Die Geheimnisse der Sommerfrauen - Sissi Flegel - E-Book
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Die Geheimnisse der Sommerfrauen E-Book

Sissi Flegel

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Beschreibung

Ein Dorf, vier Frauen und jede Menge Abenteuer: Der spritzige Feelgood-Roman »Die Geheimnisse der Sommerfrauen« von Sissi Flegel als eBook bei dotbooks. Vier Freundinnen, die zusammenhalten wie Pech und Schwefel … Simone, Margret, Claudia und Heiderose freuen sich auf einen entspannten Kurzurlaub – endlich mal raus aus dem verschlafenen Hinterremsingen, wo der Wettbewerb um den schönsten Garten als Höhepunkt des Jahres gilt. Doch gerade als die Frauen aufbrechen wollen, stellt eine rätselhafte Nachricht von Claudia alles auf den Kopf. Und auch im Dorf ist es plötzlich mit der Ruhe und Gemütlichkeit vorbei: Wo kommen nur all die turbulenten Geheimnisse her, die plötzlich an jeder Ecke aufzutauchen scheinen? Nun ist es an den vier Freundinnen, wieder Ordnung in das Chaos zu bringen – und ihre närrisch gewordenen Männer zurück zur Vernunft … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Roman »Die Geheimnisse der Sommerfrauen« verwebt die Geschichten »Vier Frauen und eine SMS«, »Vier Frauen und ein Feuerwerk«, »Vier Frauen und ein Baby« und »Vier Frauen und ein Garten« von Bestsellerautorin Sissi Flegel zu einem schwungvollen Lesevergnügen – für alle Fans von Monika Peetz. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 514

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Über dieses Buch:

Vier Freundinnen, die zusammenhalten wie Pech und Schwefel … Simone, Margret, Claudia und Heiderose freuen sich auf einen entspannten Kurzurlaub – endlich mal raus aus dem verschlafenen Hinterremsingen, wo der Wettbewerb um den schönsten Garten als Höhepunkt des Jahres gilt. Doch gerade als die Frauen aufbrechen wollen, stellt eine rätselhafte Nachricht von Claudia alles auf den Kopf. Und auch im Dorf ist es plötzlich mit der Ruhe und Gemütlichkeit vorbei: Wo kommen nur all die turbulenten Geheimnisse her, die plötzlich an jeder Ecke aufzutauchen scheinen? Nun ist es an den vier Freundinnen, wieder Ordnung in das Chaos zu bringen – und ihre närrisch gewordenen Männer zurück zur Vernunft …

Über die Autorin:

Sissi Flegel (1944–2021) veröffentlichte zahlreiche Kinder- und Jugendbücher, die in 14 Sprachen erschienen sind und mehrfach preisgekrönt wurden, bevor sie begann, sehr erfolgreich auch für erwachsene Leser zu schreiben; darunter ihre Bestsellerreihe um »Die Geheimnisse der Sommerfrauen«.

Bei dotbooks veröffentlichte Sissi Flegel ihre Bestseller-Reihe um »Die Träume der Sommerfrauen« sowie ihre heiteren Romane »Die Geheimnisse der Lavendelfrauen«, »Der Sommer der Apfelfrauen«, »Roter Wein mit Brombeernote«, »Der Geschmack von Wein und Liebe«, den historischen Roman »Die Keltenfürstin« und mehrere Kinder- und Jugendbücher.

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eBook-Originalausgabe August 2017

Dieses Buch erschien bei dotbooks bereits in vier Einzelausgaben: »Vier Frauen und eine SMS«, »Vier Frauen und ein Feuerwerk«, »Vier Frauen und ein Baby«, »Vier Frauen und ein Garten«.

Copyright © der Einzelausgaben 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Bildmotives von shutterstock/Le Do, Julia Matkalova

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mh)

ISBN 978-3-96148-092-0

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Sissi Flegel

Die Geheimnisse der Sommerfrauen

Roman

dotbooks.

Für Silke

Die SMS

Kapitel 1

Nach dem Studium in Tübingen und Paris trat ich voller Stolz und Elan meine erste Stelle als Lehrerin für Deutsch und Französisch an. Leider befand sich mein Gymnasium in einer eher mittelgroßen Kreisstadt. Zwei, höchstens drei Jahre wollte ich damals im Exil ausharren. Auf dem Land, fernab vom Universitätsbetrieb, ohne meine alten Freunde und dem vielfältigen Angebot an Kunst und Kultur – undenkbar! Völlig ernüchternd kam hinzu, dass ich um nichts in der Welt eine geeignete Wohnung fand. Entweder war die Miete exorbitant, oder es war ein düsteres Loch ohne Licht und Aussicht. Notgedrungen weitete ich die Suche aus und wurde schließlich zwei, drei Kilometer von Hinterremsingen entfernt in einem Dörfchen fündig. Die geräumige und doch bezahlbare Wohnung befand sich im Obergeschoss eines alten Fachwerkhauses, hatte Licht, einen großen Balkon und sogar ausreichend Wände für meine Bücherregale. Trotzdem richtete ich mich widerwillig ein. Provisorisch eben, dachte ich damals.

Doch dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte: Ich verliebte mich. Es war kein coup de foudre, stattdessen schlich sich die reizvolle, anmutige Landschaft ganz allmählich in mein Herz. Und schlug Wurzeln. Vor meinem Wohnzimmerfenster breiteten sich die sanft geschwungenen Hügel mit ihren Rebstöcken bis zur Rems hinunter aus, und vom Schlafzimmerfenster sah ich auf den Wald, dessen Ränder mit duftendem Mädesüß und Holunder gesäumt waren.

Wenige Wochen nach dem Einzug verliebte ich mich ein zweites Mal. Diesmal in einen Mann – in Harald, einen Kollegen, der Mathematik und Sport unterrichtete. Wir heirateten schnell, ich wurde schwanger, und wir bekamen einen Sohn: Felix.

