Die Geheimnisse alter Weltkarten - Peter Hertel - E-Book

Die Geheimnisse alter Weltkarten E-Book

Peter Hertel

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Beschreibung

DIE GEHEIMNISSE ALTER WELTKARTEN Zum vierten Mal laden die Autoren Peter Hertel & Tim Gernitz ihre Leser zu einer spannenden Reise in die Vergangenheit ein. In diesem Buch geht es um die Geschichte der Entstehung unserer modernen Weltkarten. Es war ein jahrtausendelanger Weg, um aus der kugelförmigen Erdoberfläche eine plane Weltkarte zu entwickeln, die dazu noch möglichst flächen- und winkeltreu sein musste. Das Freiberger Archiv für Zivilisationsforschung hat für dieses Buch jahrzehntelang recherchiert. Das Ergebnis: In mühevoller Arbeit und durch risikoreiche Forschungsreisen konnten die Menschen sich in Jahrtausenden ein wirkliches Bild von der Oberfläche unseres Planeten machen.

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VORWORT

Liebe Freunde, wir möchten Euch mit diesem Buch im 50. Jahr des Bestehens unseres Archivs für Zivilisationsforschung zu einer weiteren spannenden Reise in die Vergangenheit einladen.

In den vergangenen Jahrzehnten gerieten historische Darstellungen der Erdoberfläche zunehmend in das Interesse der Öffentlichkeit. »Schuld« daran waren Autoren, die mit den Karten entweder den Besuch außerirdischer Raumfahrer auf der Erde oder die Existenz einer vorzeitlichen Zivilisation beweisen wollten.

Peter Hertel und Tim Gernitz haben sich schon viele Jahre mit diesem angeblich ungelösten Rätsel der Geschichte befasst. Wir legen mit diesem Buch die Erkenntnisse vielseitiger Recherchen vor und wünschen Euch, liebe Leser, eine spannende Zeit.

»Die Erdkarten aus der europäischen Entdeckerzeit sind »ein unersetzliches Quellenmaterial für die Geschichte der Zivilisation und der Naturwissenschaften. Sie sind ferner echte Kunstwerke. Sie stellen eine hervorragende geistige Leistung dar und sind schon allein deshalb wert, erhalten zu bleiben. Zusammen mit anderen Quellen helfen sie uns, den Gang der Geschichte der Menschheit aufzuhellen«, so die Historiker Leo Bagrow und R.A. Skelton.

Es ist bekannt, dass Karten und Atlanten wichtige Arbeitsmittel sind, um uns in der Welt zu orientieren. Sie zeigen uns Land- und Wasserflächen, Berge und Täler, Flüsse und Meere und helfen uns dabei, unsere Position zu bestimmen und Wege zu planen.

Ohne Karten wüssten wir nicht, wo wir uns gerade befinden und wo wir hin wollen.

Wusstet Ihr, dass einige jahrhundertealte Karten auch unglaubliche Schätze und immer noch Geheimnisse bergen?

Eines der bekanntesten Beispiele ist die »Piri Reis Karte«, die im 16. Jahrhundert vom türkischen Admiral Piri Reis gezeichnet wurde. Diese Karte zeigt erstaunliche Details über die Geographie und Topographie der Welt, einschließlich der Antarktis, die erst fast 300 Jahre später offiziell entdeckt wurde. Wir erklären, wie diese »Details« zustande kamen und können insbesondere das Phänomen der Darstellung der antarktischen Küsten vor der »Vereisung« erläutern.

Einige der historischen Karten zeigen Inseln und Kontinente, die angeblich nie existiert haben, während andere Karten Merkmale aufweisen, die den heutigen Konturen ähneln, obwohl sie nach unserem heutigen Wissen schon Jahrhunderte vor ihrer Entdeckung gezeichnet wurden.

Was können diese Karten über die Entdeckungen, das Wissen und die Vorstellungskraft ihrer Schöpfer aussagen?

