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Die Geschichte der berühmtesten Creme der Welt.
Hamburg, 1907. Oscar und Gerda sind glücklich, sie bereisen die Welt, sammeln Kunst und veranstalten große Salons in ihrer neuen Villa an der Alster. Ihr Unternehmen floriert, die Zahl der Mitarbeiter hat sich vervielfacht, und das Paar ist zuversichtlich, schon bald mit ihrer Nivea-Creme, einer Sensation in der Hautpflege, den Markt erobern zu können. Irma soll für das Unternehmen einen der ersten Werbefilme zeichnen – eine revolutionäre Idee. Doch dann wird Irma in einen Skandal verwickelt, der höhere Wellen schlägt, als sie je hätte annehmen können. Der Konzern gerät in eine Krise, die Irma und ihre Freundinnen mit sich zu reißen droht ...
Nach wahren Begebenheiten einfühlsam erzählt: das Schicksal dreier mutiger Frauen.
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Seitenzahl: 589
Die drei Freundinnen Gerda, Irma und Antonia sind glücklich: Eigentlich könnte ihr Leben so bleiben, wie es ist. Antonia hat endlich die Familie, die sie sich so sehr wünschte, und ihr Engagement in der Arbeiterbewegung scheint Früchte zu tragen. Gerda reist mit Oscar um die Welt, gemeinsam bauen sie nach und nach eine Kunstsammlung auf, auch ihr Unternehmen floriert. Selbst Irma scheint angekommen zu sein, sie schafft den Spagat zwischen dem Leben als Mutter, ihrer Arbeit für Beiersdorf und ihrer Karriere als freischaffende Künstlerin. Gerade als Oscar beschließt, den großen Schritt zu wagen und einen Werbefilm von ihr zeichnen zu lassen, wird sie in einen Skandal verwickelt, der nicht nur Auswirkungen auf die Karriere ihres Mannes hat, sondern auch droht, den Konzern in eine Krise zu stürzen und die Freundschaft der drei Frauen für immer zu zerstören.
Lena Johannson, 1967 in Reinbek bei Hamburg geboren, war Buchhändlerin, bevor sie freie Autorin wurde. Vor einiger Zeit erfüllte sie sich einen Traum und zog an die Ostsee.
Im Aufbau Taschenbuch sind unter anderem ihre Bestseller »Die Villa an der Elbchaussee«, »Jahre an der Elbchaussee«, »Töchter der Elbchaussee« und »Die Malerin des Nordlichts« sowie die ersten beiden Bände der Jungfernstieg-Saga »Die Frauen vom Jungfernstieg – Gerdas Entscheidung« und »Die Frauen vom Jungfernstieg – Antonias Hoffnung« lieferbar.
Mehr zur Autorin unter www.lena-johannson.de.
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Lena Johannson
Die Frauen vom Jungfernstieg - Irmas Geheimnis
Roman
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Informationen zum Buch
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1: Irma — Juli 1907
2: Gerda
3: Irma — 8. August 1907
4: Irma
5: Toni
6: Irma
7: Irma — Januar 1908
8: Gerda
9: Gerda
10: Toni — 1. Mai 1908
11: Irma — Ende Mai 1908
12: Toni — September 1908
13: Gerda — Sommer 1909
14: Toni
15: Irma
16: Gerda — 22. September 1909
17: Toni
18: Irma — 2. Oktober 1909
19: Gerda — Mitte Oktober 1909
20: Gerda
21: Toni — April 1910
22: Irma — Januar 1911
23: Gerda
24: Gerda — Frühsommer 1911
25: Toni
26: Toni
27: Irma — Herbst 1911
28: Gerda
Epilog: Gerda — April 1918
Historische Fakten und meine Fiktion
Glossar
Danksagung
Impressum
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1
Juli 1907
Irma war ganz ausgefüllt von einem glücklichen Rosé. Wie die Spitzen der Gänseblümchen-Blüten, die dort drüben zwischen den grünen Grashalmen ihre Köpfchen kokett zur Sonne reckten. Ein schlichter zarter Farbhauch, der gleichzeitig perfekt mit dem dominierenden Weiß harmonierte. Gerda hatte völlig recht, die düsteren und grellen Töne, die so typisch für Mynona waren, schienen ihr gerade abhandengekommen zu sein.
»Es stimmt schon, Gerda«, antwortete sie ihrer Freundin, die sie erwartungsvoll ansah, »Mynona hat seit Oles Geburt eine Pause von den Leinwänden eingelegt. Wenn ich’s recht bedenke, sogar schon länger. Auch während der Schwangerschaft war sie auffallend zurückhaltend.«
Gerda nickte und sah ziemlich zufrieden aus. »Gut so. Mynona und Kinder.« Jetzt schüttelte sie den Kopf. »Das passt nicht zusammen.«
»Ihr tut so, als gäbe es diese Mynona wirklich.« Toni sah verständnislos von einer zur anderen. »Ich meine, das ist doch bloß der Name, den du dir gegeben hast, um als Senatorengattin trotzdem anrüchige Bilder malen und verkaufen zu können.« Zwei Falten erschienen auf ihrer Stirn. »Das kapier ich sowieso nicht. Alle wissen, dass Irma Behn und Mynona ein und dieselbe Person sind.« Sie zuckte hilflos mit den Achseln.
»Das sind sie nicht, Toni«, setzte Irma an, beließ es dann aber dabei. Wie sollte sie jemandem, der so aufgeräumt und so ganz und gar eins mit sich war, erklären, wie es sich anfühlte, wenn es da noch jemanden gab, im eigenen Inneren? Ein Biest, das in der Seele wohnte. Aber jetzt wollte Irma nicht darüber nachdenken. Nicht heute. Ihr Sohn Olaf war endlich getauft worden. Im Februar des vergangenen Jahres war Ole, wie alle Welt ihn nannte, geboren worden. Gleich im Sommer hätte die Taufe stattfinden sollen. Nur war der Senat, und damit auch Eckart, intensiv mit dem Hauptbahnhof beschäftigt gewesen, der gerade im Herzen der Stadt entstanden war. Bis zu seiner Eröffnung im Dezember des vergangenen Jahres waren noch unendlich viele Dinge zu klären und zu erledigen gewesen. Hier wollte etwas noch nicht funktionieren, dort reichte ein Anwohner eine Beschwerde ein. So mussten sie den Termin einmal verschieben, einen neuen bekamen sie einfach nicht zu fassen, ehe es Herbst wurde. Weil sie es sich aber nun einmal so hübsch ausgemalt hatten, in ihrem Garten ein Fest zu geben, hatten sie kurzerhand auf den nächsten Sommer gewartet. Nun endlich war der Tag gekommen. Irma ließ ihren Blick durch den weitläufigen Garten schweifen. Auf langen Tafeln mit weißen Tischdecken standen im Schatten eines Pavillons die verschiedensten Köstlichkeiten, Kuchen, Torten und Petits Fours, kalter Braten mit Remoulade, Kartoffel- und Heringssalat, halbe Eier. Die Dienstboten waren damit beschäftigt, immer wieder kleine Mengen Nachschub zu holen, Irma hatte ihnen eingebläut, gerade von den leicht verderblichen Speisen nicht zu viel der Hitze preiszugeben. Unter einem zweiten Pavillon saßen überwiegend die Damen an den kleinen runden Tischen. Die Herren zogen die freie Rasenfläche in der Sonne vor. Überall Weiß, Rüschen und Spitzen, wohin das Auge blickte. Dazu elegante Nadelstreifen, Strohhüte und Melonen über glitzernden Schweißtropfen auf geröteter Haut. Die Welt war in Ordnung, gefährlich zerbrechlich, aber für den Moment in Ordnung.
