DIE FREUNDIN DES ARZTES - Harry Genter - E-Book

DIE FREUNDIN DES ARZTES E-Book

Harry Genter

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Chefinspektor William Calliban war einer der bekanntesten Beamten von Scotland Yard – und einer der gefürchtetsten. Er hatte seinen Beruf von der Pike auf erlernt. Als Constable hatte er zunächst im Hafenviertel angefangen. Später arbeitete er eine Zeitlang als Inspektor im Westend, eine Erholung nach den Jahren in Wapping, Poplar und Deptford, wie es ihm zunächst erschien. Nun war er seit Jahren im Präsidialbüro von Scotland Yard beschäftigt, ein interessanter Dienst, der aber trotzdem nicht immer seine volle Zustimmung fand. Calliban war seinem ganzen Wesen nach alles andere als ein Büromensch. Glücklicherweise gestattete ihm Colonel a. D. Burmester, der derzeit Chef von Scotland Yard war, gelegentlich verzwickte Fälle an sich zu ziehen und in die Ermittlungen aktiv einzugreifen...

 

Harry Genter (* 1929 in München) war ein deutscher Schriftsteller.

Der London-Krimi Die Freundin des Arztes erschien erstmals im Jahr 1964; der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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HARRY GENTER

 

 

DIE FREUNDIN DES ARZTES

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

DIE FREUNDIN DES ARZTES 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

Das Buch

 

 

Chefinspektor William Calliban war einer der bekanntesten Beamten von Scotland Yard – und einer der gefürchtetsten. Er hatte seinen Beruf von der Pike auf erlernt. Als Constable hatte er zunächst im Hafenviertel angefangen. Später arbeitete er eine Zeitlang als Inspektor im Westend, eine Erholung nach den Jahren in Wapping, Poplar und Deptford, wie es ihm zunächst erschien. Nun war er seit Jahren im Präsidialbüro von Scotland Yard beschäftigt, ein interessanter Dienst, der aber trotzdem nicht immer seine volle Zustimmung fand. Calliban war seinem ganzen Wesen nach alles andere als ein Büromensch. Glücklicherweise gestattete ihm Colonel a. D. Burmester, der derzeit Chef von Scotland Yard war, gelegentlich verzwickte Fälle an sich zu ziehen und in die Ermittlungen aktiv einzugreifen...

 

Harry Genter (* 1929 in München) war ein deutscher Schriftsteller.

Der London-Krimi Die Freundin des Arztes erschien erstmals im Jahr 1964; der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur. 

 

  DIE FREUNDIN DES ARZTES

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Es war eine regnerische, unfreundliche Aprilnacht, kurz nach zwei Uhr, als Constable Bill Santis den Mann fand.

Der Beamte war am Ende seines Streifengangs angelangt und wollte eben auf einem kleinen Pfad den Hyde Park verlassen, um zu seinem Revier in der Bayswater Road zurückzukehren. Nur durch einen Zufall bemerkte er die Gestalt, die im Unterholz mit dem Rücken gegen einen Baum lehnte und augenscheinlich schlief.

Der Constable schritt quer durch die Wiese.

»Heda, Sie!«

Der Beamte beugte sich zu dem Kauernden hinab Im grellen Lichtschein seiner Taschenlampe sah er einen älteren, unrasierten und ziemlich abgerissenen Vagabunden vor sich, der keine Anstalten machte, sich in seinem tiefen Schlaf stören zu lassen. Santis schnüffelte. Natürlich – Alkohol! Der Mann schien schwer betrunken zu sein.

Der Constable schaute kopfschüttelnd auf die feuchte Kleidung des Mannes, die vom Regen durchweicht war.

»Der Kerl muss ja stockfeucht sein – innerlich mehr als von außen«, brummte Santis ärgerlich. Er fasste den Schläfer unsanft an. »Hallo, mein Freund, aufgewacht!«

Aber der Mann rührte sich nicht Der Beamte richtete den Lichtkegel seiner Taschenlampe aus nächster Nähe auf die Züge des Alten – und zuckte zusammen. Er bemerkte erst jetzt die herabgezogenen Mundwinkel im regennassen Gesicht und die merkwürdig festgeschlossenen Augenlider. Der Constable kauerte sich rasch neben dem Mann nieder und schüttelte ihn kräftig. Obwohl er bereits einen schrecklichen Verdacht gefasst hatte, fuhr er doch unwillkürlich zurück, als die Gestalt durch seinen harten Stoß das Übergewicht bekam und steif, zur Seite ins Gras kippte. Rasch zog Santis die verkrampften Lider hoch. Als er die verdrehten Pupillen gewahrte, die ihn wie zwei schillernde Glaskugeln anstarrten, wusste er, dass sich seine Vermutung bestätigt hatte: Der Mann war tot! 

Hastig setzte der Constable seine Trillerpfeife an die Lippen.

Zusammen mit seinem Kollegen, den sein Signal herbeigerufen hatte, suchte Santis dann rasch, aber sorgfältig die nähere Umgebung ab.