Lasst uns beginnen mit einem unserer Lieblingszitate. Es stammt vom Autor Werner Keller (1909–1980):

»Die Erforschung der Vergangenheit fasziniert nicht nur, um die Toten wieder lebendig werden zu lassen, sondern auch, damit das, was vorüber ist, dennoch nicht für immer verloren sei. Damit aus den Trümmern der Zeitalter, der untergegangenen Kulturen, etwas gerettet werde, und so die Gegenwart durch die Vergangenheit mehr Farbe bekommt und wir für die Zukunft mehr Mut. Die Forschungen nach den uralten Kulturen, nach den versunkenen Zivilisationen, sind nur eine Abzahlung auf das, was wir all den Menschen schulden, die im Laufe von Jahrtausenden die Erde für uns formten.«

Wir möchten mit Euch gemeinsam einen Ausflug zu interessanten Wissenschaftlern, antiken Universitätsstädten und berühmten Bibliotheken machen. Dabei stehen für uns immer die Menschen im Vordergrund, denen wir all dieses Wissen verdanken.

Ihr erfahrt in unserem Buch auch, welche Mühe es über Jahrhunderte gemacht hat, die Oberfläche der Erdkugel auf eine zweidimensionale Ebene zu bringen.

Die Weltkarten zeigen die Zunahme menschlicher Erkenntnis von der Gestalt der Erdoberfläche und komprimieren eine Unmenge an Wissen auf einem Stückchen Pergament, Papier oder einem anderen Kartenträger.

Kriege und Naturkatastrophen sind vor allem Schuld daran, dass manche Karten nur noch ihrem Namen nach bekannt sind.

Wir wünschen Euch ein erhellendes Leseabenteuer!

Peter Hertel & Tim Gernitz, Herbst 2023

Ein Verzeichnis mit der Zuordnung der antiken Orte zur heutigen geographischen Lage und die verwendete Literatur findet Ihr im Anhang.

50 Jahre Freiberger Archiv für Zivilisationsforschung – zu seiner Geschichte:

Peter Hertel gründete 1973 das Archiv für Zivilisationsforschung in Freiberg. Mit einer umfangreichen Bilder- und Dokumentensammlung sowie Interviews zu den Themen Archäologie und Kulturgeschichte beinhaltet es ein breites Spektrum an moderner und historischer Literatur. Neben Texten wurden auch Fotos und Grafiken archiviert. Damit konnte der Grundstein für zahlreiche Publikationen von 1974 bis heute gelegt werden. Umfangreiche Veröffentlichungen in Druckmedien, über 20 Multimedia-Vorträge mit rund 300 Veranstaltungen pro Jahr, Reisen in zahlreiche Länder und die filmische Umsetzung ausgewählter Themen gehören dazu. Seit 2016 veröffentlicht das Archiv für Zivilisationsforschung wöchentlich Artikel auf der eigenen Facebook-Seite.

Ursula Bock (1923–2011)

Wir widmen dieses Buch unserer langjährigen Freundin, Förderin und Mutmacherin.

Usch Bock (Frankfurt/M.) war es, die uns lange vor der politischen Wende schon die Welt öffnete. Sie konnte selbst mit ihrem Mann Herbert viele Länder der Welt bereisen und verstand immer unsere Sehnsucht nach den Zentren alter Kulturen.

Die Unterstützung der Beiden zu DDR-Zeiten ging sogar so weit, dass sie oft fragten von welchen Orten wir für unsere Vorträge noch Fotos benötigen, um dann in ihrem Urlaub dahin zu fahren und uns mit Vortragsmaterial zu versorgen.

Zur politischen Wende im Herbst 1989 saßen wir gemeinsam auf einem Balkon des Hotels Kennedy auf der Insel Malta und verfolgten die Geschehnisse zu Hause.

Über diese Reise haben wir für das DDR-Fernsehen einen Film gedreht: Malta – Land am Rande Europas youtu.be/vyoHVuUHy1s

Liebe Usch,

wir danken Dir für Deine Unterstützung und Deine fortwährende Hilfe.