Haralds Fächerkombination hätte mich warnen müssen. Er hatte wenig Verständnis für die viele Zeit, die ich mit Lesen vergeudete – wie er es nannte –, und so verflüchtigte sich allmählich die Liebe. Ich fand meinen Mann zunehmend langweilig, sein Denken oberflächlich und seine Sportbesessenheit einfach nur lächerlich. Als Felix sechs war und eingeschult wurde, ließen wir uns scheiden.

Aber meine Liebe zu der unprätentiösen Landschaft Hinterremsingens nahm an Tiefe zu. Wenn ich morgens den Rollladen im Schlafzimmer hochzog, atmete ich den Duft des Waldes ein, an den unser Dorf grenzte, und hörte unzählige Vögel, deren Namen ich erst nach und nach dem Gesang zuzuordnen lernte. Sah ich im Winter vom Wohnzimmer aus auf die kahlen, bizarr gekrümmten Rebstöcke, freute ich mich schon auf das vielfältige Grün der Blätter im Frühling. Im Sommer genoss ich den Anblick der immer praller werdenden dunkelroten, tiefblauen oder grüngelben Trauben. Und dann war da natürlich der Duft, der über den sonnenwarmen Weinbergen schwebte! Im Herbst schließlich glühten die Reben in einem phantastischen Spektrum, das vom hellen Grün bis zum tiefen Dunkelrotbraun reichte.

Das Gebiet ist von einer solchen Ruhe erfüllt, dass es wie aus der Zeit gefallen scheint. Es gibt keine kühn in den Himmel ragenden Gipfel wie in den Alpen, es hat keine postkartentaugliche, klippenbestückte, meerumtoste Küste, aber dennoch berührt es immer wieder mein Herz.

Während ich im Laufe der Jahre die Gegend erkundete, wurde mir klar, dass die Menschen hier ein besonderes Faible für gutes Essen und süffige Weine haben. Wer weiß schon, ob das nicht tatsächlich auf den Einfluss der Römer zurückzuführen ist, wie viele Einwohner annehmen … Nicht weit von Hinterremsingen entfernt geht der Obergermanische in den Raetischen Limes über; schon vor rund 2.000 Jahren tauschten hier Kelten und Germanen im kleinen Grenzverkehr Felle, Schinken und Seife gegen typisch römische Luxuswaren wie etwa Austern und Wein. Und mancher Römer ließ sich von einer hübschen Barbarin mit langem blondem Haar so verzaubern, dass er Rom für immer Arrivederci sagte.

Jedenfalls kann ich heute ordentliche von sehr guten Weinen unterscheiden. Ich kann aus den winzigen Wildkirschen köstliche Marmelade kochen und kenne die Adressen einiger Bauern, deren Hühner den Vergleich mit denen aus dem französischen Bresse nicht zu scheuen brauchen.

Ohne Übertreibung: Hier findet man wirklich Feinschmecker!

Und so schulte ich im Laufe der Jahre nicht nur meine Geschmacksnerven, sondern fand auch neue Freundinnen.

Die erste war Claudia. Sie besitzt das größte Weingut der Gegend: das Zweig. Am Rand von einer ihrer Rebflächen verläuft der frühere Grenzwall. Die roten Ziegelsteine ihres Wohnhauses, einem Gutshaus mit rosenumranktem Torbogen, sehe ich von meinem Küchenfenster aus. Ihre Führungen durch die Weinberge mit anschließender Verkostung sind in der Gegend ein Hit. Jeder hängt fasziniert an ihren Lippen, wenn sie über die Züchtung neuer Reben aufgrund molekularbiologischer Methoden referiert, mit denen die Erbsubstanz analysiert werden kann – einem Verfahren, das mit den DNS-Analysen in der Kriminaltechnik verwandt ist. Claudia ist aber auch eine hoffnungslose Träumerin. Zum Beispiel behauptet sie steif und fest, dass sich ein römischer Legionär in ihrem Stammbaum befinde; von ihm habe sie das dunkle lockige Haar und den olivfarbenen Teint geerbt. Wer’s glaubt!

Durch Claudia lernte ich Margret kennen, die Frau unseres Bürgermeisters. Sie kocht wie eine Göttin, backt allerfeinste Kuchen nach den Rezepten von Lenôtre, ist dementsprechend etwas mollig und darüber hinaus die Stütze ihres Mannes und die beste Freundin, die man sich nur wünschen kann. Als ich sie eines Tages in der Fußgängerzone traf, stand sie vor dem einzigen Optikergeschäft Hinterremsingens, und als sie mich sah, packte sie mich am Arm. »Simone, dich schickt der Himmel! Ich brauche eine neue Brille. Berätst du mich?«

So lernten wir Heiderose, die Optikerin, kennen – und lieben. Heiderose hasst ihren altmodischen Namen, achtet auf ihre Figur und trägt zu jedem Outfit die passende Brille. Doch ihre wahre Liebe gehört ihrem Garten. Der befindet sich hinter ihrem Haus, ist von einer hohen Mauer umgeben und hat einen kleinen runden Teich, in dem, der Sage nach, der örtliche Pfarrer infolge Volltrunkenheit mal fast ersoffen wäre. Die Phlox, die verschwenderisch blühende Sommerstaude, ist ihre Lieblingsblume, und so züchtet sie unzählige Sorten in verschiedensten Farben. Ihnen zu Ehren lädt Heiderose immer im August in ihren Garten ein. Tout Hinterremsingen kommt. Ihr Mann, der Karlheinz, steht dann am Grill, von Claudia sind die Weine, Margret bringt ihr selbstgebackenes Brot mit, und ich darf die Begrüßungsrede halten.

Was ich damit sagen will: Ich arbeite zwar in der Kreisstadt, aber zu Hause bin ich in Hinterremsingen.

