Die Farben von Amalfi - Agnes Kaiser Rekkas - E-Book

Die Farben von Amalfi E-Book

Agnes Kaiser Rekkas

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Beschreibung

Zur Veränderung verführen Alle psychischen und psychophysiologischen Prozesse lassen sich durch Suggestionen beeinflussen. In der hypnotischen Intervention sind sie die Träger der gezielten therapeutischen Botschaft. Ob eine Klientin oder ein Patient eine gegebene Suggestion akzeptiert, hängt zum einen von der individuellen Empfänglichkeit, der Suggestibilität, ab. Entscheidend jedoch ist die Stimmigkeit von Form, Inhalt und Zeitpunkt in Bezug auf die Person und ihr Anliegen. Je feinsinniger Suggestionen sind, umso größere Chancen haben sie, bewusst wie unbewusst angenommen zu werden und ihre Wirkung zu entfalten. Das Buch schult die Fähigkeit von Therapeut:innen, treffsichere Suggestionen zu formulieren und in den Therapieprozess einzubauen. Anhand von über 60 Hypnosetexten zu verschiedenen Therapieanlässen illustriert Agnes Kaiser Rekkas Intentionen und Gestaltung von Suggestionen. Aufbau und Dramaturgie werden zunächst für die Einzelsitzung, in weiteren Kapiteln auch für Hypnoseserien und längere Therapieverläufe vermittelt. Für fünf ausgewählte Tranceanleitungen stehen außerdem Audios zum Download zur Verfügung. Den Abschluss bilden Trainingseinheiten zur Hypnotisierbarkeit und zur Basis guter Suggestionen. Die Autorin: Agnes Kaiser Rekkas, Dr. rer. biol. hum., Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin, Physiotherapeutin; Dozentin und Supervisorin anerkannter Hypnosefachgesellschaften wie DGH, MEG, MEI, MEGA, ÖGATAP; Privatpraxis in München. Autorin von wissenschaftlichen Publikationen und Fachbüchern; zahlreiche Audioproduktionen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 589

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Agnes Kaiser Rekkas

Die Farben von Amalfi

Suggestionen in der Hypnose – sensibel, stimmig, sinnvoll

2025

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Dresden)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Dallgow-Döberitz)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Hypnose und Hypnotherapie«

hrsg. von Bernhard Trenkle

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: B. Charlotte Ulrich

Umschlagmotiv: AdobeStock © VerAtro

Redaktion: Celine Eßlinger

Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2025

ISBN 978-3-8497-0577-0 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8520-8 (ePUB)

© 2025 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carl-auer.de/

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Einleitung: Die hypnotische Suggestion – eine Verführung

1 Die Suggestion in der Therapie mit Hypnose

1.1 Vom Sinn und Unsinn von Suggestionen

Wunsch nach Metamorphose

Make your unconscious your servant?

»Hypnotiseur« versus Hypnotherapeut

Make it simple!

1.2 Die Suggestion – einfach und wirksam

Beispiel 1: Suggestionen für Schmerzlinderung nach Barber

Beispiel 2: Suggestionen für guten und tiefen Schlaf (Studie der Universität Freiburg/CH)

Beispiel 3: Die eingebildete Placebopille (Studie der Universität Basel)

1.3 Suggestionen im täglichen Leben

1.4 Suggestibilität – eine Variable

Die haltgebende Struktur der Hypnoseanleitung

1.5 Die 14 suggestiven Stationen im Ablauf der Therapiesitzung

1.6 Die Suggestion im Therapiegeschehen mit komplexen Themen

Suggestionen – sinnvoll wofür und zielführend wodurch?

Das Gelingen und Wirken guter Suggestionen

Neue Perspektive, Trancelogik und die Trance des Therapeuten

»Ich habe Zeit für Sie!«

Feingefühl als Bedingung für die passgenaue Suggestion in der Hypnose

Mit sich in Kontakt, mit dem anderen in Schwingung

Spielen mit Suggestionen auf der Basis von Resonanz

»Lehnen Sie sich zurück, ich übernehme die Führung!« – Die monologische Trance

Die suggestive Wirkung des Titels der Hypnose

1.7 Vertrauen in unbewusste Prozesse

1.8 Erfolg garantiert?

1.9 Hypnose ist wie Urlaub, Urlaub vom Alltag

2 Suggestionen in Hypnosetexten einmaliger Sitzungen

2.1 Beispielhafte einzelne Hypnosetexte mit detaillierter Aufschlüsselung der formulierten Suggestionen

2.1.1 Ehekrise

2.1.2 Wahnhaftes Erleben

2.1.3 THC-Konsum

2.1.4 Schwere Erkrankung

2.2 Text mit Darstellung der organisatorischen Struktur einer Hypnose und Markierung der Suggestionen

2.2.1 Migraine cervicale bei Überlastung

2.3 Texte mit Markierung der wichtigen Suggestionen

2.3.1 Stressbelastung

2.3.2 Akute Erschöpfung

2.3.3 Beruflicher Rückschlag, depressive Krise

2.3.4 Provokation, Neid und Häme – instabile Seelenlage

2.3.5 Hoher Leistungsanspruch und innere Bremse

2.3.6 Beruflicher Scheideweg

2.3.7 Beängstigende Situation

2.3.8 Blockade – der Körper macht dicht

2.3.9 Schlafstörung

2.3.10 Zigarettenabusus bei Krebserkrankung

2.3.11 Reifungskrise mit depressiven Zügen

2.3.12 Orientierungskrise

2.3.13 Nachholbedarf im Frauwerden

2.3.14 Verlust eines geliebten Tieres

2.3.15 Depressiver Absturz

2.3.16 Verlust geliebter Menschen

2.3.17 Schuldkomplex – nächtliche Krisen

2.3.18 Long Covid and Long Depression

2.3.19 Herzschmerz durch Covid plus Liebeskummer

2.3.20 Chronische Schmerzen bei Spondylarthrose, akute Schwäche

2.3.21 Leiden an Polyneuropathie

2.3.22 Allgemeine Belastungssituation

2.3.23 Zwänge, Ängste, schwierige Partnerschaft

2.3.24 Abrundung einer längerwährenden Therapie

2.3.25 Mangel an Zeit – für Hypnose keine Gelegenheit?

3Hypnoseserien

3.1 Die Bande der Liebe geben so viel Halt – werdende Mutter und ihr Ungeborenes in großer Gefahr

3.1.1 Die Bande der Liebe geben so viel Halt (per Zoom)

3.1.2 Sie blühen auf (Live-Sitzung)

3.1.3 Die Freude im Fokus (per Zoom)

3.2 Heilen an Körper und Seele – Bewältigung von traumatischen Erfahrungen in Kindheit und früher Jugend

3.2.1 Komm in deine Größe – Kontakt mit der inneren Stärke

3.2.2 Poseidons Überraschung – Wohlfühlbad für Körper und Seele

3.2.3 Die Rosinenhypnose – reifen, heilen, gewinnen und sich im Jetzt etablieren

3.3 Das weiße Segelschiff – die lebensbedrohliche Krise umschiffen

3.3.1 Körperlicher Halt, Ruhe, Stärke und Zuversicht

3.3.2 Der innere Diamant

3.3.3 Die Sanduhr

3.4 Luzie im Licht – eine Frau findet sich

3.4.1 Luzie im Licht

3.4.2 Luzie sagt »Nein« zum Problem und »Ja« zu sich

3.4.3 Luzie, die Arme weit ausgebreitet

3.5 Looser? Große Leistung – kleiner Selbstwert

3.5.1 Die große »Looser-Hypnose«

3.5.2 Wie ein mit Stolz gefülltes Gefäß

3.6 Das beste Therapeutikum – Selbstoptimierung soft heilt Reizdarm, schmeichelt der Seele

3.6.1 Das beste Therapeutikum

3.6.2 In Treue zu mir selbst – Selbstakzeptanz

3.7 Heilung geschieht – Morbus Crohn, Zustand nach Cholezystektomie, Todesängste

3.7.1 Ein kleines Experiment – Handlevitation und schon Therapiebeginn

3.7.2 Loslassen von Schmerz – heilsame Wanderung durch den Körper

3.7.3 Altes verabschieden

3.7.4 Weite schaffen

3.7.5 Heilung geschieht

3.7.6 Glücklich zuversichtlich

4Therapieverläufe mit Hypnose

4.1 Ich bin richtig, so wie ich bin – Selbstfindung

4.1.1 Was will ich?

4.1.2 Freude an der Herausforderung

4.1.3 Im Besitz meiner Stärken

4.1.4 Das Ruder fest in der Hand

4.2 Der innere Halt – vom Zwang zur Selbstfindung

4.2.1 Den Zwang akzeptieren und damit lösen

4.2.2 Nichts muss, alles kann oder: die 3 Devisen

4.2.3 »Ich werde jetzt das Beste aus meinem Leben machen, damit alles einen Sinn hat«

4.3 In neuem Licht – Lebensfreude und Selbstvertrauen auch mit MS

4.3.1 Körper-Seele-Heilung im Hypnotischen Raum

4.3.2 Mein Schlafwaggon … trägt mich sanft durch die Nacht … und Hypnos löst meine Schmerzen ganz sacht

4.3.3 Der innere Stern

4.3.4 Die Hermeshypnose – wie Hermes von der bleiernen Kugel befreit … und dafür luftige Flügel verleiht

4.3.5 Das Mädchen von damals … in den Arm nehmen, ihm zuhören, zur Seite stehen und mit ihm in die Zukunft gehen

4.3.6 In neuem Licht – sich positiver sehen, liebevoller mit sich sprechen und somit wohler fühlen

5Trainingseinheit: Die Hypnotisierfähigkeit des Therapeuten und die Basis der guten Suggestion

5.1 Training »Basis« – Fühl dich in der Arbeit sicher, vertrau in unbewusste Prozesse

5.2 Training »Praxis« – Formuliere die passenden therapeutischen Suggestionen

6Ausklang

Literatur

Über die Autorin

Einleitung: Die hypnotische Suggestion – eine Verführung

In Praxis und Lehre der Hypnose galt meine Vorliebe, neben meinem Spezialgebiet der »Ideomotorik«, stets dem Spiel mit der hypnotischen Sprache, angewandt in der Medizin und Psychotherapie, wie auch für gute Performance, sei es im Sport oder in der Musik. Nach rund 40 Jahren voller Überraschungen, Einsichten und Rückschlüsse im Rahmen der Arbeit mit Hypnose möchte ich nun gezielt meine Erfahrungen zum Gelingen und bestmöglichen Wirken von Suggestionen darstellen. Wie mit meinen bisherigen Fachbüchern zur Hypnose mache ich auch hier ein praxisorientiertes Lern- und Trainingsangebot, weshalb ich mich bezüglich der Theorie kurzfasse und nur pointiere, was mich persönlich besonders beeindruckt.