Toni sah in ihrem Kleid hinreißend aus. Es war schon ein älteres Modell, aber Toni hatte es liebevoll mit Schleifen und einer Seidenblume aufgearbeitet. Das Schönste an ihr war aber weder Kleid noch Hütchen, sondern das Strahlen in ihren Augen. Sie hatte ihr Versprechen, das sie an Gretels Sterbebett gegeben hatte, einlösen können. Nun waren sie, Gretels Tochter Ellma und Hermann eine richtige Familie. Genau wie Irma, Eckart und Ole. Zum wiederholten Mal hüllte sie eine Wärme ein, die aus ihrem Inneren kam. Denn dort wohnte nicht nur die Unberechenbarkeit, sondern auch mehr Liebe, als sie je für möglich gehalten hätte. Als sie selbst noch Kind gewesen war, hatte das Wort Familie für Versagen, Enttäuschen, für Unbehagen und Einsamkeit gestanden. Jetzt war es gleichbedeutend mit Gemeinsamkeit, Verlässlichkeit, mit purem Glück. Gerda und Oscar wirkten entspannt und zufrieden, wie eigentlich immer. Schon bei der Hochzeit der beiden vor vielen Jahren, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte Irma bemerkt, dass die zwei auf völlig natürliche Weise eine Einheit bildeten. Nicht ihre Eltern hatten sie zusammengebracht, auch keine geschäftliche Fügung war dazu nötig gewesen. Eine Kraft, größer als alles, was Menschen sich vorstellen konnten, hatte die beiden zu Eheleuten gemacht, weil es so und nicht anders richtig war. Glücklicherweise waren sie rechtzeitig zur Taufe und vor allem wohlbehalten von ihrer Frankreichreise zurückgekehrt. Irma seufzte leise. Alles in bester Ordnung. Oscars Bemerkung vorhin, eine einzige falsche Entscheidung könne ein Unternehmen in den Abgrund stoßen, hatte gewiss nichts zu bedeuten. Trotzdem störte sie Irmas beseligte Stimmung wie ein kleiner Stein im Schuh. Irmas Einstellung zur Kaufmannswelt hatte sich ebenso geändert wie die zur Familie. Wenn sie zurückdachte, wie sehr sie sich dagegen gesträubt hatte, Reklamebildchen zu malen, musste sie über sich selbst den Kopf schütteln. Sie hatte längst ihre Freude daran entdeckt und die Vorteile erkannt, die diese Aufgabe ihr schenkte. Schließlich hatte Oscar das kleine Wunder vollbracht, sie eng an Beiersdorf zu binden, indem er sie, seine Frau und seine Arbeiterin Toni kurzerhand zu etwas wie einer eigenen Abteilung gemacht hatte. Die drei sollten ein Auge darauf haben, was die einfache Frau und die Dame brauchten, aber in keiner Apotheke kaufen konnten. Zu dritt entsannen sie seither Ideen für neue Produkte, grübelten über Namen und dachten sich manche Werbung aus. Ihr Blick auf so vieles hatte sich gründlich verändert. Ihre, wie sie heute zugeben musste, überhebliche Ansicht, Kunst habe nichts mit Geschäft zu tun, gehörte dazu. Natürlich war ihr Galerist ein Geschäftsmann. Sie würde ihm gehörig Beine machen, wenn es nicht so wäre. Sie selbst dachte wie eine Geschäftsfrau, wenn sie Hellmann immer nur wenige Hamburg-Bilder überließ, damit die Kunden seiner Galerie das Gefühl der Exklusivität hatten. Im Moment des Malens war sie nur Künstlerin, und Verkaufsaussichten waren ihr so gleichgültig wie der zu erzielende Preis. Außerhalb ihres Ateliers interessierte sie sich mittlerweile sehr wohl für beides. Gleichzeitig genoss sie den Luxus, nicht von ihren Werken leben zu müssen. Sie wollte selbst Geld verdienen, aber sie musste nicht. Es war viele Jahre her, dass Gerda ihr erklärt hatte, sie solle den Vorteil darin erkennen. Heute erkannte sie ihn. Sie brauchte sich nur vorstellen, welche Verantwortung Oscar trug. Er ernährte nicht nur sich und seine Frau, sondern er gab weit über hundert Menschen Arbeit und damit Einkommen und Sicherheit.
In letzter Zeit nahm Irma immer stärker auch ihre eigene Verantwortung wahr, unvergleichlich kleiner natürlich, aber immerhin. Wenn ihre Werbung nun nicht die erhoffte Wirkung erzielte, wenn sie womöglich eine völlig andere Aussage vermittelte und das Produkt in den Regalen lag, bis sich eine dicke Staubschicht darauf bildete, was dann? Nach Oles Geburt war Irma ein bisschen kürzergetreten, doch seit einer geraumen Weile dachte sie immer häufiger über Ideen nach, wie Beiersdorf-Produkte möglichst dauerhaft in die Köpfe der Menschen gepflanzt werden konnten. Sie ertappte sich immer öfter dabei, an der Bemalung für eine neue Verpackung zu tüfteln, statt die Landungsbrücken, die immer wieder liebenswerte Elbe oder eine Marktszene auf Leinwand zu bringen. Von einem Akt oder einem anrüchigen Motiv, wie Toni es genannt hatte, ganz zu schweigen.
Was war heute nur mit ihr los? Dass sie nachdenklich war, grüblerisch sogar, kam nicht selten vor, dass sie so viel durch die Vergangenheit streifte, dagegen schon. Vielleicht wegen all der vertrauten Gesichter, die allesamt für die verschiedenen Bereiche ihres Lebens zu stehen schienen, eines Lebens, das sich auf magische Weise verändert hatte. Ihr Blick glitt zu Eckart hinüber. Auch in einer Ehe konnte ein einziger Fehler das Ende bedeuten. Sie schauderte. Eine berauschende Feier, zu viel Alkohol, ausgeschaltete Vernunft, ein Mistkerl, der nur darauf gewartet hatte. Irma atmete tief ein. Ihre Ehe hatte den schweren Sturm überstanden. Irma würde sich nie wieder in derartige Schwierigkeiten manövrieren. Sie würde Eckart nichts mehr verschweigen. Nie wieder.
»Ich sage euch, der Chauffeur tat mir noch mehr leid als mein Allerwertester. Manchmal hat er mehrmals am Tag einen Schlauch flicken und den Reifen aufpumpen müssen.«
»Dein Allerwer…?«, setzte Oscar belustigt an, doch Gerda ließ ihn nicht aussprechen.
»Der Chauffeur«, sagte sie eilig und warf ihm einen strafenden Blick zu. »Mehrmals am Tag«, wiederholte sie dann. »Und es ist ein wirklich langer Weg bis nach Frankreich.«
»Es ist wahr«, stimmte er ihr jetzt zu. »Das Reisen mit dem Automobil ist noch immer ein wenig unkomfortabel. Kein Wunder, die Straßen sind noch komplett auf Kutschen eingestellt. Wann wird der Fortschritt endlich Einzug halten? Ich meine, nicht nur hier und da, sondern flächendeckend.«
»Trotzdem war es himmlisch«, schwärmte Gerda. »Das Gute am Reisen ist schließlich, dass man irgendwann am Ziel ist.« Sie lachte. »Und Frankreich ist einfach wundervoll. Die Menschen nehmen das Leben nicht ganz so leicht wie die Italiener. Dafür sind sie eleganter.«
»Manchmal ein wenig blasiert, wenn ihr mich fragt«, wandte Oscar ein.
»Ach was, sie sind nur stolz«, widersprach Gerda. »Dazu haben sie auch allen Grund. Diese Landschaft, ihre Kultur, die feine Sprache.« Sie machte eine Pause und stieß einen Seufzer aus. »Und das Essen!«
Irma bemerkte, wie Toni mit großen Augen von einem zum anderen sah. Ein wenig sehnsüchtig. Für sie war schon eine Fahrt nach Berlin eine kleine Sensation. Obwohl es ihr bei Beiersdorf gut ging, besser, als es in den meisten anderen Unternehmen der Fall wäre, verdiente sie doch auch dort nicht sonderlich viel. Frauenlohn eben. Obendrein hatten Hermann und sie Frau Hansen, Gretels Mutter, eine hübsche Stange Geld für die Einwilligung gegeben, Gretels Tochter an Kindes statt annehmen zu dürfen. Da war nichts übrig für Vergnügungsreisen. Irma sah zu Hermann hinüber, der mit der Kleinen etwas verloren herumstand. Ihm war nicht wohl dabei gewesen, an der Feier teilzunehmen, aber Irma hatte darauf bestanden.
»Eine Taufe ist ein Fest, in dem es um Kinder geht, oder nicht?«, hatte sie ihn gefragt. »Es wäre ja noch schöner, wenn nur Toni kommt, und Sie bleiben mit dem Mädchen zu Hause.« Da waren sie also und versuchten, sich unsichtbar zu machen. Hermann Krause war Prokurist bei Beiersdorf, was ihm einen passablen Platz in der Hamburger Gesellschaft verschaffte. Trotzdem, unter Senatoren, Reedern und Museumsdirektoren musste er sich fühlen wie ein Fremdkörper. Da half es kaum, dass auch einige Künstler über den Rasen flanierten und sich unter den Pavillons tummelten und mit ihrer extravaganten Garderobe in den Augen mancher Gäste gewiss noch weniger hierher passten. Eine Malerin aus der Schweiz, die Irma spontan eingeladen hatte, weil sie gerade für ein paar Wochen in Hamburg war und Anschluss suchte, trug sogar eine Hose. Ein Skandal.
»Welch ein glücklicher Zufall, dass auch Grasse auf unserer Route lag«, erzählte Gerda gerade. »Meine Hautcreme hatte schon wieder einen ganz unangenehmen Geruch angenommen. Schrecklich, dass es noch immer nicht möglich ist, den Duft in der Creme zu halten.«
Oscar sah sie schuldbewusst an. »Ich muss das leidige Problem endlich nach oben auf meine Liste setzen, ich weiß. Wenn ich nur diesen Herrn Lifschütz für Beiersdorf gewinnen könnte. Nach allem, was man hört, ist es ihm gelungen, dass die Konsistenz stabil bleibt«, sagte er. Er wurde immer leiser, ein sicheres Zeichen, dass er im Grunde nur noch laut nachdachte. »Alle Welt wartet schon lange auf seinen Durchbruch. Ich wüsste zu gern, woran es noch hapert. Käme er doch nur in mein Labor, wir würden im Handumdrehen eine Sensation auf den Markt bringen«, murmelte er. »Aber wehe, er landet bei der Konkurrenz. Nicht auszudenken, das könnte in die Katastrophe …«
Gerda lächelte ihn an. »Du wirst ihn überzeugen, dessen bin ich gewiss.« Dann erzählte sie weiter: »Tja, da mein lieber Gatte dieses Problem noch nicht gelöst hat, musste er mir eben teure Parfüms kaufen, die den unschönen Geruch überdecken konnten. Grasse ist die Stadt der Düfte. Ich schwöre euch, ich habe an so vielen Kostproben geschnuppert, dass ich mich am Ende für keine Sorte entscheiden konnte. Lavendel, Rose, Iris, Jasmin, Orange, Pfirsich … So viele Noten in den verschiedensten Zusammenstellungen. Dazu noch Exotisches. Ich musste am nächsten Tag noch einmal zu Molinard zurückkehren.«
»Dafür hätte sie beinahe auf Rubens verzichtet.«
Irma sah Oscar fragend an.