Kapitel 2

Mitte Februar prasselten heftige Schneeschauer auf Hinterremsingen herunter; an Frühling war noch nicht zu denken. Wir vier saßen wie jeden Mittwochabend in der Sauna, nachdem wir uns durch eine Stunde Pilates gequält hatten. Wohlig entspannt dösten wir auf den Bänken, als Margret unvermittelt auflachte. »Ihr ahnt nicht, was ich mir zu meinem Geburtstag wünsche. Es ist etwas ganz Besonderes.« Ihre Zunge wanderte genüsslich über die feuchte Oberlippe. »›Liebe geht durch den Magen‹, hab ich zu meinem Heiner gesagt. ›Und weil du, mein Lieber, im Sommer wiedergewählt werden willst, werde ich deine Gemeinderäte, deine Widersacher und die Zauderer mit meinen Desserts so verführen, dass sie ihr Kreuzchen schon aus lauter Vorfreude aufs nächste Essen hinter deinen Namen setzen.‹«

»Zu deinem 45. möchtest du noch ein Kochbuch?«, hakte ich nach. »Ich denke, du hast schon Hunderte!«

»Quatsch. Sie will einen Kochkurs. Oder einen Backkurs bei Dr. Oetker. Der bietet so was an. Hab ich im Internet gelesen.« Heiderose sah zu unserer Freundin rüber. »Mensch, Margret! Denk doch mal an dich und nicht immer nur an deinen Mann! Wie wäre es mit einer Wellnesswoche?«

Von uns vieren ist Heiderose eindeutig die mit dem meisten Schönheitssinn. Dies spiegelt sich sowohl in ihrem liebevoll gestalteten Garten als auch in ihrem Kleidungsstil wider. Sie ist kinderlos und mit Karlheinz, einem knochentrockenen Steuerberater, verheiratet, der sich vor allem um die Bilanzen ihres Geschäftes kümmert. Das ist ihr schon recht, aber es nervt sie auch, weil er ihre designorientierten Einkäufe als finanziell eher absturzgefährdete Höhenflüge abtut. Ganz abgesehen davon, dass er lieber Pizza futtert als das köstliche Gemüse aus dem eigenen Garten.

»Ach, Heiderose, du kapierst mal wieder gar nichts«, entgegnete Margret nachsichtig. »Mein Heiner ist doch nur Mittel zum Zweck. Wie hätte ich ihm denn sonst meinen Wunsch verkaufen können? Hätte ich gesagt: ›Ich will nach Paris‹, dann hätte er gesagt: ›Kommt nicht in Frage. Du spinnst ja wohl!‹ So hat er meinem Wunsch aber begeistert zugestimmt, als ich sagte: ›Mein liebster Schatz, ich hab wirklich nur deinen Erfolg im Auge!‹«

»Du bist ein ausgekochtes Biest«, meinte Heiderose.

»Ist sie nicht«, verteidigte Claudia unsere Freundin. »Du willst immer mit dem Kopf durch die Wand, Heiderose. Nimm dir ein Beispiel an Margret. Die geht viel eleganter vor. Diplomatischer eben.«

»Na, die Diplomatie hat sie wohl von ihrem Mann gelernt. Der will doch als Bürgermeister wiedergewählt werden, oder?«

Eins muss man Heiderose lassen: Sie ist nie eingeschnappt. Das schätze ich an ihr, obwohl mir ihr Tick, zu jedem Kleid die passende Brille zu tragen, übertrieben erscheint. Es sind auch noch Brillen mit Fensterglas, weil sie weder kurz- noch weitsichtig ist.

»Dass er wiedergewählt wird, ist mir eigentlich noch wichtiger als ihm.« Margret lächelte verschmitzt. »Stellt euch nur vor, wie grantig er wäre, wenn er wieder einen Job in der Verwaltung annehmen müsste. Mein Heiner ist nur zu ertragen, wenn er seine Energie außer Haus loswird.«

»Seine ganze Energie?«, erkundigte sich Claudia mit unschuldiger Miene.

Margret kapierte sofort. »Na ja …« Sie zwinkerte uns zu.

Claudia, mit ihren 37 Jahren die Jüngste von uns vieren, kniff ein Auge zu. »Denkst du auch an die Energie, an die ich gerade denke?«

»Komm schon – nicht jeder Mensch denkt immer nur an das eine.« Heiderose wackelte mit ihren Zehen. »Wie findet ihr den Lack?«

Claudia ging nicht auf die Frage ein. Sie schniefte und bestrafte uns umgehend mit einem schlechten Gewissen. »Ihr seid ja auch gut versorgt.«

Vor einem Jahr ist Martin, Claudias Mann, gestorben. Sein Tod kam für uns, und sicher auch für ihn selbst, völlig überraschend – ein Aneurysma war die Ursache. Das Zweig, das größte und berühmteste Weingut unserer Gegend, ist jetzt in Claudias alleinigem Besitz, und selbst die gemeinsten Neider geben zu, dass sie ihre Sache gut macht. Mit dem Kellermeister hat sie einen phantastischen Griff getan. Das weiß sie, und weil sie klug ist, bezahlt sie ihn entsprechend. Was beide zufriedenstellt und ihr den Freiraum gibt, den sie zum Leben braucht. Claudia ist temperamentvoll, kann hart arbeiten, ausgiebig feiern, hingebungsvoll genießen und … sie lässt nichts anbrennen. Als junge Witwe schon gar nicht. Was völlig in Ordnung ist, schließlich hat sie einen herben Verlust erlitten. Allerdings hat ihr ihre Familie einen blödsinnigen Floh ins Ohr gesetzt: Ihre Eltern – und Claudia natürlich auch – behaupten, ich erwähnte es bereits, ein römischer Legionär befinde sich in ihrem Stammbaum. Kann ja sein; aber wenn es diesen nordafrikanischen oder vorderasiatischen Söldner tatsächlich gegeben haben sollte, sind seine Gene nach rund 2.000 Jahren ziemlich verwässert. Trotzdem behauptet meine Freundin, er habe ihr das Aussehen vermacht und die Reben ins Land gebracht, die die Grundlage ihres heutigen Weinanbaus bilden. Das kann nicht sein; in unser Gebiet kamen die Reben nachweislich erst circa 700 Jahre nach Christi Geburt. Aber eine solche Kleinigkeit wie ein paar Jahrhunderte tut Claudia mit einem lässigen Schulterzucken und gönnerhaftem Lächeln ab. Jedenfalls haben ihr ihre Eltern in dankbarem Angedenken an den sagenhaften Legionär den Namen Claudia verpasst.