Das Phänomen Suggestion und Hypnose wird in Literatur und Wissenschaft thematisiert, seit der Begriff Hypnose Mitte des 19. Jahrhunderts das Licht der Welt erblickte und man begann, eigens induzierte Trancezustände therapeutisch zu nutzen. Tauchen wir in den Fundus der Werke zur und über die Suggestion ein, wird es immer interessanter, zumal manche Fragestellung aus früheren Zeiten auch heute noch bedeutsam ist. Zugleich wird es immer vielschichtiger, sodass es einiger Disziplin bedarf, das Ziel für das eigene Unterfangen im Auge zu behalten. So habe ich mich während der Arbeit am Manuskript zu diesem Buch dazu verleiten lassen, länger als geplant bei Hippolyte Bernheim (1840–1919) zu verweilen. Der französische Internist, Psychiater, Neurologe und Professor an der medizinischen Fakultät von Nancy vertrat schon 1884 in seiner Suggestionslehre die Überzeugung, dass der hypnotische Zustand eine psychische Reaktion auf bestimmte Suggestionen sei, und löste damit ältere Hypnose- bzw. Somnambulismus-Konzepte des Mesmerismus und des animalischen Magnetismus ab.

Von der leider nur auf Französisch publizierten, liebevoll recherchierten Biografie Bernheims, verfasst von seiner Großnichte Cathy Bernheim (Bernheim 2011), war ich derart eingenommen, dass ich im Fitnessstudio auf dem Laufband so einige Kilometer zurückgelegt habe, um das Ringen Bernheims um Erkenntnis wie Anerkennung der Möglichkeiten von Hypnose in der damaligen Zeit und ebenso den Sinn von Suggestionen zu begreifen. Seine menschliche Art des Umgangs mit den Patienten1, sein unermüdlicher Forschungsdrang und seine vielen dahingehenden Experimente sowie die letztlich daraus resultierende Überzeugung, nur die stimmige Suggestion könnte in der Hypnose Wirkung zeigen, haben mich fasziniert.

Nachvollziehbar, dass Freud es wert fand, Bernheims Schriften zu übersetzen (Bernheim 1888), obwohl er später aus vielerlei Gründen von der Hypnose abließ. Seinen damaligen Kenntnissen entsprechend wendete er sie in gewisser Weise »ungeschliffen« und autoritär an und damit weniger erfolgreich, als er es wünschte. Er wertete die ihm bekannte Form der Hypnose sogar als »verführend, missbräuchlich, spektakulär und paramedizinisch« ab (vgl. Oswald 2017).

Bernheims geradezu moderne Überzeugung, dass Fremdsuggestion nur als Anregung zur Autosuggestion wirksam werden kann (vgl. Revenstorf u. Prudlo 1994), war Freud nicht zugänglich, auch wenn er bis zu seinem Lebensende das Rätsel von Suggestion und posthypnotischem Auftrag zu entschlüsseln versuchte, wovon ein 1938 aufgespannter Regenschirm zeugt:

»Man kann an hypnotisierten Personen experimentell nachweisen, dass es unbewusste psychische Akte gibt und dass die Bewusstheit keine unentbehrliche Bedingung der Aktivität ist. Wer einen solchen Versuch mitangesehen, hat von ihm einen unvergesslichen Eindruck empfangen und eine unerschütterliche Überzeugung gewonnen. Es geht ungefähr vor sich: Der Arzt betritt das Krankenzimmer im Spital, stellt seinen Regenschirm in eine Zimmerecke, versetzt einen der Patienten in Hypnose und sagt ihm: ›Ich gehe jetzt fort, wenn ich wiederkomme, werden Sie mir mit aufgespanntem Schirm entgegengehen und ihn über meinen Kopf halten.‹ Arzt und Begleiter verlassen darauf den Raum. Sobald sie wiedergekommen sind, vollzieht der jetzt wache Kranke genau das, was ihm in der Hypnose aufgetragen wurde. Der Arzt stellt ihn zur Rede: ›Ja was machen Sie denn da? Was hat das für einen Sinn?‹ Der Patient ist offenbar verlegen, er stammelt etwas wie: ›Ich dachte nur, Herr Doktor, da es draußen regnet, würden Sie den Schirm schon im Zimmer aufspannen.‹ – Eine offenbar unzulängliche Auskunft, im Augenblick erfunden, um sein unsinniges Benehmen irgendwie zu motivieren. Aber uns Zuschauern ist es klar, dass er sein wirkliches Motiv nicht kennt. Wir kennen es, denn wir waren zugegen, als er die Suggestion erhielt, die er jetzt befolgt hat, während er von ihrem Vorhandensein in ihm nichts weiß.« (Freud 1938, S. 145)

Inzwischen ist die Forschung, sowohl im kognitiv-emotionalen Bereich als auch in der Neurowissenschaft, zum Thema Suggestibilität und Suggestion weit fortgeschritten. Der große Nestor moderner Suggestionsforschung, mein Freund und Kollege Vladimir Aristos Gheorghiu (1926–2010), hat dabei einen unschätzbaren Beitrag geleistet. Er postuliert und belegt in Studien die folgenden, in ihrer Konsequenz vollkommen logischen und allgemeingültigen – von Therapie noch unabhängigen – Thesen:

1)

Alle psychischen und psychophysiologischen Prozesse erweisen sich als durch Suggestionsabläufe beeinflussbar.

2)

Jeder Mensch beeinflusst sich selbst und seine Mitmenschen durch explizite und implizite suggestive Richtungszuweisungen.

3)

In jedem Lebens- und Tätigkeitsbereich, der auf zwischenmenschlichen Beziehungen beruht, kommt eine Vielfalt verbaler und nonverbaler Ausdrucksformen direkter und indirekter Suggestionen zum Ausdruck.

Stimmt. So erlebe ich, wiederum beim Fitnesstraining, das ich weniger aus Freude als aufgrund einer Mischung von Eitelkeit und disziplinierter Osteoporoseprophylaxe durchstehe, eine sehr motivierende Suggestion: Bei bestimmten Geräten gibt es nach dem 10. Krafteinsatz netterweise eine kleine Pause von etwa 8 Sekunden. Innerhalb dieser ist ein muskelbepackter, gebeugter Männerarm auf dem Bildschirm zu sehen, anfangs ganz in Grau. Doch bald schon füllt sich dieser langsam, aber stetig, von unten nach oben mit energievollem Sonnengelb an. Und wie sich das so sonnige Gelb in den Männerarm ergießt, merke auch ich eindeutig Kraft in meine strapazierten Muskeln strömen, sodass ich gleich wieder bereit bin, alles zu geben.

Hypnotische Beeinflussung und Fremd- wie Selbstsuggestion ist ein Teil des allgemein menschlichen Erlebens, der vorerst nichts mit Therapie zu tun hat und im Weiteren auch nicht Gegenstand der Betrachtung sein soll. Hier geht es um das Gelingen von Suggestion für ein persönliches, oft therapeutisches, Ziel. Für Gheorghiu ist in diesem Zusammenhang relevant, dass bei jeder Person ein Zustand von Unsicherheit, Ungewissheit und Instabilität die subjektive Suggestibilität mehr oder weniger erhöht – eine Erkenntnis, die genutzt werden kann.

Die Beteiligung suggestionaler Geschehnisse an Adaptionsabläufen zur Stabilisierung des Individuums sind empirisch gut erkannt und verhelfen dazu in Form von:

1)

Stabilisierung durch Auflösung von Ambiguität und Ungewissheit

2)

Stabilisierung durch Erhaltung (!) von Ungewissheit (Ambiguitätstoleranz)

3)

Stabilisierung durch Labilisierung

4)

Stabilisierung durch Aktivierung latenter Verfügbarkeit bzw. Ressourcen.

Vor diesem Hintergrund erklärt er die mögliche Wirksamkeit von Suggestionen, hier bezogen auf die Hypnotherapie.

Für den (Psycho-)Therapeuten trägt das Einsetzen von direkten und indirekten Suggestionsverfahren dazu bei,

die Gerichtetheit der Person zu unterstützen und folgerichtig durch Auflösung oder Reduktion von Ungewissheit und Instabilität ihre Reaktionsbereitschaft zur Durchsetzung ihrer Bedürfnisse und Beweggründe zu begünstigen;

über die Reduktion vorhandener Freiheitsgrade das Individuum auf ökonomischerem Wege zu eindeutigen Beurteilungen und Handlungsweisen gelangen zu lassen;

latente psychische und psychophysiologische Dispositionen auf diesem Wege überhaupt erst verfügbar zu machen und zu utilisieren

(Gheorghiu 2000).