Dein Leitspruch »Bleibt vor allem immer fröhlich« hat uns schon bei der Überwindung mancher Hürden geholfen.

Peter & Tim

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Das Wissen der Antike

1.000 Jahre vor Christus ändert sich die Welt

Erster Versuch einer Darstellung der Erdoberfläche

Herodot – Der Vater der Geschichtsschreibung

Sokrates – Begründer der griechischen Philosophie

Eudoxos – Grundlagen für die Kartographie

Die Erde im Zentrum der Überlegungen

Archimedes der Mechaniker

Eratosthenes vermaß als Erster den Erdumfang

Die Weltkarte des Eratosthenes

Weitere Verbesserungen der Weltkarten

Astronomen präzisieren die Darstellung der Erde

Poseidonios erklärt das Aussehen der Erdoberfläche

Cäsar bewirkt eine Blütezeit der Wissenschaften

Unsere Zeitrechnung beginnt

Strabon war ein griechischer Geograph

Philemon interessierte sich für die Germanen

Im ersten Jahrhundert nach Christus

Der »Vermessungstechniker« Heron

Verebnung der Erdoberfläche: Zylinderentwurf

Verebnung der Erdoberfläche: Azimutale Projektion

Verebnung der Erdoberfläche: Kegelentwurf

Im zweiten Jahrhundert nach Christus

Claudius Ptolemäus – ein berühmter Geograph

Antike Wissensspeicher und ihr Schicksal

Tontafeln waren die ersten Schreibunterlagen

Pergament aus Pergamon

Griechische Bibliotheken

Die berühmteste Bibliothek stand in Alexandria

Römische Bibliotheken

Städte der Wissenschaft in der Antike

Das griechische Ephesos mit einem Weltwunder

Milet: Das Manhattan der Antike

Alexandria: Die Stadt der Wissenschaft

Frühe geographische Entdeckungen zur See

Logbücher waren die ersten Datenarchive

Reisen zwischen 9.000 und 1.000 v. Chr.

Von der Afrikaumrundung bis zur Zeitenwende

Europäer und Asiaten erkunden die Erde

Aus der Geschichte der Orientierung auf See

Die Erde ist eine Kugel

Eine kurze Geschichte der Navigationsgeräte

Hilfe vom Land

Die Navigation in der Südsee

Was lernen wir daraus?

Kartographie in den alten Kulturen

Die Karten der Ägypter

Hinweise aus der Bibel

Karten für die Steuerbehörden in Mesopotamien

Die Kartographie der Griechen

Das Problem der Verebnung der Erdoberfläche

Römische Eroberer brauchten Karten für ihre Kriege

Gelehrte, die zur Entwicklung der Karten beitrugen

Anaximander (610–550 v. Chr.)

Archimedes (etwa um 287 bis 212 v. Chr.)

Aristarchos (um 310 bis 230 v. Chr.)

Aristoteles (384–322 v. Chr.)

Artemidoros (120–80 v. Chr.)

Demokrit (um 460 bis 371 v. Chr.)

Dikairchos (um 375/350 bis um 285 v. Chr.)

Eratosthenes (etwa 275 bis 195 v. Chr.)

Eudoxos von Knidos (um 397 bis um 340 v. Chr.)

Hekataios von Milet (560–478 v. Chr.)

Herodot (um 490 bis 425 v. Chr.)

Heron (lebte vermutlich im 1. Jahrhundert n. Chr.)

Hipparch (190 bis um 120 v. Chr.)

Plinius der Ältere (um 23 bis 79 n. Chr.)

Polybios (um 200 bis 120 v. Chr.)

Poseidonios (135–51 v. Chr.)

Ptolemäus, Claudius (etwa 100 bis 170 n. Chr.)

Pythagoras (etwa 572 bis 492 v. Chr.)

Pytheas (um 370 bis 310 v. Chr.)

Skylax (um 540 bis 480 v. Chr.)

Sokrates (470–399 v. Chr.)