Gerade wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. »Ich gönn euch eure Männer. Ehrlich, ich gönn sie euch von Herzen. Mit all ihren Fehlern gönne ich sie euch.« Sie sah uns der Reihe nach an. »Simone, sag doch auch mal was!«

Heiner schaute gerne schönen schlanken Frauen hinterher. Das kam wohl daher, dass die das krasse Gegenteil zu seiner biederen, fülligen, koch- und backfreudigen Margret waren. Aber mehr als Schauen und ein bisschen Betatschen war da nicht. Nahmen wir jedenfalls an. Trotzdem – das Thema war heiß; ich wollte es auf keinen Fall vertiefen.

»Du bist heute so schweigsam«, stimmte Heiderose Claudia zu. »Geht’s dir nicht gut, Simone? Ärger mit deinen Schülern? Oder Stress mit dem Jörg?«

»Weder – noch.« Ich war seit Jahren geschieden. Vor einiger Zeit habe ich Jörg kennengelernt und ihm versprochen, endlich mit meinem Sohn in sein Haus zu ziehen. In etwa einem Monat war es so weit. Jörg ist Architekt, er ist zehn Jahre älter als ich, was mich nicht stört. Gut ist auch, dass seine Ex eine Boutique auf einer erfreulich fernen friesischen Insel führt – auf Norderney oder Föhr, so genau weiß ich das nicht. Es kann auch Amrum sein. Bloß, dass seine Töchter mit ihren 13 und 15 Jahren in einem sehr problematischen Alter sind, bereitet mir Kopfzerbrechen. Aber gut, als Lehrerin weiß ich, dass man Probleme offensiv angehen muss und keineswegs unter den Teppich kehren darf. Deshalb suche ich gerade eine Psychologin (es darf auch ein Psychologe sein), die oder der mich bei auftretenden Schwierigkeiten berät. Möglichst natürlich rund um die Uhr. Gefunden habe ich noch niemanden, der meine Bedingungen akzeptiert, aber ich bin sicher, dass das nur eine Frage der Zeit und des Honorars ist.

Genauso sicher ist, dass ich meinen Job um nichts in der Welt aufgeben werde; meine Unterrichtsfächer Deutsch und Französisch bereiten mir viel Spaß – ich liebe meinen Beruf. Wirklich. Ich liebe ihn und könnte mir keinen interessanteren vorstellen.

Momentan lag mir aber der bevorstehende Umzug schwer im Magen; nicht der Umzug als solcher, sondern die Tatsache, dass ich mich wieder an einen Mann binden wollte. Sollte. Musste. Obwohl ich Jörg aufrichtig liebe …

Claudia stieß mir den Zeigefinger in die Rippen. »Los, mach den Mund auf!«

»Okay!« Ich stellte die Füße akkurat nebeneinander aufs Handtuch. »Margret, du hast uns nicht verraten, was du dir zum 45. wünschst.«

»Ach, hab ich das noch nicht gesagt?«

»Nein!«, riefen wir. »Hast du nicht!«

Margret lächelte uns an. »Ich wünsche mir ein Wochenende in Paris.«

Im Nu saßen wir, trotz der harten Saunabänke, kerzengerade. Starrten Margret an. Sahen ihr bescheidenes Lächeln, ließen die Schweißperlen tropfen und mühten uns, den Wunsch in seiner ganzen Tragweite zu erfassen.

Heiderose fand als Erste die Sprache wieder. »Meine Liebe, du sprichst doch kein Wort Französisch.«

»Willst endlich mal wissen, wie es mit einer echten Rakete im Bett ist? Willst einen, der dir zeigt, was es außer deutscher Genügsamkeit noch so alles gibt? Margret!«, rief Claudia. »Ich komme mit!«

»Genau das«, entgegnete Margret erfreut, »schlage ich vor. Ein Wochenende zu viert. Claudia ist fürs Essen und die Weine zuständig, Heiderose für Mode, und du, Simone, bist unser Dolmetscher und Reiseführer. Hast schließlich ein paar Semester in Paris studiert, oder?«

»Hab ich, ja. Was genau möchtest du in Paris denn sehen?«

Margret wedelte die Frage beiseite. »Wer spricht von sehen? Schmecken und kosten will ich Paris! Bei Fauchon die süßen Stückchen. Am Boulevard de Courcelles die Kuchen von Lenôtre. In der Rue du Faubourg Saint-Honoré ins Maison du Chocolat eintauchen. Fotos machen. Rezepte sammeln. Backformen kaufen, von denen man in Stuttgart noch nicht mal weiß, dass es sie gibt! Das will ich!«

Ich schob meine feuchten Haare aus dem Gesicht. Margrets Französisch war gewöhnungsbedürftig: Sie sprach die Wörter wie geschrieben. Irre klang das. Niemand würde sie verstehen. Ohne Dolmetscher wäre sie so verloren wie ein Norddeutscher vor einem Teller Kutteln in Trollingersauce. Oder angemachtem Ochsenmaulsalat, für den der örtliche Metzger und Wirt der Traube berühmt war, wo wir mittwochabends nach dem Saunabesuch den Flüssigkeitsverlust auszugleichen versuchten.

»Okaaay«, sagte ich gedehnt. »Wann würdest du denn fahren wollen?«

»Der Termin ist nicht an meinen Geburtstag gebunden. Falls ihr alle mitfahrt, müssen wir uns absprechen. Du, Simone, kannst ja nur in den Ferien.«

»Wieso? Wenn wir Freitagabend losfahren …«

»Ausgeschlossen«, unterbrach mich Heiderose sofort. »Freitagabend bedeutet eine Nacht zusätzlich. Da wir ja wohl mehr sehen, besichtigen und einkaufen wollen und weniger auf ein Abenteuer aus sind – nehme ich mal an –, wäre das eine unnötige Ausgabe. Ich bin dafür, dass wir Samstag früh fahren. Mit dem TGV natürlich … Mensch, Frühstück in Paris! Croissants und Café au Lait!«

»Ich fahre Freitagabend.« Claudia schaute uns herausfordernd an.