Milton H. Erickson hat das Substrat aller Forschungsarbeit zur Suggestion auf der Erlebnisebene geradezu simpel und zugleich meisterhaft in einem knappen Satz verifiziert. So wird erzählt:

Milton Erickson wird eines Tages von einem sympathisch wirkenden jungen Mann aufgesucht, hochgewachsen, modisch gekleidet, gut ausschauend. Der junge Mann erklärt, er käme nicht wegen einer Therapiesitzung, sondern nur, um ihm die Hand zu geben und Danke zu sagen. Erickson schaut ihn verwundert an und meint, dass er ihn nicht kenne. Der junge Mann erwidert: »Das glaube ich Ihnen, Doktor Erickson, denn es ist viele Jahre her, dass ich bei Ihnen war, da war ich ein Kind. Meine Mutter hatte mich gebracht und 1 Stunde hier über mich geschimpft und lamentiert und sich beklagt, wie schrecklich ich sei. Faul, schlecht in der Schule, überhaupt ein ganz unerträgliches, miserables Kind. Sie schwiegen über die gesamte Sitzung und reagierten zur Empörung meiner Mutter überhaupt nicht auf ihr Lamentieren. Als wir uns dann verabschiedeten, gaben Sie mir Ihre Hand, schauten mir bedeutungsvoll in die Augen und sagten zu mir: ›Mein Junge, ich bin neugierig, wie du da rauskommen wirst.‹ Das war alles und dafür danke ich Ihnen.«

Generationen von Therapeuten und Hypnotherapeuten wurden von Milton H. Ericksons einzigartig sensibler Art, Hypnose zu praktizieren und Suggestionen zu verstecken oder einzubetten, inspiriert. Das spiegelt sich auch in dem dicken roten Handbook of Hypnotic Suggestions and Metaphors der American Society of Hypnosis, wider, herausgegeben von Corydon Hammond (1990). Mitgebracht vom Kongress der ISH 1997 in San Diego CA und aufgewertet durch Hammonds motivierend suggestive Signierung To Agnes, respected colleague and hypnotherapist, with warm best wishes, Corydon, hat es mich mit seiner Fundgrube an Hypnoseinterventionen und Suggestionsangeboten über viele Jahre begleitet.

Das Akzeptieren einer Suggestion verlangt eine gewisse Suggestibilität vonseiten des Hypnotisanden (Klient/Patient), vor allem aber die Stimmigkeit von Form, Inhalt und Zeit in Bezug auf die Person und ihr Thema. Je feinsinniger der Therapeut in Kontakt mit seinem Gegenüber tritt, umso größere Chance haben Suggestionen, bewusst wie unbewusst angenommen zu werden und Wirkung zu entfalten.

Teil 1 dieses Buches widmet sich in dieser Hinsicht der Grundlage für Treffsicherheit von Suggestionen. So wird das suggestive Gesamtgeschehen der hypnotischen Therapiesitzung, in der sich in chronologischer Folge 14 elementare Phänomene beobachten lassen, betrachtet. Es geht weiter über Unsinn und Sinn von Suggestionen bis hin zur Möglichkeit sehr einfacher, aber klarer Suggestionen, die im einfachen und klaren Kontext das Mittel der Wahl sind. Die Zeichnung der suggestiven Selbstbeeinflussung kumuliert dank einer Studie an der Uni Basel in der reinen Vorstellung der Einnahme einer Placebopille zur erfolgreichen Reduktion von Prüfungsangst. Nackte Selbstsuggestion mit angstbrechendem Erfolg.

Wird das Thema komplexer, das Anliegen dringender und die Situation drängender, ist für den kunstvollen Einsatz von Suggestionen in Hypnose dann mehr als nur Fachwissen, Hypnotisierfähigkeit, Erfahrung und positive Formulierung gefragt. Hier ist die Resonanzfähigkeit des Therapeuten Voraussetzung für intuitives Formulieren von passgenauen Suggestionen und damit geschmeidiges »Verführen« zu dem, was im Bereich des Bestmöglichen liegt. Suggestionen treffen dann »ins Schwarze«, können Leben umkrempeln und manchmal sogar retten, was in den Teilen 2–4 mit beispielhaften Tranceanleitungen und Fallbeschreibungen nachvollzogen werden kann.

Teil 2 präsentiert im ersten Unterkapitel anhand von vier Hypnosetexten in detaillierter Aufschlüsselung Intention und Gestaltung der zielgerichteten Suggestionen zu völlig unterschiedlichen Problembereichen. Danach folgt ein Text mit besonderem Augenmerk auf der organisatorischen Struktur, um die suggestive Dramaturgie – wie bei einem Musikstück – in einem Hypnosetext zu erschließen. Im dritten Unterkapitel mit seinen 24 Hypnoseanleitungen werden die wichtigen Suggestionen allein durch Markierung hervorgehoben, was implizites Lernen ermöglicht.

Teil 3 mit seinen Hypnoseserien lässt den Leser in eine Art von sieben fesselnden hypnotischen Fortsetzungsromanen mit bis zu sechs Folgen eintauchen. Inhalte sind die Bewältigung schwerer Beeinträchtigung, die Lösung vom Trauma an Leib und Seele und lebensbedrohliche Krisen bis hin zu deren Meisterung.

Teil 4 gibt die suggestiven Inhalte längerer Therapieverläufe wieder. Themen sind Selbstfindung, Lösung von Zwang durch Liebe und die bemerkenswert positive Wirkung auf das Befinden beim Krankheitsbild der Multiplen Sklerose, auf der körperlichen Ebene in Bezug auf Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit, vor allem aber auf der psychischen Ebene.

Da hier jedes Wort, jede Suggestion und jede Geschichte unter dem Stern der Hypnose steht, findet Lernen hier auch hypnotisch statt, d. h. permissiv und unbewusst. Alle Texte sind zwar mal ausführlicher, mal sparsamer didaktisch aufbereitet, sollen aber vor allem dazu anregen, beim Lesen und Nachempfinden in den berühmten hypnotischen Flow zu kommen und sich dabei für die ganz eigene, persönliche Arbeitsweise bereichern zu lassen.

Fünf Hypnoseanleitungen haben einen QR-Code für die Audioversion der präsentierten Texte. Hiermit wird die Art des besänftigenden oder auch ermunternden Sprechens, mit der so wichtigen Betonung und den Pausen, sowie dem gelegentlich deutlich hörbaren Aufatmen oder den kleinen Seufzern und »Mhm’s« parallel zum geschriebenen Text lebendig erfahrbar. Zudem wird in jeder Anleitung eine jeweils unterschiedliche Induktion oder Hypnosetechnik verwendet. Sie mögen diese Audios als didaktisches Medium betrachten, aber vielleicht ziehen Sie auch vor, die Wirkung der Hypnosen an sich selber zu verspüren und sie demzufolge zurückgelehnt, mit geschlossenen Augen und über Kopfhörer zu genießen. Aus Gründen der Anonymisierung sind die Tranceanleitungen »Die Hermeshypnose« und »Der Schlafwaggon« Studioaufnahmen. Die anderen, die in der Aufnahme keine Namen und persönlichen Angaben enthielten, geben die Aufzeichnung während der Therapiesitzung wieder.

Teil 5 zum Thema Die Hypnotisierfähigkeit des Therapeuten und die Basis der guten Suggestion bietet mit seinen zwei spielerischen Trainingseinheiten mit je sieben Arbeitsvorlagen im ersten Trainingsteil eine Basis für die Sicherheit im hypnotischen Kontext. Im Praxistraining wird das fantasievolle Einüben bzw. Formulieren gezielter und passender therapeutischer Suggestionen für beispielhafte Themenbereiche angeleitet. Und alles gipfelt in der »Souffleuse«, der unbewussten Eingebung: Keine Suggestion parat? Vertrau dem Unbewussten mit seinem Rat!

Ein singender Vogel, das rauschende Meer, ein wehendes Lüftchen und der blühende Oleander bringen zum Ausklang ins Träumen und somit in die innere Stille der Integrationsphase dieser langen, suggestionsreichen Trance … Eine schöne Verführung, Hypnose immer effizienter und zugleich leichthändiger und beschwingter zu nutzen.

1Kleiner Hinweis zur Gendersprache: Ich benutze sie nicht und verweise darauf, dass es in unserer deutschen Sprache, die mir bekannterweise am Herzen liegt, einen kategorialen Unterschied zwischen Genus und Sexus gibt. Das Maskulinum (Patient, Klient, Therapeut) ist keine »männliche Form«, sondern eine grammatische Kategorie, ebenso wie das Femininum und das Neutrum. Eine grundsätzliche Kopplung von grammatischem und biologischem Geschlecht gibt es im Deutschen nicht, was Wörter wie »Mensch«, »Person« oder »Opfer« belegen. Neulich wurde ich zu einem Podcast eingeladen, als »Gästin«. Als ich wissen ließ, dass ich nicht »gendere«, lud man mich sofort wieder aus, und das ziemlich unzimperlich, obwohl ich nicht mal »Mann« bin.

1 Die Suggestion in der Therapie mit Hypnose

Eine Therapiesitzung hat per se suggestiven Charakter, wird sie doch im Glauben vereinbart, das Problem, Symptom oder Thema sei zu behandeln und/oder zu bewältigen. So sorgt die Hoffnung, eine Lösung, Linderung oder zumindest Verbesserung zu finden und nicht auf verlorenem Posten zu stehen, schon für einen Hauch von Suggestibilität. Davon abgesehen hat auch die Anzahl der anberaumten Sitzungen eine suggestive Wirkung. »Langzeittherapie« heißt eben »lange Zeit Therapie« und deutet auf eine gewisse Schwere des Befundes hin. Wird von einer kleinen Anzahl an Sitzungen (3–12) ausgegangen, vermindert sich das Gefühl, so krank, bedürftig oder problematisch zu sein. Und wenn der Therapeut verkündet, dass das Problem selbstständig zu lösen sei, kann das manchmal mehr stabilisieren als eine zusätzlich abgehaltene Stunde.

Ist Hypnose mit im Spiel, steigert sich der Glaube in den therapeutischen Effekt, da dann der Therapie im Sinne von Wunschdenken ein doch kaum einschätzbarer, manchmal sogar magischer Faktor beigemessen wird. Somit ist die Planung einer Hypnosesitzung schon von Beginn an eindeutig hypnotisierend. Es startet mit der Entscheidung für eine Hypnotherapie und geht bis zum Praktizieren der Selbsthypnose im privaten Raum, von der offiziell anberaumten Hypnose bis zu den nächtlichen hypnotischen Träumen, die wir zwar bewusst anregen können, die sich aber trotzdem unserer bewussten Kontrolle entziehen. Während das Konzept mancher Therapierichtungen viele Sitzungen in regelmäßigen Abständen über einen längeren Zeitraum verlangt, kann die Hypnotherapie aufgrund der Depotwirkung von Hypnose im zeitlichen Ablauf flexibler gestaltet werden und erfordert meiner Erfahrung gemäß weniger Therapiestunden, was aus vielerlei Hinsicht (zeitlich, energetisch, pekuniär) als vorteilhaft eingeschätzt wird.

