Die Exotin - Barbara Brolli - E-Book

Die Exotin E-Book

Barbara Brolli

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Beschreibung

"Ist Zeit keine Konstante mehr, wirst du begreifen was Chaos ist." Auf der Suche nach Aufklärung der Geheimnisse, die sich um ihren verschollenen Vater ranken, gerät Leylas Welt vollkommen aus den Fugen. Was hat es mit der aufgelassenen Fabrik auf sich, die sich im Familienbesitz befindet? Wer ist Juno und was verbirgt er? Muss Leyla ihr Verständnis für das Übernatürliche grundlegend ändern? Die Fragen vervielfachen sich, doch sie ahnt nicht, welch erschreckende Wahrheit sich hinter deren Antwort verbirgt.

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Für dich, Esther.

Du bist Licht.

Missmutig kickte Leyla einen Kieselstein weg. Das Geräusch des am Boden aufschlagenden Steines wurde von den Wänden zurückgeworfen. Es war furchtbar langweilig. Wozu bestand dieses Verbot, wenn es hier nichts gab, das es rechtfertigen würde? Deswegen hatte sie die Schule geschwänzt? Um nun im Halbdunkel in diesen leeren Hallen herumzuwandern? Ihr Vater hatte ihr immer wieder eingebläut, dieser Fabrik nicht zu nahe zu kommen. Und wofür der ganze Aufwand? Für einen Haufen Dreck, Schutt und Müll. Mehr gab es hier nämlich nicht zu finden.

Leyla schüttelte den Kopf: „Verrückter alter Mann!“

Bei diesem Gedanken spürte sie sofort wieder den inzwischen schon vertrauten Druck in der Brust. Seine streng blitzenden Augen kamen ihr in den Sinn. Würde sie diese mit der Zeit vergessen? Vergessen wie er war?

Wütend trat sie wieder gegen einen Stein. Genau wegen dieser Gedanken hatte sie heute eigentlich frühzeitig die Schule verlassen. Sie wollte sich ablenken, aber diese düsteren Hallen taugten dazu nicht. Hier wusste sie genauso wenig mit sich anzufangen wie im Klassenzimmer.

Irgendwo quiekte eine Ratte. „Widerliche Dinger!“ Am Weg hierher war sie einigen begegnet. Sie sollte hier verschwinden, zurückgehen und hoffen, dass ihr das inzwischen verhasste Zuhause Ablenkung brachte.

Sie schnaubte.

Ablenkung? Was sollte Zuhause auf sie warten? Leere Räume und noch mehr Langeweile. Seit ihr Vater spurlos verschwunden war, versprach ihr das Haus nichts mehr außer schmerzvolle Erinnerungen.

„Reiß dich zusammen“, befahl sie sich laut, als die Leere wieder in ihr Herz kriechen wollte.

Irgendetwas musste es hier doch geben. Sie war sich wie eine Verbrecherin vorgekommen, als sie über den Zaun geklettert war, der unmissverständlich klarmachte, dass der Zutritt zu diesem alten Fabrikgelände verboten war. Warum hatte ihr Vater immer so ein Geheimnis daraus gemacht, was sich hier befand? Hätte er ihr einfach gesagt, dass es sich schlicht und ergreifend um eine Menge ungenützten Platzes handelte, hätte sie vielleicht nicht so viel Mühe aufgebracht, um hier einzubrechen. Obwohl „einbrechen“ vielleicht nicht das richtige Wort war, denn dieses Gelände hatte immerhin ihrem Vater gehört und wenn all die rechtlichen Streitigkeiten und Behördengänge erledigt waren, würde all das hier vermutlich ihr gehören.

Wieder schnaubte sie.

Damit hatte sich der Berg an Müll, den sie verkaufen musste, wieder erhöht. Und diese alte Fabrik würde bei weitem nicht so rentabel für sie sein wie einige andere Besitztümer.

Aber was scherte es sie?

Eigentlich war es ihr egal, was mit all dem geschah. Um nichts wollte sie sich mehr kümmern. Sollten sich die Makler und Firmenheinis doch an den Überresten des Besitztums des großartigen Mr. Sways laben und sie damit in Ruhe lassen. Leyla interessierte sich nicht für das Eigentum, das ihrem Vater so wichtig gewesen war, und hatte kein schlechtes Gewissen dabei alles zu verscherbeln. Immerhin hatte er sich aus dem Staub gemacht, nicht sie.

Ablenkung war die Devise. Das würde ihr aber bestimmt nicht gelingen, wenn sie jetzt in einer düsteren Halle über die Beweggründe ihres vermeintlichen Vorzeigevaters sinnierte. Also versuchte sie die Gedanken zu verscheuchen und konzentrierte sich wieder auf ihre Umgebung. Es war eine große Halle und es war nur eine von mindestens fünfzehn gleichartigen. Was war hier eigentlich hergestellt worden? Es war verwunderlich, wie wenig sie über den Besitz ihrer Familie wusste. An der Ausstattung war schwer zu erkennen, was der Zweck der Halle war, denn es gab schlichtweg keine. Die kleinen Fenster, die ganz oben unter dem Dach eingebaut waren, ließen beinahe kein Licht durch, so verstaubt waren sie. An der Decke war ein Netz aus Trägern angebracht, vermutlich hatte es hier ein Kransystem gegeben. Einige blaue Tonnen standen an den Wänden und im Boden waren alte Schienen angebracht, die beinahe nicht mehr zu erkennen waren unter all dem Dreck. Wie lange standen diese Gebäude eigentlich schon leer? Es gab, soweit sie das erkennen konnte, drei Zugänge: zwei kleinere Türen ‒ durch eine der beiden war sie bereits eingetreten ‒ und ein großes Schiebetor. Alles in allem sah diese Halle, abgesehen von einigen kleinen Abweichungen, den anderen beiden, die sie schon inspiziert hatte, sehr ähnlich.

Leyla beschloss, durch die andere Türe hinauszugehen und sich noch eine weitere Halle anzusehen. Danach würde sie sich auf den Heimweg machen.

Sie ging zur gegenüberliegenden Wand. Über der Tür war ein verstaubtes Exit-Schild angebracht. Die Schnalle ließ sich ganz einfach betätigen und schon stand sie wieder im Freien.

Es war kein schöner Tag, sondern ein typischer Novembertag, den man eigentlich auf der Couch verbringen sollte. Die Sonne hatte sie eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen und dieser Nieselregen hielt sich nun schon seit Tagen.

Leyla rümpfte die Nase und zog den Reißverschluss ihrer Jacke bis zur Nasenspitze hoch. Der Wind, die Nässe und die Kälte stachen unangenehm auf ihrer Haut.

Auch hier draußen ließ nichts darauf schließen, warum ihr Vater immer so ein Geheimnis aus dieser Anlage gemacht hatte. Verschiedene Straßen zogen an den Gebäuden vorbei, die mit Sicherheitsstreifen in diversen Farben bemalt waren. Links und rechts der Straßen standen große Scheinwerfer, die wohl auch das Arbeiten bei Nacht ermöglicht hatten. An den Außenwänden der Hallen standen riesige, leere Regale, die teilweise schon schief hingen und den Eindruck machten bald zusammenzubrechen.

Warum waren diese Hallen nicht abgetragen und das Gelände für etwas Nützliches verwendet worden, wenn sie offensichtlich nicht mehr gebraucht wurden? Die Natur holte sich langsam zurück, was ihr gehörte. Pflanzen durchbrachen den Asphalt und Efeu und andere Gewächse rankten sich an den Gebäuden empor. Es war doch umweltschädigend das Ganze hier sich selbst zu überlassen. Allerdings war Leylas Vater Zeit seines Lebens nicht gerade für seine Leidenschaft für gemeinnützige Projekte bekannt gewesen.

„Pah! Zeit seines Lebens“, rief Leyla aus. Da ertappte sie sich selbst dabei, ihren Vater für tot zu halten – wieder diese schmerzhafte Traurigkeit.

Verlassen hatte er sie. Nicht mehr und nicht weniger. Vermutlich saß er irgendwo in der Karibik und genoss es, sich nicht mehr um den geschäftlichen Kram kümmern zu müssen. „Ja, er war ein außergewöhnlicher Geschäftsmann gewesen.“

Wieder korrigierte Leyla ihre Gedanken. „Ja, er war ein außergewöhnlicher Geschäftsmann.“ Erfolgreich, einige würden sagen skrupellos. Er hatte ihr immer gesagt, dass man keine Opfer scheuen sollte, wenn man etwas erreichen wollte. Für ihn hatte das ja vielleicht gegolten, aber Leyla war der Reichtum in die Wiege gelegt worden. Sie könnte darauf aufbauen, hätte sie bloß Interesse daran gehabt!

Aber zum Leidwesen ihres Vaters machte sie sich nichts aus solchen Belangen. Ihre Mutter war stolz auf sie gewesen, bevor sie starb. Sie hatte Leylas innere Werte geschätzt. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals.

Na toll, was war das für ein frustrierender Tag? Schuld daran war bestimmt das Wetter. Wenn sie mal wieder die Sonne sehen könnte, würde es ihr bestimmt gleich besser gehen. Vielleicht sollte sie sich einfach in ein Flugzeug setzen und sich eine Auszeit nehmen. Das klang doch nach einem guten Plan. Die Schule würde sie dieses Jahr sowieso nicht mehr abschließen können. Sie würde die Klasse wiederholen müssen, falls sie darauf dann überhaupt noch Wert legte.