Während der zweite Beamte bei dem Toten blieb, hastete Santis durch das Buschwerk auf die Straße. Er rief in der Bayswater Road das Polizeirevier an und machte Inspektor Candle hastig Meldung.

 

Chefinspektor William Calliban war einer der bekanntesten Beamten von Scotland Yard – und einer der gefürchtetsten. Er hatte seinen Beruf von der Pike auf erlernt. Als Constable hatte er zunächst im Hafenviertel angefangen. Später arbeitete er eine Zeitlang als Inspektor im Westend, eine Erholung nach den Jahren in Wapping, Poplar und Deptford, wie es ihm zunächst erschien. Nun war er seit Jahren im Präsidialbüro von Scotland Yard beschäftigt, ein interessanter Dienst, der aber trotzdem nicht immer seine volle Zustimmung fand. Calliban war seinem ganzen Wesen nach alles andere als ein Büromensch. Glücklicherweise gestattete ihm Colonel a. D. Burmester, der derzeit Chef von Scotland Yard war, gelegentlich verzwickte Fälle an sich zu ziehen und in die Ermittlungen aktiv einzugreifen.

Am Vormittag des 28. April war der Chefinspektor in seinem Büro in Scotland Yard und las die im Laufe der Nacht eingelaufenen Meldungen. Beim Überfliegen der einen davon stutzte er und las den Bericht dann nochmals genauer durch. Ein Streifenbeamter hatte im Hydepark nach Mitternacht die Leiche eines Stromers entdeckt. Der Mann war vergiftet worden.

Stirnrunzelnd las der Chefinspektor.

 

Im Besitz des Toten wurde eine gefälschte Zwanzigpfund-Note gefunden

 

Angestrengt überlegte Calliban: Es waren in letzter Zeit einige Falschmünzerbanden ausgehoben worden. Sollte damit ein Zusammenhang bestehen? Der Mann konnte vielleicht einer der kleinen Verteiler sein, deren sich die Banden gelegentlich bedienten. Den Chefinspektor hatte nur die Todesart des Mannes stutzig gemacht. Vergiftet? Calliban wusste, dass bei Auseinandersetzungen innerhalb der Banden zwar das Leben eines kleinen Gauners, wie der Getötete offenbar einer gewesen war, keine Rolle spielte. Aber in ähnlichen Fällen waren die Leute erschossen, erstochen oder vielleicht auch noch erschlagen worden. Aber vergiftet?

»Hallo, Sommins, hier Calliban. Guten Morgen. Ich lese gerade die Meldung der Streife PC 173 über den Toten von heute Nacht. Ja, Bayswater Road. Haben Sie schon nähere Einzelheiten? Wie? Gut, kommen Sie einen Sprung zu mir herauf.«

Nach kurzer Zeit trat Inspektor Sommins ins Zimmer, ein älterer, grauhaariger Beamter, den Calliban gut leiden konnte. In der Hand trug er eine dünne Akte, die er vor dem Chefinspektor ausbreitete.

»Nicht sehr viel, Sir, fürchte ich, aber wir sind noch mitten drin.«

Calliban deutete stumm auf einen Sessel, und Sommins berichtete den Sachverhalt.

»Der Mann lag im Park, Sir, nahe der Straße. Nach der Nässe seiner Kleider zu schließen, muss er mindestens schon eine halbe Stunde im Regen gelegen haben, ehe ihn der Constable fand. Der Beamte hielt ihn zuerst für einen Betrunkenen. Nachdem er keinerlei äußere Verletzungen aufwies, wurde eine Autopsie vorgenommen. Sie finden das Ergebnis im Akt: eindeutig Vergiftung.«

Calliban blätterte aufmerksam, die Unterlagen durch. Das Foto zeigte die verzerrten Züge eines älteren, ungepflegten Mannes. Ein Strolch. Und mit Falschgeld in der Tasche!

»Hm«, brummte der Chefinspektor und versenkte sich in den ärztlichen Untersuchungsbericht. »Wo mag der Kerl das Zeug verpasst gekriegt haben?«

Sommins schüttelte den Kopf. »Das haben wir bisher noch nicht herausgebracht, Sir. Der Mann heißt übrigens Stone, Harry Stone, er war früher einmal eine Zeitlang Krankenpfleger und wohnte zuletzt draußen in Lambeth in einem billigen Absteigequartier. Die Wirtin weiß nicht viel über ihn. Er war oft lange nicht zu Hause. Offenbar ein professioneller Herumtreiber. Ein paarmal ist er verurteilt worden.«

»Ein schwerer Junge?«, fragte Calliban gespannt.

»Nein, Sir, meistens kleinere Einbrüche und Schwindeleien.«

»Was ist mit dem Geld los, das der Mann bei sich hatte?«

»Ja, das ist interessant. Ganz eindeutig eine Fälschung, keine besonders gute übrigens. In der Nähe des Fundortes der Leiche haben wir eine Kneipe ausfindig gemacht, in der Stone vorher einen getrunken hatte. Als es ans Zahlen ging, wollte er nach Angaben des Wirts den Zwanziger gewechselt haben.«

»Ziemlich große Note für einen Mann seines Schlags, was?«, meinte Calliban nachdenklich.