Bekanntlich birgt jeder intensive Austausch suggestive Elemente, mehr noch eine medizinische Beratung, wie wir es von eigenen Besuchen beim Arzt kennen. Das therapeutische Gespräch hat bereits eine einflussreiche Bedeutung, die hypnotherapeutische Sitzung selbst aber ist aber von unvergleichlicher Suggestivkraft aufgrund des Glaubens, dass etwas »Besonderes« passiere. Und dieses »Besondere« beginnt manchmal schon vor der Kontaktaufnahme zum Therapeuten, wie ein kleiner Exkurs in die Praxis zeigt:

Aufgrund einer Erkältung versagt mitten in der Arie der Hauptrolle die Stimme des jungen Opernsängers. Der GAU für einen Sänger, ein Drama, ein Trauma. Die Stimme bleibt weg und das über Monate. Depressionen schleichen sich ein. Aus einem fernen Land stammend vereinsamt er, magert ab, sein Leben erscheint ihm gefährlich sinnentleert. Von seinem HNO-Arzt, einem Landsmann, wird er an mich empfohlen. Kaum haben wir uns im Vorgespräch ein wenig in seine persönliche Geschichte und seine Ressourcen vertieft, beobachte ich bei ihm einen beginnenden Trancezustand, ohne irgendeine Induktion durchgeführt zu haben, was mich erstaunt. Ich entscheide mich, diesen spontan zu nutzen, und entwerfe eine ressourcenvolle, erdende Hypnose, die ich ihm – wie gewohnt – für die Selbsthypnose zuhause aufnehme. In tiefster Trance sitzt er reglos da, kreidebleich wie eine Marmorstatue. Anschließend kehrt er wie aus tiefem Schlaf zurück und erinnert sich »bewusst« an nichts. Zu meiner Beruhigung kommt Farbe in sein Gesicht.

Als er 10 Tage später zum 2. Termin erscheint, berichtet er freudig, dass er die Hypnose mehrfach praktiziert habe und dabei immer sofort tief »weggewesen« sei. Und: Er habe schon am Tag nach unserer Sitzung wieder gesungen. Seine Stimme kam »plötzlich« zurück. Wir halten noch 2 weitere Sitzungen ab, jeweils mit Hypnose. Sein Befinden stabilisiert sich vollkommen, er ist zuversichtlich und wirkt gelöst. Er tritt wieder auf und nimmt wenig später die Stelle an einem großen Opernhaus an. Obwohl ich über diese Spontanremission einigermaßen verwundert bin, freue ich mich – mit ihm – natürlich über den Erfolg. Was er mir erst viel später, 2 Jahre sind vergangen, in einem kurzen Austausch berichtet, ist, dass ihm der Arzt seines Vertrauens angekündigt hatte, dass er bei mir auf der Stelle in eine Art Tiefschlaf sinken und damit gesund werden würde, dass er in gute Stimmung kommen, die Stimme sich automatisch wieder lösen und er wieder singen können würde. So ist davon auszugehen, dass die überwältigend schnelle Heilung ein glückvolles Zusammenspiel war, wobei der HNO-Arzt den Löwenanteil geleistet hatte.

Der Sänger veranschaulicht mit seiner »Spontanheilung« plastisch, wie allein die positive Erwartung schon Wirkung entfalten kann.

Desgleichen tut es Tante Linda, eine 89-jährige, aufgeschlossene Dame mit starken Schmerzen. Sie leidet an rheumatoider Arthritis und muss viele Medikamente, mehr als ihr lieb, einnehmen. Sie glaubt aber fest an Selbstheilungskräfte und ist überzeugt, mit der richtigen Anleitung die Entzündungswerte senken, die Schmerzen mindern und ihr Befinden bessern zu können. So bestellt sie das Hörbuch Raus aus dem Schmerz, dessen 21 Tranceanleitungen genau für diese Art von Beschwerden konzipiert sind. Da sie die Hypnoseanleitungen über ihren CD-Player abspielen möchte, die Audios aber eigentlich nur als Download erhältlich sind, müssen sie erst noch auf CDs gebrannt werden. Zu ihrer Information erhält sie vorweg schon einmal das Booklet mit der ausführlichen Beschreibung der Inhalte der Hypnosen.

Kurze Zeit später lässt sie überraschenderweise wissen, dass es ihr wesentlich besser gehe: »Die Methode gegen meine Rheumaschmerzen hat sich bewährt. Ich habe weniger und seltener Schmerzen.«

Dabei hatte sie aber die Hypnosen doch noch gar nicht praktiziert. Was ist passiert?

Tante Linda: »Beim Lesen der Beschreibungen zu den Titeln sind mir schon die Augen zugefallen, und das hat mir bereits sehr geholfen.«

Eindrucksvoll, wie sehr die Überzeugung in die therapeutische Wirkung einer Maßnahme wirkt – in ihrem Fall eine Selbsthypnose, entwickelt aus den Beschreibungstexten mit offensichtlich suggestivem Effekt.

Beschäftigen wir uns mehr mit diesen suggestiven Effekten, stellt sich eine Reihe an Fragen:

Wer ist suggestibel? Wann und warum?

Was ist überhaupt eine Suggestion?

Welche Arten von Suggestionen (z. B. permissiv oder präzise) gibt es?

Wann sind Suggestionen überhaupt angebracht?

Welches Thema verlangt welche Art von Suggestion?

Welche Situation erfordert welche Art von Suggestion?

Welcher Typ Mensch spricht auf welche Art von Suggestion an?

Wie werden Suggestionen formuliert?

Wie werden Suggestionen ausgesprochen? Macht der Ton wirklich die Musik?

Spielen die Kraft der tiefen Hypnose und die Art der Suggestion ineinander?

Wie entsteht die Depotwirkung von Suggestionen?

Welche Suggestion für viel Entwicklung in wenig Sitzungen?

Während der Lektüre dieses Buches werden sich die Antworten darauf finden, sei es in Beispielen, Fallgeschichten oder Hypnosetexten, oft unterschwellig und zwischen den Zeilen. So erfolgt Lernen, ohne wie Lernen zu wirken. Gerade aber durch unbewusstes Lernen werden Inhalte besonders gut abgespeichert und bei Bedarf und abhängig vom Kontext als Formulierungsstützen und Interventionsideen sinnvoll abrufbar sein.

Ui, war das jetzt schon ne Suggestion?

Wie man möchte. Uns allen ist ja sowieso bewusst, dass jegliche Technik sekundär ist und die therapeutische Beziehung das Wichtigste.

1.1 Vom Sinn und Unsinn von Suggestionen

Wenden wir uns dem Sinn (und Unsinn), dem Inhalt und der Platzierung von Suggestionen zu. Und beginnen wir mit dem Unsinn. Dabei wird noch deutlicher, dass, wenn später von Suggestion die Rede ist, damit nicht eine Art gezielt berechnender Einflussnahme verstanden wird. Im Gegenteil wird sich klären, was zu berücksichtigen ist, um Suggestionen eine gute Chance für einen positiven inneren Widerhall zu geben. Hierfür wieder ein Blick in die Praxis …

Wunsch nach Metamorphose

Ein Herr aus einer weit entfernten Stadt bittet mich über E-Mail, ihm eine etwa 20-minütige Audioanleitung mit einer Hypnose zu sprechen und in dieser die Liste seiner Probleme abzuhandeln. Diese reichen von schlechtem Schlaf über Prokrastination und der Situation als Mobbingopfer bis hin zu Einsamkeitsgefühlen und dem Empfinden von Hoffnungslosigkeit. Ich melde ihm freundlich zurück, dass da mit einer einzelnen Hypnose nicht viel auszurichten sei. Er bleibt aber beharrlich, was ich schätze, denn daran merke ich, dass er etwas erreichen will. Nach einigem Mailverkehr über eine längere Zeitdauer schickt er mir ein von ihm selbst ausgetüfteltes, wirklich beachtenswert ausgefeiltes Programm für seine Hypnose. Es handelt sich dabei um eine Reihenfolge immerhin positiv ausgedrückter Wünsche, Empfehlungen und Forderungen sowie Visionen. Seine Sprache ist wohlformuliert und mutet poetisch an. Nach einer schönen Induktion beinhaltet das Schriftstück 19 unterschiedliche Aspekte. Er bittet um Rückmeldung mit eventueller Korrektur:

»An einem wunderschönen türkisblauen Strand stehe ich, umgeben von der sanften Brise des Meeres. Die Sonne wärmt meine Haut, während ich tief ein- und ausatme. Mit jedem Atemzug spüre ich, wie sich meine innere Ruhe vertieft und ich mich an einem friedlichen Strand befinde.«»Mein Selbstwert und meine Selbstliebe blühen in mir auf wie farbenfrohe Blumen. Ich erkenne meinen eigenen Wert und liebe mich bedingungslos. Jeder Tag bringt neue Möglichkeiten, mich selbst zu schätzen und anzunehmen. Diese Liebe zu mir selbst strahlt in allem, was ich tue, und ich bin voller Zuversicht und Stärke.«»Die Fähigkeit, mich in Gruppen zu integrieren, liegt in mir wie ein natürlicher Instinkt. Wie ein Puzzlestück füge ich mich mühelos in jede soziale Situation ein, und es passt perfekt zusammen. Mein Lächeln, meine Offenheit und meine positive Ausstrahlung machen mich für andere Menschen sympathisch.«»Wenn Provokationen mich erreichen, bleibe ich ruhig und gelassen wie ein stiller See. Egal wie stark die Wellen der Provokation auch sein mögen, sie können meine innere Ruhe nicht erschüttern. Ich reagiere mit Klarheit und Gelassenheit, denn ich trage die Kraft der inneren Ausgeglichenheit in mir.«»Existenzängste und Versagensängste lösen sich auf wie Nebel im Morgenlicht. Ich weiß, dass ich fähig und stark bin. Jeder Schritt, den ich mache, führt mich näher zu meinen Zielen. Ich vertraue auf meinen Weg und gehe mit Zuversicht voran.«»Mein Verstand ist wie ein Schwamm, der Wissen aufsaugt und es mit Leichtigkeit wiedergibt. Neue Informationen nehme ich auf wie frischer Wind, der über das Meer weht. Mein Gedächtnis ist scharf und mein Denken klar. Ich kann mich auf mein Wissen verlassen und es jederzeit abrufen.«»Wie die Sonne den Himmel erhellt, strahle ich eine anhaltende Freude und Leichtigkeit aus, die meine Stimmung aufhellt und mich positiv durch den Tag begleitet.«»Bei Kundenabsagen lasse ich mich nicht entmutigen. Wie eine Welle, die hartnäckig den Strand erreicht, gehe ich weiter voran. Jede Absage bringt mich näher zum Erfolg. Ich bleibe fokussiert und arbeite hart, denn ich weiß, dass mein Angebot wertvoll ist.«»Die Kundenliste anzurufen ist für mich eine Gelegenheit, mich zu zeigen. Mit jedem Anruf öffne ich neue Türen. Meine Stimme klingt klar und überzeugend, und ich bin bereit, die Chancen zu nutzen, die sich bieten.«»Die Fähigkeit, mich in Gruppen einzufügen, ist meine natürliche Gabe. Ich bin offen, freundlich und zeige Interesse an anderen Menschen. Ich finde Gemeinsamkeiten und bin eine wertvolle Bereicherung für jede Gruppe, der ich mich anschließe.«»Kunden von meinem Angebot zu überzeugen, ist meine Stärke. Ich erkenne ihre Bedürfnisse und spreche direkt zu ihrem Herzen. Meine Worte sind überzeugend und authentisch, und ich gewinne das Vertrauen meiner Kunden.«»Meine Rhetorik ist fließend und kraftvoll. Wie Wellen, die sanft an den Strand rollen, erreichen meine Worte die Herzen meiner Zuhörer. Ich kommuniziere klar und präzise, und meine Botschaft kommt an.«»Selbst in stressigen Situationen bewahre ich meine Ruhe. Wie der Himmel über dem Ozean klar bleibt, behalte ich meinen klaren Geist. Ich treffe fundierte Entscheidungen und handle mit Bedacht.«»Ein warmes Licht durchdringt meine Gedanken, während es die Dunkelheit der leichten Depression vertreibt. Jeder Tag bringt mir mehr Leichtigkeit und Freude. Ich entdecke die positiven Aspekte des Lebens und schätze die kleinen Momente.«»Die Einsamkeit weicht dem Gefühl der Verbundenheit. Wie die Wellen des Ozeans bin ich in einem harmonischen Fluss mit anderen Menschen. Ich ziehe positive Beziehungen an und fühle mich nie allein.«»Ich ziehe eine wundervolle Partnerin in mein Leben, denn ich strahle Selbstvertrauen und Charisma aus. Ich bin offen und authentisch, und meine Ausstrahlung gewinnt das Herz einer besonderen Frau.«»Mein Schlaf ist erfrischend und revitalisierend. Wenn mein Kopf das Kissen berührt, schlummere ich sofort ein und finde tiefen Frieden im Traumland. Ich erwache am Morgen voller Energie und Tatendrang.«»Meine Ausstrahlung ist charismatisch und anziehend. Wie das strahlende Sonnenlicht am Strand, ziehe ich positive Energie an und beeindrucke Menschen mit meiner Präsenz.«»Im Beruf gehe ich jeden Tag motiviert an meine Aufgaben heran. Ich erkenne den Wert meiner Arbeit und handle entschlossen. Meine Energie ist unerschöpflich, und ich erreiche kontinuierlich meine Ziele.«»Mein Körper sendet mir klare Signale, wenn ich satt bin. Ich esse achtsam und genieße jede Mahlzeit. Mein Hungergefühl und Sättigungsgefühl sind in Balance, und ich nehme genau die Menge an Nahrung auf, die mein Körper braucht.«»Mein Unterbewusstsein wird diese Suggestionen aufnehmen und in meinem täglichen Leben umsetzen. Ich werde Veränderungen bemerken, die mich zu einem selbstbewussten, motivierten und erfolgreichen Menschen machen. Ich bin bereit, mein volles Potenzial zu entfalten und mein Leben in allen Bereichen zu verbessern. Wenn ich meine Augen öffne, werde ich mich erfrischt, gestärkt und voller positiver Energie fühlen. Ich bin bereit, die Welt mit meinen neuen Fähigkeiten zu erobern.«

Wie viel Arbeit, wie viel Hoffnung, wie viel Liebe, leider auch Zwang, stecken in dieser Ausarbeitung! Und: wie viel Gefahr des Scheiterns. Denn diese Neuinterpretation seiner selbst, man sollte es gar nicht Selbsthypnose nennen, ist ein gutes Beispiel für falsche Einschätzung unbewusster Prozesse und Selbstüberforderung. Eine Suggestion jagt die nächste. Bestenfalls erfolgt dadurch eine kleine Verbesserung in kleinen Bereichen, schlimmstenfalls folgt Enttäuschung mit Verschlimmerung der Gesamtsymptomatik. Was tun?

Der Herr glaubt an bildhafte und zugleich prägnante Zuschreibungen, schnelle Veränderung und an die Kraft des Unbewussten. So soll sich seines Erachtens das »Wunder« ereignen. Und genau das kann genutzt werden, es scheint ja der Königsweg für ihn zu sein. Damit wären wir bei der »Wunderfrage« aus der Systemischen Therapie angelangt: »Stell dir vor, heute Nacht geschieht ein Wunder! Was wäre morgen anders?«

In meiner Antwort lasse ich ihn als Erstes wissen, dass ich seine Ausarbeitung schätze und darin erkenne, dass er ein genaues Bild von dem hat, was er erreichen möchte. Ich erkläre ihm, dass das Unbewusste sich mit den ganzen Aufgaben im Gesamtpaket von 19 vollkommen unterschiedlichen Themen, Zielen, Wünschen und Ideen für Verbesserungen und Entwicklungen überfordert fühlen könnte und nicht wie ein Automat reagieren würde. In Konsequenz schlage ich ihm vor, sich jedem der 19 Themen in einer separaten Hypnose zu widmen. Dazu möge er sich abends vor dem Einschlafen ganz konzentriert mit einem dieser Themen beschäftigen und sich ganz genau vorstellen, wie es (das Wunder) sich ereignet, wie es ausschaut, wie es sich körperlich, geistig und seelisch anfühlt und wie es sich im Detail auswirkt, wie andere darauf reagieren werden und wie er stolz auf sich ist: »Sie müssen sich das ganz akribisch vorstellen und eintauchen in den Zustand und in die Person, die Sie gerne sein möchten. Am nächsten Tag können Sie sich einen anderen Punkt vornehmen und das wie auf der inneren Bühne abspielen und so in der inneren Realität schon mal erleben, wie es in Zukunft sein wird. So verwirklichen sich langsam die von Ihnen gewünschten Veränderungen, auf Ihre ganz persönliche Art und Weise.«

Mit diesen intensiven Vorstellungen möge er in den Schlaf sinken und seiner unbewussten Arbeit vertrauen. Am nächsten Tag soll er darauf achten, welche kleinen Unterschiede es gibt zum vorherigen Tag, welche kleinen, vielleicht auch klitzekleinen Veränderungen und Lichtblicke, und sich dabei immer deutlich machen, dass solch kleine Veränderungen einen Dominoeffekt haben. Ich bitte ihn, geduldig zu sein und mich auf dem Laufenden zu halten, und versichere ihm, dass ich meine Beratung nicht in Rechnung stelle.

Bis heute habe ich nichts mehr von ihm gehört, und ich nehme auch Abstand davon, ihn zu kontaktieren. Ergo: Resultat (bislang) unbekannt. Leider. In meiner Fantasie ist er woanders gelandet, muss kräftig zahlen und kann jetzt seinen Kopf nicht mehr aus der Schlinge ziehen. Aber: Ich habe ihm das gegeben, was ich für richtig empfinde und fühle mich dabei gut.

Make your unconscious your servant?

Ein jüngerer Mann, der sich in Abständen eine Hypnosesitzung bei mir gönnt, ist Fan eines US-amerikanischen Coachs und praktiziert bestimmte Rituale mit lautem Sprechen von selbstsuggestiven Affirmationen in englischer Sprache, welche er mir für diese Veröffentlichung übersetzte:

I now command my subconscious mind to give me the

strategy and clarity

strength and persistence,

emotion and persuasion,

humor and brevity,

focus & discipline

whatever it takes to …

(Ich beauftrage jetzt mein Unterbewusstsein, mir das zu geben:

Strategie und Klarheit

Stärke und Ausdauer,

Emotion und Überzeugung,

Humor und Bündigkeit,

Konzentration und Disziplin

was auch immer nötig ist, um …)

All I need is within me now

All the boldness I need is within me now

All the concentration I need is within me now

All the intelligence I need is within me now

(Alles, was ich brauche, ist jetzt in mir

All die Kühnheit, die ich brauche, ist jetzt in mir

Die die Konzentration, die ich brauche, ist jetzt in mir

Die die Intelligenz, die ich brauche, ist jetzt in mir)

Bei den anschließenden Affirmationen waren die Sätze im Original in falscher Reihenfolge aufgebaut, und zwar so, dass das, was ich eben nicht will, am Schluss des Satzes kommt (gleich merken!). So heißt es ursprünglich:

I will lead and not follow!

I will create and not destroy!

I will believe and not doubt! Etc.

Nach meiner Intervention und Erklärung, dass die wichtige Aussage zum Schluss erfolgen muss, um »nachzuhallen«, hat er den Text dahingehend umgesetzt:

I will not follow but LEAD!

I will not destroy but CREATE!

I will not doubt but BELIEVE!

I will not hate but LOVE!