Bestimmt frustrierte sie auch dieses verödete Gelände. Sie hatte sich darauf gefreut, hierher zu kommen und endlich das sagenumwobene Geheimnis der Fabrik zu lüften. Und nun? Sie stand hier inmitten eines großen Haufens Schutt, mehr nicht.

„Eine Halle noch“, wiederholte sie den Gedanken von vorhin laut. Wann hatte sie eigentlich begonnen, mit sich selbst zu sprechen? Sie sollte unbedingt wieder mehr unter Leute gehen.

Sie zuckte die Schultern und machte sich auf den Weg zum nächsten Bauwerk. Sie musste nur die löchrige Straße überqueren und schon stand sie vor dem Tor der nächsten Halle. Der grüne Lack blätterte schon ab und man konnte den Rost darunter gut erkennen.

Plötzlich sah sie aus den Augenwinkeln ein Flackern, hell wie ein Lichtkegel. Was war das?

Schnell drehte Leyla den Kopf. Aber sie sah nichts, was ein helles Aufscheinen erklärt hätte. Weit und breit nur totes Gelände. Wurde sie jetzt verrückt? Alles lag still und dunkel vor ihr. Das war lächerlich, sie wünschte sich so sehr eine Überraschung, ein Abenteuer, eine Ablenkung, dass ihr Unterbewusstsein ihr jetzt schon irgendetwas vorgaukelte. Außerdem, was hatte sie sich erwartet? Dass das Gelände nicht so leer war, wie es schien? Dass eines der Gebäude als Drogenküche diente oder sie vielleicht einen Mord aufdecken könnte? Sie war nicht Sherlock Holmes und das hier war nicht Breaking Bad. Es war nur ihr langweiliges Leben und das dazu passend langweilige Fabrikgelände.

Schulterzuckend zog sie an der Tür. Auch diese hier ließ sich leicht aufziehen, quietschte nicht und verschaffte ihr ohne weitere Probleme Zutritt zur nächsten Halle. Leyla trat ein und rümpfte die Nase. Es roch verbrannt. Also doch Obdachlose, die sich hier vielleicht ein Feuer gemacht hatten? Es war zwar schwierig, in das Gelände einzudringen, aber nicht unmöglich, wie sie gerade selbst bewiesen hatte. Aber es war niemand hier, das spürte sie deutlich. Es war zwar zu dunkel, um den ganzen Raum erfassen zu können, aber die Stille war bedrückend und nichts schien den Brandgeruch erklären zu können. Der Boden war ‒ wie auch in den anderen Hallen ‒ beinahe vollkommen leer. Außer dem Schmutz, waren nur in die Wände eingelassene Haken und Regale zu finden, die vermutlich zur Werkzeugaufbewahrung gedient hatten. Als sie voran schritt, konnte sie einige Schatten und Umrisse erkennen. Beim genaueren Hinsehen stellte sich heraus, dass hier doch noch einiges mehr als zuerst vermutet zu finden war. Im hinteren Bereich waren uralt wirkende Öfen in den Wänden verbaut. Sogar ein paar Ambosse konnte Leyla jetzt ausmachen. Aber wozu all diese Geräte? Dass ihr Vater mit Metallverarbeitung zu tun gehabt haben sollte, konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen. Er machte seine Geschäfte vorwiegend in der Lebensmittelbranche.

Hatte gemacht, sagte die gemeine Stimme in ihrem Kopf. Naja, dann hatte er eben vor Urzeiten eine Metallbearbeitungsfirma betrieben. Aber das war doch kein Grund für so eine Geheimniskrämerei! Außer natürlich, es wären illegale Geschäfte damit verbunden gewesen. Wer wusste schon, wie er den Einstieg ins erfolgreiche Geschäftsleben geschafft hatte. Auch wenn sie ihn liebte, als ihren Vater, der er nun mal war, … zuzutrauen wäre es ihm ja.

Der Boden knarrte unter ihren Schuhen. Sie ging zu einem der Ambosse. Der Dreck lag fingerdick auf dem dunklen Metall, das immer noch Gebrauchsspuren zeigte.

Ohne zu überlegen hob sie die Hand und strich mit dem Finger über das schwere Metall. Sofort war er rußschwarz. Was hatte sie sich erwartet? Kopfschüttelnd wischte sie sich den Finger an ihrer dunklen Hose sauber. Sie bückte sich und schnupperte am Schmiedeblock. Nichts. Es roch höchstens eine Spur nach Eisen. Leyla richtete sich wieder auf und ging weiter in die Halle hinein. Auch hier waren eine Vorrichtung für einen Kran unter der Decke, sowie Schienen am Boden angebracht. Ansonsten nichts Verwunderliches.

Nur dieser Geruch nach Verbranntem.

Am Ende des Raumes war ein großer Ofen aufgebaut. Er nahm beinahe die ganze Breite der Halle ein und schien durch die Decke weiter nach oben zu führen. Von außen hatte sie das gar nicht bemerkt. Je weiter sie sich dem Ofen näherte, desto stärker wurde der Geruch. Aber daran konnte es nicht liegen, denn er stand natürlich unbenutzt da, kein Anzeichen von einem Feuer. Suchend blickte sie sich um. Irgendwo musste es hier eine recht frische Feuerstelle geben, ein kleines Lagerfeuer oder dergleichen. Aber so sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte nichts erkennen. Also ging sie weiter zum Ofen. Die Neugierde hatte sie gepackt. Es gab bestimmt eine einfache Lösung für dieses Rätsel und sie wollte dahinter kommen. Als sie das Befeuerungsgerät erreicht hatte, hob sie abermals die Hand. Kurz zögerte sie. Warum, konnte sie sich nicht erklären. Das war doch lächerlich! Sie strich über das große Ofentor.

Ein Schmerz zuckte durch ihren Körper. Auf ihrer Haut brannte es fürchterlich. Es war kaum zu ertragen. Schreiend zog sie die Hand zurück und warf bestürzt einen Blick darauf.

Da war nichts.

Keine Verbrennung, keine Wunde, nichts! Ihre Haut spannte sich ganz normal über ihr Fleisch und auch vom Schmerz war nichts mehr zu spüren. Wie konnte sie sich eine so grauenhafte Hitze nur einbilden? Es hatte nicht länger als einen Augenblick gedauert, aber so extrem konnte ihre Fantasie doch nicht mit ihr durchgehen. Sie war doch imstande, Vorstellung und Realität auseinanderzuhalten?

Unschlüssig hob sie die Hand erneut zur Tür. Einige Zentimeter davor hielt sie inne. Keine Wärme. Nur ein kalter Ofen. Sie zog den Ärmel nach vorne und berührte die Tür ganz kurz mit dem Stoff. Nichts. Er wurde nicht versengt oder verkohlt. Nun etwas mutiger streifte sie den Ärmel wieder hinauf und tippte die Ofentür ganz kurz an. Wie gehabt: kühl und schmutzig. Es war ein großer Riegel angebracht, der sich ganz einfach zur Seite schieben ließ. Die Tür quietschte laut, als sie es aufzog. Sie schnupperte zuerst hinein. Nichts. Überhaupt fehlte der penetrante Geruch von vorhin nun vollkommen. Leyla steckte den Kopf in den Ofen.

„Hallo“, rief sie hinein und fragte sich im selben Moment, was sie eigentlich ritt. Hier war nichts, außer schon jahrzehntelang erkaltete Asche und Ruß. Langsam aber sicher verlor sie scheinbar den Verstand. Sie irrte wie eine Blöde im Gelände herum, obwohl es eindeutig nichts Aufregendes gab, außer dass ihre Fantasie aus Langeweile mit ihr durchging. Sie zog sich wieder aus dem rußschwarzen Ofen zurück, ließ die Tür offen, drehte sich um und schrie.

Einige Meter vor ihr stand ein kleines Wesen. Es reichte ihr gerade mal bis zu den Hüften, so klein war es. Seine Haut, falls man es so nennen konnte, glänzte, war glatt und schien steinhart zu sein. Es trug abgewetzte Kleidung, die teilweise verkohlt war. Darüber eine Lederschürze, die vielleicht einmal braun gewesen, aber nun über und über mit Ruß beschmutzt war. Das Gesicht wirkte befremdlich: der Mund war viel zu groß, die Augen zu klein und standen zu weit auseinander. Leyla hätte ihn für eine Metallfigur gehalten, hätte er nicht seine Hände vors Gesicht geschlagen und einen schrillen Ton von sich gegeben. Oder war es nur ihr eigener Schrei, den sie vernahm?

Ein Augenblinzeln später war der Spuk vorbei. Nichts und niemand stand vor ihr. Sie war allein. Nur ihre eigene laute Stimme hallte noch nach.

Panisch schüttelte sie den Kopf. Ihr Atem war unnatürlich laut und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie konnte sich nicht erklären, was sie da gerade gesehen hatte. Was geschah mit ihr? Sie wurde wohl verrückt.

Zögernd ging sie einen Schritt auf die Stelle zu, an der sie das Wesen gesehen hatte. Schrill fing sie an zu lachen. Das Wesen? Da war nichts. Noch einen Schritt, und noch einen, und sie befand sich genau dort. Sie hob ihre zitternde Hand und fuhr durch die Luft. Da war natürlich nichts.