»Das dachte der Wirt auch, Sir. Sie sahen sich den Schein genau an, und Mr. Dunker – so heißt der Mann, dem die Bude gehört – hatte den Verdacht, es könnte eine Fälschung sein. Stone soll dann ziemlich heftig randaliert haben. Na ja, er war sicher nicht mehr nüchtern. Dunker wollte sich nicht mit ihm anlegen – Stone behauptete, er habe kein anderes Geld und dann warfen sie ihn aus dem Laden hinaus. Er ist dann anscheinend nicht mehr weit gekommen.«

»Was hat Stone in dem Ausschank zu sich genommen?«

»Nur zwei Glas Whiskey, Sir. Der Wirt schwört, dass es einwandfreie Ware war, und wir haben ein paar Gäste festgestellt, die bezeugten, sie hätten kurz nach Stone ihren Whiskey aus der gleichen, fast vollen Flasche erhalten und sie würden sich pudelwohl fühlen.«

Calliban nickte verstehend. »Also muss Stone vorher oder nachher noch wo anders getrunken haben – und dort hat man ihm den tödlichen Trank verpasst.«

»Sicher, Sir. Die Alkoholmenge im Körper des Toten war so groß, dass sie unmöglich allein von den zwei Glas Whiskey bei Dunker stammen kann.«

»An der Fundstelle im Park war nichts zu finden?«

»Nein, nichts. Nur so viel glauben wir zu wissen, dass Stone allein im Hydepark war. Aber auch das ist nicht sicher, Sir. Der Regen hat das meiste verwischt.«

»Merkwürdig.« Calliban überflog nochmals die Akte und reichte sie dann an Sommins zurück. »Na, dann viel Glück, Inspektor. Schalten Sie vielleicht noch Robarts vom Falschgelddezernat ein und lassen Sie mich gelegentlich wissen, was aus der Sache geworden ist.«

Einige Zeit später berichtete ihm Sommins, dass die Ermittlungen bisher leider ohne Erfolg geblieben seien.

Allmählich vergaß Calliban die Affäre Stone. Neue, aktuellere Dinge forderten seine Aufmerksamkeit. Er hatte keine Ahnung, dass er in völlig anderem Zusammenhang an Harry Stone und sein schreckliches Ende erinnert werden sollte.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

»Deine Eifersucht, könnte einen Heiligen rasend machen. Tony Saunders verdrehte verzweifelt seine Augen, aber der dunkelhaarige, junge Mann, der ihm gegenübersaß und unglücklich vor sich hinstarrte, schien nicht beeindruckt.

»Warum war Diana gestern Abend wieder mit Francis Darryl im Varieté?«, wiederholte er eigensinnig seine Frage.

Tony seufzte und meinte trocken: »Vermutlich hat sie die Vorführung interessiert.«

Robert Handley erwiderte ärgerlich: »Ach was! Du weißt, dass ich sie liebend gerne dorthin begleitet hätte, obwohl es die miserabelste Revue sein soll, die nach dem Krieg im Trocadero aufgeführt wurde. Aber nein, deine Schwester musste mit Francis...«

Er unterbrach sich, als er den amüsierten Blick bemerkte, den ihm Tony zuwarf. Wütend knurrte er: »Verdammt noch mal, kannst du denn nicht ernst bleiben? Mir ist es bitter ernst und ich denke...«

»Du denkst nicht, du bist nämlich eifersüchtig wie ein alter Kater!«

Saunders grinste übers ganze Gesicht. Dann meinte er begütigend: »Lass doch dem alten Francis seinen Spaß, den wirst du doch allemal ausstechen.« Und als er sah, wie es in Handleys Zügen arbeitete, japste er: »Natürlich alles sinnlos, was ich dir erzähle. Verliebtheit ist eine süße Art des Wahnsinns. Das Zitat ist nicht von mir, trifft aber haargenau deinen Zustand. Du solltest dir von Professor Dooley, unserm Psychiater, ein Privatissimum lesen lassen.«

Bob erwiderte nichts und zog nur grimmig an seiner Zigarette.

Robert Handley und Anthony Saunders saßen in einem kleinen Café am Themseufer. Beide waren junge Assistenzärzte, drüben im altehrwürdigen St.-Thomas-Hospital und kannten sich schon von der Universität her. Seit sie vor einem Jahr in der Klinik eine erste, bescheidene Anstellung gefunden hatten, waren sie enger befreundet. Der Magnet ihrer Freundschaft war für Bob freilich von Anfang an Diana Saunders gewesen, Tonys Schwester, die zusammen mit ihrem Vater und dem Bruder ein kleines Häuschen in Hampstead am Rande der Heide bewohnte. Die jungen Leute machten gemeinsame Ausflüge, unternahmen Bootsfahrten auf der Themse und besuchten Theater und Kinos. Handley war bis über beide Ohren in Tonys hübsche Schwester verliebt. Daher erregte Francis Darryl, ein Freund von Dianas Vater, ein elegant und korrekt gekleideter Mann von beinahe fünfzig Jahren, der viel im Hause Saunders verkehrte, seit längerer Zeit Bobs unverhohlenes Missfallen.