»Wieso das denn?«

»Weil … Paris ohne Liebhaber ist doch wie … wie Sauna ohne Hitze. Umsonst. Nutzlos. Geht an der eigentlichen Bestimmung vorbei. Aber ihr«, setzte sie großzügig hinzu, »könnt dann ja nachkommen. Wo ist das Problem?«

»Wie dir bekannt sein dürfte, sind wir in festen Händen. Wohingegen du als fröhliche Witwe alle Freiheiten der Welt hast.«

»Liebe Heiderose.« Claudia hob die Augenbrauen. »Höre ich aus deiner Stimme ein kleines bisschen Neid heraus?«

»Dein Hörvermögen ist allein deine Angelegenheit«, erwiderte Heiderose spitz.

Margret ging dazwischen. »Jetzt streitet euch doch nicht! Überlegt euch, ob ihr mitfahren wollt. Wenn nicht, mache ich mich allein auf den Weg.« Margret sah uns der Reihe nach an. »Obwohl mir das sehr leidtun würde. Mit euch würde es mehr Spaß machen.«

»Du müsstest einen Reiseführer nehmen, der dich durch die Stadt lotst und für dich dolmetscht«, sagte ich rasch.

»Das Reisebüro würde mir einen vermitteln«, erklärte Margret gelassen.

»Wie? Du hast dich kundig gemacht?«

»Natürlich hab ich alles Wesentliche abgecheckt. Wenn ihr euch innerhalb der kommenden zehn Tage entscheidet, könnten wir in der zweiten Woche der Pfingstferien fahren und bekämen einen Sondertarif.«

»Der was beinhaltet?«, hakte Heiderose nach.

»Fahrt im TGV plus zwei Übernachtungen, von Freitag bis Sonntag. Zwei Doppelzimmer in einem kleinen Stadthotel im Stadtteil Marais. Zentral gelegen, U-Bahn-Anschluss gleich um die Ecke. Ein Schnäppchen!«

»Ein Hotel im Marais soll ein Schnäppchen sein?«, fragte ich ungläubig. »Meine Liebe, die Reisebürofrauen haben dich auf den Arm genommen – das Viertel ist absolut angesagt und hat seinen Preis.«

Margret ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ein Pärchen«, sie räusperte sich, »also zwei junge Männer haben ein kleines Stadtpalais erworben und es in viel Eigenarbeit zu einem Hotel umgebaut. Es muss sich noch einen Namen machen, weshalb sie vorerst die Zimmer zu zivilen Preisen anbieten. Wenn es erst mal bekannt wird, wird es natürlich anders aussehen.« Sie stand auf und schlang das Handtuch um die Hüften. »Überlegt euch, ob ihr mitkommt. Und sagt mir bis Ende kommender Woche Bescheid.«

Wir wissen sicher nicht alles, aber doch sehr viel voneinander. Als ich mich scheiden ließ, haben mir die Freundinnen beigestanden und meine Heulorgien ertragen. Als Claudias Mann starb, haben wir eine Woche lang reihum bei ihr übernachtet. Als es sicher war, dass Heiderose keine Kinder bekommen würde, haben wir sie getröstet, sind mit ihr auf eine Messe für Gartengestaltung gefahren, die für uns wirklich sterbenslangweilig war, und haben ihr eingehämmert: »Die Pflanzen in deinem Garten sind deine Kinder. Mit ihnen ist dein Leben lebenswert.« Und als Margrets Sohn mit 18 Drogen nahm, haben wir ihm einen beinharten Typen vom Stuttgarter Rauschgiftdezernat aufs Auge gedrückt, der dem Jungen tatsächlich so viel Angst einjagte, dass er freiwillig auf Entzug ging und die Sache nach einem halben Jahr ausgestanden war.

Zusammen sind wir durch Freud und Leid gegangen; weshalb also sollten wir uns nicht mal ein Wochenende in Paris gönnen?

Obwohl wir alle Margrets Wunsch nach Rezepten für verschiedenste Gebäcksorten sowie für komplizierte Desserts nicht nachvollziehen konnten, da sie doch schon stapelweise Kochbücher besaß, sagten wir alle zu. Claudia, weil sie sich ein Abenteuer erhoffte. Heiderose, weil ich ihr die Anzeige einer kleinen Boutique im 2. Arrondissement zeigte, die sich auf Vintagebrillen spezialisiert hatte – war ja klar, dass sie sich die nicht entgehen lassen wollte und nun von einem Modell à la Grace Kelly träumte und schon mal die Rumpelkammer hinter ihrem Laden ausmaß. »Wäre die Location nicht ideal für Originalmodelle aus den zwanziger Jahren?«, fragte sie uns mit leuchtenden Augen, während sie im Geist bereits die Deko im Stil der Roaring Twenties plante. Ich schätze, zumindest Halb- oder Dreiviertelblinde werden an dem fensterlosen Gemach Gefallen finden.

Kapitel 3

Als wir im Februar in der Sauna schwitzten, lag Pfingsten noch in weiter Ferne. Aber dann zog ich in den Osterferien tatsächlich zu Jörg, was einen Rattenschwanz an Betriebsamkeit mit sich brachte: Kündigung der Wohnung, Ummeldung im Einwohnermeldeamt, Informieren über Adressänderung bei Post, Schule, Krankenkasse, Abonnenten … Es ist unfassbar, wie viel Bürokratie bei einem simplen Wechsel der Wohnung anfällt. Und dann natürlich der eigentliche Umzug! Allein meine Bücher beanspruchten knapp 40 Kartons; die 10 für Kleidung und Hausrat nahmen sich dagegen recht kümmerlich aus.

Ich war froh, dass mich Felix tatkräftig unterstützte. Mein Sohn hat lange gebraucht, bis er wusste, welcher Beruf der für ihn richtige ist. Jetzt ist er 23 und studiert im fünften Semester Architektur in Stuttgart, ist rundum zufrieden mit seiner Wahl und scheint ernsthaft zu arbeiten. Aber auch ausgiebig sein Leben zu genießen. Überhaupt ist er ein Genussmensch, wobei ihm Qualität über alles geht. Ihm ist eine Flasche Prädikatswein lieber als fünf Liter Fusel im Karton. Ich finde das sympathisch und hoffe nur, dass sich seine Ansprüche in naher Zukunft auch auf Frauen erstrecken. Auf diesem Gebiet scheint er zurzeit weniger wählerisch zu sein.