Sie wurde eindeutig verrückt. Konnte ein Mensch etwa nur eine gewisse Menge an Trauer und Enttäuschung verkraften? Wurde man wahnsinnig, wenn man diese Grenze überschritt? Was tat sie hier eigentlich? Es war doch nicht normal für ein Mädchen ihres Alters, allein in einem alten Fabrikgelände herumzustreunen. Sie verlor langsam den Verstand und hatte es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal gemerkt. Immer weiter hatte sie sich abgekapselt und nun zeigten sich die Auswirkungen ihrer Einsamkeit. Panik stieg in ihr hoch. Sie hatte Wahnvorstellungen: „Verdammt noch einmal!“ Wie weit war ihre psychische Erkrankung schon fortgeschritten? Was war real und was nur Einbildung? Sie musste hier weg und schleunigst wieder unter Leute.

Rasch durchschritt sie die Halle. Die Tür war schnell erreicht und aufgezogen. Kühle Luft schlug ihr entgegen. Der Nieselregen half ihr zusätzlich, wieder etwas klarer zu denken. Sie drehte sich zur Seite und beschloss, gleich der Straße zu folgen. Das war der schnellste Weg. Weit hatte sie es bis zum Zaun mit dem Tor nicht. Die grauen, leblosen Gebäude wirkten stumm und bewegungslos und schienen ihr dabei zuzusehen, wie sie kopflos davonrannte. Jetzt erst fiel ihr auf, wie unheimlich es hier war. Es war so still, wie ausgestorben. Das ganze Gelände wirkte tot. Es war wirklich der passende Ort und das passende Wetter, um Wahnvorstellungen zu bekommen. Würde sie weiter von ihnen verfolgt werden, oder würden sie an Ort und Stelle zurückbleiben?

Das Tor, das nun auftauchte, schien sie in all dem Wahnsinn hier einzusperren. Panisch lief sie darauf zu und warf zuerst ihre Tasche darüber. Sie stand so unter Schock, dass es schwierig war, über das Tor zu klettern. Sie rutschte mehrmals ab und musste neu ansetzen. Den Stacheldraht oberhalb hatte sie auf dem Hinweg schon zerschnitten. Sie sprang hinunter. Sie hatte es geschafft. Zu ihrem Auto war es nicht mehr weit. Es stand gleich hinter der, mit Bäumen gesäumten, Kurve. Schnell versuchte Leyla den Weg hinter sich zu bringen. Sie hatte ein mulmiges Gefühl, die Fabrik hinter sich zu wissen. Sie fühlte sich beobachtet. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie zum Auto lief. Sie hatte es beinahe erreicht.

Nachdem sie um die Kurve gebogen war, sah sie es endlich, genauso wie sie es zurückgelassen hatte: rot, voller Beulen und in das Buschwerk gedrängt. Was sie damit bezwecken hatte wollen, wusste sie jetzt nicht mehr. Von der Bundesstraße aus konnte man das ganze Gelände und auch die Zufahrtsstraße nicht erkennen, und wenn man direkt daran vorbeifuhr, würde man das Auto sowieso entdecken.

Nachdem sie den Schlüssel aus ihrer Hosentasche hervorgezogen und die Türen entsperrt hatte, ließ sie sich in den weichen Sitz sinken und verriegelte es wieder von innen. Sie konnte noch nicht losfahren, sie war zu aufgewühlt. Um sich zu beruhigen, legte Leyla die Stirn auf das Lenkrad und schloss die Augen. Sie musste ihre Gedanken sortieren. Sollte sie einen Psychiater aufsuchen? Im selben Moment verwarf sie den Gedanken wieder. Wollte sie in eine Nervenheilanstalt gesperrt werden? Das würde den Aasgeiern des Erbes ihres Vaters gerade recht kommen. Solche Einbildungen hatte sie ja bisher noch nicht gehabt und so komisch verhalten hatte sie sich sonst auch noch nie.

Sie stutzte. Wie sollte sie selbst einschätzen können, ob sie sich eigenartig benahm? Erkannte man normalerweise selbst, wenn man verrückt wurde? Normalerweise! Dass sie nicht lachte! Normal war das hier ganz und gar nicht. Eigentlich blieb ihr nur eine Wahl: nämlich zu akzeptieren, dass ihre Nerven anscheinend kurz mit ihr durchgegangen waren, und zu hoffen, dass sich so ein Vorfall nicht mehr wiederholte.

„Das war eine Ausnahme. Du wirst nicht verrückt! Das kommt bestimmt nicht wieder vor“, redete sie auf sich selbst ein. Es war schwierig mit ihren tauben Fingern den Schlüssel ins Schloss zu stecken, aber sie musste hier schleunigst weg.

***

Genervt wartete sie bis der Pförtner das schmiedeeiserne Tor geöffnet hatte, damit sie passieren konnte, um endlich auf das Anwesen zu gelangen. Als es offenstand, fuhr sie die lange Einfahrtsstraße zu ihrem Haus hinauf, aber sie fühlte sich kaum besser. Ihr Zuhause bot ihr keine Geborgenheit, nur die Gewissheit, wie einsam sie eigentlich war. Die lächerliche, kunstvoll angelegte Allee schien heute endlos. Die Villa war erst zu erkennen, als sie schon direkt davorstand.

Sie ließ das Auto einfach mitten auf dem Kiesplatz vor dem Haus stehen, sie war einfach zu faul, es in die Garage zu stellen. Wie stark ihr altes, verbeultes Auto mit der edlen Einfahrt kontrastierte, war ihr heute egal. Früher hatte sie Freude daran gehabt, ihren Vater mit Kleinigkeiten wie der Autowahl zu ärgern. Heute fuhr sie es nur noch, weil sie es inzwischen eben gewohnt war.

Leyla ging die breite Treppe zur Haustüre hinauf, die rechts und links mit Blumen und kunstvoll gestutzten Büschen gesäumt war.

Nachdem sie heute keinen Menschen mehr sehen wollte, ersparte sie sich das Klopfen und schloss die Tür selbst auf. Außerdem musste sie ihre Haushälterin ja nicht für jede Kleinigkeit beanspruchen.

Als sie eintrat, begrüßte sie gleich die bedrückende Leere der Eingangshalle. Ihre Schuhe pfefferte sie zur Seite. Am nächsten Tag würden sie wieder geputzt und feinsäuberlich aufgereiht neben der Türe stehen. Die durchgelatschten Converse wirkten auf dem klinisch rein, schwarz-weiß gekachelten Fliesenboden extrem deplatziert. Ihren Parker schmiss sie gleich hinterher. Normalerweise verhielt sie sich nicht so verwöhnt, aber heute hatte sie einfach keine Nerven für Ordentlichkeit. Auf Socken schlurfte sie zu einer der beiden Treppen, die sich links und rechts in den ersten Stock schlängelten. Der große Lüster glitzerte wie immer protzig über ihr. Vielleicht sollte sie das Anwesen verkaufen und sich eine Wohnung in der Stadt zulegen. Das wäre für eine Neunzehnjährige wahrscheinlich passender. Außerdem könnte sie es sich so herrichten, wie es ihr gefiel. Dann würden Pförtner, Alleen und Kronleuchter der Vergangenheit angehören. Bisher hatte sie es noch nicht übers Herz gebracht, das Elternhaus zu verlassen, aber vielleicht wäre das einer der ersten Schritte zur erhofften Normalität.

Oben angekommen ging sie geradewegs in ihren Bereich. Er hatte schon immer ihr gehört und daran hatte sie auch nichts geändert, seit sie alleine war. Das war immerhin schon beinahe ein Jahr der Fall. Natürlich schwirrten ihr immer die Gärtner, die Haushälterin oder die Köchin um die Ohren, aber mit echter Gesellschaft konnte man das vermutlich nicht vergleichen.

In ihrem Zimmer angekommen schmiss sie gleich die Tür hinter sich zu. Eigentlich waren es zwei Zimmer, ein begehbarer Kleiderschrank und ein Bad, die sie schon immer ihr Reich nennen konnte. Es war nach ihrem Geschmack eingerichtet. Vielleicht noch ein bisschen zu mädchenhaft für Leylas Alter, aber das störte sie kein bisschen. Es war in Lila- und Beigetönen gehalten und passte mit seinem geschnörkelten und geblümten Bett weder zu den rockigen Schallplatten im Regal, noch zu ihrem Kleidungsstil. Es war ihr immer wichtig gewesen, sich in keine Schublade stecken zu lassen. Sie legte es darauf an, sowohl jene Personen zu überraschen, die eine verwöhnte Prinzessin erwarteten, als auch jene, die sie für eine Draufgängerin hielten.