Darryl sah blendend aus, das musste der junge Arzt widerstrebend zugeben, war ein geistreicher Gesellschafter und widmete der Tochter seines Freundes galante Aufmerksamkeiten in einer Weise, die Handley in höchstem Maße unpassend fand.

Tony warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr und sprang auf. »Los, Bob, ich muss heim, es ist höchste Zeit. Papa wird ohnehin ärgerlich sein.« Und als er Handleys finstere Miene gewahrte, klopfte er ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Kopf hoch, alter Junge! Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Wenn ich heimkomme, werde ich meiner Schwester die Leviten lesen, dass sie so rücksichtslos auf deinem blutenden Herzen herumtrampelt.«

»Untersteh dich«, fuhr Handley auf, »Tony, ich würde es dir nie verzeihen...«

»Na, dann eben nicht.«

Sie bezahlten und gingen dann gemeinsam bis zur nächsten Seitenstraße, wo Saunders sein altes Auto – ein klappriges Kabriolett – geparkt hatte. Bevor sich Tony von seinem Freund verabschiedete, fragte er augenzwinkernd: »Übrigens, Diana hat mir erzählt, dass du morgen mit ihr ausfliegen willst?«

Bobs Gesicht hellte sich auf. »Ja, wir fahren nach Maidenhead hinaus. Dort ist es jetzt besonders schön.«

Tony prustete los. »Du willst Diana doch um Gottes willen nicht dein altertümliches Blockhaus zeigen? Diesen Stall!« Als er aber merkte, dass sich Handley zu einer entrüsteten Gegenrede anschickte, winkte er rasch ab. »Hör auf, ich habe ja nichts gesagt. Jedenfalls, viel Spaß! Soll ich dir meinen Wagen leihen? Du weißt, auf engstem Raum kann man besser Händchen halten und so!«

Bob packte ihn mit drohender Miene beim Kragen. »Jetzt verschwinde aber! Und was dein selbstloses Angebot betrifft: Ich möchte einen sorglosen Tag verleben, nicht aber alle zwei Meilen die Zündkerzen wechseln, ein Rad verlieren und im Übrigen beim Fahren ständig mit einer Hand das Verdeck halten müssen.«

Tony lachte laut auf. Er zwängte sich hinter das Steuer, wobei er boshaft bemerkte: »Was äußerst störend wäre, da du diese Hand doch bestimmt zum Streicheln einer gewissen anderen Hand benötigen wirst.«

Vergnügt winkend brauste er davon, ehe Bob Zeit fand, etwas zu entgegnen.

Handley ging nachdenklich nach Hause. Er wohnte in der Nähe in einer billigen, kleinen Mansardenwohnung. Vor dem Telefonhäuschen in der Page Street blieb er unentschlossen stehen, trat aber dann doch ein und wählte nach einigem Überlegen eine Nummer. Nach kurzer Zeit meldete sich eine distinguierte Stimme. »Sie wünschen, bitte?«

Bobs Stimme klang heiser. »Ich – äh – ich meine, ist Mr. Darryl zu Hause? Mein Name ist – äh – Turner.«

»Bedaure, Sir, Mr. Darryl ist vor einer Stunde nach Hampstead gefahren. Kann ich etwas bestellen, Sir?«

»Nein – danke.«

Handley legte schweratmend den Hörer auf. Darryl war also wieder bei den Saunders. Bobs Züge verkrampften sich: Dem würde er ein Ende bereiten. Er wollte morgen mit Diana sprechen, das nahm er sich fest vor. Eilig schritt er auf seine Wohnung zu. Er hatte noch einige Vorbereitungen für den morgigen Tag zu treffen.

 

Als Tony ins Wohnzimmer trat, saßen sein Vater, Diana und Darryl bereits in einer Ecke und plauderten. Dass Francis Darryl zu Besuch war, wusste Tony bereits, denn er hatte den großen, schweren Cadillac draußen vor dem Häuschen sofort bemerkt, als er heimkam

»Da bist du ja endlich«, begrüßte Henry Saunders seinen Sohn vorwurfsvoll, »du hättest auch ein bisschen früher kommen können, wo du wusstest, dass Francis heute seinen Film vorführen will!«

Tony erinnerte sich jetzt dunkel, dass Darryl diese Absicht vor einigen Tagen angekündigt hatte. Im Übrigen ärgerte er sich, dass ihn sein Vater vor Darryl abkanzelte wie einen Schuljungen, war aber dann klug genug, nur zu murmeln: »Du weißt doch, Papa, die Klinik, da klappt es nicht immer so pünktlich.«