»In der Kathedrale hängen Bilder von ihm«, erklärte er.
»Wirklich? Das wusste ich nicht.«
»Ziemlich düster, aber doch sehenswert. Gerda wollte mich schon allein hinschicken.« Vor Irmas geistigem Auge tauchte ohne Vorwarnung die Notre-Dame-de-la-Garde auf. Sie fühlte sich nach Marseille versetzt, sah die Orgel vor sich und den Altar. Das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, wurde immer stärker. Sie wusste, dass Gaston sie küssen würde, sobald sie die Kathedrale verließ. Fordernd, drängend, gegen ihren Willen.
»Wenn ihr noch etwas braucht, Kaffee vielleicht oder einen Cognac, gebt den Mädchen einfach ein Zeichen«, sagte sie hastig und deutete mit dem Kopf auf Helene, die schon lange bei Eckart und ihr in Diensten stand, und die Aushilfen, die sie eigens für diesen Anlass engagiert hatten. »Ich muss mich auch um die anderen Gäste kümmern.« An den verdatterten Gesichtern konnte sie ablesen, wie plötzlich sie in Gerdas und Oscars Ausführungen geplatzt war. Darum setzte sie leise »Leider« hinzu, und zwinkerte ihnen zu.
»Aber das ist doch selbstverständlich.« Gerdas überraschte Miene löste sich in Nichts auf, sie war selbst eine Perfektionistin, vor allem als Gastgeberin. Irma konnte sich also ohne schlechtes Gewissen den Geschichten aus Frankreich entziehen. Es war mehr als zwei Jahre her, dass sie in Marseille in Gastons Bett gelandet war. Dennoch, der Gedanke an diesen aufgeblasenen Gockel, der sich für unwiderstehlich hielt, erzeugte noch immer einen unangenehmen Druck in ihren Eingeweiden. Gewiss hatte er ein wenig nachgeholfen, ihr mehr Alkohol einzuschenken, als gut für sie war. Sie würde es nie erfahren, ebenso wenig, was in der Nacht wirklich geschehen war. Ob etwas geschehen war. Viel konnte es nicht gewesen sein, sondern harmlos, davon war sie inzwischen beinahe überzeugt. Nur ein Hauch von Zweifel war geblieben. Und Zorn. Bei aller Wut auf Gaston wusste sie nur zu gut: Sie trug die Verantwortung dafür, dass ihre Ehe um ein Haar zerstört gewesen wäre. Sie hatte den Alkohol getrunken, hatte nicht rechtzeitig damit aufgehört. Diese Einsicht machte es nicht leichter. Im Gegenteil.
2
Es war ein perfekter Sonntag. Noch immer warm, aber mit einem erfrischenden Lüftchen, das wohl von der Elbe herüberwehte. Oscar und sie waren ausgeritten, zunächst an der Ottersbek entlang, dann zur sogenannten Hamburger Burg, einem Wohngebäudekomplex mit Grünflächen, der gerade erweitert wurde. Er überspannte schon jetzt weite Teile der Methfessel- und der Lutterothstraße. Trotzdem gab es noch nicht genug Wohnungen in Hamburg, das stand fest. Manchmal hatte Gerda beinahe ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich klarmachte, wie groß die Villa war, die Oscar und ihr zur Verfügung stand. Zwei Menschen und so viele Zimmer. Und ihr neues Zuhause würde nicht kleiner werden, sondern noch großzügiger. Die Menschen waren nun einmal nicht gleich, auch wenn diese Forderung immer wieder zu hören war. Einige waren privilegiert und würden es wohl auch immer bleiben. Vielleicht weil sie mehr Verantwortung trugen als andere. Vielleicht auch nur, weil sie das Glück hatten, in eine reiche Familie geboren worden zu sein. Wer zu den Glücklichen gehörte, hatte die Pflicht, etwas von seinem Wohlstand abzugeben, darauf kam es an. Oscar und sie taten ihr Möglichstes, fand Gerda. Den Platz in ihrem Haus nutzten sie zumindest zu einem Teil dafür, um Kunstsalons zu veranstalten, Ausstellungen, in denen bis dato unbekannte Maler oder Bildhauer sich ein Publikum erobern und einen Namen machen konnten. Von den vielen Menschen, denen Oscar in seinem Unternehmen eine sichere Existenz gab, gar nicht zu reden. Sie sah, wie ihr Mann seinem Alt-Oldenburger den braunen Hals klopfte, während er ihn das letzte Stück bis zum Stall am Zügel führte. Oscar war im Januar 44 Jahre alt geworden. Nicht wenige Männer seines Jahrgangs lagen bereits unter der Erde, gerade wenn sie so viel geleistet hatten wie er. Sie gab nicht viel auf Zahlen und Statistiken, und es lag einfach nicht in ihrer Natur, die Schattenseiten des Lebens in den Mittelpunkt ihres Denkens zu stellen. Etwas in ihr gab ihr die feste Überzeugung, Oscar und sie hätten noch sehr viel gemeinsame Zeit. Es ging gar nicht anders, sie hatten so viel vor: der Hausbau an der Alster, den Ausbau der Sparkasse unter dem Dach der Firma, die es seinen Angestellten möglich machte, ihre Groschen zu deutlich besseren Konditionen anzulegen als auf dem freien Markt. Sie bekamen höhere Zinsen für ihr Geld und damit die Möglichkeit, für ihr Alter vorzusorgen. Gleichzeitig gewährte die Kasse ihnen Kredite zu geringeren Zinsen, damit sich auch ein fleißiger Mann wie Hermann Krause ein eigenes Geschäft aufbauen konnte. Glücklicherweise kam die Sparkasse für Hermann Krause zu spät. Gerda musste lächeln. Es wäre jammerschade gewesen, ihn als Prokurist zu verlieren. Wie gut, dass Toni Hermann den Kopf hatte gerade rücken können und ihn davon überzeugt hatte, dass er bei Beiersdorf weit mehr erreichen konnte als in einer eigenen kleinen Apotheke, die er eine Zeit lang unbedingt hatte kaufen wollen. Wäre ihr das nicht gelungen, hätte sich Oscar mit seinem Einsatz für mehr Gerechtigkeit ins eigene Fleisch geschnitten. Selbst das hätte ihn nicht aufgehalten. Die Sparkasse war noch nicht lange in Betrieb gewesen, da überraschte er alle mit der nächsten Neuerung.
»Ich werde eine Köchin einstellen«, hatte er Gerda eines Tages erklärt.
»Aber wir haben doch eine, Liebster. Bist du mit ihr nicht zufrieden? Also mir schmeckt’s.« Sie hatte die Welt nicht mehr verstanden.
»Mir auch.« Oscar hatte gelacht. »Ich meine nicht für uns, ich möchte eine Köchin für Beiersdorf haben. Und Küchenhilfen natürlich. Immerhin sind weit mehr als hundert hungrige Mäuler zu stopfen.« Sie hatte ihn verwundert angesehen. »Ich habe mir überlegt, dass es so bald wie möglich kostenloses Mittagessen für alle Arbeiter und Beamte geben soll. Lebensmittel sind erschwinglich, und ein paar Angestellte mehr, die daraus etwas Gesundes zubereiten, das bestenfalls auch noch schmeckt, kosten mich ebenfalls kein Vermögen. Dafür rennen meine Leute nicht mehr nach Hause, ich kann die Pause verkürzen, die Produktion steht nicht so schrecklich lange still. Für meine Mitarbeiter ist das komfortabel, außerdem sparen sie sich jeden Tag ein paar Groschen.« Seine Augen hatten gefunkelt, wie immer, wenn ihm ein neuer Plan geradezu perfekt erschien. »Meine Ausgaben spare ich durch die Verkürzung der Mittagsstunde leicht wieder ein.«
Ihr Pferd schnaubte leise, Gerda tätschelte ihm den warmen Hals.