Strabon (63 v. Chr bis 23 n. Chr.)

Thales (um 624 bis 546 v. Chr.)

Fazit

Verkehrswege über Land vor Jahrtausenden

Die alten Seidenstraßen

Straßen werden gepflastert

Die Griechen waren die schlechteren Straßenbauer

Römer bauten Straßen in ganz Südeuropa

Die erste Autobahn nach Osten vor über 2.000 Jahren

Das Bild von der Erdoberfläche erweitert sich

Die erste Weltkarte nimmt Gestalt an

Weltkarten aus der Zeit der europäischen Entdeckungen

Weltkarte von Osma Beatus (776 n. Chr.)

Weltkarte von Al-Idrisi (1154)

Ebstorfer Weltkarte (um 1300)

Karte von Angelino Dulcert (1339)

Karte von Pizzigano (1424)

Karte von Andreas Walsperger (1448)

Toscanelli-Weltkarte (1474)

Globus von Martin Behaim (1492)

Karte des Juan de la Cosa (1500)

Karte des Cantino (1507)

Karte von Waldseemüller (1507)

Amerika-Karte von Joannes Ruysch (1508)

Karte des Glareanus (1510)

Karte des Piri Reis (1513)

Salviati-Planissphären-Karte (1525)

Karte von Robert Thorne (1527)

Karte von Benedetto Bordone (1528)

Karte des Hernando de Alarcòn (1540)

Novus Oribs von Sebastian Münster (1540)

Karte des Oronteus Finaeus (1551)

Karte des Mercator (1538)

Karte des Blaeu (1648)

Karte von Philipp Buache (1739)

Moderne Weltkarte

Die Rätsel alter Weltkarten sind lösbar

Charles Hapgood entschlüsselte die Piri-Reis-Karte

Wer war Piri Reis?

Eine Analyse der Piri-Reis-Karte

Das Problem der Bestimmung der geographischen Länge

Südamerika bei Piri Reis

Wer kartierte die Antarktis?

Die Antarktis ohne Eis

Vergleich der scheinbaren antarktischen Küsten

Zheng He – Der chinesische Beitrag zur Erderkundung

Wer war Zheng He?

Eine riesige Flotte

Bedeutende Fortschritte für die Seefahrt

Unser Fazit

Geographische Namen einst und heute

Literaturverzeichnis

Die Autoren

Veröffentlichungen des Archivs für Zivilisationsforschung Freiberg/Sachsen

DAS WISSENDER ANTIKE

In diesem Kapitel beginnt nun unsere große Reise in die Vergangenheit. Wir lernen die Gelehrten der Antike, ihr Wissen und Schaffen, aber auch einige der kleinen Dinge des Alltags kennen.

Wir möchten Euch in diesem Kapitel die Möglichkeit anbieten, einen Blick über Jahrtausende zurückzutun. Schauen wir uns an, welche Möglichkeiten es damals schon gab, um Erkenntnisse über die Oberfläche unseres Planeten zu gewinnen.

Blicken wir namhaften Gelehrten etwas über die Schulter, um zu erfahren, was sie dachten und was sie daraus schlussfolgerten.

Versprochen: Es wird eine spannende Reise.

Erster Versuch einer Darstellung der Erdoberfläche

Inzwischen befinden wir uns inmitten des Zeitalters der klassischen Kunst. Geistige und sittliche Reife befähigten die Griechen zu großen kulturellen Fortschritten. Es entstanden Kunstwerke von zeitloser Schönheit, das Drama erreichte seine Vollkommenheit.

In der Bildhauerei entstanden Meisterwerke, deren Lebendigkeit noch heute überrascht. Die Malerei war durch Anschaulichkeit und Tiefe charakterisiert, die Baukunst wurde zum Inbegriff der erhabenen Einfachheit und Schönheit.