»Ach was, Klinik, natürlich warst du wieder mit deinem Doktor Handley einen heben«, brummte Saunders, während Darryl besänftigend sagte: »Aber Henry, es ist doch gleich, ob ich eine Viertelstunde früher oder später anfange...«

Tony, der Darryl sonst nicht besonders schätzte, war ihm beinahe dankbar für seine Parteinahme. Er gab ihm die Hand, zwinkerte Diana zu, die der kleinen Auseinandersetzung wortlos zugehört hatte, und setzte sich dann mit berechnender Bosheit zwischen sie und Francis, der deshalb zur Seite rücken musste Sie unterhielt er sich eine Weile, und als dann Darryl den Projektor und die Leinwand aufstellte, wobei ihm der alte Saunders half, flüsterte Tony seiner Schwester zu: »Reizender Empfang, nicht?«

Diana Saunders sagte leise: »Vater ist ärgerlich, weil du so spät kommst, Tony Du weißt doch, Mr Darryl will heute seinen Film von der letzten Südamerika-Reise vorführen!«

»Wie ich mich freue!« Tony schnitt eine Grimasse. »Soll ich mich neben den Vorführer setzen, oder glaubst du, dass er lieber dein Profil im Dunkeln bewundern will?«

»Du bist eklig, Tony.« Diana war blass geworden. Einen Augenblick starrte sie ihren Bruder böse an, dann sagte sie tonlos: »Du weißt ja nicht...« Sie brach ab Der alte Saunders löschte eben das Licht aus, und während sich alle zurechtsetzten, ließ Darryl das Vorführgerät anlaufen, um sich dann m den Hintergrund zurückzuziehen, wo er ebenfalls Platz nahm.

Die folgende Stunde war, jedenfalls für Tony, äußerst ermüdend und langweilig. Er war herzlich uninteressiert, außerdem hungrig, und er konnte mehrmals nur knapp ein Gähnen unterdrücken. Sein Vater und Diana waren dagegen aufmerksame Zuschauer. Darryl hatte den Film mit einem Tonband gekoppelt, sodass er sich nicht mit Erklärungen strapazieren musste, sondern ebenfalls bequem im Sessel sitzen und den Eindruck seines Werks studieren konnte. Tony wusste, dass das Filmen Darryls Steckenpferd war. In seiner Villa in Westend hatte er sich für sein Hobby einen eigenen Bastelraum eingerichtet, der mit allen Schikanen ausgestattet war. Tony hatte ihn gesehen, als er einmal zusammen mit Diana und dem Vater bei Mr. Darryl eingeladen war.

Während Darryls Stimme eine alte Aztekensiedlung schilderte, die auf der Leinwand vorbeizog, warf Tony einen verstohlenen Blick auf den Gast, der im halbdunklen Zimmer saß. Darryl schien mit seinen Gedanken nicht bei der Vorführung zu verweilen. Vielmehr lag sein Blick mit einer – Tony dachte: fast körperlich schmerzenden – Eindringlichkeit auf Diana, die schräg vor ihm saß und auf die Leinwand schaute. Zum ersten Mal empfand Tony bewusst, dass Bob Handley richtig vermutete: Darryl verzehrte Diana förmlich mit seinen Augen. Tony wusste jetzt: Francis Darryl begehrte das Mädchen mindestens mit der gleichen Leidenschaft wie Bobby.

Das Bild erlosch. Während Henry Saunders die Standlampe wieder anknipste, schaltete Darryl das Filmgerät ab.

»Großartig, Francis«, wandte sich Tonys Vater an Darryl, der lächelte und mit einem Seitenblick zu Diana fragte: »Hoffentlich hat es auch Ihnen gefallen, Diana?«

»Es war sehr interessant, Mr. Darryl«, entgegnete das Mädchen ruhig. Sie wandte sich schnell ab und trat zum Büfett, um die Gläser nachzufüllen.

»Reisen ist etwas Herrliches«, dozierte Darryl, »man sollte keine Gelegenheit versäumen, ferne Länder zu sehen. Allerdings ein etwas kostspieliges Vergnügen«, schloss er mit unverkennbarer Selbstzufriedenheit.

»Du hast es gut, Francis«, brummte Henry bedrückt, »ich bin froh, wenn ich mir ein paar Wochen im Jahr an der Küste leisten kann!« Gallig fuhr er fort: »Aber seit die Regierung an den Pensionen ihrer ausrangierten Offiziere das einspart, was sie anderswo mit vollen Händen zum Fenster hinauswirft, muss ich mich eben nach der Decke strecken.«

Vaters altes Klagelied – er war wegen eines Herzleidens nach dem Krieg gegen seinen erbitterten Widerstand als Major in den Ruhestand geschickt worden – war Diana und Tony seit Jahren geläufig, und es war ihnen peinlich, dass Saunders es bei jeder Gelegenheit zu wiederholen pflegte.