I will not revenge but FORGIVE

I will not envy but LEARN

I will not fear but solve the challenges

I will not be angry but kind

I will not be distracted but concentrated

(Ich werde nicht folgen, sondern FÜHREN!

Ich werde nicht zerstören, sondern SCHAFFEN!

Ich werde nicht zweifeln, sondern GLAUBEN!

Ich werde nicht hassen, sondern LIEBEN!

Ich werde mich nicht rächen, sondern VERGEBEN

Ich werde nicht beneiden, sondern LERNEN

Ich werde die Herausforderungen nicht fürchten, sondern lösen

Ich werde nicht wütend sein, sondern freundlich

Ich werde nicht abgelenkt sein, sondern konzentriert)

Zweifelsohne, die Sätze sind prägnant, können kaum schaden, sind aber in der Wirkung vermutlich eher bescheiden. Es reicht nicht aus, das Unbewusste zu »beauftragen« oder sich bewusst einzuhämmern, dass man unschlagbar ist. Es erinnert an den Slogan des fraglos fabelhaften Fitnessgerätes TRX (Fitness everywhere), entwickelt für die US Army: »Make your Body your Machine«. Nun, der Körper lässt sich trainieren, ist aber trotzdem keine Maschine, die Seele kein Kaugummiautomat und das Unbewusste, das respektvoll und einfühlsam behandelt werden will, mehr als KI.

»Hypnotiseur« versus Hypnotherapeut

Eine Vielzahl an unseriösen Anbietern auf dem Markt versprechen dem suchenden Laien schnelle Erfolge und lassen dann auf den armen Menschen in einer ohnmachtsähnlichen Trance schnittige Suggestionen einhageln wie: »Du wirst nicht mehr rauchen / schlägern / dich schneiden / Haare raufen / kratzen / maßlos essen / Nägel beißen / klauen / deine Arbeit vernachlässigen, dafür aber erholsam schlafen / der Spinne ins Auge schauen / die Arbeit effizient verfolgen / den Richtigen finden / potent werden / regelmäßig Sport treiben und richtig viel Geld verdienen.«

Eine Kollegin aus meinem DGH-Weiterbildungscurriculum machte sich die Mühe, die Hypnose eines »Internet-Hypnotiseurs« zum Thema Spinnenphobie zu transkribieren. Der Text füllt sechs DIN-A4-Seiten, die wir uns im Seminar bezüglich Aufbau und Suggestionen genauer anschauten. Abgesehen davon, dass es an Wissen um Psychodynamik und auch an Feingefühl mangelt, scheint es eher darum zu gehen, der anderen Person etwas einzutrichtern. Wir fassen zusammen:

sehr lange Hypnoseinduktion mit dem Ziel, den Hypnotisanden zu verwirren und irgendwie »platt« zu machen

viele Suggestionen, die strikt befolgt werden sollen

Angebote, die zum Teil unsinnig sind, wenn nicht sogar übergriffig, und die auf ein bewusstes Verstehen abzielen

Aufforderungen, Probleme einfach abzustreifen, ja, sie »prasseln« geradezu ab

simple Suggestionen, was zu tun und zu lassen ist, damit es einem besser geht, und was man »einfach« anders machen muss

plausible Erklärungen wie: »… du entdeckst, dass diese Spinne auch ein wichtiger Teil der Natur ist.«

Hoppla, so etwas zu verstehen, ist eine bewusste Leistung und keine unbewusste. Mit einer tiefen, unbewusst autonomen Arbeit, wie wir sie intendieren, damit eigenständig Lösungen gefunden werden, und sei es, der Spinne die Hand zu reichen, hat das nichts zu tun.

Make it simple!

Wie unterschiedlich dazu lauten die bescheidenen, klaren, realistischen und bodenständigen selbstsuggestiven Sätze eines Leichtathleten für sein so tituliertes »Geheimnis von Langlebigkeit«.

»Habe Respekt vor dir selbst.«

»Mach Sport zu deiner Profession.«

»Sei diszipliniert.«

»Sei präsent.«

»Sei geduldig.«

Seit zwei Jahrzehnten läuft der 1984 geborene kenianische Leichtathlet Eliud Kipchoge ohne nennenswerte Verletzungen und Krankheiten und steht an der Spitze seiner Disziplin. Er gilt als bester Langstreckenläufer seiner Zeit und als einer der besten aller Zeiten. Gefragt nach seinem Geheimnis, gibt er als präzise Antwort sein Motto der 5 Sätze. Sie wirken einfach, sind aber offensichtlich selbstwirksam, eben aus diesem Grunde (gelesen in der NZZ, Ausgabe März 2023).

Reinhold Messner sagte in einem Interview einmal einen beachtenswerten Satz, der in einer Hypnose (unter Nennung seines Namens) eine gute Suggestion abgeben könnte: »Die Angst wächst mit dem Zögern, der Mut wächst mit dem Weitergehen.«

Ebenso bescheiden, klar, realistisch, bodenständig, einfach lässt sich die Einleitung einer Hypnose gestalten, sei es mit einer Szene am Meer oder im Wald. Und nach der Einleitung würde nur die Suggestion folgen, dass das Unbewusste jetzt sinnvolle Arbeit macht, während man genießt und vertraut. Sowieso weiß es ja besser über das Thema, die Erkrankung oder das Problem und auch die Lösung Bescheid und übernimmt jetzt selbsttätig die therapeutische Arbeit.

Szene am Meer:

Ich rieche Meereslüfte … und fühle frische Brise …

Ich blicke in die Weite … und höre Meeresrauschen …

Ich atme auf, schließe die Augen … und sage ›Meer‹ …

sinke in Hypnose … und geh mit meinem Unbewussten tauchen …

Szene im Wald:

Ich blicke in sattes Grün … und höre Waldesrauschen …

Ich rieche Waldesdüfte … und fühle sanftes Wehen …

Ich atme auf, schließe die Augen … und sage ›Wald‹ …

sinke in Hypnose … und lass mein Unbewusstes gehen …

1.2 Die Suggestion – einfach und wirksam

Klar umrissene Probleme und Symptome können mit klaren, einfachen Suggestionen bedient werden, denn diese fallen auf fruchtbaren Boden wie in folgenden Beispielen aus der Schmerztherapie, der Schlafforschung und einer Studie zur Prüfungsangst.

Beispiel 1: Suggestionen für Schmerzlinderung nach Barber

»… just a little bit more comfortable than before« – mit sanfter und getragener Stimme im Rhythmus der Atmung des Patienten ausgesprochen, ist die wirkungsvolle Induktions- und Vertiefungstechnik von Jo(seph) Barber, dem Schmerzexperten in der US-amerikanischen Hypnose-Elite, ehem. Präsident der Society for Clinical and Experimental Hypnosis (Vgl. Barber 1996). Seine einfachen und doch so wohltuenden Suggestionen für Schmerzpatienten lauten nach der Induktion über eine Treppe und gerade ankommend bei Stufe zehn folgendermaßen:

Und jetzt, bei ›Zehn‹ unten am Fuß der Treppe angekommen, haben Sie die Möglichkeit, mit jedem Atemzug Ihr Gefühl von Wohlbefinden zu vertiefen, fast so, als ob Sie mit jedem Atemzug Moleküle des Wohlbefindens aufnehmen könnten, Sie in Ihren Körper einfach einatmen und diese Moleküle des Wohlfühlens zu einem Teil Ihres Körpers machen. Genauso, wie Sie jedes Mal, wenn Sie ausatmen, Gefühle des Unbehagens, Gefühle von Stress, von Müdigkeit und Sorgen wegatmen, jeden Atemzug nutzen, um zu immer mehr Wohlbefinden beizutragen, indem Sie Wohlgefühl einatmen, Unbehagen ausatmen, Wohlgefühl einatmen, Unbehagen ausatmen, immer und immer wieder, Wohlgefühl einatmen, Unbehagen ausatmen. Genau so!

Mit jedem Atemzug haben Sie die Möglichkeit, Ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren, immer mehr Ihr Wohlbefinden und Ihren Seelenfrieden in den Mittelpunkt zu stellen, ohne sich von irgendetwas stören zu lassen. Und Sie haben die Fähigkeit, Ihre Aufmerksamkeit zu verlagern. Sie haben die Fähigkeit, Ihren Fokus zu verändern, und so können Sie zu jedem Zeitpunkt des Tages oder der Nacht immer tiefer in Ihr Wohlgefühl und Ihr Wohlbefinden eintauchen, ohne sich von irgendetwas stören zu lassen. Und mit jedem Augenblick, der vergeht, mit jedem Tag, der vergeht, können Sie mehr und mehr Ihr Nervensystem umschulen, so dass es nur auf diejenigen Empfindungen achtet, die Sie spüren wollen, und genau die Empfindungen ausblendet, die Sie eigentlich gar nicht wahrnehmen müssen.

Und so können Sie Tag für Tag und Woche für Woche lernen. Sie können lernen, jene Empfindungen auszublenden, die keinen Wert haben und die für Sie nicht wichtig sind. Sie können sich dieser Gefühle, die Sie nicht haben wollen, immer weniger bewusst werden. Und stattdessen immer häufiger überrascht feststellen, dass Sie sich im Laufe der Zeit – einfach so – immer besser fühlen.

(Ausschnitt einer privaten Audioaufnahme, transkribiert und frei aus dem Amerikanischen übersetzt von der Verfasserin)

Beispiel 2: Suggestionen für guten und tiefen Schlaf (Studie der Universität Freiburg/CH)

Studienergebnisse zeigen, dass hypnotische Suggestionen vor dem Einschlafen den Schlaf nicht nur vertiefen, sondern auch verlängern können. Gleichzeitig wurde der Schlaf von den Probanden auch als besser und erholsamer eingeschätzt. In einer Untersuchung von Prof. Dr. rer. nat. Björn Rasch, Dr. Maren Cordi von der Universität Freiburg (CH) und Prof. Angelika Schlarb von der Universität Bielefeld sollten Versuchspersonen, die bereits im Bett lagen, sich einen Fisch oder Delfin vorstellen und mit diesem Meerestier entspannt im Wasser schwimmen, um dann mit ihm langsam tiefer und immer tiefer einzutauchen. Suggestionen bezüglich Sicherheit und Wohlgefühl begleiteten das entspannte Loslassen für erholsamen Schlaf (Vgl. Rasch 2022, S. 38).