Das Zeitalter der Wissenschaft brach an. Hekataios von Milet trug dazu Wesentliches bei: Er gilt als einer der alten Vertreter ionischer Wissenschaft und war der bedeutendste Logograph (Schreiber von Gerichtsreden). Er verfasste einige Seefahrtsberichte und trug somit zur Erweiterung des geographischen Wissens bei. Hekataios wurde um 560 v. Chr. geboren und reiste in viele Länder, um sein Wissen zu erweitern, so nach Ägypten und in den Orient. Ob er noch die Perserkriege (Beginn 490 v. Chr.) erlebte, ist ungewiss. Ebenfalls ist zweifelhaft, ob er noch ein direkter Schüler des Anaximander war.

Die Weltkarte des Hekataios von Milet Quelle: Haack/Hertel

Fest steht aber, dass er die Weltkarte des Anaximander verbesserte, die als die erste des Abendlandes gilt. Von ihm stammt auch eine literarische Erdbeschreibung. Es mag diese überarbeitete Karte gewesen sein, die Aristagoras von Milet in Sparta dem König Kleomenes I. vorlegte.

Die Erdbeschreibung des Hekataios, um 500 v. Chr. nach dem Skythen Feldzug des Dareios I. publiziert, ist Ausdruck des weltoffenen und unternehmungslustigen Griechentums. Sich aber heute ein Bild vom Inhalt dieses Werkes zu machen ist schwer.

Man findet darin, soweit überliefert, alte geographische Bezeichnungen, die nach Hekataios niemand mehr verwendete und die deshalb auch nicht mehr identifizierbar sind. Bereits vor Hekataios gab es Seefahrtsbücher mit geographisch-ethnographischen Berichten und Länderbeschreibungen. Hekataios zeichnete die Erdoberfläche in der damals üblichen Form. Das Werk sollte das geographische Wissen von der gesamten Erde und ihren Bewohnern unmittelbar wiedergeben.

Eine praktische Nutzung des Werkes hatte der Verfasser wohl nicht im Auge. Hekataios zählt die Länder mit ihren Grenzen, Flüssen, Städten, Gebirgen, Meerbusen und Häfen auf, beschreibt die jeweilige Natur der Länder (Boden, Flora, Fauna) und gibt Auskunft über die Urgeschichte, Gründungssagen, Wanderungen, Lebensweisen und Gebräuche der Bevölkerung. Die Erde wird als kreisrunde Scheibe, bestehend aus zwei durch Wasser getrennte Hälften, dargestellt. Umflossen werden die beiden Erdteile vom Okeanos, in den sich die Flüsse ergießen. Die Erde wird in einzelne Kulturbereiche unterteilt. An den Erdrändern wohnen die Fabelvölker. Diese Erdbeschreibung entspricht im 5. Jahrhundert v. Chr. dem geographischen Wissensstand. Später, einige Male verbessert, wird sie schließlich durch die Arbeiten des Eudoxos und Dikaiarchos verdrängt.

Wichtig für die Lösung der Rätsel alter Weltkarten ist hier die Feststellung, dass es bis zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit keine weltumspannende Darstellung der Erdoberfläche, auch nicht in groben Zügen, gegeben hat. Die Hochkulturen des Mittelmeerraumes haben ihre Welt dargestellt und hatten zu dieser Zeit wohl auch noch keine Nutzung des Wissens fremder Völker angestrebt.

Zurück zu Hekataios: Mit kritischem Blick und einem ausgeprägten Bedürfnis für Systematisierung übertrug er die Arbeitsprinzipien der griechischen Naturwissenschaft auf die Geschichtsforschung. Er versuchte, aus dem bisher nur dichterisch gestaltetem mythischem Stoff, Geschichte zu machen. Hekataios gilt mit Anaximander als erster fassbarer Autor geographischer Werke und damit als Begründer der wissenschaftlichen abendländischen Geografie.

Skylax von Karyanda war ein Zeitgenosse des Hekataios. Für seine Tätigkeit als Geograph war es von Vorteil, dass er sich als Seefahrer viel praxisorientiertes Wissen aneignen konnte.