Nicht nur an sich selbst denken, sondern anderen etwas vom eigenen Wohlstand abgeben, darauf kam es an. Oscar beherrschte diese Kunst wie kein zweiter. Oscar Troplowitz wollte die Welt besser machen. Nur ein wenig, aber überall, wo es ihm möglich war. Diese Eigenschaft liebte Gerda ganz besonders an ihrem Mann, denn damit entsprach er auf vollkommene Weise ihrer Lebenseinstellung. Als Mann hatte er mehr Mittel und Wege, schon weil er mehr Geld zur Verfügung hatte. Kein Grund, sich als Frau dahinter zu verstecken und sich ausschließlich damit zu beschäftigen, das Vermögen des Gatten zu verjubeln. Gerda verachtete die sogenannten Damen der Gesellschaft, die lediglich auf die neuste Mode schielten, Stunden beim Friseur zubrachten. Nicht, dass es ihr keine Freude machen würde, sich hübsch zu kleiden und stets adrett frisiert zu sein. Es machte ihr auch durchaus Vergnügen, Empfänge und große Feste zu veranstalten. Doch als Lebensinhalt wäre das doch wohl sehr dürftig. Darum hielt sie sich lieber an Mitstreiterinnen, mit denen sie beispielsweise die kulturelle Entwicklung voranbringen und den geistigen Austausch genießen konnte. Wie etwa die Damen des Frauenklubs Hamburg e. V. Gerda war ein wenig stolz darauf, sich zu den Gründungsmitgliedern zählen zu dürfen. Immerhin handelte es sich um den Ableger des Internationalen Lyceum-Clubs, den eine englische Künstlerin ins Leben gerufen hatte. Schon als Gerda davon in der Zeitung gelesen hatte, war sie begeistert gewesen. Als dann auch noch in Berlin ein erster deutscher Club dieser Art entstand, wollte sie unbedingt einen für die Hansestadt haben und sich dort selbstredend einbringen. Lange waren sie nun noch nicht aktiv, doch schon jetzt wusste sie, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Es ergänzte ihre Salonabende einfach ideal. Im Augenblick waren sie auf der Suche nach Räumlichkeiten, in denen Mitglieder aus Berlin oder dem Vereinigten Königreich während eines Besuchs in Hamburg übernachten konnten. Auch Gesellschaftsräume, Lesezimmer und womöglich Ateliers sollten her. Nicht einfach in einer Stadt, die so rasant wuchs und täglich mehr Menschen anzog, die eben auch Räumlichkeiten brauchten.
»Ich habe dich beobachtet, als wir an den Vorstadtvillen vorübergeritten sind«, sagte Oscar, als sie die Tiere dem Stallburschen übergeben hatten. »Du warst sehr nachdenklich. Was geht dir durch den Kopf, meine Liebe?«
»Manchmal glaube ich wirklich, du musst gar nicht fragen, weil du meine Gedanken sehen kannst.« Sie schob ihre Hand in seine, während sie um das mächtige Fabrikgebäude herumgingen, das so viel Ruhe ausstrahlte, wie es nur an einem Sonntag möglich war. »Es wird immer schwerer, eine Route für unsere Ausritte zu finden, die uns über Wiesen und durch Felder führt, durch den Wald vielleicht sogar. Überall Baustellen.«
»Das ist doch gut, meinst du nicht?« Er sah sie prüfend an. »Wir haben gesehen, wohin es führt, wenn die Menschen auf zu engem Raum hocken müssen. Seuchen haben es leicht, sich unter ihnen auszubreiten.« Er machte eine winzige Pause. »Nicht nur solche, die sich mit Medikamenten bekämpfen lassen«, fügte er grimmig hinzu. »Auch geistige Seuchen.«
»Was meinst du damit?«
»Nichts Besonderes.« Er holte tief Luft. »Ich denke nur, die Menschen, die Tag für Tag durch papierdünne Wände anhören müssen, wie ein Kerl sich betrinkt und dann Frau und Kinder verprügelt, die müssen das doch irgendwann für Normalität halten. Sie denken, so ist das Leben nun einmal, schreiten nicht ein, sondern verprügeln ihre Kinder auch irgendwann. Und wenn dir die Nachbarn wieder und wieder einreden, dass du es trotz aller Schufterei nie aus dem Drecksloch herausschaffen wirst, in dem du wohnst, während aber die Herrschaften Troplowitz und Co. sich nach dem Ausritt Tee und Torte in einem ihrer Salons servieren lassen, wirst du es dann nicht auch irgendwann glauben?«
So düster kannte sie ihn gar nicht. »Ein wenig hätten sie damit auch recht«, wandte Gerda ein und ließ ihren Blick über den Garten schweifen, der sich in den letzten Jahren zu einem grünen Idyll entwickelt hatte. Die Bäume konnte man nun mit Fug und Recht als solche bezeichnen, die Hecken schützten vor allzu neugierigen Blicken von der Straße her. »Genau das ist es, worüber ich vorhin nachgedacht habe«, sagte sie. »Unter anderem. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es umso wichtiger ist, die Sorgen und Nöte dieser armen Menschen nicht aus den Augen zu verlieren. Und das tun wir nicht«, sprach sie weiter. »Du hast die Arbeitszeit deiner Angestellten schon mehrfach reduziert, ohne ihren Lohn zu kürzen. Du hast die Stillstube eingerichtet, damit Frauen, die ein Kind zur Welt bringen, nicht automatisch aufhören müssen, ihr eigenes Geld zu verdienen. Ich könnte noch lange so fortfahren.«
»Reicht das, Gerda? Es sind alles nur kleine Schritte, von denen meine Leute profitieren. Was ist mit den Mitarbeitern anderer Unternehmen?«
»Ich nehme an, deshalb engagierst du dich in der Politik. Offenbar sind Regeln nötig, damit alle mehr von dem abgeben, was sie durch den Fleiß anderer erwirtschaften.« Sie sah den Kummer in seinem Blick, der da früher noch nicht so häufig zu Gast gewesen war. »Es ist nicht dein Fehler, wenn andere Arbeitgeber nicht deinem Beispiel folgen.«
»Es gibt eine wachsende Gegenwehr gegen Kolonialherren, obwohl einige von ihnen sicher auch gut mit den Ureinwohnern der Gebiete umgehen«, erklärte er matt. Gerda schaute auf. Ein ziemlicher Gedankensprung. »Solange die anständigen Menschen die Ausnahmen sind, wird mehr das Schlechte weitergetragen, das Ungerechte, das Verabscheuenswerte. Und diese Erzählungen sind es, die die allgemeine Haltung bestimmen. Aufstand der Benachteiligten und Unterdrückten gegen die Herrschenden. Gegen alle, die zur herrschenden Klasse gehören, das ist das Ergebnis.«
»Findest du, man kann das von den Kolonialgebieten auf unsere Stadt übertragen?«, wollte sie wissen.
»Man kann es auf alles übertragen, fürchte ich. Denk nur, wie wir während unserer letzten Reise von den Franzosen beäugt und behandelt wurden.«
»Meistens sehr freundlich und zuvorkommend«, widersprach sie.
»Aber nicht immer. Du erinnerst dich bestimmt noch an das kleine Bistro auf dem Land. Allemands?, hat uns der Wirt gefragt. Als wir bejahten, hatte er keinen freien Tisch, was ganz offensichtlich nicht stimmte. Von wegen reservé.« Er schnaubte. Er hatte recht, das war ein höchst unangenehmes Erlebnis gewesen. »In den Augen der Franzosen haben wir Deutsche uns Elsass-Lothringen unter den Nagel gerissen.« Sie wollte Einspruch erheben, das war nun wirklich lange her. Doch er ließ sie nicht zu Wort kommen. »Das Schlimme ist, Gerda, es muss nicht wahr sein, es muss nicht einmal ein konkretes Ereignis geben, um einander feindlich oder doch mindestens höchst kritisch gegenüberzustehen. Es reicht schon der ewige Wunsch nach Besitz und nach Macht. Vor etwa zehn Jahren hatten vor allem Amerika, Japan und die europäischen Länder die Welt unter sich aufgeteilt«, sagte er und blickte auf die freie Fläche, über die der Wind den Staub tanzen ließ. Nächstes Jahr würden sie dort Tennis spielen können. »Nun sind sie damit fertig und wissen nicht, wie sie jetzt ihre Stärke beweisen sollen. Ich war ein Kind, als das Deutsche Kaiserreich gegründet wurde. Seither jagt eine Krise die andere, ein Krieg den anderen.«
»Glücklicherweise haben wir meist nichts damit zu tun«, warf Gerda ein.
»Haben wir nicht? Ich weiß ja, was du meinst, und das stimmt schon. Wir sind nicht direkt betroffen, müssen nicht in die Schlacht ziehen.« Ein leises trauriges Lachen. »Ich frage mich nur, warum es kein freundliches Miteinander geben kann, warum Regierungen immer glauben, miteinander konkurrieren zu müssen? Ob in Europa, im Hamburger Rathaus oder in den Vorständen der Kaufmannsverbände, es ist überall das Gleiche. Wer nachgibt, gilt als schwach, wer sich durchsetzt, erntet Bewunderung, selbst wenn seine Ziele für viele Menschen einen Nachteil bringen. Und hier schließt sich der Kreis«, sagte er seufzend. »Glaubst du, in den düsteren Zimmern der Gängeviertel wird darüber gesprochen, dass Oscar Troplowitz seinen Angestellten täglich ein kostenloses Mittagessen spendiert oder ein Weihnachtsgeld? Oder werden sie eher über die Ausbeutung in unzähligen Fabrikhallen schimpfen, über die Schinderei im Hafen?«
»Ich bin davon überzeugt, dass es sich herumgesprochen hat, welch ein sozialer Arbeitgeber du bist. Warum sonst würdest du so viele Bewerbungen auf den Tisch bekommen, selbst wenn du gerade mal keinen Posten zu vergeben hast? Und glaubst du etwa nicht, dass deine Leute bei jeder Gelegenheit davon sprechen, dass sie einen Teufel tun würden, ehe sie ihre Arbeitsstelle wechselten? Andere Industrielle werden früher oder später deinem Beispiel folgen. Und genau darum geht es doch, Oscar, langsam, aber stetig an der Verbesserung zu arbeiten. Wenn niemand anfängt, wird nichts geschehen. Du hast angefangen und bist längst nicht fertig, wie ich dich kenne.« Es tat gut, ihn wieder lachen zu hören. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht. »Man kann eine allgemeine Grundstimmung, oder wie du es auch genannt hast, zum Besseren ändern. Es braucht nur einen langen Atem«, fuhr sie fort, um die letzten düsteren Gedanken zu vertreiben. »Sogar Dirk Dierksen hat anscheinend sein Vorhaben aufgegeben, dir unbedingt schaden zu wollen, weil du ihm damals angeblich das Beiersdorf-Labor weggeschnappt hast.«
»Nicht angeblich, ich habe es ihm weggeschnappt. Allerdings ohne es zu wissen und natürlich nicht mit gezinkten Karten.«
»Was er dir aber unterstellt hat.« Gerda durfte gar nicht an die vielen Intrigen denken, die Dierksen ausgeheckt hatte. »Seit du sogar auf dein schönes Firmen-Emblem verzichtet hast, weil er meinte, der Äskulapstab dürfe von niemandem für sich allein als Marke geschützt werden, gibt er Ruhe.« Sie hatte Oscars Vorgehen damals nicht verstanden, denn rein juristisch war er im Recht gewesen. Heute musste sie eingestehen, dass es wirklich besser gewesen war, auf Dierksen zuzugehen, statt auf seinem Standpunkt zu beharren. Vielleicht war das der Schritt zu einem friedlichen Miteinander oder wenigstens zu einem Stillhalten gewesen.
