Magellan. Er war von Geburt ein Portugiese, machte seine Reisen aber in spanischen Diensten. Im Jahr 1519 zog er aus. Ihm verdanken wir die Entdeckung der ersten Verbindung zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ozean, der Magellanstraße. So weit südwärts war bis dahin keiner gedrungen – bis ungefähr 52° s. Br. Einem seiner Fahrzeuge, der »Victoria«, gelang es, die erste Weltumsegelung zu vollführen und damit festzustellen, dass die Erde wirklich rund ist. Von dieser Zeit an nahm der Gedanke an die antarktischen Gegenden feste Form an. Etwas musste sich im Süden finden; ob Land oder Wasser, sollte die Zukunft entscheiden.

Im Jahr 1578 stoßen wir zum ersten Mal auf den berühmten englischen Seemann Sir Francis Drake. Obgleich man ihn zu den Seeräubern rechnet, müssen wir ihm für geografische Entdeckungen, die er gemacht hat, doch ein klein bisschen Ehre zuerkennen. Er drang am weitesten gegen Süden vor, erreichte den 57. Grad s. Br. und bewies, dass Feuerland eine bedeutende Inselgruppe und nicht, wie so viele meinten, ein Teil des großen antarktischen Festlands ist.

Im Jahr 1599 wurde die erste wirkliche antarktische Fahrt Tatsache; aber durch einen reinen Zufall. Der Holländer Dirk Gerritsz wollte durch die Magellanstraße einen Plünderungszug nach Indien unternehmen. Nachdem er die Meerenge durchfahren hatte, wurde er auf 50° s. Br. im Stillen Ozean von einem lang andauernden Sturm überfallen und befand sich, er wusste nicht wie, plötzlich auf 64° s. Br. unter einem hohen schneebedeckten Land. Man hat angenommen, dass es Süd-Shetland war. Allerlei widersprechende Berichte von dieser Fahrt haben indes das ganze Unternehmen in ein unsicheres Licht gestellt.

Die Seeleute hatten zu jener Zeit so mangelhafte Hilfsmittel zur Bestimmung der Länge und Breite, dass in Beziehung auf die Lage der von ihnen entdeckten Länderstrecken große Unsicherheit herrscht.

Der englische Astronom Halley unternahm im Jahr 1699 die erste wirklich wissenschaftliche Reise nach dem Süden. Aber von tatsächlicher Bedeutung für die Kenntnis der antarktischen Gegenden wurde auch sie nicht.

Der Franzose Bouvet – 1738 – war der Erste, der eine größere Strecke längs des südlichen Packeises fuhr. Er brachte uns die erste Meldung von einem gewaltigen, oben flachen antarktischen Eisgebirge.

Im Jahr 1756 kehrte das spanische Kauffahrteischiff »Leon« zurück und berichtete von einem schneebedeckten Land auf 55° s. Br. ostwärts von Kap Horn. Wahrscheinlich ist dies das Land, das wir jetzt unter dem Namen Süd-Georgien kennen. Der Franzose Marion-Dufresne entdeckte im Jahr 1772 die Marion- und die Crozetinseln.

Im selben Jahr erreichte Joseph de Kerguelen de Trémarec, auch ein Franzose, die Kerguelen.

Hiermit schließt die Reihe der Forschungsreisen, die ich unter die erste Gruppe rechnen möchte. Die »Antarktika« oder der sechste Weltteil selbst lag noch immer unberührt und unbetreten in der Ferne. Aber menschlicher Mut und Scharfsinn waren nun in voller Tätigkeit, den Schleier zu lüften und die vielen Geheimnisse zu enthüllen, die innerhalb des südlichen Polarkreises verborgen lagen.