Darryls Lage war ungleich besser. Er war der Inhaber einer Privatbank in der City, die allgemein als finanziell wohlfundiert galt. Durch seine Klugheit und durch die Gunst der Verhältnisse in der Kriegs- und Nachkriegszeit hatte er ein beträchtliches Vermögen erworben, besaß ein wunderbares Haus in der Park Lane und einen Landsitz in Somerset.

Diana unterbrach die unerquickliche Stille. Ein wenig abrupt – wie es Tony erschien – sagte sie mit sanfter Stimme: »Pa, ich... ich fühle mich nicht besonders gut – ich habe Kopfschmerzen und würde mich gerne zurückziehen. Vielleicht könntet ihr allein...«

Argwöhnisch brummte ihr Vater: »Du hast mir den ganzen Abend nichts davon gesagt! Schön, dann werden wir eben auf dich verzichten müssen.«

Aber Darryl erklärte, es sei spät geworden und Schichte sich zu Tonys großer Erleichterung zum Gehen an. Besorgt reichte er Diana die Hand und verabschiedete sich dann von seinem Freund.

Tony begleitete den Gast nach draußen und half ihm, sein Gepäck im Fond des Autos zu verstauen. Darryl reichte dem jungen Mann die Hand und sagte bedeutungsvoll: »Ich hoffe, wir werden noch gute Freunde werden – in nächster Zeit!«

Während die großen, roten Schlusslichter in der Nacht verschwanden, schüttelte Tony den Kopf und murmelte: »Jetzt glaub’ ich bestimmt, dass es Darryl erwischt hat. Na, das wird ja heiter werden.«

Er schlenderte achselzuckend ins Haus zurück, wo er Diana allein antraf, die eben das Geschirr abtrug.

»Wo ist Vater?«, fragte er. Diana wandte sich um, eine Falte grub sich um ihren Mund. »Er ist schon schlafen gegangen. Ich fürchte, ich hab’ ihm den Abend verdorben.«

Tony grinste. »Ich bin dir jedenfalls dankbar.«

Diana stellte Tony wortlos einen Teller mit Sandwiches hin, über den sich ihr Bruder mit Heißhunger hermachte.

Mit vollen Backen kauend, fragte Tony: »Du siehst müde aus. Was macht dein Kopfweh? Soll ich dir ein Pulver geben?«

»Nein, danke, es ist besser.«

»Also keine taktische Krankheit?«, meinte Tony impertinent.

»Natürlich nicht! Warum sollte ich auch?«

»Nun, ich dachte mir, du wolltest vielleicht Darryl loswerden. Du lieber Himmel, Diana, ich hätte losbrüllen können, als er neben dir stand, die Augen verdrehte und dir besorgt die Hand hielt.«

»Du bist taktlos und nicht sehr originell«, seufzte Diana, aber Tony hätte schwören mögen, dass sie momentan verlegen war.

Während er weiter aß, meinte Tony so ganz nebenbei: »Du machst morgen einen Ausflug mit Bobby? Fahrt ins Grüne, wie?«

»Ja, wir wollen nach Berkshire. Bob will mir schon lange sein Wochenendhaus in Maidenhead zeigen.«

Tony feixte. »Erwarte dir nur nicht zu viel von der Villa. Ich war schon ein paarmal mit ihm draußen – eine alte Holzbude, allerdings sehr schön in der Nähe der Themseschleuse gelegen. Früher hat Bobby sogar eine Zeitlang drin gewohnt, bis ihm die tägliche Fahrerei zwischen Maidenhead und der Stadt zu beschwerlich wurde.«

Seinen Teller zurückschiebend, holte sich Tony eine Zigarette aus der Dose. Während er ein paar Rauchkringel zur Decke blies, meinte er harmlos: »Bob lässt sich in letzter Zeit eigentlich wenig bei uns sehen.«

»Findest du?«, sagte Diana kühl. Sie schien seine Absicht nicht zu bemerken.

»Na klar, Diana. Früher war Bob fast jeden Abend hier.« Er warf wieder einen schnellen Blick auf seine Schwester. »Ich könnte mir denken, dass er vielleicht Mr. Darryl nicht leiden kann.«

»Das verstehe ich nicht«, entgegnete Diana unsicher.

»Vielleicht versteht es Bob umso besser«, meinte Tony mit bedeutungsvollem Augenaufschlag.

Aber Diane ging nicht darauf ein. Offenbar wünschte sie, das Gespräch zu beenden. Ihr Bruder war deshalb sehr erstaunt, als sie nach einer Weile plötzlich heftig hervorstieß: »Dein Mr. Handley ist – ach, manchmal wünschte ich...«

Sie brach erschrocken ab, flog auf Tony zu und flüsterte: »Tony, da ist jemand im Garten! Hörst du nicht?«

Tony sprang auf und eilte zur Verandatür, die nur angelehnt war. Er lauschte angestrengt in die Dunkelheit hinaus. Aber außer dem Rauschen der Bäume bemerkte er nichts Auffälliges.