Nach Herodot umfuhr er das erste Mal im Auftrag des Dareios I. zwischen den Jahren 518 und 516 v. Chr. Arabien. Von Kaspapyros am Kabulfluss aufbrechend erreichte er 30 Monate später Suez. Sein Geburtsdatum ist unbekannt, man vermutet es um das Jahr 540 v. Chr. Skylax ist frühestens um 480 v. Chr. gestorben. Von ihm sind sieben Dokumente erhalten, die sich auf die Fahrt um Arabien beziehen. In ihnen werden aber auch die Säulen des Herakles (heute die Meeresenge von Gibraltar), Illyrien und verschiedene Gegenden Kleinasiens erwähnt.

Die modernen Geschichtsschreiber weisen immer wieder auf die bedeutende Rolle Griechenlands für die Entstehung der spezifischen europäischen Kultur hin. »Man kann in der Kulturgeschichte nicht verfahren, wie man in der Geografie verfährt. In der Geografie gilt von den Quellen, aus denen der Fluss entsteht, diejenige als sein Ursprung, welche am höchsten liegt« schreibt Peter Bamm (1961, S.97) in seiner Kulturgeschichte der Griechen und fährt fort: »Der Anfang Europas ist nicht am Ort seiner ältesten Ursprünge zu suchen. Ursprünge der europäischen Kultur können wir in Ägypten bis ins vierte, in Sumer bis hinaus ins fünfte Jahrtausend verfolgen. Aber die alten Kulturen des Nildeltas und des Zweistromlandes sind nicht europäisch gewesen. Sie haben in bedeutsamer Weise und in einem Ausmaß, das weiter und tiefer reicht, als den meisten Europäern bewusst ist, zu unserer Kultur beigetragen. Aber als europäisch empfinden wir weder ihre Kunst noch ihre Religion noch ihre Literatur. Wenn alles wegfiele, was wir den Sumerern, den Ägyptern, den Babyloniern verdanken, gäbe es noch immer Europa. Wenn alles wegfiele, was wir den Griechen verdanken, gäbe es Europa nicht.«

Herodot – Der Vater der Geschichtsschreibung

Einer der am häufigsten zitierten »alten Griechen« ist Herodot aus Halikarnassos (heute Bodrum in der Türkei). Ihm verdanken wir durch seine ungewöhnliche Reisetätigkeit und fleißige Arbeit das umfassendste erhalten gebliebene Geschichtswerk mit einer Vielzahl an geographischen und kartographischen Informationen.

Wenn Herodot als »Vater der Geschichtsschreibung« bezeichnet wird, dann kommt darin die Anerkennung zum Ausdruck, die wir ihm noch heute zollen.

Herodot wurde um das Jahr 484 v. Chr. als Sohn des Lyxes geboren.

Zwischenzeitlich lebte er auf Samos und reiste um 455 v. Chr. aus reinem Forscherdrang nach Ägypten, Phönizien, Mesopotamien und ins Land der Skythen. Wir treffen ihn im Athen der perikleischen Zeit. Er erlebte noch den Peloponnesischen Krieg und starb im Jahre 425 v. Chr.

Sein neunbändiges Geschichtswerk beginnt in der historischen Zeit und endet mit der Einnahme von Sestos (478 v. Chr.) durch die Athener. Sein Geschichtswerk nannte er »Darlegung der Erkundung« und es ist in erster Linie ein Reisebericht. Die neun Bände beinhalten folgende Themen:

Vorwort: »Dies ist die Darstellung der Forschung des Herodotos von Halikarnassos. Sie ist verfasst, damit die von Menschen vollbrachten Taten nicht mit der Zeit in Vergessenheit geraten und die großen und bewundernswerten Leistungen, die einerseits von den Griechen, andererseits von den Nichtgriechen erbracht wurden, nicht ohne Nachruhm bleiben. Insbesondere aber soll gezeigt werden, warum die Griechen und Nichtgriechen in kriegerische Auseinandersetzungen miteinander geraten sind.«