Kapitän James Cook, einer der kühnsten und tüchtigsten Seefahrer, die die Welt kennt, eröffnet die Reihe der eigentlichen antarktischen Forscher. Die britische Admiralität schickte ihn mit dem Befehl aus, »das große südliche Festland zu entdecken, oder zu beweisen, dass keines da sei«. Cooks Ausrüstung war für die damalige Zeit ausgezeichnet. Seine beiden Fahrzeuge »Resolution« und »Adventure« waren besonders stark gebaute Schiffe. Da Cook damals schon viel Erfahrung hatte, war er bei der Ausrüstung immer darauf bedacht, nur solche Lebensmittel mitzunehmen, die seiner Ansicht nach am besten geeignet waren, die unheimliche Krankheit, die von jeher der schlimmste Feind der Polarfahrer gewesen ist, den Skorbut, wenn auch nicht ganz auszuschalten, so doch möglichst einzuschränken. In allem zeigt Cook bei der Ausrüstung seiner Schiffe so viel Sorgfalt und Umsicht, dass man gleich die Überzeugung bekommt, dass hier der rechte Mann für das schwierige Unternehmen gefunden worden war.

Die Schiffe verließen Plymouth am 13. Juli 1772. Nach einem kurzen Aufenthalt auf Madeira erreichten sie am 30. Oktober Kapstadt, wo Cook die Nachricht von der Entdeckung der Kerguelen, der Marion- und der Crozetinseln erhielt. Er verließ Kapstadt wieder am 22. November und traf am 10. Dezember in 50° 40’ s. Br. und 20° ö. L. auf das erste Eis in Form eines ungeheuren Eisbergs – einer wirklichen Eisinsel. Die Zahl der Eisberge nahm am nächsten Tage zu, die See ging sehr hoch, und ein von dichtem Nebel begleiteter Sturm machte die Fahrt höchst unbehaglich. An demselben Tag passierten sie die Breite, wo Bouvet Land gesehen zu haben meinte. Aber sie begegneten nur Treibeis und Eisbergen. Später erreichten sie indes auf 59° s. Br. eine östliche Länge von 10°, und da dieser Punkt 500 Kilometer von der Stelle entfernt ist, wo Bouvet Land gesehen zu haben meinte, stellte Cook damit fest, dass das infrage stehende Land – wenn es vorhanden war – jedenfalls nicht mit dem großen südlichen Erdteil zusammenhing.

Am 17. Januar 1773 wurde zum ersten Mal der südliche Polarkreis überschritten; das ist ein großer Merktag in der Geschichte der antarktischen Forschung.

Cook hatte nun alle früheren Forschungsreisenden weit überholt, aber sein Versuch, noch weiter südlich vorzudringen, wurde durch eine ständig zunehmende Menge Eisberge und durch zusammenhängendes festes Packeis vereitelt. Auf 67° 15’ s. Br. und 39° 35’ ö. L. wurde deshalb der Kurs gegen Norden gerichtet. Die Jahreszeit war aber schon so weit vorgeschritten, dass der Gedanke an ein weiteres Vordringen aufgegeben werden musste. Der Kurs wurde indes auf die neu entdeckten Kerguelen, Marion- und die Crozetinseln zur Untersuchung der in diesen Gegenden herrschenden Verhältnisse gehalten. Es gelang Cook – wieder durch eine Wendung nach Süden – in gerader Richtung auf 62° s. Br. und 95° ö. L. (24. Februar 1773) zu beweisen, dass diese Inseln nichts mit dem großen südlichen Festland zu tun hatten.

Von da fuhr er den 60. Breitengrad entlang bis 147° ö. L. (16. März 1773). Nun aber war er ernstlich gezwungen, den Kiel gegen Norden zu wenden. Am 26. März kamen seine Schiffe nach Neuseeland. Am 3. November richtete Cook seinen Kurs wieder südwärts. Der 60. Grad s. Br. wurde auf 177° w. L. gekreuzt, von da auf 62° s. Br. in südöstlicher Richtung weitergesteuert, am 12. Dezember das erste Eis angetroffen und am 20. Dezember auf 147° 30’ w. L. der Polarkreis überschritten. Nach dreitägiger Fahrt innerhalb des Polarkreises steuerten sie gegen Osten, erreichten am 22. Dezember 67° 31’ s. Br. und wurden nun, weil das Wetter zu schlecht und die Anstrengungen zu groß waren, gezwungen, sich wieder gegen Norden zu wenden. Das Schiff hatte am 9. Januar 1774 47° 50’ s. Br. und 123° w. L. erreicht. Auf dieser Strecke gelang es Cook nachzuweisen, dass zwischen Neuseeland oder Kap Horn und der Antarktika keine Verbindung war.