Resigniert kehrte Tony ins Zimmer zurück, wo ihn Diana, immer noch ängstlich, fragte: »Hast du etwas gesehen?«

»Nein«, brummte Tony. »Was ist eigentlich in dich gefahren, Diana? Ich glaube, du siehst Gespenster!«

Diana zögerte. »Ich habe mir fest eingebildet, ich hätte einen Schatten von der Verandatür weghuschen sehen.«

»Schäfchen!« Tony lächelte. »Jetzt glaub’ ich wirklich, dass du Kopfweh hast. Marsch jetzt, ins Bett. Ich werde dir den Daumen halten, dass morgen schönes Wetter wird. Sieht übrigens ganz danach aus.«

Er gab Diana einen Kuss und ging dann in sein Zimmer im Parterre, während Diana nach oben eilte, wo ihr Schlafraum lag.

Während sich Tony auszog, dachte er über sein Gespräch mit Diana nach.

»Da kenn’ sich nun einer aus«, brummte er vor sich hin.

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Robert Handley hatte Diana in aller Frühe an der Paddington Station abgeholt. In einem Anfall von Leichtsinn hatte er sich für den Tag einen schnittigen kleinen Zweisitzer gemietet, und nachdem er das Mädchen auf dem Beifahrersitz untergebracht hatte, fuhren sie los. Während sie durch Brentford brausten, um die Landstraße über Slough nach Maidenhead zu erreichen, erzählte Bob dem. Mädchen, dass ihn Tony auf den Gedanken mit dem Wagen gebracht hätte. »Er hat mir in selbstloser Weise seine Kutsche angeboten – aber das Vehikel erschien mir denn doch zu gefährlich.«

Diana lachte herzlich, und während sie plauderten, verging die Zeit wie im Flug. Bob schien allerdings nicht ganz bei der Sache zu sein und wirkte irgendwie gehemmt.

In einem kleinen Dorf machten sie Rast. Bob stellte seinen Wagen ab, sie schauten sich gemeinsam die alte Kirche an und aßen dann in einem kleinen Restaurant mit Blick auf die Themse zu Mittag. In der Ferne zogen auf dem Fluss Schiffe mit buntgekleideten Ausflüglern und schwerbeladene Lastkähne vorbei.

Nach kurzer Zeit fuhren sie weiter, und knapp vor Maidenhead hielt Handley wieder an. Man hatte von hier aus einen herrlichen Ausblick. Bob ließ den Wagen auf einer schmalen Seitenstraße stehen, und sie gingen auf dem kleinen Fußweg ein wenig in die von Bäumen umsäumte Wiese.

Diana blieb stehen, und als Handley herankam, sagte sie ernst: »Bob, ich habe noch etwas auf dem Herzen, eine – peinliche Sache.«

Sie errötete leicht, und der junge Arzt fragte sich, was sie ihm wohl zu erzählen haben würde. Sein Herz klopfte heftig...

 

Police-Constable Willingbroke, ein Beamter der Verkehrspolizei von Berkshire, patrouillierte langsam mit seinem Motorrad die Landstraße entlang. Die Reisezeit hatte in diesem Jahr früh eingesetzt, und trotz des Wochentages waren die Straßen mit Ausflüglern überfüllt. Nach wenigen Meilen sah er am Straßenrand einen Wagen stehen, der – eine Todsünde! – an der wohl engsten Stelle der Fahrbahn geparkt war.

»Na warte«, brummte er ärgerlich und zog sein dickes Notizbuch heraus. Da vernahm er Stimmen vom Waldrand her. Er bockte sein Kraftrad auf und schritt mit strenger Amtsmiene auf die beiden Personen zu, die – mit dem Rücken zu ihm – unter den Bäumen standen und offensichtlich eine kleine Meinungsverschiedenheit austrugen.

»Das darfst du unter keinen Umständen tun«, hörte der Polizist eben den Mann erregt sagen, während die Dame ebenso heftig erwiderte: »Ich fürchte, ich habe keine andere Wahl, Bob.«

In dem Augenblick sah sich die junge Dame um und stieß ihren Begleiter an.

Willingbroke sagte streng: »Gehört Ihnen der Wagen dort, Sir?« Er deutete auf die Straße hinaus.

»Ja, warum, was gibt’s, Constable?«, erwiderte der Mann, sichtlich ungehalten über die Störung. Willingbroke hatte jedoch nicht die Absicht, auf seine Gefühle Rücksicht zu nehmen.

»Auf der gesamten Fahrstraße besteht Parkverbot, Sir. Unmittelbar neben Ihrem Wagen steht das Verkehrszeichen.«

»Mein Gott, darauf habe ich nicht geachtet. Im Übrigen wollen wir ohnehin weiterfahren. Komm, Diana!«

»Vielleicht könnte ich trotzdem Ihren Führerschein sehen«, meinte der Polizist ungerührt. Mit einer ärgerlichen Handbewegung holte Handley seine Papiere hervor.