„Haha, Draufgängerin!“, sprach sie wieder mit sich selbst. Eine schöne Draufgängerin war sie. Immerhin war sie nach einer Wahnvorstellung mit voller Hose aus einem leeren Areal geflohen. Da war sie wieder beim Thema, Wahnvorstellung…

Frustriert warf sie sich auf das Bett und vergrub ihr Gesicht in die Pölster. Sie musste den Vorfall einfach verdrängen. Immerhin hatte sie schon Schlimmeres überstanden als so ein kleines psychisches Problem. Bis jetzt hatte sie noch nichts aus der Bahn geworfen und von so einer Lappalie würde sie sich bestimmt nicht unterkriegen lassen. Außerdem: hatte sie den Metallmann wirklich gesehen oder hatte sie sich nur etwas Vergleichbares vorgestellt? Hatte sie den Schmerz und die Hitze wirklich gefühlt oder hatte sie es sich einfach nur ausgemalt? Dann hatte sie eben eine gute Fantasie. Andere wurden dadurch große Schriftsteller, Künstler oder Musiker. Seltsam war natürlich, dass sie bis jetzt noch nie Realität und Fantasie verwechselt hatte. Aber hatte sie nicht Grund genug, durchzudrehen? Sich in ihrer Situation dann auch noch in solch verlassenen Gegenden aufzuhalten, war ein Schuss ins eigene Knie. Aber was konnte an der alten Fabrik schon ungewiss sein? Außer vielleicht deren früherer Verwendungszweck, den sie trotz Begutachtung immer noch nicht genau zuweisen konnte. Es konnte doch nicht so schwer sein, das herauszufinden, immerhin musste über so eine große Fabrik Informationen zu finden sein. Nur weil ihr Vater ihr nichts davon erzählt hatte, konnte er es doch wohl kaum vor der ganzen Welt geheim halten.

Da hatte sie eine Idee. Froh über eine Ablenkung richtete sie sich auf und griff zu ihrem Nachttisch, wo unter Taschentüchern, dem Wecker und einem Pullover quasi griffbereit ihr Laptop vergraben lag. Rasch öffnete sie eine Suchmaschine im Internet. Kurz überlegte Leyla, wonach sie suchen sollte. Einen Straßennamen wusste sie nicht, auch nicht den Namen der Firma. Nirgends war ihr ein Schild aufgefallen.

Den Straßennamen hatte sie schnell im Internet herausgefunden. Sie entschied sich dazu, diesen gemeinsam mit ihrem Familiennamen einzugeben. Nachdem sie auf die Entertaste gedrückt hatte, erschienen sofort hunderte Einträge über ihren Vater, über seine geschäftlichen Tätigkeiten, seine Lebensgeschichte, Bilder von ihm, Jobangebote in seinen Firmen und die neuesten Gerüchte über sein Verschwinden. Vorerst konnte sie noch keinen Eintrag zur passenden Adresse finden.

Sie klickte sich durch die Internetidentität des Geschäftsmannes, den ihr Vater in der Öffentlichkeit dargestellt hatte. Auch über den Tod ihrer Mutter vor drei Jahren fand sie einige Beiträge und sogar über sie selbst wurde geschrieben, meist als schwarzes Schaf der Familie.

Mehrmals musste sie sich zurückhalten, den Laptop nicht wutentbrannt zuzuklappen, aber ihre Neugierde überwiegte einfach. Aber so wie sie begonnen hatte, würde sie ewig brauchen, bis sie etwas gefunden hatte. So löschte sie das Suchwort „Sway“ und suchte nur noch nach der Adresse. Sofort schienen diverse Landkarten auf. Der vierte Artikel schien vielversprechend. „Unfall führt zur Firmenschließung ‒ WOP steht vor dem Aus.“ Aufgeregt klickte Leyla gleich den Link dazu an. Ein Ladesymbol erschien.

Ungeduldig trommelte sie mit den Fingern neben der Tastatur. Warten zu müssen war sie nicht gewohnt, sie legte nämlich viel Wert auf das beste Gerät und guten Internetempfang. So kamen ihr die Minuten, die nun verstrichen, wie eine Ewigkeit vor. Was war das denn für ein Zeitungsartikel, der so lange lud?

Endlich verschwand das Symbol, aber Leylas Mundwinkel rutschten enttäuscht nach unten.

„Es ist ein Fehler beim Laden dieser Seite aufgetreten“, las sie laut. „So ein Mist!“ Also musste sie weitersuchen. Effektiver war es jetzt vermutlich, gleich den Firmennamen zu suchen, der offensichtlich WOP lautete. Die drei Buchstaben waren schnell eingetippt, aber Leyla musste ungeduldig knurren, als wieder das Ladesymbol erschien. Natürlich musste der Computer genau dann Mätzchen machen, wenn sie sich brennend für etwas interessierte.

Nach fünf Minuten entschloss sie frustriert, sich bettfertig zu machen und den Computer inzwischen fertig laden zu lassen. Sie hatte einfach nicht genug Geduld, dem Rädchen dabei zuzusehen, wie es sich drehte.

Also ging sie in ihr Badezimmer, das zwar mit der großen Badewanne auf goldenen Füßen und den beiden großen Waschbecken protzig wirkte, aber von Leyla nach ihrem Geschmack mit diversen Fotos von Freunden und Familie verschönert worden war. Freunde hatte sie ja immerhin. War ja nicht so, dass sie immer schon eine Einzelgängerin gewesen war. Zugegeben, in letzter Zeit hatte sie sich nicht um ihre Freunde gekümmert, aber das konnte sie bestimmt nachholen.

Nachdem sie sich fertig gewaschen und umgezogen hatte, warf sie sich wieder aufs Bett. Erwartungsvoll zog sie sich den Laptop auf den Schoß. Tatsächlich hatte der Computer endlich fertig geladen und es waren wieder viele Artikel aufgegangen. Neugierig überflog Leyla die Überschriften. Gleich die fünfte ließ sie innehalten: „Schmiede, Schlosserei und Walzwerk WOP eröffnet 1895“. Aufgeregt klickte sie auf den Link. Sie fluchte laut, als wieder das Ladezeichen erschien. Das war sie nun wirklich nicht gewohnt.

Nach einer Weile versuchte sie die Retour-Taste zu drücken, mit dem Ergebnis, dass der gesamte Bildschirm nicht mehr reagierte und sich auch der Cursor nicht mehr bewegen ließ.

Wütend klappte sie den Laptop zu und legte ihn weg. Eigentlich war es viel zu früh um schlafen zu gehen. Aber morgen würde sie ihr Leben ändern und sich wieder unter Leute begeben. Da musste man doch ausgeruht sein und sollte nicht so aussehen, als hätte man einen lebenden Metallmann gesehen oder sich an einer imaginären Hitze die Finger verbrannt.

***

„Was machst du denn hier? Ich könnte schwören, du hast gestern ziemlich deutlich gesagt, dass dich dieser Mist nicht mehr interessiert?“ Belustigt verzog Marlene ihren Mund zu einem Grinsen, als Leyla sich in der Klasse zu ihr an den Tisch setzte.

„Tut er auch nicht. Aber der Mist zu Hause ist auch nicht besser. Vielleicht hast du Recht und ich sollte endlich ausziehen“, erwiderte Leyla. Marlene war ihre beste Freundin, sie hatten sich schon im Kindergarten kennengelernt. Marlene war eine bodenständige Person mit einem großen Herz. Mit ihrem runden Gesicht, den blauen Augen und den blonden Locken sah sie aus wie ein Engelchen. Damit war sie optisch ziemlich das Gegenteil von Leyla, die mit ihren dunkelbraunen Haaren und Augen, dem langen Gesicht, ihrem beinahe dürren Körper und meist dunkler Kleidung noch nie als Engel bezeichnet worden war. Aber Äußerlichkeiten hatten in ihrer Freundschaft nie eine Rolle gespielt. Marlene würde ihr das Verhalten der letzten Zeit bestimmt nicht übelnehmen. Die Art, wie sie Leyla anlächelte, zeigte Leyla, dass sie mit dem Gedanken richtig lag.

„Ich glaube, das wäre eine gute Entscheidung. Du musst endlich raus aus dem alten Spukschloss.“ Marlene hatte diese Ansicht schon seit einiger Zeit vertreten.

„Aber nur, wenn du mir dann ganz oft Gesellschaft leistest.“

„Du willst doch nur, dass ich dir beim Siedeln helfe.“ Marlene tat beleidigt und zog die Augenbrauen zusammen. Aber im nächsten Moment hellte sich ihr Gesicht schon wieder auf. „Da muss mindestens eine Einweihungsfeier rausspringen.“

„In Ordnung, machen wir es so“, grinste Leyla. Sie fühlte sich gleich viel besser beim gewohnten Geplänkel mit ihrer Freundin. Auf Marlene war eben Verlass, sie war da, wenn man sie brauchte. Jetzt musste sie nur diesen Schultag überstehen und dann noch einen und dann noch einen. Vielleicht hatte sie mit der Schule zu früh abgeschlossen? Immerhin war es ja erst November und wenn sie es bis Juni durchhielt, hatte sie den Abschluss in der Tasche.

Ihr Stimmungshoch drohte zu kippen, als nun ihr Geschichtelehrer in den Raum trat.

Schon nach zehn Minuten Unterricht wusste sie schon wieder nicht mehr, warum sie eigentlich hier war. Den endlosen Monolog, der ihr vorgetragen wurde, konnte sie bei Bedarf im Internet nachlesen. Leyla konnte sich keine berufliche Tätigkeit vorstellen, in der sie auf so ein Wissen angewiesen war. Allgemeinbildung hin oder her, alles hatte seine Grenzen. Die Sinnhaftigkeit war ihrer Meinung nach längst überschritten worden. Warum tat sie sich das an? Weil jeder einen anständigen Abschluss von ihr erwartete? Was scherte es sie, was andere von ihr hielten? Es war zwar nicht gerade schlau, die Schule im letzten Jahr abzubrechen, aber war sie auf diese Bildung angewiesen? Konnte sie nicht tun und lassen, was ihr gefiel? Eigentlich war sie ja wegen der Gesellschaft hier und damit sie wieder in einen normalen Tagesablauf hineinkam. Also musste sie das durchziehen, bis sie eine vernünftige Alternative gefunden hatte. Was sie jetzt brauchte, war Stabilität. Sonst durfte sie sich nicht wundern, wenn sie weiter mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte. Sie würde das schaffen. Eine Leyla Sway ließ sich doch nicht unterkriegen. Schon gar nicht von ihrer eigenen Fantasie. Sollte sie vielleicht über ihre Probleme reden? Wenn schon kein Psychiater in Frage kam, waren nicht Freunde genau für solche Anliegen da?