Am 30. desselben Monats erreichte Cook seine höchste Breite 71° 10’ s. Br. und 106° 54’ w. L. Eine fest zusammenhängende Masse Treibeis mit dicken gewaltigen Eisbergen dazwischen verbot jeden Versuch eines weiteren Vordringens gegen Süden. Von da aus wurde gegen Osten und Norden gesteuert. Südlich von Afrika kreuzten sie ihren ersten Weg, und die südliche Erdumsegelung war ausgeführt. Cook hat also bewiesen, dass sich zwischen dem südlichst entdeckten Land – es konnten auch Inseln sein – und der großen geheimnisvollen Antarktika keine Verbindung befindet. Eine großartige Seemannstat war ausgeführt, und mit Recht nennt man Cook den größten Seefahrer seines Jahrhunderts.

Cooks Reisen hatten nicht nur reiche wissenschaftliche Ergebnisse gebracht, sondern sie waren auch wirtschaftlich betrachtet von großer Bedeutung. Seine Erzählung von der ungeheuren Menge Seehunde rings um Süd-Georgien gab den Anstoß zur Aussendung einer großen Zahl englischer Seehundjäger. Im Jahr 1791 befanden sich rings um diese Inselgruppe 102 Schiffe von durchschnittlich 200 Tonnen und einer Gesamtbesatzung von ungefähr 3000 Mann, und der Wert des Fangs betrug in diesem Jahr über 4½ Millionen Mark.

Die nächste wissenschaftliche Forschungsreise in das antarktische Gebiet, die es wohl wert ist, genannt zu werden, ist das russische Unternehmen von Kapitän Fabian Gottlieb von Bellingshausen. Diese Forschungsreise wurde vom Zaren Alexander I. befohlen. Die dabei verwendeten Schiffe waren die Korvette »Wostok« – Bellingshausens Schiff – und »Mirni« von 530 Tonnen, das von Leutnant Lazareff geführt wurde. Das erste hatte 177, das zweite 72 Mann Besatzung. Die Ausrüstung und die Versorgung mit Lebensmitteln waren mit aller Sorgfalt vorgenommen worden. Die Schiffe fuhren am 15. Juli 1819 von Kronstadt ab; am 27. Dezember wurde Süd-Georgien gesichtet; der 60. Breitengrad wurde auf 8° w. L. erreicht. Kein anderes Schiff war je vorher bis in diese Gegenden gedrungen. Am 26. Januar 1820 wurde der Polarkreis überschritten, und am nächsten Tag erreichten sie 69° 21’ s. Br. Dichtes Packeis verhinderte das weitere Vordringen gegen Süden. – Nachdem sie ostwärts, dem Packeis entlang fahrend, an mehreren Stellen in dieses eingedrungen waren, hielten sie den Kurs auf Sidney, wo sie am 29. März 1820 eintrafen. Am 11. November brachen die Schiffe von Sidney wieder auf und erreichten, nach Süden steuernd, am 7. Dezember 60° s. Br. auf 163° ö. L. Etwas über zwei Monate verblieben sie südlich von dieser Breite und legten eine Entfernung von 145 Längengraden zurück. Am 1. Januar 1821 erreichten sie den südlichsten Punkt dieser Reise auf 69° 52’ s. Br. und 92° 10’ w. L. – Auf 69° s. Br. und 90° w. L wurde das erste Land südlich vom Polarkreis entdeckt, die Peter I.-Insel. – Auf 68° 43’ s. Br. und 73° 10’ w. L. entdeckten sie Alexander I.-Land. Am 11. Februar war die Weltumseglung auf dieser hohen südlichen Breite vollendet, und mit Recht wird Kapitän Fabian Gottlieb von Bellingshausen unter die größten antarktischen Forscher gerechnet.