»Du hast recht, meine Liebe, wie immer. Natürlich lohnt es sich, seinen kleinen Beitrag am großen Ganzen zu leisten. Ich weiß auch nicht, warum ich gerade so …« Er schüttelte den Kopf, als wolle er endgültig loswerden, was ihn so sehr beschäftigte. »Mir ist nur so, als läge etwas in der Luft.« Seine sorgenvolle Miene wich endlich einem Strahlen. »Wir leisten unseren Beitrag, dann spricht wohl nichts dagegen, uns jetzt Tee und ein schönes Stück Gebäck servieren zu lassen.«
Die Köchin hatte eine Zitronentorte gebacken. Keine Buttercreme, sondern etwas Leichteres mit Quark. Phantastisch! Gerda musste wirklich ein wenig auf ihre Figur achten, doch von diesem Genuss konnte sie sich zwei Stücke genehmigen. Sie durfte nicht allzu sehr über die Stränge schlagen, aber sie dachte auch keinesfalls daran, sich zu kasteien. Wer konnte schon wissen, wie viel Zeit ihnen auf dieser Welt noch blieb? Es wäre schade um jede verschmähte Köstlichkeit.
»Hatte ich dir erzählt, dass sie im Senat darüber nachdenken, elektrisch betriebene Müllwagen anzuschaffen?« Oscar sah sie fragend an. Er hatte länger nichts von der Bürgerschaft oder einer Besprechung in einer der Deputationen erzählt, in denen er tätig war. Gerda hatte angenommen, es hätte nichts Interessantes gegeben.
»Ach je! Lesen sie denn keine Zeitung? Es muss doch sicher dringestanden haben, dass man in Breslau Abstand von diesem Einfall genommen hat. Und das aus gutem Grund.«
»Dessen bin ich nicht sicher.« Er legte seine Gabel auf den Teller. »Dass es einer der Herren Hanseaten gelesen hat, meine ich. Breslau ist weit weg.« Er schnaufte. »Ich habe ihnen erklärt, dass die Stromversorgung immense Kosten erzeugen würde. Das hat man in Breslau schließlich sehr gründlich kalkuliert.«
»Was haben sie dazu gesagt?«
»Sie hielten es für einen interessanten Einwand und wollten die Zahlen selbst genau prüfen. Ich hoffe, sie folgen Breslaus Beispiel. Ich habe mich erkundigt, man hat dort die Entscheidung getroffen, Fahrzeuge zu verwenden, die für den Betrieb auf Straßenbahngleisen geeignet sind. Wir sollten es beobachten, meine ich. Diese Lösung wäre auch für Hamburg denkbar.«
»Gewiss, die Gleise in den Straßen sind vorhanden«, stimmte sie ihm zu. Gerda wusste, was als Nächstes kam. Wenn seine Gedanken schon in der Heimat waren, dann sicher auch gleich wieder bei seiner Schwester.
»Nun hat Siegfried es also endlich überstanden«, sagte er auch schon. »Sein Tod ist eine Erlösung für meinen lieben Schwager gewesen, nehme ich an.«
»Ja, das glaube ich auch. Auch für seine Familie, obwohl …«
Oscar nickte langsam und bedächtig. »Sophie ist jetzt Witwe. Ich mache mir große Sorgen, wie sie es verkraftet. Sie ist nicht stabil. Was auch immer der Grund für ihre Schwermut ist, sie ist einfach nicht aus ihrem Leben zu vertreiben. Was hat meine Schwester nicht schon alles unternommen? Keiner der Ärzte, ob in der Schweiz oder sonst wo, hat ihr helfen können. Jetzt auch noch dieses zusätzliche Leid … Wie wird sie auf Dauer ohne ihren Mann zurechtkommen?«
»Du solltest sie nach Hamburg holen, da könnte ich ein Auge auf sie haben, sie aufmuntern und ein wenig beschäftigen. Eine Veränderung ist nach so einem Schlag immer hilfreich. Außerdem ist Gertrud auch noch da und würde sich gewiss gern um ihre Mutter kümmern und ihr in dieser schweren Zeit zur Seite stehen.«
»Sophie hätte zweimal Gertrud um sich.« Er lächelte sanft. »Es ist wahr, besser kann es ihr nicht gehen.« Seine Augenbrauen hüpften kurz in die Höhe. »Nur kann ich sie schlecht zu ihrem Glück zwingen. Sie hat nun einmal beschlossen, mit Martha in Breslau zu bleiben. Vorerst. Glaube mir, ich hätte meine beiden reizenden Patenkinder zu gern in meiner Nähe.«
»Und deine Schwester auch, nehme ich an«, sagte sie mit leisem Tadel.
»Natürlich.« Er spitzte die Lippen, während er nachdachte. »Ich sollte noch einmal mit ihr reden. Als wir das letzte Mal mit Gertrud und ihrem Mann ausgeritten sind, wirkte sie sehr angespannt. Sie hat sich große Sorgen um ihre Schwester gemacht. Nicht, dass Martha am Ende mit in Mutters Trübsal gezogen wird. Etwas in der Art hat sie gesagt.«
»Wenn Sophie nicht gleich nach Hamburg ziehen will, soll sie uns wenigstens für eine Weile mit Martha besuchen. Seit der Hauptbahnhof in Betrieb ist, bräuchten sie nicht mal mehr umzusteigen. Schön ist er geworden, der Bahnhof«, setzte sie hinzu und hoffte, ihn wieder auf andere Gedanken bringen zu können. Es funktionierte. Es klirrte leise, weil er die Kaffeetasse in seiner Begeisterung so schwungvoll abstellte.
»Ja, das ist er, ein echter Prachtbau, ohne protzig zu sein. Diese Dachkonstruktion wirkt federleicht, findest du nicht?« Sie nickte. »Es ist so wichtig, dass alles schneller und leichter erreichbar wird. Nicht nur um mehr Waren zu verkaufen. Ich bin der festen Überzeugung, dass auch das ein Beitrag zu einem harmonischen Miteinander ist, wenn die Menschen sich sehen können. Wenn sie schnell von einer Stadt in die andere, von einem Land ins andere reisen können. Sogar von einem Kontinent zum anderen muss es schnell und bequem gehen«, rief er begeistert aus.
»Bequem um die Welt?« Gerda lachte. »In der Tat, das ist eine verlockende Vorstellung.«
»Denk nur an unsere Geschäftsstelle in London. Natürlich leite ich sie nicht selbst, aber ein wenig kann man doch sagen, mein Kontor vergrößert sich mehr und mehr. Ich kann mich doch nicht immer auf andere verlassen, sondern muss schnell auch mal selbst vor Ort sein können. Ob nun mit dem Zug oder einem Automobil. Und gewiss auch in nicht mehr ferner Zukunft mit einem Fluggerät. Es tüfteln schon einige schlaue Männer daran.«
»Ich bin nicht sicher, ob das etwas für mich wäre«, gab Gerda beklommen zu.
Hamburg von oben zu sehen, war eine faszinierende Vorstellung. Aber würde es nicht scheußlich schaukeln dort oben, wenn der Wind einen von einer Seite auf die andere warf?