„Hattest du schon einmal Probleme, Fantasie und Wirklichkeit auseinander zu halten?“, wendete sie sich flüsternd an Marlene.

„Meinst du beim Aufwachen nach einem Traum? So geht es mir echt oft.“ Das half ihr nicht wirklich weiter.

„Nein, ich meine im wachen Zustand. Dass du dir irgendein Gefühl einbildest.“ Sie konnte doch nicht gleich erzählen, dass sie kleine Männchen sah, die nicht existierten.

„Gefühle? Ja klar! Warum denkst du, war ich so lange mit Tim zusammen?“ Sie kicherte. So war das mit Marlene. Leyla selbst war nicht so offenherzig. Natürlich hatte sie schon mal einen Freund gehabt, aber das hatte sich recht bald als uninteressant herausgestellt.

„Nein, so habe ich das nicht gemeint. Hast du schon einmal etwas gesehen, das nicht wirklich da war? Eine Person oder so.“ Ok, das klang wirklich bescheuert. Auf Marlenes hübsches Gesicht schlich sich ein verwirrter Gesichtsausdruck. War da ein Hauch von Mitleid in ihren Augen? Sie hätte besser nichts sagen sollen. So würde sie früher oder später doch noch für verrückt gehalten werden.

„Ist alles ok mit dir? Wir sollten mal wieder einen Mädelsabend machen. Nur wir beide und dann lassen wir es uns so richtig gut gehen, ok?“ Das war nun eindeutig Mitleid. Naja, was hatte sie erwartet? Dass sich herausstellen würde, dass jeder hin und wieder ein paar gesunde Wahnvorstellungen hatte? Sie sollte den ganzen Vorfall endlich vergessen.

„Ja gerne, das machen wir bald!“

***

„Was mache ich hier? Das ist doch Irrsinn!“ Leyla redete zwar schon auf sich ein, seit sie das Auto verlassen hatte, aber sie konnte nichts dagegen tun, sie bewegte sich immer weiter auf das Fabrikgelände zu. Sie ging schnurstracks zum Tor. Verwundert stellte sie fest, dass der Stacheldraht wieder gerichtet worden war. Es war doch erst ein Tag vergangen. Wie oft wurde dieser Zaun denn gewartet? Warum wurde so ein großer Aufwand betrieben? Ihr Verstand befahl ihr umzudrehen, die ganze Sache zu vergessen und sich an ihren Verdrängungsplan zu halten. Aber ihr Körper reagierte nicht. Sie hatte das dringende Bedürfnis, sich zu vergewissern, dass an diesem Gelände nichts Geheimnisvolles dran war. Sie setzte immer weiter einen Fuß vor den anderen, bis sie das Tor erreicht hatte. Den Seitenschneider von gestern hatte sie noch in ihrer Umhängetasche. Die Angst vor ihren eigenen Wahnvorstellungen hinderte sie nicht daran, das Werkzeug hervorzuziehen und sich wieder an die Arbeit zu machen.

Sie hatte den Schultag durchgestanden und war danach ganz normal in ihr Auto gestiegen, um nach Hause zu fahren. Nur dass sie nicht nach Hause gefahren war, sondern direkt hier her. Was sie da eigentlich tat, war ihr erst bewusst geworden, als sie von der Hauptstraße abbog, um auf die Straße zu gelangen, die direkt zur Fabrik führte.

Es war ‒ genau wie am Tag zuvor ‒ nicht einfach, den Draht durchzuschneiden. Vor allem, da sie währenddessen auf halber Höhe auf dem Tor hängen musste. Das Gitter im Tor war zu engmaschig, um mit dem Fuß Halt zu finden, so konnte sie nur auf Zehenspitzen stehen. Mit einer Hand musste sie sich festhalten und mit der anderen schneiden, möglichst ohne sich zu verletzten. Endlich hatte sie den Draht so weit durchgeschnitten, dass sie ihn zur Seite schieben konnte. Vorsichtig kletterte sie durch das so entstandene Loch über das Tor. Auf der anderen Seite ließ sie sich langsam herunter und dann war sie wieder am Fabrikgelände.

Leyla ließ den Blick schweifen und wusste nicht, was sie nun tun sollte. Das Wetter war nicht besser als gestern, der Nieselregen hatte sich in Schnee verwandelt, so kalt war es. Ihre Haare, die unter der Haube hervorlugten, wehten ihr wild ins Gesicht. Der Wind pfiff durch die leeren Straßen und Regale. Ansonsten schienen alle Geräusche verstummt. Wie hatte sie diese unheimliche Stimmung nicht spüren können, als sie gestern angekommen war? Na gut, sie war normalerweise kein ängstlicher Mensch. Sie fühlte sich nur wegen des gestrigen Vorfalles unwohl. Bei dieser Erinnerung kroch ihr eine Gänsehaut über den Körper. Vielleicht brauchte sie einfach eine Schocktherapie und war deswegen hergekommen. Wohin sollte sie sich nun wenden?

„Am besten wieder zurück und schnurstracks nach Hause!”, rief ihr Verstand. Sie tat genau das Gegenteil und machte sich auf den Weg weiter in das Gelände hinein. Die ersten paar Gebäude kannte sie bereits vom gestrigen Ausflug und so beschloss sie, daran vorbei zu gehen, zu einem Teil, den sie noch nicht kannte. Immer auf der Suche nach ihrem Verstand.

„Haha! Als würde ich den hier finden!“. Leylas Stimme wurde vom Wind verzerrt und davongetragen. Vielleicht war es besser, sich die Selbstgespräche für einen weniger unheimlichen Ort aufzuheben oder ganz damit aufzuhören. Nicht, dass sie gehört wurde von…

… Ja, von wem denn eigentlich? Von eingebildeten Männchen oder von den Leuten, die anscheinend regelmäßig herkamen, um einen Zaun zu reparieren, der nur Ruinen absperrte?

„Sachlich bleiben, Leyla“, sprach sie wieder laut. Sie musste nur etwas finden, das ihr mehr über dieses Gelände verriet. Es musste doch irgendwelche Hinweise geben, die ihr zwar bestimmt nicht verraten würden, warum sie langsam den Verstand verlor, aber die ihr vielleicht wenigstens bewiesen, dass diese Fabrik ein ganz normaler Ort war. Kurz verfluchte sie sich, dass sie am gestrigen Abend so schnell mit ihrer Internetrecherche aufgegeben hatte. Dann würde sie eben vor Ort herausfinden, was es hiermit auf sich hatte. Wahllos bog sie nach einem Gebäude ab. Die Straßen sahen überall ähnlich aus. Heute mit einer dünnen Schicht Schnee überzogen, aber sonst gleich wie am gestrigen Tag, verwahrlost und alt. Das Gelände musste es schon lange geben. Nachdem, was sie gestern gelesen hatte, über hundert Jahre. War es schon immer im Besitz ihrer Familie gewesen oder von ihrem Vater gekauft worden? Wenn sie unbedingt herausfinden wollte, welche Geschichte dieses Gelände verbarg, sollte sie das nächste Mal an ihrem Computer mehr Geduld mitbringen, das Gerät warten oder sich gleich ein neues kaufen, denn eigentlich machte es wenig Sinn, hier herumzuschnüffeln. Die Gebäude sahen aus, wie sie sie in Erinnerung gehabt hatte: heruntergekommen, kahl und wenig aufschlussreich. Sie unterschieden sich zwar in Form und Größe, aber eigentlich konnte man von außen schon erkennen, dass sie innen das Gleiche bieten würden, nämlich nichts. Die kalte Luft brannte bald in Leylas Hals und sie verfluchte sich, nichts Wärmeres angezogen zu haben. Sie war bestimmt schon bei sechs oder sieben Gebäuden vorbeigekommen, vermutlich würde sie bald ans andere Ende des Zaunes stoßen. Langsam kam ihr der Gedanke, dass es sinnlos war, hier draußen ohne Plan herumzustreichen. Sie würde wieder in eine Halle hineingehen müssen, um mehr zu erfahren. Ihre Finger zitterten bei dem Gedanken, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Das war doch lächerlich! Sie würde noch um eine Ecke gehen und dann die nächste Tür benutzen. Die Nässe hatte sich schon auf ihr Gesicht gelegt und auch ihre Kleidung war langsam durchnässt. Als Leyla einen Blick zurück warf, sah sie ihre eigenen Spuren im dünnen Schnee. Nicht gerade unauffällig…

Als müsse sie sich unauffällig benehmen! Ihre Fantasie konnte sie immer einholen. Da war es nebensächlich, ob sie nun eine Spur hinterließ. So fand sie wenigstens wieder zurück. Als sie um ein weiteres Gebäude bog, erhob sich vor ihr ein Haus, das sich von den anderen unterschied. Es war nicht groß und flach, sondern mehrstöckig und eine Treppe führte zum Eingang. Es passte auch vom Stil her nicht zu den anderen Gebäuden. Selbst wenn die Fabrikhallen eindeutig alt waren, schien die Bauweise dennoch einigermaßen modern und zeitgemäß. Aber dieses Haus war eindeutig älter und stammte aus einer anderen Epoche. Es wirkte beinahe schmuckvoll und verspielt, eher wie ein Wohnhaus. Auf jeden Fall schien es nicht dazuzugehören. Vermutlich war es ein Büro oder dergleichen gewesen. Vielleicht war es genau das, wonach sie gesucht hatte.