Der nächste Stern am antarktischen Himmel ist der Engländer Kapitän James Weddell. Seine erste Reise unternahm er von Leith aus auf dem Seehundfänger »Jane« von 160 Tonnen. Süd-Shetland wurde genau untersucht und aufgenommen. Er gilt auch als Entdecker der Orkney-Inseln.

Auf seiner nächsten Reise hatte er zwei Schiffe. Er selbst führte den Befehl über das schon auf der ersten Fahrt benutzte Schiff »Jane«, während der Nächstkommandierende, Matthäus Brisbane, den Kutter »Beaufoy«, ein Schiff von 65 Tonnen führte. Am 17. September 1822 wurde die Seereise von England angetreten und am 12. Januar 1823 kamen die Süd-Orkneyinseln in Sicht, auf deren genauere Untersuchung einige Zeit verwendet wurde, am 22. Januar richteten dann beide Schiffe ihren Kurs nach Süden und erreichten am 27. Januar 64° 58’ s. Br. auf 39° 40’ w. L. – Am 4. Februar, als sie 200 Kilometer von der Sandwich-Inselgruppe entfernt waren, entschloss sich Weddell, so weit wie möglich nach Süden vorzudringen. Am 20. Februar 1823 erreichte er die höchste südliche Breite 74° 15’; die frühere höchste Leistung Cooks mit 71° 10’ war also glänzend überholt.

Dann kommen wir zu dem berühmten französischen Seemann Admiral Jules Sébastien Dumont d’Urville. Er verließ Toulon am 7. September 1837 mit den Schiffen »Astrolabe« und »Zélée«. Sie liefen zuerst die Magellanstraße an, wo eine Menge wissenschaftlicher Arbeiten ausgeführt wurde. Im Januar 1838 steuerten sie nach Süden, um in denselben Gegenden, wo Weddell gearbeitet hatte, näher zum Pol vorzudringen, als es bisher irgendeiner Nation gelungen war. – Das Louis-Philippe-Land wurde am 27. Februar 1838 entdeckt und benannt, desgleichen die Joinville-Inseln. Viel mehr wurde in diesem Jahr nicht ausgeführt.

Anfangs 1840 begegnen wir diesen zwei Schiffen wieder in den antarktischen Gewässern. Sie verließen Hobart am 1. Januar und fuhren in südöstlicher Richtung mit dem magnetischen Null-Meridian als Ziel. Die Hauptaufgabe der Forschungsreise war, nach Aussage der Führer, die Untersuchung der magnetischen Verhältnisse in der Nähe des magnetischen Südpols. Am 2. Januar wurde auf 66° 30’ s. Br. und 138° 21’ ö. L. Land entdeckt. Mit Ausnahme von einigen wenigen kahl daliegenden Inseln war es vollständig mit Schnee bedeckt. Es erhielt den Namen Adélie-Land und ein Teil der westlich davon liegenden Eiswand den Namen »Clarie-Küste«. Es ist indes keine Sicherheit vorhanden, dass »Clarie-Küste« festes Land ist.

Weddells »Jane« und »Beaufoy«

Dann taucht wie ein leuchtender Stern der Mann auf, der stets unter die kühnsten Polarforscher und tüchtigsten Seeleute, die die Welt je hervorgebracht hat, gezählt werden wird, Admiral Sir James Clark Ross. Da dieser Seefahrer viel mehr als irgendein anderer den Weg zum Südpol eröffnet hat, finde ich es richtig, ihm eine eingehendere Besprechung zu widmen, als irgendeinem der vorhergehenden Forscher.