Auch mit Jörg versteht sich Felix gut. Was auf Gegenseitigkeit beruht: Jörg hat ihm neulich auf die Schulter geklopft und gemeint, Felix sei der Sohn, den er sich immer gewünscht habe – und das nicht nur, weil er auch Architekt werden wolle. Ich bin sehr dankbar, zwei so umgängliche Männer zu haben. Aber natürlich ist es auch hilfreich, in einem großen Haus zu wohnen – man läuft sich nicht ständig über den Weg. Im Klartext: Felix residiert hochfeudal in der Einliegerwohnung. Das ist gut so. Ich möchte nicht an die Folgen denken, wenn er morgens und abends auf dem Weg zum oder vom Badezimmer zwei hübschen, hochpubertierenden Mädchen in durchsichtigen Hemdchen begegnen würde. Aber auf lange Sicht gesehen muss er ausziehen, das ist uns allen klar. Noch fährt er morgens aber noch mit der S-Bahn zur Uni, weil ihm das Hotel Mama mehr Komfort bietet als ein Kabuff in einer WG.

Am Abend, an dem Felix und ich ganz offiziell die erste Nacht im Rieslingweg verbringen würden, tauchten überraschend meine Freundinnen mit ihren Männern auf und grölten Zum Einzug viel Glück für uns. Heiderose lugte hinter einem riesigen Strauß Tulpen hervor, Claudia hatte etliche Flaschen ihres hauseigenen Sekts mitgebracht, Margret stellte ein selbstgebackenes Brot, ein Töpfchen feinstes Salz aus der Bretagne sowie eine – selbstverständlich auch selbstgemachte – Pâté auf den Tisch … Die spontane Party dauerte bis weit nach Mitternacht.

Als wir schon recht fröhlich waren, sagte Heiner, Bürgermeister unseres kleinen Weinorts und Margrets Mann, mit offenem Neid zu Jörg, er sei doch ein rechter Glückspilz. »Menschenskind, in deinem Alter nochmals neu anzufangen! Ach, wenn mir das nur auch gegeben wäre …Schau dir meine Margret an: Ist die perfekte Frau für einen Mann in meinem Amt. Ist liebenswürdig. Immer höflich und gelassen. Stopft die Mäuler meiner Feinde mit ihrem Sauerbraten. Knüppelt sie mit Liebesknochen nieder. Aber sonst? Alltagskost. Brot und Butter halt. Wenn ich sie in gemahlenem Pfeffer panieren würde – vielleicht würde sie mir dann einheizen, ja. Aber so?«

»Was nicht ist, kann ja noch kommen«, tröstete Jörg den Heiner, der mit seinem roten Weinzinken und runden Bierbauch auch nicht gerade der Typ war, auf den wir Frauen flogen. »Immerhin planen die Mädels ein Wochenende in Paris. Könnt doch sein, dass sie da auf den Geschmack kommt, oder?«

»Du glaubst wohl noch an den Osterhasen!«, rief Heiner und patschte auf Claudias Po. »Na, Mädchen?«

Auch Heideroses Karlheinz, der bis in die Haarspitzen kontrollierte Steuerberater, suchte ein Gespräch mit Jörg. »Ihr lasst euch jetzt wohl gemeinsam veranlagen, was? Wäre sinnvoll, schließlich dürfte dein Verdienst um etliches höher liegen als Simones Gehalt als Lehrerin. Ja, was ich damit sagen will, ist … ich beneide dich, Jörg. Und wenn ich dir einen Rat geben darf: Nicht heiraten!«

Na, so was! Ich stellte die Ohren auf und drückte mich in die Ecke, damit mir Jörgs Antwort ja nicht entging. Und da kam sie auch schon: »Karlheinz, dieser Rat aus deinem Munde! Was willst du damit sagen?«

»Och. Nichts Besonderes. Nur, dass Kinder ein Plus auf der Haben-Seite sind. Die halten einen nämlich von so manchem Fehltritt ab.« Er scharrte unglücklich mit den Füßen. »Denk ich wenigstens.«

Jörg hob die Augenbrauen. »So? Meinst du? Dann will ich dir sagen, dass mich meine erste Frau trotz unserer beiden Töchter verlassen hat.«

»Wirklich? Was du nicht sagst … Das nenn ich Pech, mein Lieber.«

Damit ließ er Jörg stehen, der ihm mit offenem Mund hinterherschaute.

Später hing Claudia an Jörgs Hals. »Warum hast du dich nicht für mich entschieden, Jörg?«, schmachtete sie ihn an. »Du weißt doch, was dir entgeht.«

»Du bist betrunken«, sagte er grob und schob sie von sich.

Ja, sie war betrunken, und ja, ich war extrem sauer auf meine Freundin. Mit gutem Grund. »He!«, fuhr ich sie an. »Schon vergessen? Ehepartner und Lebensgefährten sind tabu! Oder willst du unsere Freundschaft aufs Spiel setzen?«

»Komm schon, du kleiner Spießer!« Ihre Augen verengten sich und glitzerten beängstigend. »War doch nur ein Witzchen!«

Wieder lachte sie. Sie schien vergessen zu haben, warum gerade sie mit diesem Verhalten bei mir einen Nerv traf.