Achselzuckend ging Leyla auf die Treppe zu und erklomm die wenigen Stufen bis zum Tor. Oben angekommen zog sie am Griff und das Tor schwang problemlos auf. Warum war hier eigentlich nichts abgeschlossen? Es war zwar ein Glücksfall für sie, aber es war schon eigenartig, dass keine der Türen verschlossen war. Das war doch beinahe fahrlässig.

Leyla beschloss, dem keine weitere Beachtung zu schenken, und trat in den Raum. Es war sehr dunkel und sie konnte fast nichts erkennen. So würde sie nicht weit kommen. Die Fenster waren zwar nicht mit Brettern oder dergleichen zugenagelt, aber so verschmutzt, dass beinahe kein Licht hindurch fiel. Außerdem war es draußen ja auch nicht gerade sonnig.

Froh, vom gestrigen Tag noch so gut ausgestattet zu sein, zog sie eine Taschenlampe hervor und schaltete sie ein. Es war ein gutes Gerät und erhellte den Großteil des Raumes. Wobei Raum untertrieben war, berichtigte sie sich in Gedanken. Denn hier handelte es sich um eine Eingangshalle. Die Überreste der Ausstattung ließen erahnen, dass sie bestimmt einmal schmuckvoll, vielleicht sogar protzig gewesen war. Der gesprungene Marmorfußboden und die Treppen passten zum reich verzierten Geländer, den Sockeln, auf denen vielleicht einmal Statuen gestanden hatten und dem Stuck an der Decke.

Behutsam setzte Leyla einen ersten Schritt in das Gebäude. Sollte sie es wagen, über die Treppe in den ersten Stock zu gehen? Oder war das Bauwerk schon so zerstört, dass sie Gefahr lief einzubrechen? Sie sah sich besser erstmal hier unten um.

Also blickte sie nach links und rechts. Auf beiden Seiten führten Türen aus dem Raum. Links lag allerdings so viel Schutt am Boden herum, dass sie lieber die rechte Seite inspizierte. Sie musste achtgeben, wohin sie ihre Füße setzte, um nicht in eine der Spalten im Boden zu geraten oder auf etwas zu treten.

Der Wind heulte draußen und Leyla war froh, im Trockenen zu sein, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass es hier unheimlich war. Genervt schüttelte sie diesen Gedanken ab. Trotz des Lichts der Taschenlampe wurde es immer dunkler, je weiter sie sich von der Eingangstür entfernte. Als sie die Tür erreichte, sah sie, dass diese nur angelehnt war. So konnte Leyla sie leicht mit dem Fuß aufstoßen, was ihr ganz recht war, denn Spinnweben hatten sich der Türschnalle bemächtigt. Laut quietschend schwang die Tür auf.

Neugierig versuchte Leyla, sich ein Bild vom Raum dahinter zu machen, indem sie mit der Lampe hineinleuchtete. Der Fußboden musste einmal aus schönem, dunklem Holz bestanden haben, er war unter der Schicht aus Dreck fast nicht mehr zu erkennen. Hier gab es viele große Fenster, die allerdings mit Stoffen zugehängt waren. Sie konnte sogar noch einen großen, dunklen Holztisch ausmachen, der mit Schnitzereien verziert, aber in der Mitte durchgebrochen war und schief da hing. Dahinter hing ein Bild an der Wand, dessen Motiv aber unter der dicken Staubschicht kaum zu erkennen war. Es war eigenartig, dass es nicht abgenommen worden war, schoss es durch Leylas Kopf. Sonst schien es hier nichts mehr zu geben, außer den Einrichtungsgegenständen, die zu schwer gewesen waren um sie wegzuschaffen, oder vielleicht nirgends Verwendung gefunden hatten.

Zielstrebig ging Leyla in den Raum hinein, direkt auf das Bild zu. Wieso hing es hier? Wieder musste sie aufpassen, wo sie ihre Schritte hinsetzte. So konnte sie den Lichtstrahl der Taschenlampe erst wieder aufrichten als sie direkt vor dem Bild stand. Nun war eindeutig zu erkennen, dass sich Personen auf dem Bild befanden.

Mit der flachen Hand wischte sie über das Bild. Dadurch war eines der Gesichter besser zu erkennen: ein braunhaariger Mann mit Mittelscheitel, Schnurrbart, strengen Gesichtszügen, einem markanten Kinn und Augen, die beinahe schwarz waren. Unwillkürlich lief ihr ein Schauer über den Rücken. Warum, wusste Leyla nicht.

Das Bild war zwar gemalt und keine Fotografie, aber der Unterschied war erst auf den zweiten Blick erkennbar. Der Maler musste sehr talentiert gewesen sein. Den Mann hatte Leyla jedenfalls noch nie gesehen. Sie wischte weiter und konnte inzwischen sehen, dass er hinter einem Holztisch auf einem großen Sessel saß. Es war der Tisch, der nun kaputt hinter ihr stand. Vom Sessel war im Raum nichts mehr zu erkennen. Der Mann war fein gekleidet: mit einem weißen Hemd, darunter einem weiten Kragen mit einer kleinen Masche und darüber ein dunkles Gilet. Der Modestil musste aus einer längst vergangenen Zeit stammen. Zwei weitere Männer standen links und rechts hinter dem Stuhl. Der eine dünn, mit einem schmalen Gesicht und blonden Haaren. Der andere hatte einen stolzen Gesichtsausdruck, die schwarzen Haare zur Seite gekämmt. Auch wenn das Kinn unter einem Bart verborgen war, war es für Leyla ein Leichtes, es zu erkennen.

Es war das Gesicht ihres Vaters.

Es war nicht überraschend, ihn hier zu sehen. Immerhin war er wahrscheinlich der Eigentümer dieser Firma. Aber diese künstlerische Eigenart, ihn in dieser längst aus der Mode gekommenen Kleidung darzustellen, konnte Leyla nicht so ganz nachvollziehen. Vielleicht waren alle drei Männer einmal Eigentümer dieser Firma gewesen, der Sitzende vermutlich der erste oder wichtigste. Demnach hatte ihr Vater, als wahrscheinlich letzter Besitzer, dieses Bild in Auftrag gegeben. Er hatte ja schon immer einen eigenwilligen Geschmack gehabt, was Kunst betraf. Am Bild selbst war die Wand hinter den Männern leer. Die Frage war jedoch, warum es nicht abgenommen worden war?

Wieder kam ihr der Gedanke, der sie auch schon beim Eintreten verfolgt hatte. Es war beinahe zu offensichtlich. Leyla stellte sich auf die Zehenspitzen, um den Rahmen genauer inspizieren zu können. Er war golden und prunkvoll, mit Schnörkeln verziert. Mit den Fingern tastete sie ihn ab und zog daran. Schon beim zweiten Versuch an der rechten Seite gab der Rahmen nach. Er schwang auf und legte den Blick auf einen Safe frei, der sich dahinter befand.

Es war so klischeehaft, dass sich hier ein Safe befand, dass Leyla ein amüsierter Laut entfuhr. Hatte sich ihr Vater nichts Besseres einfallen lassen können? Sie hätte ihm mehr Einfallsreichtum zugetraut. Der Safe war aus dunklem Metall, schmucklos und sehr altmodisch. Es befand sich keine Tastatur für den Code oder gar eine Anzeigetafel darauf, sondern nur ein Drehkreuz mit Zahlen und einem Hebel, den man wohl betätigen konnte, nachdem man die richtige Zahlenkombination eingestellt hatte.

Versuchshalber zog sie trotzdem am Hebel und überraschenderweise schwang die Türe auf. Aufgeregt leuchtete Leyla mit der Taschenlampe in den Safe. Frustriert stöhnte sie auf. Natürlich war er leer. Was hatte sie erwartet? Ein Safe voller Geheimdokumente, die vergessen worden waren, noch dazu nicht abgeschlossen? Wie naiv war sie eigentlich? Es wäre zu einfach gewesen. Um sicherzugehen, tastete sie den Safe innen ab, mit dem Ergebnis, dass ihre Finger vor lauter Schmutz schwarz geworden waren. Entgeistert starrte sie auf ihre Hand. Da sah sie etwas aus den Augenwinkeln. War da eine leichte Erhöhung am Boden des Safes? Sofort richtete sie den Lichtstrahl darauf. Ja eindeutig, da war etwas, kaum zu erkennen unter dem ganzen Schmutz. Mit dem Fingernagel löste sie das Ding vom Boden. Vorsichtig, um es nicht zu beschädigen, zog sie es aus dem Safe. Es war ein Umschlag aus Papier. Er war verschlossen und die Vorderseite war dunkel vom Schmutz. Stand da etwas? Mit dem Daumen wischte sie darüber. Nur ein einzelner Buchstabe war mit zierlicher und geschwungener Schrift darauf geschrieben: „W“.