Auszug aus dem verwendeten Text mit hypnotischen Suggestionen:

… und Sie können sich vielleicht an Ihr Bild erinnern … das Bild mit dem Meer … und der Schlaftiefe … und Sie können ganz von allein tiefer und tiefer eintauchen … eintauchen in den Schlaf … um tief zu schlafen … tief und entspannt zu schlafen … während sich alles ausruhen kann … jeder einzelne Teil Ihres Körpers sich ausruhen kann … tief entspannt … ausruhen … ganz tief … bis zum Grund des Bildes … tief einsinken … entspannen … eine lange Zeit … tief entspannt … einfach loslassen … und wissen, dass alles in Ordnung ist … (Rasch 2022, S. 38)

»Der Schlaf wurde mit Hilfe der Elektroenzephalografie (EEG) objektiv bestimmt. Im Vergleich zu dem Kontrolltext hatten die Versuchspersonen [gesunde Probanden ohne Schlafstörungen wie der Insomnie] einen deutlich längeren Tiefschlafanteil, wenn sie vor dem Einschlafen die hypnotischen Suggestionen zur Schlafvertiefung hörten« (Rasch 2022, S. 38).

Möchte man aufgrund der Idee dieser Studie selbst eine suggestionsreiche Tranceanleitung entwerfen, könnte diese folgendermaßen lauten:

Tiefblaue Ruhe – erholsamer Schlaf

Eine tiefe … entspannende … wohltuende Hypnose für dich …

um zur Ruhe zu finden … um ins Gleichmaß zu sinken … in atemgleiche Ruhe …

um abzutauchen … tiefer … als tief …

so erholsam tief, wie du es dir schon lange gewünscht hast …

schon lange ersehnt … und wie es dir jetzt gelingt. Schön!

Du atmest einfach ruhig … und regelmäßig … und es überrascht dich vielleicht …

denn du siehst vor deinem inneren Auge das Wort Ruhe …

in großen Lettern geschrieben …

das Wort Ruhe in angenehmen Tönen …

in schönen Schriftzügen und … mit schön beruhigender Ausstrahlung …

Und ganz von selbst … strömt das Wort … Ruhe … beim Einatmen in dich herein … hm …

Und ganz von selbst … kommt beim Ausatmen das Wort … Ruhe … in dir zum Klingen …

Einatmen … Ruhe strömt ein …

und Ausatmen … Ruhe erklingt …

Einatmen … Ruhe strömt ein …

Ausatmen … Ruhe erklingt …

Einatmen … Ruhe strömt ein …

und Ausatmen … Ruhe erklingt …

Und mit dieser Ruhe … so ganz ohne Mühe …

sinkst du mit jedem Ausatmen tiefer und tiefer … in gelassenes Sein …

Und dieses gelassene Sein hat eine wundervolle Farbe … wohl die Farbe des Meeres …

da sinkst du ein … leicht und frei … tauchst ein … warm und schwer …

So fühlst du ein Schweben und Sinken … zugleich …

ein Treibenlassen und Dahingleiten … zugleich …

Treibenlassen … in diesem wundervollen Befinden … tiefer und tiefer …

dahingleiten … in diesem wundervollen Blau … sich ausbreiten in Wohlgefühl … wie schön!

Die Atmung von alleine fließen lassen … das Herz von alleine pumpen lassen …

und dieses herrlich rote Blut durch deine Adern strömen lassen …

voller Vertrauen … selbsttätig … alles wie von der Natur vorgegeben …

Und irgendwo … ja, irgendwo …

die Sonne mit ihrem goldenen Strahlen …

die Sterne mit ihrem leuchtenden Glitzern …

der Mond mit seinem silbernen Schimmern …

und du tief und tiefer in Ruhe …

so erholsam … so tief entspannend … einfach sinken …

einfach treibenlassen in aller Gelassenheit … in der Farbe des Meeres …

in dem sich die bunten Fische tummeln und geruhsam an dir vorübergleiten …

um tiefer zu tauchen … und die Seeanemonen zu begrüßen …

und einen Besuch abzustatten in einer so ganz anderen Welt …

geheimnisvoll … voller Zauber und süßer Träume …

Und ein bisschen mag es wie Schlaf sein … oder sogar mehr als Schlaf …

dieses tiefe Erholen … dieses süße Träumen … in friedvollem Sein …

tiefer als tief … eintauchen … entspannen … jetzt!

Jeder einzelne Teil deines Körpers kann sich ganz wunderbar erholen …

wunderbar gelöst … wunderbar entspannt … herrlich warm durchblutet …

Du tauchst tief ab … sinkst bis auf den Grund der tiefsten Erholung …

und immer fühlst du den Halt unter dir … die Weite nach oben …

und dabei die vollkommene Befriedung deines Seins …

Ruhe im Körper … Ruhe in der Seele … und Ruhe im Geist …

einfach loslassen … einfach loslassen und wissen, alles ist in Ordnung …

Sehr schön … sehr gut …

Mag sein, du hörst dieses feine Unterwasserknistern …

Vielleicht auch eine zarte Melodie, nur für dich gespielt …

Tiefe Ruhe … tief ersehnt und tief erfüllt … jetzt …

Und du siehst dich in dieser wundervollen Farbe ruhen …

mit gelöstem Gesicht, wunderschön entspannten Zügen …

ruhig atmenden Lungen … ruhig schlagendem Herz … ruhig arbeitenden Organen …

gelösten Gliedmaßen … in tief befriedetem Sein …

muntere Fische umrahmen deine Gestalt … schenken Energie und Zuversicht …

ein kraftspendendes Bild … und das prägt sich tief in dir ein …

Mit diesem Bild kommst du in tiefe Erholung …

und mit diesem Bild kommst du tief in tiefen Schlaf …

Immer, wenn es dich verlangt nach dieser tiefen Ruhe …

siehst du wieder das geschriebene Wort Ruhe vor dir, du atmest es ein …

und lässt es beim Ausatmen in dir erklingen …

Du spürst das Sinken in die Farbe des Meeres …

und wirst bald den bunten Fischen begegnen …

tauchst tief mit ihnen bis zu den Seeanemonen … sinkst tief ein in vollkommene Ruhe …

Und erst dann, wenn du dich ausgiebig erholt haben wirst …

Wendest du dich deinem Leben im Hier und Jetzt wieder zu.

(entnommen aus dem Hörbuch Selbsthypnose bei Multipler Sklerose, hrsg. von Agnes Kaiser Rekkas)

Beispiel 3: Die eingebildete Placebopille (Studie der Universität Basel)

Selbstsuggestion in Reinform war Gegenstand einer Studie mit drei Gruppen zur Behandlung von Prüfungsangst bei Studenten.

Die Teilnehmer der 1. Gruppe nahmen drei Wochen lang zweimal täglich eine Pille, die offen als Placebo deklariert wurde.

Die Teilnehmer der 2. Gruppe stellten sich lediglich vor, drei Wochen lang zweimal täglich eine Placebopille gegen Prüfungsangst zu schlucken.

Die Teilnehmer der 3. Gruppe machten weiter wie bisher.

In beiden Placebogruppen nahm die Prüfungsangst deutlich ab im Vergleich zur Kontrollgruppe. Aussage: Imaginäre Pillen wirken ebenso gut wie Placebopillen (Buergler et al. 2023).

Das Konzept einer imaginären Pille war übrigens schon 1984 von Steve de Shazer in den Kontext der klinischen Hypnose eingeführt worden (de Shazer 1984).

1.3 Suggestionen im täglichen Leben

Die folgenden kleinen Geschichten mit klaren suggestiven Ansagen führen uns auf die Alm, auf eine Party und in den karibischen Rainforest.

Allergischer Anfall allein auf der Alm

Die Notfallmedizin hat ihre eigene klare Sprache, denn hier ist schnelles Handeln und eine schlüssige Suggestion mit einem guten Bild angesagt. Eine ärztliche Kollegin hat mir hierzu folgende von Erfolg gekrönte Intervention berichtet:

Ihr erwachsener Sohn hat eine Nahrungsmittelallergie. Er ist allein auf einer Alm. Es ist Abend. Unwissentlich hat er etwas verzehrt, auf das er heftig allergisch reagiert. Er bekommt die bekannten Symptome, gerät in Panik. Unmöglich, den Berg hinunterzukommen und irgendwo ein Krankenhaus aufzusuchen. Glücklicherweise gibt es Handyempfang. Er ruft seine Mutter an. Geistesgegenwärtig gibt sie ihm folgenden suggestiven Rat: »Hole dir ein großes Gefäß, am besten einen Eimer. Setze dich im Kutschersitz davor hin und lasse deine Hände in den Eimer hängen. Atme ruhig und langsam und erlaube, dass alles überflüssige Histamin aus deinem Körper in deine Arme fließt, durch diese hindurch in die Hände hinein, und aus den Fingerspitzen hinaus in den Eimer tropft. Du siehst, wie das Histamin in deine Hände strömt und dann hinausläuft, und du fühlst es. Du hörst jetzt, wie die Tropfen in den Eimer fallen. Beobachte dabei, wie du dich nach und nach entspannen kannst und wie die Allergie nachlässt, wie du besser Luft holen kannst und es dir Tropfen um Tropfen besser geht. Tropfen um Tropfen besser!«

Einsam durch Emetophobie

Anfrage einer ärztlichen Kollegin: »Eine junge Dame, Patientin von mir, hat eine Phobie vorm Erbrechen. Sie trinkt keinen Alkohol, vor Angst sich übergeben zu müssen, geht deshalb auf keine Party – mit 25 Jahren! – vor Angst, jemand übergibt sich. Sie ist mittlerweile so eingeschränkt, was ihr Leben angeht. Immer zuhause, immer allein. Sie will eine Hypnose. Hast du da eine Idee?«

Antwort AKR: »Als Ärztin wirst du ihr natürlich erst mal klarmachen, dass Erbrechen eine ganz wichtige Funktion des Organismus und lebensnotwendig ist. Dann würde ich im Gespräch mal genau mit ihr diesen Prozess durchgehen, wenn sie sich erbricht oder jemand anderer sich erbricht, und was dann eigentlich alles Schlimmes passiert. Also durchfantasieren bis zum bitter-ekligen Ende, wo man sich den Mund ausspült und die Schweinerei wieder sauber macht.