»Für den Schriftverkehr gilt das Gleiche: Mit dem großzügigen Zentralpostamt am Hühnerposten wird gewiss auch hier alles schneller und zuverlässiger«, unterbrach Oscar ihre Gedanken. »Ach, meine Liebste, leben wir nicht in einer aufregenden Zeit? Das Zentralfernsprechamt an der Schlüterstraße ist ein weiteres Beispiel. Groß und schön wie ein Schloss ist es mit seinen Türmchen und Zinnen.«
»Das ist wahr, der Eingang erinnert mich sogar an eine Kathedrale.«
»Und dieser Palast dient nur dem einen Zweck, ohne Unterbrechung und klar verständlich miteinander sprechen zu können, obwohl Kilometer einen trennen.«
»Du hast recht, es ist aufregend. Und alles geht so schnell. Erst letztes Jahr wurde die Synagoge am Bornplatz geweiht, auch sie ein wahrer Augenschmaus, wie ich finde. Nur wenige Monate später ist sie hinter dem Fernsprechamt verschwunden.«
Er sah sie an, ein Funkeln im Blick. »Was die Zukunft wohl noch alles bringt? Ich möchte wetten, irgendwann hören wir einander nicht nur, ohne am selben Ort zu sein, sondern können uns auch sehen. Stell dir das vor: Ich wäre in Hamburg und könnte bei der Präsentation eines neuartigen Produkts zuschauen. In … Zürich zum Beispiel.«
»Wie soll das gehen?« Gerda zuckte mit den Achseln. »Mir wäre schon geholfen, wenn du endlich diesen Lifschütz dazu bringen würdest, aus seiner chemischen Formel eine anständige Hautcreme zu machen. Das wäre ein Fortschritt, der mich wirklich begeistern würde.«
3
8. August 1907
Knapp zwei Wochen nach der Taufe brachen Irma, Eckart und Ole samt Kindermädchen Elisabeth nach London auf. Hellmann hatte Wort gehalten und seine Kontakte erfolgreich genutzt. Eins ihrer Bilder würde in der Dulwich Gallery gezeigt werden. Keine eigene Ausstellung, wie damals in Marseille, aber immerhin. Es handelte sich um eine Nachtansicht von Hamburg. Kein Gemälde von Mynona, sondern eines von Irmgard Behn. Das freute sie besonders, wie sie zu ihrer eigenen Überraschung feststellte. Ein Werk, das sie unter ihrem Pseudonym geschaffen hatte, würde im Rahmen einer Auktion angeboten werden. Auch das war wirklich ein Anlass zur Freude. Bisher waren ihre Bilder vor allem in Hamburg bekannt. Auch im Süden des Kaiserreiches wurden mehr und mehr Sammler aufmerksam, doch Anfragen von weit her waren die Ausnahmen, von internationalem Interesse gar nicht zu reden. Dass es Hellmann gelungen war, mit Martin Walker ins Geschäft zu kommen, rechnete sie ihrem Galeristen hoch an. Walker hatte viele Jahre bei Sotheby’s gearbeitet, dann aber sein eigenes Auktionshaus gegründet.
»Es reichte ihm nicht mehr, nur alte Handschriften und Bücher unter den Hammer zu bringen«, hatte Hellmann ihr erklärt. »Walker liebt Malerei und Skulpturen. Es ist nur folgerichtig, dass er sie auch verkauft.«
Ole brabbelte an Irmas Hand fröhlich vor sich hin und stakste in ungelenken Schritten den Steg hinauf, der auf das Dampfschiff führte. Sie hatten sich dafür entschieden, nach Southampton zu schippern und von dort mit dem Wagen weiter nach London zu fahren. Die SS Amerika bot nicht nur allen erdenklichen Komfort, sondern auch eine gewisse Sicherheit. Schließlich gab es an Bord einen Arzt, der Ole sofort versorgen konnte, sollte dem Jungen etwas fehlen. Außerdem liebten Irma und Eckart das Meer. Schon der würzige Duft war wie ein Lebenselixier.
»Siehst du, mein Schatz, jetzt geht es los«, flüsterte Irma Ole zu, als sie oben angekommen waren. »Wollen wir Hamburg noch einmal winken?« Sie hob ihn auf den Arm und schwenkte seine kleine Hand. Wie zerbrechlich er war. Ob diese Finger jemals einen Pinsel so wütend über die Leinwand jagen würden, wie Mynona es gelegentlich tat? Ob Ole sich überhaupt je für Malerei begeistern würde? Sie drehte sich um und folgte Eckart ins Innere des Dampfers.
»Soll ich Ihnen den Jungen nicht doch abnehmen?« Elisabeth wirkte ungewohnt fahrig an diesem Tag. War es die Aufregung vor der Reise, oder fühlte sie sich unbehaglich, wenn sie nichts zu tun hatte? So oder so, sie hatte auf jeden Fall recht. Wenn der Erste Offizier oder womöglich der Kapitän höchstpersönlich sie gleich an Bord begrüßen würde, wäre es nicht günstig, ein Kleinkind auf dem Arm zu haben.
»Guten Tag, gnädige Frau, Herr Senator.« Ein Mann in Uniform stand auch schon vor ihnen stramm. »Mein Name ist Westermann. Ich bin der Erste Chefsteward. Es ist mir eine Freude, Sie auch im Namen von Kapitän Knuth, dem Ersten Offizier Herrn Reuss und der gesamten Besatzung an Bord der SS Amerika willkommen heißen zu dürfen.« Er gab ihnen gerade so viel Zeit, einen Dank oder eine Begrüßungsformel loszuwerden, ehe er eine Einweisung herunterschnurrte wie eine ratternde Nähmaschine. Sogar zwei Ärzte waren an Bord, dazu eine Krankenschwester, erklärte er ihnen. Das nahm Irma noch zur Kenntnis, danach verpasste sie einiges, weil sie sich einfach umsehen musste. Ihr war bekannt, dass es sich um das zweitgrößte Schiff der Welt handelte, auch etwas von seiner enormen Geschwindigkeit hatte sie gehört, doch mit diesem Prunk hatte sie nicht gerechnet. Nichts sah hier nach dem aus, was ihr bei dem Wort Schnelldampfer in den Sinn kam. Weiche Teppiche, funkelnde Lüster. Es gab sogar Aufzüge! Ihr ging es nicht anders als Elisabeth, die kaum wusste, wohin sie ihren Kopf zuerst drehen sollte. Nur staunte Irma nicht mit offenem Mund, sondern konnte ihre Gefühle besser verbergen.
»Er hat DICH angesehen, als er betonte, jeder an Bord hätte sich an die Regeln zu halten«, raunte Eckart ihr lächelnd zu, als ein herbeigerufener Steward sie zu ihrer Kabine führte.
»Du willst mir jetzt nicht sagen, mir eilt mein Ruf voraus«, entgegnete Irma amüsiert.
»Das meinte ich tatsächlich nicht. Der Chefsteward hat bemerkt, dass du ihm nicht zuhörst, das wollte ich damit sagen. Du hast dir nicht einmal die Mühe gemacht, eine interessierte Miene aufzusetzen.«
»Er hat es dramaturgisch nicht klug angestellt«, verteidigte sie sich. »Wenn er sich meine Aufmerksamkeit länger hätte sichern wollen, hätte er nicht gleich am Anfang erwähnen dürfen, dass eine Kopie sämtlicher Regeln in allen Kabinen ausliegt.«
»Ich werde ihm bei Gelegenheit den Tipp geben«, erwiderte Eckart.
Sie hatten für die zwei Nächte eine Suite der Ersten Klasse gebucht. Elisabeth würde mit Ole in einem eigenen Zimmer schlafen. Selbstverständlich hatten sie ein Bad für sich allein und mussten sich nicht einen Waschraum mit fremden Menschen teilen, wie in der Vierten Klasse, mit der zwei Drittel der Passagiere reisten.
»Mehr Platz, als ich gedacht hätte«, sagte Irma zu Elisabeth, die eilig die Kleider aus den Koffern in die Schränke räumte. Das Fenster war nicht mehr als ein Bullauge. Immerhin konnte man das Wasser sehen, den Himmel, eine Möwe, die keck auf sie zusegelte und erst im letzten Moment beidrehte. Noch schöner würde es sein, später an der Reling zu stehen und das vorüberziehende Land in seiner gesamten Weite zu betrachten. Sie musste daran denken, wie sie während ihrer Frankreichreise den Kopf aus dem Zugabteil gesteckt hatte, um den Fahrtwind zu genießen. Später im Speisewagen waren ihr die Blicke der Mitreisenden aufgefallen, die sie vollkommen falsch gedeutet hatte. Erst als ein Kellner sie auf die Asche hinwies, die die Dampflok ihr in das Haar und das Gesicht geblasen hatte, verstand sie. Hätte Eckart sie nur auch damals schon begleiten können, wie es eigentlich geplant gewesen war. Dann hätte ihre Ehe keine Narbe davongetragen. Hoffentlich beeilte er sich. Er wollte im Büro, das auf dem Roosevelt-Deck eigens für die Passagiere eingerichtet war, einen Wagen bestellen, der sie von Southampton nach London bringen sollte. Warum hatte er das nicht schon vor Tagen zu Hause erledigt, wie er ihr versprochen hatte? Es war untypisch für ihn, so etwas zu verschieben. Nun kam es auf eine weitere kurze Verzögerung auch nicht mehr an, fand sie. Nicht, dass er am Ende noch das Ablegen verpasste. Oder noch schlimmer, womöglich hatte er eine dringende Nachricht des Senats erhalten und ließ sie in letzter Sekunde doch wieder allein. Irma sah sich um. Wirklich hübsch. Ein richtiges Bett wie in einem Hotel. Sie musste lächeln. Was hatte sie erwartet, eine Hängematte? Auf einem zierlichen Sekretär fand sie einige Bogen Papier mit den Regeln, die der Chefsteward ihnen ans Herz gelegt hatte. Die Passagierliste und eine Menükarte des Ritz’s Carlton interessierten sie viel mehr. Aber nicht jetzt, jetzt wollte sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn an Deck stehen. Sie blickte ungeduldig zur Tür, die in diesem Moment aufflog. Eckart war zurück.