Beinahe war sie sich sicher gewesen, ihren eigenen Namen auf dem Kuvert zu finden. Wieder musste sie wegen ihrer Naivität den Kopf schütteln. Für wen hielt sie sich? Nun ja, mit dem Safe hatte sie ja schon mal richtiggelegen.

Plötzlich hörte sie ein lautes Geräusch aus dem Nebenraum. Sie erschrak so sehr, dass sie den Umschlag fallen ließ. Sie richtete den Lampenstrahl auf die Tür.

„Wer ist da?“, ihre Stimme zitterte und war kaum zu vernehmen. Entfernten sich da schnelle Schritte? Es polterte, als wäre die Tür zugeschlagen worden.

Leylas Herz schlug bis zum Hals. Angstschweiß trat ihr auf die Stirn. Sie atmete tief ein. Sie musste sich beruhigen. Eigentlich tat sie hier nichts Verbotenes. Sie hatte sich zwar noch nicht genau über ihre Rechte an den Besitztümern ihres Vaters informiert, dennoch war sie sich ziemlich sicher, dass sie sich hier umsehen durfte. Mit weichen Knien und zitternden Fingern bückte sie sich und griff nach dem Umschlag. Tief durchatmend richtete sie sich wieder auf und erstarrte erneut.

Licht erfüllte den Raum. Es war so hell, dass sie vorerst nichts erkannte. Der Kontrast war einfach zu groß. Als sich ihre Augen endlich an das Licht gewöhnt hatten, konnte sie erkennen, dass die Sonne plötzlich hell in den Raum schien. Die Fenster waren nicht mehr abgedeckt. Die Türe ihr gegenüber war verschlossen, außerdem waren alle Schäden am Boden verschwunden. Der Tisch stand intakt vor ihr. Auf ihm türmten sich diverse Papiere, Bücher und altertümliche Schreibutensilien. An den Wänden standen einige dunkle Regale voller Bücher, manche waren auch mit schmucken Türen verschlossen. Ein großer Kronleuchter hing an der Decke, er war dem in ihrem eigenen Haus sehr ähnlich. Was war hier los? Hatte sie sich beim Bücken den Kopf gestoßen?

Da wurde die Tür aufgestoßen. Im Eingang stand ein Mann und sah sie erstaunt an. Der Mund unter dem dünnen Schnurrbart klappte auf und wieder zu. Es war der Mann, den sie auf dem Bild gesehen hatte. Leicht zu erkennen an der lächerlichen Gesichtsbehaarung und den strengen Zügen. Der Maler hatte ihn wirklich gut getroffen. Nur diese ungeheuerliche Ausstrahlung hatte er nicht einfangen können. Er strahlte Respekt und Kälte aus.

Leyla öffnete den Mund, um die tausend Fragen zu formulieren, die ihr auf der Zunge brannten. Zusammengefasst in einer: Was zur Hölle war hier los?

Aber Mr. Schnauzbart kam ihr zuvor. Mit einer Stimme, die es eindeutig gewohnt war, sofort gehört zu werden, rief er über die Schulter: „Otto! Komm und bring die Garde mit! Sofort!“ Was sollte das denn bedeuten? Sie wollte schon etwas erwidern, als sie aus unerklärlichen Gründen plötzlich keine Luft mehr bekam. Sie verstand nicht, was da gerade geschah, als ihr auch schon durch einen harten Aufprall die restliche Luft aus der Lunge gepresst wurde. Ein Schmerz durchzuckte sie und sie verlor vollends die Orientierung, als sich alles hinter ihren geschlossenen Lidern zu drehen begann. Übelkeit wollte sich in ihr ausbreiten, aber sie verdrängte sie. Sie musste die Augen öffnen, musste sich orientieren.

Vorsichtig hob sie ihre Lider einen Spalt breit. Sie konnte fast nichts erkennen. Es war zu dunkel. Langsam konnte sie einzelne Umrisse wahrnehmen. Vor ihr stand, nein, lehnte der Tisch, halb zerstört. Am Rücken spürte sie die Wand, gegen die sie gestoßen war. Sie saß am Boden. Es war gleich dunkel im Raum wie zuvor. Nur die Taschenlampe, die unweit von ihr entfernt am Boden lag, verbreitete diffuses Licht. Sie streckte die Hand nach ihr aus. Sofort meldeten sich ihr Rücken und Steißbein, von wo die Schmerzen in ihren ganzen Körper ausstrahlten. Mit Mühe und zusammengebissenen Zähnen schaffte es Leyla, die Lampe zu erreichen. Sie leuchtete im Raum umher. Von ihrem Standpunkt aus konnte sie beinahe nichts erkennen. Der Tisch versperrte ihr die Sicht. War sie alleine?

Bei diesem Gedanken schnellte sie aus ihrer sitzenden Position hoch. Wieder wurde ihr schwarz vor Augen. Sie versuchte die Benommenheit wegzublinzeln. Langsam klärte sich ihr Blick. Panisch leuchtete sie zur Tür. Da war niemand, sie war alleine.

Was war hier los? Mechanisch hob sie die Tasche auf, die ihr von der Schulter gerutscht war. Darunter kam ein weißes Stück Papier zum Vorschein.

Kurz überlegte Leyla, es einfach liegen zu lassen und davonzulaufen. Aber das brachte sie nicht über sich. So bückte sie sich erneut und hob auch den Umschlag auf. Danach setzte sie sich sofort in Bewegung. Sie musste hier weg. Irgendetwas stimmte nicht mit diesem Ort. Oder mit ihr…

Sie hatte jetzt keine Zeit für solche Zweifel, sie musste verschwinden. Schnell! Der Raum war rasch durchquert, aber in der angrenzenden Eingangshalle verharrte sie erneut.

Die Eingangstür war zu.

Sie selbst hatte sie bestimmt offengelassen, wegen des Lichts. Entweder hatte der Wind sie zugestoßen oder… Sie musste die Panik hinunterschlucken.

… oder sie hatte sich die Schritte vorhin nicht eingebildet. Die Frage, die sich als nächste formte, war noch unangenehmer. Hatte ihr Besucher diese Tür beim Hinausgehen geschlossen, oder von innen, um den Raum noch mehr abzudunkeln?

Nun konnte sie die Panik nicht mehr zurückhalten. Ruckartig versuchte sie den ganzen Raum und jedes mögliche Versteck mit dem Lichtkegel zu erfassen. Aber es war unmöglich. Immer wieder entstanden Schatten, die sie nicht durchleuchten konnte.

Unentschlossen setzte sie einen Schritt in den Raum hinein. Die Taschenlampe hielt sie eisern fest, darauf gefasst, sie unter Umständen als Waffe benutzen zu können. Langsam und möglichst leise ging sie weiter. Immer wieder warf sie Blicke über die Schulter, nach links und rechts. Sie versuchte jedes Geräusch auszumachen, das nicht hierhin gehörte. Der Wind pfiff, das Holz knarrte und ihre eigenen Schritte klangen unnatürlich laut. Hörte sie etwas von oben? Was war das hinter ihr? War sie so überempfindlich, dass sie sich Geräusche einbildete? Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, sie konnte den Impuls loszurennen nicht mehr unterdrücken und im nächsten Moment war sie auch schon bei der Tür und riss sie auf. Wenigstens war sie nicht verschlossen, schoss es ihr durch den Kopf.

Schon war sie hinausgehastet und die Stufen hinuntergesprungen. Dann blieb sie stehen. Hinter ihr im Haus war niemand mehr. Das wusste sie nun. Ihre eigene Spur im Schnee führte leicht erkennbar zum Haus. Daneben konnte sie zwei weitere Spuren erkennen, eine die zum Eingang hin und eine, die in die entgegengesetzte Richtung, wieder davon weg führte. Es waren große Schritte gewesen, die ihren Besucher zum Haus geführt hatten. Die Schuhe waren profillos und um einiges größer als ihre eigenen. Er musste aus derselben Richtung wie sie gekommen sein und ‒ soweit sie sehen konnte ‒ war er auch wieder zurückgegangen. Wer war hier und warum war er vor ihr davongelaufen? Sollte sie der Spur folgen, um es herauszufinden?

Sofort verwarf sie den Gedanken, sie wollte nur noch heim. Nach Hause, in Sicherheit. Über alles nachdenken und sich klarwerden, was sie gesehen hatte und was nicht. Sie lief los, rannte, was das Zeug hielt, ihrer eigenen Spur und der des Fremden entlang.

Der Weg schien jetzt viel länger als in die entgegengesetzte Richtung. Der Schnee wirbelte in dicken Flocken um sie herum. Sie hatte das Gefühl, verfolgt zu werden.

Kein Wunder, redete sie sich ein, nachdem was sie erlebt oder nicht erlebt hatte. Wieder musste sie sich zwingen an etwas Anderes zu denken. Sie musste schneller laufen, ihre Verfolger abschütteln. Verfolger? Es gab doch keine Verfolger. Offensichtlich war der Besucher irgendwo vor ihr. Aber woher sollte sie wissen, dass nicht noch ein dritter Mensch hier war? Nur zur Sicherheit wollte sie schneller laufen, aber die Augen trotzdem offenhalten, damit sie nicht am Ende in den Spurenverursacher hineinlief. Irgendwann zweigte sich die andere Spur von der ihren ab und verlief ums Eck, wo ihre eigene geradeaus weiterführte. Gut, dann war es unwahrscheinlicher, dass er ihr folgte. Obwohl ihre eigene Spur ja auch gut ersichtlich war. Das hieß: wollte er ihr folgen, konnte er das ohne Probleme tun. Ein weiterer Grund, noch einen Zahn zuzulegen.