Band 1: Geschichte und Herkunft des Kroisos, seine Begegnung mit Solon und der Krieg gegen die Perser, Rückblende auf die alten Könige, Jugendgeschichte des Kyros und Erweiterung der persischen Macht, persisches Brauchtum, Beschreibung Babyloniens und des Massageten-Landes (zwischen dem Kaspischen Meer und dem Aralsee)

Band 2: Das Buch beginnt mit einer kurzen, grundlegenden Geschichte Ägyptens. Der Nil ist laut Herodot der Hauptgrund für die Existenz des Königreiches. Wir erfahren etwas über die ägyptische Geschichte, zum Beispiel wie Cheops die Große Pyramide von Gizeh mit einer revolutionären Technik baute. Es gibt Informationen über die Priesterlinie in Ägypten und wie heilig die Labyrinthe in der ägyptischen Welt sind, weil sie glauben, dass das Labyrinth uns im Jenseits erwartet.

Weiter werden der Ägyptenfeldzug des Kambyses, die Natur, Kultur, Religion und Bräuche Ägyptens sowie die Geschichte des Landes unter Angabe der literarischen Quellen abgehandelt.

Band 3: Er führt die Kriegstaten des Kambyses in Ägypten auf und beinhaltet Angaben zum Krieg zwischen Sparta und Samos, zum Schicksal von Polykrates, zum Tod von Kambyses, zum Regierungsantritt von Dareios, über abgabenfreie Völker, die dennoch Geschenke bringen und solche Völker, die an den Grenzen der Ökumene wohnen. Der Band endet mit der Einnahme von Samos und dem Ende des babylonischen Aufstandes.

Band 4: Dieser ist dem Skythen-Krieg gewidmet, enthält Angaben über Land und Leute, die Geschichte der Stadt Kyrene und den Libyenfeldzug, die Unterwerfung der thrakischen Stämme durch die Perser, die Vorbereitung des ionischen Aufstandes, seine Entwicklung und das Übergreifen auf die Randvölker.

Band 5: Die Thraker werden von Megabazua (Feldherr und Statthalter im persischen Großreich) angegriffen, während die Perser auf die Gewalt der Mazedonier gegen die persischen Kaufleute reagieren. Aristagoras von Milet greift die Naxianer erfolglos an und Milet revoltiert in Persien. Diese Kriege werden überwiegend als Handelskriege bezeichnet, meist geht es darum, wer welche Straßen fahren darf und solche Sachen. Herodot berichtet über den ionischen Aufstand, den Perserkönig Dareios und die Unterwerfung von Zypern.

Band 6: Hier erfahren wir von der Seeschlacht bei Lade, dem Fall der Stadt Milet, dem Ende des Histiaios, dem Angriff auf griechische Städte, dem Kriegszug gegen Makedonien und Mardonios. Die Perser fordern die einzelnen griechischen Städte auf, sich ihnen zu unterwerfen, was viele auch freiwillig tun, was bei Athen jedoch auf Unverständnis stößt. Es folgt die Schilderung der Schlacht von Marathon und die Biografie des Miltiades bis zu seinem Tode.

Durch das Scheitern diplomatischer Bemühungen kam es zur Schlacht von Thermopylen, wo die Griechen den schmalen Pass drei Tage lang mit nur etwa dreihundert Mann halten. Die Griechen werden besiegt und ziehen sich zurück. Xerxes besiegt sie erneut und befiehlt seiner Armee, Leonidas zu enthaupten und seinen Körper an ein Kreuz zu hängen.

Band 7: Er beginnt mit dem Thronwechsel bei den Persern nach Dareios’ Tod. Der Nachfolger Xerxes überquert den Hellespont und führt sein riesiges Heer gegen Europa. Ihm folgen Gesandtschaften, eine Kontaktaufnahme mit Gelon, Kämpfe gegen die Karthager, eine Aufstellung des griechischen Heeres bei den Thermophylen und bei Artemision, eine Truppenverlagerung der Perser und schließlich die Schlacht bei den Thermophylen.