»Eine Familie Bein will ebenfalls nach London«, erklärte er. »Ein Ehepaar Breitkopf hat sich Vorschläge für Ausflüge unterbreiten lassen, und ein alleinreisender Herr Brust hat ein Telegramm aufgeben wollen«, setzte er mit amüsiertem Grinsen hinzu. »Dabei haben wir noch nicht einmal abgelegt. Ich wette, bis wir Southampton erreichen, haben wir sämtliche Teile des menschlichen Körpers zusammen.«
»Die einer Frau oder die eines Mannes?«, wollte Irma wissen. Elisabeth bekam einen Hustenanfall. »Gehen wir hinauf? Es müsste jeden Moment losgehen.« Irma nahm Ole auf den Arm und verließ die Kabine. Im Gang drehte sie sich noch einmal um. Wo blieben die beiden?
»Dein Vater trödelt doch sonst nicht herum«, flüsterte sie. Sie ging zwei Schritte zurück. Waren das nicht ihre Stimmen? Was hatte ihr Ehemann mit dem Kindermädchen zu tuscheln? »Wo bleibt ihr denn?«, rief sie. Im nächsten Augenblick trat Eckart aus der Kabine. Ein wenig hektisch für ihren Geschmack. Dahinter Elisabeth mit geröteten Wangen. Beide lächelten verlegen, als hätte Irma sie gerade dabei ertappt, wie sie die Präsentpackungen Hamburger Kemm’sche Kuchen plünderten, die Irma unter anderem als Gastgeschenke mitgenommen hatte. Der Senator und das Kindermädchen, ging ihr durch den Kopf. Unsinn! Andererseits war ihr schon mal aufgefallen, dass Elisabeth in Eckarts Anwesenheit rot geworden war und albern gekichert hatte. Als wäre sie in ihn verliebt. Und wenn schon, Eckart würde sich niemals mit ihr einlassen. Werner Hagen fiel ihr ein, Buchhalter bei Beiersdorf. Er hatte nie vorgehabt, seine Ehe zu beenden, trotzdem hatte er mit Gretel ein Techtelmechtel angefangen.
»Das kommt doch ständig vor«, hatte Gerda die Affäre kommentiert. »Wenn eine Frau ihren Mann betrügt, kann sie sich nirgends mehr sehen lassen. Umgekehrt ist es an der Tagesordnung und hat angeblich nicht einmal etwas zu bedeuten.«
Irma hatte sich auf diesen Moment gefreut, jetzt versetzte die giftgrüne Eifersucht dem Spektakel der winkenden Menschen unten auf den Landungsbrücken, des Knallens der Taue, die ins Wasser fielen, ehe sie eingeholt wurden, des tiefen langgezogenen Tutens und der sich kräuselnden Wellen rund um den Schiffsleib einen hässlichen Stich. Die Silhouette der Stadt schmolz immer mehr zu einem einzigen blaugrauen Klumpen zusammen, je weiter die SS Amerika sich vom Hafen entfernte, dem Lauf der Elbe folgend. Nur noch die Türme der Kirchen und des Rathauses taugten irgendwann als Erkennungsmerkmale.
»Ein schöner Anblick eigentlich«, sagte Eckart traurig.
»Eigentlich?« Sie sah ihn an.
»Der Michel fehlt, findest du nicht?«
Irma wandte sich wieder der kleiner werdenden Hansestadt zu. »Ja, du hast recht, er fehlt wirklich.«
»Ole wird längst zur Schule gehen, ehe wir ihn einweihen können.« Er seufzte.
»Solange es nicht dauert, bis er sich das erste Mal verliebt«, gab Irma leichthin zurück. »In ein Dienstmädchen vielleicht«, fügte sie hinzu und sah ihm in die Augen.
»Die Hauptsache, er wird glücklich«, erklärte er, ohne zu zögern. »Und hoffen wir, dass die Weihung der neuen Michaeliskirche und die erste Liebe unseres Sohnes nicht zeitgleich eintreten. So oder so«, meinte er schmunzelnd.
Eine ganze Zeit standen sie schweigend beieinander. Elisabeth übte mit Ole Laufen. Es war nicht klar, wer mehr Schwierigkeiten damit hatte. Für ihn war es normal, an beiden Händen gehalten zu werden, Elisabeth dagegen war üblicherweise in der Lage, ohne fremde Hilfe einen Fuß vor den anderen zu setzen. Jetzt hatte sie ganz offensichtlich ihre liebe Mühe damit. Irma dagegen hatte sich schnell an das gleichmäßige Auf und Ab gewöhnt. Wenn sie raus ins offene Meer fahren würden, konnte sich das natürlich noch ändern, aber bisher kam sie bestens zurecht. Sie konnte sich kaum sattsehen an der saftig-grünen Landschaft der Elbmarsch, die zum Greifen nah an ihnen vorüberzog und bis zum Horizont reichte. Prachtvolle Fachwerkhöfe lagen inmitten von Obstwiesen und Feldern, Kinder liefen ein Stück neben dem Schiff her und winkten aufgeregt.
»Ich könnte die gesamte Reise hier draußen an Deck verbringen«, sagte Irma und seufzte.
»Es sind genug Liegen da.« Er deutete mit dem Kopf auf die eleganten weißen Möbel, die vor allem jene Passagiere genießen würden, die bis New York an Bord blieben.
»Ist das dein Ernst?« Wahrscheinlich gehörte das Übernachten an Deck zu den Dingen, die auf Chefsteward Westermanns Liste als streng verboten aufgeführt waren. Es reizte Irma umso mehr.
»Du bist eine erwachsene Frau und musst wissen, was du tust. Ich würde dir allerdings dringend raten, deine Bettdecke mitzunehmen, es könnte nachts empfindlich kalt werden.«
»Du willst, dass ich allein hier draußen schlafe?« Sie zog entsetzt die Augenbrauen hoch.
»Nicht ich, du hast gesagt, dass du es willst.«
»Das könnte dir so passen, dass du mit Elisabeth die Kabine allein hast.« Sie funkelte ihn an, doch er lachte nur.
»Nein, das kommt nicht in Frage. Ole schläft selbstverständlich auch drinnen im Warmen. Ich bin schließlich kein Rabenvater.«
Irma verkniff sich eine Antwort, denn in dem Moment kam Elisabeth mit dem Jungen zu ihnen zurück.
»Ich fürchte, die frische Luft oder das Schwanken haben ihn müde gemacht«, sagte sie. Wie auf Kommando gähnte Ole und fing gleich darauf an zu weinen.
»Sieht ganz so aus.« Irma nahm ihn auf den Arm und tröstete ihn leise. »Ob wir jetzt schon mit ihm zu Abend essen können?«, fragte sie dann.
»Wir könnten etwas in die Kabine bringen lassen«, platzte Elisabeth heraus, als hätte sie nur auf ein geheimes Stichwort gewartet. »Für Ole und mich natürlich nur. Sie beiden sollten selbstverständlich ins Restaurant gehen, sobald es öffnet. Also, das ist natürlich Ihre Entscheidung. Geht mich ja gar nichts an.« Sie lachte schrill und blickte hilflos zu Eckart. Na, das war ja interessant. Wenn er gleich erklärte, er würde auch lieber in der Kabine essen, weil er noch zu arbeiten habe, konnte er etwas erleben.
»Sehr gute Idee, Elisabeth.« Er warf einen Blick auf seine Taschenuhr und steckte sie wieder ein. »Das Ritz’s Carlton öffnet erst in einer Stunde und ist kein passender Ort für einen schlecht gelaunten Anderthalbjährigen.«
»Er ist nur erschöpft«, verteidigte Irma ihren Sohn.
»Das macht es nicht besser. Du weißt, welche Lautstärke aus diesem kleinen Körper kommen kann, wenn er müde ist.« Er stupste liebevoll den Bauch des Kleinen, der daraufhin kurz zu weinen aufhörte. »Wir machen es genauso. Ich gebe rasch dem Service Bescheid, dass sie uns etwas bringen sollen.« Er küsste Irma auf die Wange. »Du kannst die Zeit nutzen, dich in Schale zu schmeißen. Einverstanden?«
»Ja, gut.«
»Wie sie alle die Köpfe verdrehen, um dich zu sehen«, raunte Eckart ihr zu, als sie das Restaurant betraten. »Kein Wunder, du siehst atemberaubend aus.«
»Danke.« Irma hatte sich für ein mit Perlen besetztes silbergraues Kleid entschieden, das sie wie eine zweite Haut umschloss und ihre Knöchel und sogar ein Stückchen ihrer Waden frei ließ. Sein Kompliment freute sie sehr, doch sie traute ihm nach dieser merkwürdigen Heimlichkeit mit Elisabeth und dem höchst seltsamen Verhalten des Kindermädchens noch nicht ganz über den Weg. Gut möglich, dass er sie sicher am Tisch des Ritz’s Carlton wissen wollte, ehe er sich mit einer fadenscheinigen Begründung entschuldigte.
»Hätte ich nicht solchen Hunger, würde ich für unseren Sohn auf der Stelle einen Bruder oder eine Schwester zeugen«, flüsterte er nah an ihrem Ohr, als ein Kellner gerade auf sie zutrat. Irma lachte laut auf. Der Kellner sah verwirrt aus, ließ sich dennoch nicht aus der Ruhe bringen.
»Einen schönen Abend, die Herrschaften. Sie haben reserviert?«
»Nein«, antwortete Irma.