»Hm.« Willingbroke murmelte vor sich hin, während er die Karten durchsah. »Also schön, Doktor, ich will nicht kleinlich sein. Fahren Sie weiter und halten Sie sich in Zukunft an die Verkehrsregeln.« Er schmunzelte. »Ich möchte Ihnen und Ihrer Gattin den Tag nicht verderben. Eigentlich wären ja fünf Shilling fällig.« Er gab die Papiere zurück.

Ehe noch der Mann etwas erwidern konnte, sagte die Dame schnell. mit einem Lächeln, das auch das härteste Herz zum Schmelzen bringen musste: »Wir danken Ihnen sehr, Constable, wir werden künftig bestimmt besser aufpassen. – Komm, Bob.«

Damit zog sie ihren Begleiter rasch auf den Weg zurück. Willingbroke, der ihnen langsam folgte, sah sie eilig in Richtung Maidenhead davonfahren.

»Da hab’ ich anscheinend gerade eine kleine eheliche Auseinandersetzung unterbrochen«, grinste Willingbroke, während er sich auf seine Maschine schwang.

Er war selbst unverheiratet, aber er besaß ein mitfühlendes Herz.

 

Es war Spätnachmittag. Tony Saunders trat aus dem Haus und setzte sich neben seinen Vater, der auf einer Holzbank saß und seine Pfeife rauchte. Der Alte stieß schweigend dicke Dampf wölken aus seiner Pfeife. Endlich sagte er: »Wie spät ist es eigentlich, Tony?«

»Gleich halb sechs.«

»Na, da wird es Zeit, dass Diana heimkommt.« Henry klopfte

seinen Pfeifenkopf aus, dass die Funken stoben. »Das Mädel ist seit heute Morgen fort.«

Tony erwiderte: »Gönn Diana doch diesen freien Tag, Papa, sie kommt ja sonst nicht viel weg.«

»Ich weiß nicht, ich finde, sie wird in letzter Zeit recht vergnügungssüchtig«, knurrte der alte Haudegen, »abends fliegt sie mit Francis ins Theater und tagsüber reist sie mit diesem Kerl da übers Land.«

Eine Unmutsfalte zeigte sich auf Tonys Stirn. »Wenn du mit dem Kerl Bob Handley meinst, Vater: Bob ist ein netter Bursche. Und er hat Diana wirklich gern.« Boshaft setzte er hinzu: »Sie ihn übrigens auch, soweit ich das beurteilen kann.«

»Ich traue ihr mehr Verstand zu«, entgegnete Henry hart. »Bob Handley – du meine Güte!«

Tony sah seinen Vater verblüfft an. »Aber Papa, was hast du denn gegen Bob einzuwenden?«

Der alte Saunders schwieg zunächst. Endlich sagte er kurz: »Ich halte Doktor Handley nicht für den Mann, den ich mir für Diana wünsche.« Und als er sah, dass Tony aufbrausen wollte, lenkte er ein. »Lassen wir das, mein Junge, vielleicht irre ich mich auch. Im Übrigen wird die Sache ohnehin nicht akut werden, weil – sag mal, Tony, hast du auch bemerkt, dass sich Francis für Diana interessiert?«

»Allerdings«, stimmte Tony grimmig bei, »da hätte nun allerdings ich wieder Bedenken.«

»Wieso?« Henrys Stimme klang frostig.

»Immerhin ist dein Freund Darryl gut doppelt so alt wie Diana. Und das ist nur ein Punkt.«

»Der Altersunterschied spielt keine große Rolle – im Gegenteil. Denk an deine Mutter, Tony – sie war auch jünger als ich, und wir haben weiß Gott eine gute und glückliche Ehe geführt.«

»Sicher. Aber Darryl ist nicht du – und Mutter war auch nur zehn Jahre jünger, nicht aber fast dreißig.«

Sein Vater wollte etwas erwidern, aber in diesem Augenblick läutete drinnen das Telefon. Tony eilte rasch ins Haus und nahm den Hörer. Er war überrascht, Handleys Stimme zu vernehmen. Erstaunt horchte er eine Weile auf die erregten – Worte, die an sein Ohr drangen. Endlich meinte er verwirrt:

»Merkwürdig, das sieht Diana eigentlich gar nicht ähnlich. Wie, das hat jetzt keinen Zweck, Bob. Diana wird ja wohl mit dem Zug zurückgefahren sein. Ja, ich bin deiner Meinung, das war nicht richtig. Komisch, wer dich da verständigt hat. Gut, ich werde sie fragen. Also dann, auf Wiedersehen!«

Tony legte auf. Er hatte ein unbehagliches Gefühl. Sein Vater war inzwischen hereingekommen. Als er Tonys Gesicht bemerkte, sagte er schnell: »Ist etwas nicht in Ordnung? Wer hat angerufen?«

Tony biss sich auf die Lippen. »Es war Bob Handley, Papa. Stell dir vor, Diana ist ihm einfach ausgekniffen. Ich verstehe das alles nicht.« Er ging nervös auf und ab, während Henry ihn ärgerlich anknurrte: »Also, vielleicht könnte ich jetzt auch erfahren, was hier eigentlich gespielt wird?«