Als Weiteres machst du eine schöne tiefe Hypnose mit ihr und suggerierst ihr, dass ihr Körper nur erbrechen wird, wenn er etwas Unverdauliches loswerden will und dass sie damit ganz entspannt sein wird. Und wenn sich jemand anderes übergibt, wird sie sich entspannt abwenden.

Falls Sie im Zusammenhang mit Erbrechen etwas Traumatisches erlebt haben sollte, wirst du es finden und mit ihr ideomotorisch, also auf unbewusster Ebene sachte auflösen. Die Symptomatik mag eine zwanghafte Komponente haben, die mit Humor und tiefer Hypnose aufgelöst werden kann.«

Business Coaching im Busch

Wir kurven in einem kleinen Jeep durch die Regenwaldberge von Tobago. Üppig grün und verwunschen. Auf der Straße ab und zu ein Mann mit einem Buschmesser, Frauen mit Körben und Kinder in Schuluniform mit ihren Schultaschen. Es ist heiß, und wir sind durstig. Irgendwann führt uns die Straße an einem eher bescheidenen kleinen Kiosk vorbei. Wir halten an. Wie verloren baumeln ein paar schrumpelige Papayas, noch grüne Ananas und zu braune Bananen an Fäden von der Decke, und auf dem Tresen warten andere müde Früchte. Alles macht einen verschlafenen Eindruck. Nach einiger Zeit regt sich aber etwas, und ein junger, drahtiger Mann taucht wie aus dem Nichts auf. Wenig später gesellt sich eine quirlige Kinderschar dazu. Wir kommen ins Gespräch. Ja, alles seine Kids. Und nicht einfach, die über die Runden zu bringen. Sein Name: Freddy.

Mein Mitfahrer ist ein äußerst erfolgreicher Hotelier von der Insel San Lucia. Es verwundert nicht, dass er sogleich einen supersuggestiven Werbeslogan parat hat …

Als mich meine Reise ein Jahr später wieder an diesem verwunschenen Ort vorbeiführt, ist alles wie ausgewechselt. Ein Parkplatz lädt zum Verweilen ein, eine Bank aus Bambus zum Niederlassen, ein Tisch unter Palmwedelschatten zum Schlürfen von Coconutwater. Die Früchte wirken verlockend. Drei kleine Vans stehen herum. Sie gehören zu Touristen.

Über allem prangt karibisch frech und süß: »Freddy’s Fresh Fruit«

1.4 Suggestibilität – eine Variable

Trotz dieses kleinen Ausflugs in den Dschungel wird, wenn im Folgenden von Suggestion die Rede ist, natürlich nicht eine Art gezielt berechnender Einflussnahme verstanden. Der Erfahrung nach werden – eine gesunde Psyche vorausgesetzt – manipulativ wirkende Suggestionen auf der unbewussten Ebene weder aufgegriffen noch umgesetzt, sondern verworfen oder im besten Fall gar nicht erst registriert. Direktive Aufforderungen, auch die sog. Affirmationen, mit dem Ziel der Veränderung von Vorstellung, Empfindung oder Handlungsimpulsen, erweisen sich zumeist als ineffektiv. Obwohl logisch klingend, wird sowohl auf bewusster, aber vor allem auf unbewusster Ebene, die geforderte Variante des Denkens, Fühlen und Handelns psychologisch als fremd und nicht stimmig empfunden und somit nicht akzeptiert und integriert.

Suggestionen dieser Art bringen nur bei eindeutig umschriebenem Einsatz, im Einklang mit unbewussten Vorgängen, das gewünschte Resultat. Gelingen tut dies z. B. im Not- und Krisenfall, wie schon von der Alm berichtet. Und so lautet auch eine der berühmten Suggestionen von David Cheek: »Stop the bleeding now! Don’t waist your precious blood!« (Rossi a. Cheek 1988). Eine Blutung willentlich und bewusst zu stoppen, ist eine wohl schwer zu erfüllende Aufgabe. Aber vom Verletzten – hochsuggestibel, da unter Schock stehend – wird die glasklare Suggestion bewusst und unbewusst ganz selbstverständlich als lebensrettend interpretiert und integriert. Die Blutung stoppt. Die Suggestion des Arztes korrespondiert mit der Selbstsuggestion der verwundeten Person.

Erfolgreich erprobte dies ein Arzt in meiner Hypnoseausbildung in einem – natürlich unfreiwilligen – Selbstversuch beim Holzhacken mit einem Beilhieb ins Bein. Er stillte den Schmerz und auch die Blutung durch Autosuggestion. Was ihm zusätzlich half, war die Vorstellung, dass es sich nicht um sein eigenes Bein handele, sondern um das eines Patienten. Die herbeigerufenen Sanitäter brachten sein Konzept anfänglich zwar etwas durcheinander, verstanden dann aber doch schnell und ließen ihn seine Hypnose machen, was letztendlich ihre Arbeit ja auch erleichterte.

(Später staunten die Ärzte nicht schlecht, wie schnell der osteosynthetisch versorgte Bruch heilte und dass dies ein Skifahren schon im kommenden Winter wieder möglich machte, was vermutlich auf das konsequente Durchführen der Selbsthypnose auch nach der operativen Versorgung zurückzuführen ist.)

In der Praxis zeigt sich: je stärker das aktuelle Leid/der aufgeschaukelte Stress/der akute Schmerz, umso höher die Motivation, die Situation zu verändern. Das entspricht den schon erwähnten Untersuchungen von Gheorghiu, dass bei einer Person im Zustand von Unsicherheit, Ungewissheit und Instabilität die Suggestibilität hoch ist. In Schock- und Notsituationen ist die subjektive Suggestibilität sogar sehr hoch und somit die Toleranzschwelle gegenüber Suggestionen niedrig. Das kann therapeutisch genutzt werden.

Im Normalfall ist die Suggestibilität im dritten Drittel der Hypnose generell am höchsten, da dann die Trance durch die inzwischen entstandene fokussierte Dissoziation und konzentrierte Absorption am tiefsten ist. Die wichtigsten Suggestionen sollten sinnvollerweise in diesem Zeitraum erfolgen, und wenn es die Umstände (Zeitrahmen, Bereitschaft des Patienten, Kontext) erlauben, kann eine Hypnoseanleitung so aufgebaut werden, dass sie in ihrer gesamten Organisation darauf hinarbeitet.

Die haltgebende Struktur der Hypnoseanleitung

Der Text einer Hypnose sollte, wenn es Zeitrahmen und Kontext erlauben, einen klar organisierten Aufbau haben, vergleichbar mit einem Musikstück. Wie in jeder guten Psychotherapie werden dabei direkt und indirekt wichtige therapeutische Fakten und Inhalte vermittelt, wobei die unter 6–12 aufgelisteten »hypnose-spezifisch« sind. Ab Punkt 9 kommen die wichtigen Suggestionen zum Einsatz.

1)

Sie sind in Begleitung (durch den Therapeuten).

2)

Das Thema lässt sich bearbeiten und lösen oder zumindest verbessern.

3)

Sie sind voller Stärken und Ressourcen, und zwar …

4)

Sie werden Abstand und eine neue Sichtweise gewinnen.

5)

Schwere und Dramatik der Situation werden sich (auf-)lösen.

6)

Wir setzen den Fokus auf Erweiterung von Mustern, Veränderung, Verbesserung, Erleichterung, Entwicklung.

7)

Hürden, Hindernisse, eventuelle tiefsitzende Irrungen, Wirrungen, Traumata können auf unbewusster Ebene und somit schonend und sanft behandelt werden.

8)

Sie können sich und Ihrem Unbewussten vertrauen.

9)

Sie genießen Ihr angenehmes Befinden, während sich unbewusste Arbeit vollzieht.

10)

Vielleicht nehmen Sie in aller Ruhe schon leichte Veränderungen wahr.

11)

Mag auch sein, Sie bekommen eine Ahnung oder Vorschau von der Zukunft, d. h. der Zeit nach Überwindung der momentanen Themen/Situation.

12)

Und diese Zukunftsvision wirkt jetzt schon positiv auf Sie zurück.

13)

Vermutlich können Sie sich jetzt schon spontan etwas erleichtert und besser fühlen.

Diese Struktur wird besonders deutlich in Kapitel 2.2Der Kopf befreit, im Sommerkleid aufgezeigt.

1.5 Die 14 suggestiven Stationen im Ablauf der Therapiesitzung

Betrachten wir den Ablauf einer Therapiesitzung mit Hypnose, erkennen wir bereits suggestive Effekte, noch ohne überhaupt eine einzige direkte Suggestion ausgesprochen zu haben.

1)Die erste, grundlegende Suggestion ist eine Selbstsuggestion.

Entscheidet sich jemand für Hypnose und sucht einen Hypnotherapeuten auf, verspricht er sich etwas Besonderes, auch wenn die Erwartung oft nur vage in Worte gefasst werden kann.

Der Klient/Patient ist voller Hoffnung, dass etwas »Wundervolles« geschehen möge, das ihm hilft und ihn weiterbringt. So kommt er schon in leichter Trance in die Praxis.

Typisch dafür ist, dass neun von zehn Personen an meiner Praxis vorbeischießen in ein höheres Stockwerk und mich dort verzweifelt suchen. Interessanterweise passiert das, obwohl ich mir aus diesem Grund angewöhnt habe, in einer Mail vorher anzukündigen, man möge beachten, dass meine Praxis im ersten Stock liegt. Ich warte dann immer bis kurz nach der verabredeten Zeit, gehe auf den Flur und rufe den Namen der Person, die irgendwo im Treppenhaus verloren herumrennt. Der Stress legt sich sofort, wenn ich lachend verkünde, dass ich »noch nicht ganz oben angelangt bin«.

2)