Ross wurde am 15. April 1800 zu London geboren. Sein Vater George Ross war Kaufmann daselbst. Im Alter von zwölf Jahren trat James in die Marine ein und diente da bis 1818 unter seinem Onkel Sir John Ross. Im Jahr 1819 begleitete er an Bord der »Hecla« Edward Parry auf dessen berühmter Fahrt zur Auffindung der nordwestlichen Durchfahrt. Acht Jahre lang diente er unter Parrys Kommando und nahm an mehreren arktischen Forschungsreisen teil. Einen tüchtigeren Lehrmeister als Sir Edward Parry hätte Ross nicht bekommen können. 1827 finden wir Ross zum Commander befördert. 1829 begleitete er seinen Onkel John Ross nach dem Norden, um die nordwestliche Durchfahrt zu finden. Auf dieser Reise gelang es ihm, am 1. Juni 1831 den magnetischen Nordpol zu erreichen und dessen Lage festzustellen. 1834 wurde er zum Kapitän befördert.

Im Jahr 1839 übernahm er den Befehl über eine britische Forschungsunternehmung in die Antarktis. Er selbst führte die »Erebus«, während sein alter Schiffskamerad Francis Crozier den Befehl auf der »Terror« erhielt.

Die »Erebus« war 370 Tonnen groß und ursprünglich dazu bestimmt, Bomben in weite Entfernungen zu schießen. Sie war deshalb außerordentlich stark gebaut. Die »Terror« mit 340 Tonnen war vorher im arktischen Fahrwasser verwendet und aus diesem Grund früher schon verstärkt worden. Alle nur möglichen Vorsichtsmaßregeln wurden bei der Versorgung der Schiffe mit Lebensmitteln beobachtet. Ross hatte mehr als einmal im Kampf mit dem Skorbut gestanden und wusste wohl, welch schrecklicher Feind er war. Alle in Dosen verlöteten Lebensmittel wurden einer gründlichen Untersuchung unterworfen, ehe sie für gut anerkannt wurden. Eine große Menge Gemüse wurde mitgeführt. Die persönliche Ausrüstung der Leute war die beste, die aufzutreiben war. Dem Einzelnen wurde nicht überlassen, sich selbst seine Ausrüstung zu wählen, alles wurde untersucht und von dem Führer selbst bestellt, sodass er genau wusste, was er an Bord hatte. Jedes Schiff hatte eine 64 Mann starke Besatzung, außerdem einen Stab der angesehensten Fachgelehrten.

Nachdem die »Erebus« und die »Terror« am 30. September abgesegelt waren, verloren sie einander schon nach wenigen Tagen in einem Sturm. Die »Erebus« traf am 20. Oktober vor Madeira ein und vier Tage später auch die »Terror«. Am 13. November erreichten beide Schiffe die Kapverdischen Inseln, wo eine Woche auf magnetische Beobachtungen verwendet wurde. Danach wurden Landungen auf St. Paul und Süd-Trinidad vorgenommen. Auf dem ganzen Weg wurden Lotungen und Untersuchungen des Meerwassers gemacht. Am 31. Januar 1840 ankerten beide Schiffe auf der Reede von St. Helena.

Auf dem Weg nach dem Süden wurden sie aufs Neue getrennt, trafen aber am 14. Mai im Weihnachtshafen auf der Kerguelen-Insel wieder zusammen, wo während der nächsten zwei Monate magnetische Beobachtungen vorgenommen wurden. Am 20. Juli war diese Arbeit vollendet, und die Schiffe verließen ihren Ankerplatz. Doch bald wurden sie durch furchtbare Stürme mit schwerer See voneinander getrennt, und erst am 16. August trafen sie wieder in Hobart zusammen.

Während sich Ross dort aufhielt, bekam er Nachricht von dem, was Dumont D’Urville gerade in den Gegenden, zu deren Erforschung er von der Admiralität ausgeschickt worden war, geleistet hatte. Auf diese Nachrichten hin änderte Ross seinen Plan und beschloss, dem 170. Grad ö. L. entlang zu fahren, um womöglich den magnetischen Pol zu erreichen.

Hier hatte wieder einmal der Zufall geherrscht. Hätte Ross diese Aufklärungen nicht erhalten, so hätten möglicherweise die epochemachenden geografischen Entdeckungen seiner Fahrt noch viele Jahre auf sich warten lassen.

Am 12. November machten sich die Schiffe auf ihren Weg nach Süden.