Später, als sie sich verabschiedete, war sie aber wieder ziemlich klar im Kopf. »Wie geht es deinem Felix eigentlich? Immer noch am Studieren?«

Im Gegensatz zu ihr stand ich inzwischen reichlich unsicher auf den Beinen und kämpfte mit bescheidenem Erfolg um eine saubere Artikulation. »Richtig.«

»Hat er eine Freundin? Mit seinen dunklen Haaren und den grünen Augen ist er ja durchaus attraktiv.«

»So ab und zzzu. Nichts Ernstes. Bisher wenigstens. Ich möchte doch nicht jjjetzt schon Schwiegermutter werden.« Ich schwankte leicht. »Oder Oma. Nnnein danke aber auch!«

»Recht hast du. Eins sag ich dir, meine Liebe: Um deine beiden Männer beneide ich dich!«

»Kkkanst du wwwohl.«

Dem Abend folgte keine Liebesnacht; dazu waren Jörg und ich viel zu blau. Warum musste Claudia auch einen ganzen Karton Sekt anschleppen? Am Morgen schlichen wir mit einem ballongroßen Brummschädel durchs Haus. Als ich die leeren Flaschen in den Karton legte, fragte ich mich, ob das Gespräch mit Claudia tatsächlich stattgefunden hatte. Oder ob ich mir nur einbildete, es hätte stattgefunden. Ich wusste noch, dass sie wissen wollte, ob Felix eine Freundin hatte. Was ja eine berechtigte Frage war und nichts zu bedeuten hatte: Felix war wirklich ein attraktiver Junge. Hilfsbereit ist er auch; er erbot sich, den Karton bei Claudia abzuliefern.

Die Wochen bis zu den Pfingstferien vergingen im Nu. Wir vier Frauen setzten uns mehrmals zusammen, um unser Programm für Paris zu erstellen. Was nicht einfach war. Von mir verlangten sie, alle ihre Wünsche unter einen Hut zu bringen. Dass die Entfernungen zum Teil gewaltig waren, wollten sie nicht wahrhaben. »Das schaffen wir locker!«, versicherten sie. In der Hoffnung, dass ihnen schon von selbst die Puste ausgehen würde, spielte ich mit – und plante insgeheim, an einem Nachmittag meine eigenen Wege zu gehen.

An Paris, die Stadt, in der ich in der Blüte meiner Jugend zwei Semester studierte, hatte ich viele Erinnerungen. Sowohl süße als auch bittere. Bittersüße – das Wort trifft es exakt.

Gleich im ersten Monat lernte ich nämlich Gabrielle und Fabrice kennen.

Fabrice!

Noch heute erschauere ich, wenn ich an ihn denke: Als – fast – unerfahrenes Gänschen vom Land hatte ich ja keine Ahnung gehabt, zu welcher Ekstase ich in der Hand eines erfahrenen Liebhabers fähig war! Fabrice öffnete mir die Augen und weckte meine Sinneslust; ich war Wachs in seinen Händen.

Bis ich erfuhr, dass er etliche Freundinnen beglückte. Und leidvoll kapierte, dass ein Mann wie er keinen Wert auf Treue legte. Ja, dass er nicht mal ahnte, was das Wort bedeutete.

»Ich teile dich nicht!«, hatte ich ihm vorgeheult.

»Wie du willst«, hatte er geantwortet. »Du hast exakt zwei Möglichkeiten: Entweder du nimmst mich, wie ich bin. Oder –«

»Aber warum genüge ich dir nicht?«

Er hatte nur die Schulter gezuckt. »So bin ich nun mal.«

Mich sofort von Fabrice zu trennen, hatte ich dann doch nicht geschafft. Erst als ich nach dem zweiten Semester sowieso nach Deutschland zurückkehren musste und die Trennung unvermeidlich war, brachte ich das »Adieu!« über die Lippen.

Mit Gabrielle allerdings stand ich bis zum heutigen Tag in Kontakt. Wie ich wurde sie Lehrerin, leitet inzwischen ein Gymnasium, was in Paris bestimmt kein leichter Job ist, und ist unverheiratet geblieben. Allerdings hat sie seit Jahren eine glückliche Liaison mit einem Abgeordneten. Einem verheirateten Abgeordneten natürlich. Dessen Frau wusste davon und hatte ihrerseits einen Liebhaber, der ebenfalls verheiratet war. Alle waren mit diesem Arrangement glücklich und zufrieden, niemand hob warnend den moralischen Zeigefinger oder drohte gar mit Scheidung.

»Es ist perfekt«, schrieb Gabrielle immer wieder.

In Paris ist das möglich. In meiner idyllisch, zwischen sanft ansteigenden Weinbergen gelegenen Kleinstadt mit überschaubarer Ausdehnung und einer Hauptstraße von etwa 300 Metern Länge würden die Einwohner in einer solchen Situation mit Sensen und Rebscheren aufeinander losgehen.

Ich hatte Gabrielle geschrieben, an welchem Wochenende ich in Paris sein und in welchem Hotel ich mit meinen Freundinnen logieren würde.

Natürlich müssen wir uns treffen!, schrieb sie in ihrer Antwortmail. Am liebsten wäre es mir, wenn wir beide Zeit für uns allein hätten. Aber ich verstehe natürlich, wenn du dich nicht von deinen Freundinnen loseisen kannst. Ich schlage vor, wir treffen uns im Le Pick-Clops. Klingt fremdartig für Paris, hat aber eine wunderbare Karte und ausgezeichnete Drinks zu bieten und ist mitten im Marais gelegen.

Aber ich sollte dich warnen, chère Simone. An manchen Abenden mischt sich ein gewisser Fabrice unter die Gäste. Erinnerst du dich noch an ihn? Inzwischen ist er ein ziemlich bekannter Künstler; er verkauft seine Bilder zu beachtlichen Preisen. Die Galerien reißen sich um ihn! Ja, die Kunst hat ihn nach oben gespült; er hat eine schicke Wohnung im Marais, kleidet sich besser als damals, doch obwohl er seinen Bart regelmäßig färben lässt (weiß ich aus sicherer Quelle!), ist er immer noch derselbe Charmeur. Falls du also ein Treffen vermeiden möchtest, empfehle ich ein anderes Restaurant …

Ich stützte das Kinn in die Hände. In der Küche rumorte Jörg, Geschirr klapperte, die Kühlschranktür schlug zu, die Mädchen zankten sich, erst hörte ich die Stimme meines Sohnes, dann, wie er die Treppe heruntersprang, kurz danach röhrte der Motor seines Autos. Es würde Spaghetti mit Öl, Chili und Knoblauch geben, Jörgs Spezialität. Dazu würden wir einen klassischen trockenen Trollinger aus Claudias Keller trinken, auf der Maische vergoren, im großen Holzfass ausgebaut. Danach würde Jörg die Käseplatte auf den Tisch stellen, anschließend käme der kleine Espresso, dazu eine kleine handgefertigte Praline und dann …

Wild entschlossen tippte ich:

Chère amie Gabrielle,

ich freue mich riesig, dich nach so langer Zeit wiederzusehen. Aber bitte suche ein anderes Restaurant aus. À bientôt!