Band 8: Dieser berichtet von der Schlacht bei Artemision, dem Zug durch Böotien gegen Delphi, der Schlacht von Salamis und einigen diplomatischen Aktionen. Die Armee von Xerxes kommt Athen so nahe, dass sie die Stadt evakuieren und bei Salamis kämpfen, und weil sie schwimmen können, überleben sie, wenn ihre Schiffe sinken, und die Perser ertrinken oft, weil sie es nicht können. In Persien lernen wir Artemisia kennen, eine Priesterin, die als Beraterin des Militärs dient.

Themistokles führt den Angriff auf Andros an, und Xerxes entkommt knapp und verliert den Zugriff auf die gesamte Armee, die er angeheuert hat.

Alexander I. von Mazedonien tritt in den Vordergrund, wir erfahren seine Abstammung sowie seine Entscheidung, den Krieg mit Persien fortzusetzen, anstatt Frieden zu suchen

Band 9: Die Perser plündern erneut die Stadt Athen, aber die Athener waren wieder klug genug, in die Wüste zu fliehen. Auch Theben wird evakuiert. Während des Gefechts töten die Griechen einen wichtigen persischen Kavalleriekommandanten namens Masistius und treffen sich mit Alexander I., der ihnen mitteilt, dass er über den bevorstehenden persischen Angriff Bescheid weiß. Sie bekämpfen die Perser bei Platäa und gewinnen, indem sie die Beute teilen. Artabazus von der persischen Armee flieht im Chaos der Schlacht in die Türkei.

Schließlich vertreiben die Griechen die Perser in der Schlacht von Mykale aus Ionia. Wir erfahren eine unangenehme Geschichte darüber, wie die Frau von Xerxes die Frau von Maciste foltert und verstümmelt. Als Maciste auf diesen ungeheuerlichen Verrat reagiert, wird er getötet. Die Athener gewinnen zwei kleine Scharmützel, und es wird klar, dass der Krieg vorbei ist.

(Quelle: Historien des Herodot)

Von einigen Experten wurde darüber diskutiert, ob Herodot sein Werk tatsächlich vollendet hat oder ob es sich bei den vorliegenden Schriften nur um unvollendete Fragmente handelt.

Der Aufbau des Werkes zeigt aber ein klares Konzept:

Die Darstellung nimmt mit Fortschreiten an Informationsdichte zu. »Reden, Gespräche, Novellen dienen oft weniger dazu, Personen zu charakterisieren, als um die Deutung menschlicher Existenz im Sinne Herodots Lust am Erzählen« (Pauly 1919, Stichwort Herodot).

Es steht außer Zweifel, dass Herodot für die Abfassung seiner Werke eine umfangreiche Quellensammlung und Exzerpte angefertigt haben musste.

»Herodots Kritik ist uneinheitlich, aber ehrlich und sein Wahrheitsstreben verantwortungsbewusst. Trotz mancher Missverständnisse erweist sich Herodot in seinen Berichten über fremde Völker als verlässlich«, heißt es an anderer Stelle bei Pauly (ebd.).

Jeder, der heute wissen möchte, wie die Welt zurzeit und vor der Zeit Herodots aussah, findet in seinem Werk die Antwort auf viele Fragen. Das gilt auch für die geographischen Verhältnisse in den verschiedensten Ländern der damals bekannten Welt.

Sokrates – Begründer der griechischen Philosophie

Der Begründer der attischen Philosophie, Sokrates, war ein Zeitgenosse Herodots. Er wurde um das Jahr 470 v. Chr. geboren und durch einen heute unverständlichen Volksbeschluss im März 399 v. Chr. hingerichtet. Er war der Sohn eines Steinmetzes und einer Hebamme. Wahrscheinlich erst im fortgeschrittenen Alter heiratete er Xanthippe und hatte mit ihr drei Kinder. Das jüngste war bei Sokrates’ Hinrichtung noch ein Kleinkind.