Bei Auckland wurde haltgemacht und ein magnetisches Beobachtungshaus errichtet. Bei der Campbell-Insel wurde auch kurze Zeit angehalten, um wissenschaftliche Untersuchungen vorzunehmen. Am 17. Dezember verließen die Schiffe diese Insel und nahmen den Kurs nach Süden. Dem ersten Eisberg begegneten sie auf 63° 20’ s. Br.

Am Silvesterabend tauchte ein langer, dünner weißer Streifen am Horizont auf, und bald ward ihnen klar, dass sie das Packeis vor sich hatten. Am Neujahrsfest 1841 wurde der Polarkreis überschritten. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern sah Ross im Treibeis nicht einen höchst gefährlichen Feind, zu welcher Ansicht die früheren Unternehmungen bei ihren schwachen, schlechten Schiffen ja kommen mussten. Er hatte zwei starke Schiffe, und so konnte er das Eis als einen achtungswerten Gegner betrachten, mit dem er freudig den Kampf aufnahm. Am 5. Januar ging er zu Werke und drang mit seinen zwei Segelschiffen in das Packeis ein – ein Versuch, den noch keiner gewagt hatte. Nach etwa eine Stunde andauerndem Stoßen und Rammen in dem schweren, dicken Treibeis gelang es ihm, in eine Reihe kleiner offener Stellen, die durch schmale Kanäle verbunden waren, hineinzukommen.

Auf 66° 55’ s. Br. und 174° 34’ ö. L. war um die Mittagszeit kein offenes Meer mehr zu entdecken. Überall nichts als Eis. Durch lange schmale Kanäle drängte Ross sich hindurch, allerdings nicht ohne viele kräftige und heftige Stöße von dem derben Packeis aushalten zu müssen. Ganze Scharen von Pinguinen begleiteten die Schiffe auf ihrem Weg. Nicht lange danach begann der dunkle Wasserhimmel im Südosten sichtbar zu werden, zugleich aber verdichtete sich das Eis ringsum, sodass man nur sehr langsam vorwärtskommen konnte. Aber unter Anwendung jeglichen Mittels gelang es ihnen doch, am 9. Januar um fünf Uhr nachmittags in das offene Meer gegen Süden zu gelangen.

Ross hatte damit das Rossmeer erreicht, und die kühnste Fahrt, die wir in der antarktischen Forschung wohl kennen, war ausgeführt.

Wenige Menschen verstehen heutzutage diese Heldentat, diesen glänzenden Beweis echten Mannesmuts und hoher Tatkraft richtig zu schätzen. Mit zwei schwer zu regierenden Schiffen – reine »Kästen« nach unseren Begriffen – fuhren diese Leute mitten ins Herz des Packeises hinein, was alle Polarfahrer bisher für den sicheren Tod erklärt hatten.

Nun wurde der Kurs auf den magnetischen Pol gerichtet, und die Hoffnung, bald dorthin zu gelangen, glühte in aller Herzen. Da – gerade, als sie sich an den Gedanken gewöhnt hatten, vielleicht bis zum magnetischen Pol offenes Meer zu haben – wurde vom Mastkorb gemeldet: »Hohes Land gerade voraus!« Das erste Land, das sie zu Gesicht bekamen, war volle 100 Kilometer entfernt, und dies überzeugte sie sogleich, dass sie es mit einem gewaltigen Gebirgsland zu tun hatten. Je näher sie ihm kamen, desto höher wurde es, und allmählich traten die prächtigen Zacken und Gipfel deutlich hervor. Ein in der neuen Küstenlinie stark hervorspringendes Vorgebirge erhielt den Namen »Kap Adare« – ein Name, der später in der antarktischen Forschung oft genannt wird.

»Erebus« und »Terror« im Packeis

Welch ein Märchenland muss das für die ersten Reisenden, die es erblickten, gewesen sein! Gewaltige Gebirgsketten, teils schneebedeckt, teils ganz kahl – hoch und gezackt, wild und zerrissen, mit Gipfeln, die eine Höhe von 2000–3000 Metern erreichten!