»Ja«, korrigierte Eckart, »für Behn.«
»Senator Behn und Gattin, natürlich«, sagte der Kellner. »Es ist uns eine Freude, Sie in unserem Restaurant begrüßen zu dürfen. Wenn Sie mir bitte folgen würden?« Er führte sie zu ihrem Platz. Weißes Porzellan, funkelnde Kristallgläser, auf Hochglanz poliertes Silberbesteck. Alles in zweifacher Ausführung. Dabei wäre Platz für vier gewesen. Die freie Seite des Tisches beanspruchte ein Champagnereimer mit einem üppigen Strauß dunkelroter Rosen darin. Während der Kellner ihr den Stuhl zurechtrückte und Irma sich setzte, blickte sie verstohlen zu den anderen Gästen. Kleine Vasen mit passenden Bouquets. Das war alles. Ihr Tisch hingegen war obendrein mit Blüten geschmückt, die samtige Tupfer auf den weißen Damast setzten. Nachdem der Kellner die Menüfolge vorgetragen hatte, die auf sie wartete, deutete er eine elegante Verbeugung an und zog sich zurück. Endlich.
»Ich hoffe, meine Auswahl findet deine Zustimmung«, sagte Eckart. »Wenn dir ein Gang überhaupt nicht zusagt, bekommst du sicher etwas anderes.«
»Du hast keinen Wagen bestellt, stimmt’s?«, platzte Irma heraus, statt ihm zu antworten, »sondern das hier.« Sie deutete auf die Blumen.
»Gefällt es dir nicht?«
»O doch, sehr sogar. Aber die Leute werden denken, wir sind auf Hochzeitsreise.«
Eckart lachte. »Seit wann interessiert es dich, was die Leute denken?«
Sie streckte ihre Hand nach seiner aus. »Das tut es nicht. Danke, Eckart, es ist eine ganz wundervolle Überraschung. Und das Menü hört sich sehr gut an. Ich fürchte zwar, die Nähte meines Kleides werden platzen, wenn ich alles esse, was er aufgezählt hat, aber auch das ist mir egal.« Eine Weile hielten sie sich schweigend an der Hand, die Blicke tief ineinander verwoben.
Plötzlich wurde er ernst. »Was war vorhin los mit dir? Du warst beim Ablegen schon so angespannt. Als Elisabeth, wie mit mir besprochen, vorschlug, mit Ole in der Kabine zu essen, hast du sie mit deinen Blicken fast niedergestreckt.«
Hatte man es ihr also so deutlich angesehen. Wie hatte sie sich so dumm aufführen können? Sie wusste, wie sehr er sie liebte. Es war vollkommen absurd, eine Affäre mit einer anderen auch nur in Erwägung zu ziehen. Irma vertraute ihrem Mann.
»Aber nicht dem Schicksal, dem traue ich nicht«, sagte sie leise. Er runzelte fragend die Stirn.
»Ich war sicher, wenn du vom angeblichen Bestellen des Essens zurück bist, hast du eine Ausrede parat, um auch in der Kabine zu bleiben.«
»Nicht angeblich, das Essen für unseren Sohn und Elisabeth habe ich wirklich erst jetzt geordert, als ich sicher sein konnte, dass mein Plan die richtige Gestalt annimmt.«
Der Kellner servierte ihnen Rotwein. Ein Glas konnte sie trinken, fand sie. In Eckarts Gesellschaft auch mehr, er passte auf sie auf.
»Warum sollte ich nicht mit dir ins Restaurant gehen wollen?« Sie wusste, dass er die Antwort kannte, also sparte sie sich, es auch noch auszusprechen. »Du hast nicht ernsthaft geglaubt, ich hätte etwas mit Elisabeth?« Er hatte die Stimme gesenkt, seine Mundwinkel zuckten.
»Der Beginn unserer Ehe ist nicht gerade reibungslos verlaufen. Meine Schuld«, ergänzte sie hastig. »Wir kannten uns nicht, und ich konnte mir unmöglich vorstellen, dass ich das Glück haben sollte, mich in meinen eigenen Mann zu verlieben. Aber genau das ist geschehen.« Sie sah ihm in die Augen. »Mit jedem Tag ist es mir ein bisschen mehr gelungen, daran zu glauben, dass ich all das bekomme, was ich mir so sehr gewünscht habe. Einen attraktiven Mann, für den ich mich aus meinem selbst gebauten Kerker trauen und in ein behagliches Heim ziehen kann, der mich unterstützt und mir alle Freiheit für meine Kunst lässt.« Sie blickte auf den Teller vor sich. »Vor zwei Jahren habe ich das aufs Spiel gesetzt. Mir ist bewusst, wie zerbrechlich das Glück ist, Eckart. Darum dachte ich, als du mit Elisabeth hinter meinem Rücken getuschelt hast, das könne nur etwas Schlechtes bedeuten.« Sie schwiegen. Der Kellner brachte die Suppe.
»Die düstere Irma irgendwo da drinnen …« Er tippte mit dem Finger auf ihre Stirn. »Sie wird nie Ruhe geben, habe ich recht?« Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. »Ich hatte gehofft, wenn ich sie schon nicht vertreiben kann, würde Ole das gelingen, aber da habe ich dem kleinen Kerl wohl zu viel zugemutet. Andererseits … deine beiden Seiten sind wie Zwillinge mit ebenso großer Ähnlichkeit wie reizvollem Gegensatz. Welcher Mann wäre nicht gern mit ihnen beiden verheiratet?« Er lächelte verschmitzt, wurde aber gleich darauf wieder ernst. »Das Glück ist zerbrechlich, das ist wahr. Wir müssen beide gut darauf aufpassen. Und wir müssen es auskosten, solange wir es haben.« Seine Augen glänzten. »Die Spargelcreme duftet sehr gut. Das nenne ich Glück, ich wäre fast umgekommen vor Hunger.«
»Du machst noch Hermann Krause Konkurrenz«, erwiderte sie lächelnd.
Das Dinner war einen Hauch zu kitschig, beinahe erdrückend in seiner Vollkommenheit. Gerade richtig für diesen Abend. Irma war nach dem einen Glas Wein bei Wasser geblieben, obschon der Kellner den Weißburgunder zum Fisch mit blumigen Worten empfohlen und auch Eckart ihn sehr gelobt hatte. Es war nicht mehr nötig, etwas zu ertränken, zu vernebeln. Irma berauschte sich inzwischen an anderem, an der Musik des Orchesters, dem Klingeln der Gläser, dem Lachen hier und da, das aus dem Meer der Stimmen auftauchte. Der Alkohol spann nur jede Kleinigkeit, die sie hörte, sah, schmeckte, in einen Kokon, so dass ihr all die schillernden Facetten verborgen blieben. Welch ein Verlust! Irma berauschte sich an Eckart. An dem Silber, das an mancher Stelle im Braun seiner Haare aufblitzte. An seinen Augen, deren ureigene Mischung aus Wärme und Arroganz sie von der ersten Sekunde fasziniert hatten. Es war an der Zeit, zurück in die Kabine zu gehen. Wie es wohl sein würde, sich in einem Bett zu lieben, das sich in seinem ganz eigenen Rhythmus hob und senkte?
»Woran denkst du?«, fragte er, als würde er die Antwort ahnen.
»An etwas, das ich zu gern ausprobieren würde.«
»Aha?« Er hob fragend die Augenbrauen.
»Ich glaube, es ist keine gute Idee, es dir hier zu sagen. Ich zeig’s dir später.« Er nickte wissend.
Einen Arm um ihre Schulter, führte er sie aus dem Restaurant und dann auf das Promenadendeck.
»Es ist gar nicht kalt«, sagte er. »Eine laue Sommernacht, vielleicht sollten wir sie doch hier draußen verbringen.« Sie war nicht sicher, ob er es ernst meinte.
»Kommt nicht in Frage.« Sie küsste ihn zärtlich, überlegte es sich und gab ihm noch einen Kuss, leidenschaftlich dieses Mal. »Hier draußen kann ich dir nun wirklich nicht zeigen, was ich ausprobieren möchte.«
»Verstehe. Du hast mich überzeugt.«
4
Der Tag an Bord verging wie ein Wimpernschlag. Während eines Vormittagsspaziergangs über das Sonnendeck plauderten sie mit einem Theaterdirektor aus Milwaukee, zur Teestunde kamen sie mit Professor Dr. Valentin Haeckel ins Gespräch, Mitglied der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. Und sie machten sich ein wenig über den Kaiserlich deutschen Konsul von Boston nebst Gemahlin und Kindern lustig, die mit ihrer Entourage aus Gouvernante und diversen Bediensteten ein komplettes Deck für sich allein einnahmen. So hatte es jedenfalls den Anschein. Irma war schon von dem Gedanken, Elisabeth mitzunehmen, anfänglich nicht begeistert gewesen, doch es leuchtete ihr ein, dass Ole noch keine Begeisterung für Auktionen oder Gemäldeausstellungen aufbringen würde. Außerdem wollte sie mit Eckart auch in London mal ungestört essen und dann vielleicht noch einen kleinen Abendspaziergang unternehmen können. Funkelnde Lichter auf der Themse stellte sie sich ebenso herrlich kitschig vor wie das Dinner mit Rosen an Bord. Doch was hätte sie mit weiteren Dienstboten anfangen sollen?
Als Irma nach der zweiten Nacht durch das Bullauge blickte, war das Land so nah, dass sie zunächst fürchtete, sie könnten jede Sekunde anlegen. Sie weckte Eckart, der verschlafen auf seine Uhr blinzelte und ihr erklärte, es würde noch Stunden dauern. Damit drehte er sich auf die andere Seite.