Endlich kam das Tor in Sicht. Sie warf ihre Tasche in hohem Bogen darüber, sie selbst sprang auf das Tor, um keine Zeit zu verlieren. Oben hörte sie ein verräterisches Ratschen, ihre Kleidung schien sich im Stacheldrahtzaun verfangen zu haben. Aber das tat jetzt nichts zur Sache. Auf der anderen Seite sprang sie hinunter und warf noch einmal einen Blick zurück. Das Gelände lag wie verlassen da. Wären da nicht die verräterischen Spuren und der zerschnittene Draht gewesen, hätte man meinen können, alles wäre wie vor ihrem Besuch.

Sie schüttelte den Kopf und ging etwas ruhiger, aber trotzdem noch schnellen Schrittes, zu ihrem Auto.

Beruhigt war sie aber erst, als sie in ihr Fahrzeug einstieg und es von innen versperrte. Das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden war zwar noch nicht verschwunden, aber als der Motor aufheulte, ging es ihr gleich viel besser. Sie trat das Gas voll durch und fuhr mit quietschenden Reifen auf die Hauptstraße zurück.

Leider gingen ihr beim Autofahren die Gedanken vollends durch. Was war das gewesen? Hatte sie schon wieder eine Wahnvorstellung gehabt? War sie gestürzt, hatte geträumt und war dann am Boden aufgewacht? Das würde wenigstens Sinn ergeben, aber es hatte sich so real angefühlt. Wenn sie kurz das Bewusstsein verloren hatte, wäre es nicht so verwunderlich, vom Büro und dem Mann, den sie kurz zuvor auf dem Bild gesehen hatte, zu träumen. Aber es hatte sich einfach nicht wie ein Traum angefühlt. Die Helligkeit hatte in ihren Augen gebrannt und sie hatte den Geruch von Kerzenwachs und Büchern noch in der Nase. Selbst wenn sie das als Traum abtun konnte, das Geräusch von Schritten, die zufallende Tür und die Fußspuren waren eindeutig real gewesen. Wer schlich auf dem Gelände herum? Wer wartete den Zaun und was hatte es mit der alten Firma auf sich? Sie kam nicht weiter, die Fragen türmten sich immer weiter auf. Sie brauchte Klarheit. Irgendetwas, woran sie sich festhalten konnte, eine Erklärung musste es schließlich geben.

Je weiter sie fuhr, desto mehr beruhigte sie sich. Leyla kam gut voran, in der kleinen Stadt war beinahe kein Verkehr. Sie hätte sie auch umfahren können, ihr Haus lag schließlich genau auf der anderen Seite. Aber sie hatte das Bedürfnis, sich in der Öffentlichkeit aufzuhalten, unter Leuten zu sein. Zum ersten Mal war sie froh, dass sie nicht allein zu Hause sein würde, denn das Personal würde zuverlässig seiner Arbeit nachgehen.

Es war ein Weg von gerade mal zwanzig Minuten, bis sie vor ihrem viel zu langsamen Tor stand und es nach einer gefühlten Ewigkeit passierte.

Die Auffahrt ließ sie mit einem Affentempo hinter sich und hielt mal wieder mitten am Platz vor ihrem Haus. Sie stieg aus, ließ das Auto einfach unversperrt hinter sich und lief die Stufen hoch, immer zwei auf einmal nehmend. Die Tür war wie meistens nicht versperrt.

Als sie das Haus betrat, fühlte sie sich wieder beobachtet. Das war doch zum Haare raufen, in ihrem Auto hatte sie sich sicherer gefühlt. Sie schloss die Tür hinter sich, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und rutschte daran herunter. Verstört legte sie ihr Gesicht auf ihre Knie und versuchte nicht die Fassung zu verlieren. Bestimmt wurde alles wieder gut! Bei diesem hohlen Satz musste sie zynisch lachen. So ein Grußkartenspruch half ihr jetzt nicht weiter.

„Leyla, alles klar?“ Die verunsicherte Stimme kannte sie nur zu gut. Sie hob den Blick. Zur Stimme passte eine verwirrt wirkende Marlene, die vor ihr stand.

„Entschuldige, Frank hat mich reingelassen. Ich habe gesagt, ich warte hier auf dich. Ist alles in Ordnung mit dir?”, wiederholte sie ihre Frage. Dass Frank, der Pförtner, von ihr selbst die Anweisung bekommen hatte, Marlene immer rein zu lassen, kam ihr jetzt gerade nicht so gelegen. Fassung bewahren! Leyla atmete tief durch und stützte sich mit den Händen am Boden ab, um aufzustehen.

„Ja, alles bestens. Ich bin nur kaputt, das war ein eigenartiger Tag, das ist alles. Willst du einen Kaffee oder ein Bier? Lass uns in die Küche gehen.“ Die Schuhe zog sie aus und stellte sie neben die Tür.

„Was ist denn mit deinem Mantel? Der ist ja komplett zerrissen.“ Marlene sah sich den rechten Ärmel genauer an und als Leyla ihrem Blick folgte, musste sie bedauernd feststellen, dass der Ärmel nur noch in Fetzen an ihren Arm herunterhang. Somit war ihr Lieblingsmantel Geschichte.

Seufzend zog sie ihn aus und hängte ihn an den hässlichen, goldenen Kleiderständer.

„Das erkläre ich dir gleich, jetzt brauch ich erst einmal etwas Warmes im Bauch”, ergab sich Leyla ihrem Schicksal. Sie würde ihrer Freundin den Zwischenfall erzählen, natürlich mit ein paar Lücken.

Marlene folgte ihr durch den von der Eingangshalle wegführenden Gang mit dem handgeknüpftem Teppich und Bildern voller streng dreinschauender Verwandter zur angrenzenden Küche. Es war ein wahrer Küchenpalast, auf den ihre Mutter damals bestanden hatte. Zeit zum Kochen hatte sie zwar selten gehabt, aber wenn es vorkam, ließ sie keine Gelegenheit aus, die Küche mit ihrer großzügigen Ausstattung zu loben. Sie besaß eine L-förmig angeordnete, in Chrom glänzende Kochinsel und eine dazu passende Küchenwand, die vollgepackt war mit den allermodernsten Küchengeräten. Bei den meisten wusste Leyla nicht einmal, wozu sie eigentlich dienten. Sie hatte ja viermal die Woche die gutmütige Ella da, ihre Köchin, die schon in diesem Haus arbeitete, als Leyla noch ein kleines Mädchen war. Sie hatte es nach dem Verschwinden ihres Vaters nicht übers Herz gebracht, Ella zu kündigen, obwohl sie auf eine Köchin verzichten hätte können. Heute war jedenfalls einer ihrer freien Tage. Leyla und Marlene waren also allein in der Küche.

„Also, was kann ich dir anbieten?”, wiederholte sie ihre Frage von vorhin.

„Ein Kaffee wäre super, danke!“ Leyla wandte sich zu einem der teuersten Geräte und einem der wenigen, welche sie zu bedienen wusste: dem Kaffeevollautomaten. Gekonnt drückte sie die richtige Tasten. Wie Marlene ihren Kaffee trank, wusste sie. Außerdem nahm sie für sich selbst eine große Tasse und ließ sich nur warme Milch hinunter, um im nächsten Moment einen großen Löffel Kakao hineinzuschütten. Den Kaffee stellte sie Marlene hin, danach suchte sie in einem anderen Kasten nach etwas, das sie an diesem verworrenen Tag einfach brauchte.

„Du trinkst Kakao?“, fragte Marlene verwundert.

„Abwarten“, gab sie sich geheimnisvoll. Schon hatte sie die richtige Flasche gefunden, ging zurück zu ihrer Tasse und schüttete einen großen Schluck Rum hinein. Das würde sie aufwärmen und etwas beruhigen. Wissend nickte Marlene, nahm ihren Kaffee und machte sich auf den Weg zu Leylas Zimmer. Dort hielten sie sich eigentlich immer auf. Im restlichen Haus war es einfach zu ungemütlich eingerichtet.

Oben angekommen ließen sie sich in ihrem zweiten Zimmer auf der Couch nieder. Sie war beige, passend zum Rest des Raumes. Außerdem war sie riesig und sehr weich, was sie zu einem von Leylas Lieblingsorten in diesem Haus machte. Sie machten es sich bequem und Leyla schluckte ihre Bedenken hinunter. Sie musste ja nichts von ihren Wahnvorstellungen erwähnen. Die Art und Weise wie ihre beste Freundin sie ansah erleichterte es ihr zu erzählen.

Sie berichtete ihr alles, vom gestrigen Tag an. Wie sie eingebrochen war, von den Hallen, ihrer Internetrecherche, dem heutigen Besuch, vom Büro und ihrem Besucher, den sie zwar nicht gesehen hatte, aber dessen Spuren seine Existenz bewiesen.

Marlene sah sie geduldig an, stellte hin und wieder ein paar Fragen, äußerte sich sonst aber kaum dazu.

Als sie geendet hatte, wurde sie noch mit einem abwartenden Blick bedacht.

Nach ein paar Sekunden war Leylas Geduld aufgebraucht.

„Was sagst du dazu?”, brach es aus ihr heraus, nachdem keine Reaktion kam.