Die magnetischen Beobachtungen ergaben, dass der magnetische Pol 900 Kilometer entfernt liegen musste – weit drinnen hinter den schneebedeckten Gebirgskämmen. – Am Morgen des 12. Januar waren die Schiffe ganz dicht bei einer kleinen Insel angekommen: Ross ruderte mit einigen Begleitern hinüber und nahm das Land in Besitz. Die Insel bekam den Namen Possession-Insel. Ihre Lage ist 71° 56’ s. B. und 171° 7’ ö. L. Das Hauptland selbst konnten sie wegen des dichten Treibeisgürtels, der längs der Küste lag, nicht erreichen. Ein furchtbarer Sturm zwang sie, wieder das Weite zu suchen. Der hohe Seegang, so unbehaglich er auch war, wurde von den Mitgliedern der Expedition doch mit Freuden begrüßt, denn er war ein Zeichen, dass das Meer offen war und das Vordringen wahrscheinlich leicht sein würde.

Am 14. hatte sich das Wetter so weit aufgehellt, dass sie wieder auf das Land zusteuern konnten. Nun wurde ihnen zum ersten Mal ein wunderbarer Anblick zuteil – die mächtige Gebirgskette, die sich südwärts vom Kap Adare mit Gipfeln von 3600 bis 4200 Metern erstreckt.

Die Schiffe arbeiteten sich beständig weiter nach Süden vor.

Am 28. wurden zum ersten Mal die beiden hohen Berggipfel gesehen, die nach den Schiffen »Erebus« und »Terror« genannt wurden. Beide sind Vulkane, Ersterer 3890 Meter hoch, war gerade in Tätigkeit: Schwarzer mit Flammen vermischter Rauch stieg zum Himmel empor. Dieses lodernde Feuer, mitten in der kalten erstarrten Landschaft, muss ein wunderbar schöner Anblick gewesen sein. Kapitän Scott benannte später die Insel, auf der die Berge »Erebus« und »Terror« liegen, dem kühnen Schiffer zu Ehren »Ross-Insel«.

Groß waren natürlich die Hoffnungen an Bord. Waren sie nun so weit nach Süden gelangt, so gab es wohl keine Grenze mehr für das weitere Vordringen. Aber hier geschah das, was schon so oft vorher geschehen war. Die Erwartungen wurden getäuscht. Frei von der Rossinsel – und so weit das Auge gen Osten reichte – erstreckte sich eine hohe, undurchdringliche Eismauer*. »Durch diese Eismauer hindurchzudringen war ebenso unmöglich, wie durch die Klippen bei Dover hindurchzukommen«, sagt Ross bei ihrer Beschreibung. Alles, was getan werden konnte, war, zu versuchen, darum herumzukommen. Und nun begann die erste Untersuchung der Wand der großen antarktischen Eisplatte, die später den Namen Rossplatte** erhielt.

Die Kante der Eisplatte unter 78° 15’ s. Br.

Die magnetischen Beobachtungen stellten fest, dass der magnetische Pol im Norden und Westen der großen Wand lag, und die einzige Möglichkeit war nun, dieser zu folgen und zu sehen, ob sie vielleicht weiter ostwärts gegen Süden abbiege und sich dadurch noch einmal die Möglichkeit einer freien Fahrt nach Süden ergebe. Die Schiffe näherten sich der Wand, so weit sie es wagen durften – bis auf 7 bis 9 Kilometer – und fuhren ihr entlang nach Osten. Ross sagt, die Eismauer sei an dieser Stelle 60 bis 90 Meter hoch gewesen und habe eine vollständig ebene Oberfläche gehabt. Fünf Tage lang wurde die Fahrt in östlicher Richtung fortgesetzt. An einzelnen Stellen schien die Wand bis auf den Meeresgrund zu reichen. An anderen Stellen wieder war sie deutlich schwimmend. Und daher kamen auch die vielen großen Eisberge, die ab und zu vorbeitrieben – schöne Erscheinungen, aber gefährliche Nachbarn.

Am 2. Februar fuhren beide Schiffe dicht an die Wand heran. Sie erreichten ihre höchste Breite auf dieser Fahrt, nämlich 78° 4’ s. Br. und waren da längs der Wand 460 Kilometer ostwärts gefahren. Den östlichsten Punkt erreichten sie am 5. Februar unter 167° w. L. Jede Bemühung, noch weiter gegen Osten vorzudringen, war vergeblich, und so waren sie gezwungen zu wenden, um noch einmal zu versuchen, ob es irgendeine Möglichkeit gebe, den magnetischen Pol zu erreichen. Aber sie mussten dies Unternehmen wegen der vorgerückten Jahreszeit bald aufgeben. So wurde nördlicher Kurs genommen, und am 6. April 1841 hatten sie die Freude, wieder in die bekannten tasmanischen Gewässer einzulaufen.

Am 23. November 1841 ist Ross wieder auf der Fahrt nach dem so heiß ersehnten Süden, in der Absicht, jetzt einen Weg zu finden, der von dem östlichsten Punkt der vorhergehenden Reise in östlicher Richtung nach dem Eisrand führe.

Auf 58° s. Br. und 146° w. L. erschien das erste Eis. Nun wurde in gerader Richtung nach Süden gefahren, bis man am 18. Dezember unter 60° s. Br. auf Packeis stieß.

Aber in diesem Jahr war das Vorwärtskommen bei Weitem nicht so leicht wie im vorhergehenden. Am Neujahrsfest 1842 überschritten sie den Polarkreis, wurden aber schon am 10. Januar von wilden Stürmen und der sehr heftigen Strömung auf 65° 59’ s. Br. zurückgeworfen. Während eines langen unfreiwilligen Aufenthaltes im Treibeis setzte Ross unverdrossen seine wissenschaftlichen Arbeiten fort und benutzte jede Gelegenheit, seine Ausbeute auf diesem Gebiet zu vermehren; ganz besondere Aufmerksamkeit widmete er den magnetischen Untersuchungen.

Endlich, am 26. Januar, nahm das Eistreiben etwas ab, und die Schiffe konnten bei einer nördlichen Brise den Kurs nach Süden richten. Eine am 28. Januar vorgenommene Beobachtung ergab 67° 39’ s. Br. und 155° w. L. Welch eine niederdrückende Nachricht muss das gewesen sein! Nachdem sie sich durch 1500 Kilometer Eis hindurchgeschafft hatten, befanden sie sich nur einen halben Grad südwärts von dem Punkt, den Cook, ohne Eis anzutreffen, erreicht hatte.

Ross blieb nichts übrig, als sich in südwestlicher Richtung durchzuzwängen, denn nach dieser Seite glaubte er, eine schwache Andeutung von offener See wahrzunehmen.

Am 1. Februar wurde der Wasserhimmel größer und deutlicher, und in dem Augenblick, wo die Nacht hereinbrach, war das offene Rossmeer erreicht.

Jetzt war es ihre Aufgabe, gegen Süden und Osten vorzudringen, um den Eisrand östlich von der Stelle, wo sie ihn im vorigen Jahr verlassen hatten, wieder zu erreichen.

Am 22. Februar kam bei einer guten nördlichen Brise die Eiskante in Sicht. Sofort wurde nach Osten gehalten, und die Hoffnung, die östlichste Spitze des Eisrands und damit den offenen Weg nach Süden zu erreichen, flammte wieder in den Herzen auf. Aber diese Fahrt war nicht von sehr langer Dauer; altes und junges zu einem undurchdringlichen Ganzen zusammengefrorenes Eis versperrte den Weg vollständig und zwang Ross, endgültig umzukehren.

Hier hat Ross seine höchste Breite 78° 9’ 30” und seine größte östliche Länge 161° 27’ w. L. erreicht. Der Eisrand war an dieser Stelle ungefähr 30 Meter hoch. Er strich nach Nordosten und erreichte an einzelnen Stellen nur 24 Meter, sodass man da zum ersten Mal vom Gipfel des Mastbaums aus gut über den Eisrand hinwegsehen konnte.

Am 17. Dezember 1842 begibt sich Ross auf seine dritte und letzte antarktische Fahrt.