Kapitel 4

Am Abend vor der Abreise trafen wir uns noch einmal in der Traube, um die letzten Details zu besprechen. Während wir auf Claudia warteten, die sich gern verspätet, aßen wir schon mal: Heiderose einen Toast Hawaii und Margret und ich den berühmten Ochsenmaulsalat. Zwischen zwei Gabelvoll verkündete Margret, sie habe für die insgesamt drei Tage vorgesorgt: Käse und Wurst sowie ein bisschen Obst fürs Frühstück hätte sie gefällig auf Platten drapiert und mit Klarsichtfolie abgedeckt in den Kühlschrank gestellt. Die Mittagessen habe sie gekocht und, selbstverständlich penibel beschriftet, eingefroren. An den Abenden würde ihr Heiner auswärts essen. Ach ja, Brot und einen Marmorkuchen habe sie auch gebacken.

»Und der Kaffee steht in der Warmhaltekanne bereit?«, erkundigte sich Heiderose und zeigte Margret den Vogel. »Du spinnst.«

Wie immer lächelte Margret geduldig und meinte – auch wie immer: »Du weißt doch: Liebe geht durch den Magen.«

»Man muss sich rarmachen«, fuhr Heiderose sie an.

Margret ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Weißt du, wenn mein Heiner am Freitag die Maultaschen in der Brühe löffelt, denkt er an mich. Er denkt auch an mich, wenn er am Samstag die sauren Rädchen in der guten Weinsauce herumschwenkt und mit den Makkaroni auf die Gabel spießt. Und dann freut er sich schon auf den Sonntag, denn da taut er sich den Sauerbraten mit den Spätzle auf. Glaub mir das, Heiderose, ein gutes Essen ist das beste Mittel, um das Feuer am Glühen zu halten.«

»Was für ein Quatsch! Hausmannskost – ich bitte dich!«, rief Claudia, die gerade hereingekommen war und die letzten Sätze gehört hatte. »Nur im Bett lodert das Feuer! Nur im Bett stillst du die fleischlichen Gelüste des Mannes!« Sie sank auf einen Stuhl. »Gott, geht’s mir schlecht!« Plötzlich roch es in der Gaststube durchdringend nach Pfefferminze. »Seht mich bloß nicht an!«

Wir sahen sie an. Sahen die rot umränderten Augen und die noch rötere Nase. »Was fehlt dir?«

»Heuschnupfen«, erklärte Claudia lapidar und nieste.

»Seit wann bist du allergisch? Und gegen welche Pollen?«, wollte Heiderose wissen.

»Gegen alle«, schniefte Claudia. »Auf einmal bin ich gegen alle verdammten Pollen allergisch. Hasel, Birke, Tanne, Walnuss, Gräser und so weiter und so fort. Kam aus heiterem Himmel und macht mich platt.«

»Es gibt doch Mittel gegen Heuschnupfen.«

»Was glaubt ihr wohl, wie müde die mich machen?« Sie winkte dem Kellner und bestellte die Saure Nierle mit gerösteten Kartoffeln und einen doppelten Obstler.

»So direkt brutal leidest du aber nicht, oder?«, fragte ich, weil mir der plötzliche Heuschnupfen suspekt vorkam.

»Ich reiß mich zusammen«, erklärte sie tapfer und nieste wieder.

»Gut. Das musst du auch.« Heiderose, sie war für die Organisation zuständig, gab jedem von uns eine Liste. »Mädels, alle wichtigen Infos hab ich für euch niedergeschrieben. Punkt eins: Wir treffen uns morgen um 6 Uhr 15 an der S-Bahn-Station und –«

»Ich dachte, dein Karlheinz fährt uns zum Stuttgarter Hauptbahnhof«, protestierte Claudia sofort.

»Geht nicht. Er hat um acht Uhr einen wichtigen Termin. Wir nehmen die S-Bahn.«

»Scheiße.« Claudia hielt sich ein mit Pfefferminzöl getränktes Taschentuch an die wunde Nase. »Wie kann er uns das antun?«, jammerte sie. »Weiß er denn nicht, wie weit der Weg von der S-Bahn bis zu den Gleisen der Bundesbahn ist? Wir müssen unsere Koffer die Treppen hochschleppen – der Lift ist immer rappelvoll!«

Das stimmte. Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist für viele Jahre eine einzige riesige Baustelle.

»Entweder du schaffst das selbst, oder du bittest einen jungen Mann um Hilfe«, schnauzte Heiderose Claudia an.

»Morgens um sieben haben die doch ganz was anderes im Kopf, als einer alten Schachtel den Ritter zu spielen«, murrte Claudia und hielt sich wieder das Tempo an die Nase. »Hat nicht der Jörg oder dein Felix Zeit, Simone?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Für ein lumpiges Wochenende wird sich dein Gepäck doch sicherlich in tragbaren Grenzen halten, liebste Claudia.« Heiderose schaute über den Rand ihrer Brille. Das Gestell war lila, an den Bügeln glitzerten Swarovski-Kristalle. »Wir gehen jetzt die Liste weiter durch. Punkt zwei: Abfahrt des TGV um 7 Uhr 15. Ich habe selbstverständlich Sitzplatzreservierungen für uns besorgt …«

Sie arbeitete die Punkte zügig durch, während Claudia mit bestem Appetit ihre Nierle aß.

Um neun Uhr hatten wir die Viertele und Obstler ausgetrunken, hatten die Zeche bezahlt und machten uns auf den Heimweg.

Jörg und Felix die Essen vorzukochen und einzufrieren, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Jeder halbwegs intelligente Mensch kann sich schließlich eine Tütensuppe zubereiten oder eine Pizza aufbacken. Oder, wenn er’s gemütlicher haben will, in die Traube gehen.

Nein, in Hinterremsingen verhungert keiner.

Ich legte Unterwäsche, eine extra Jeans, meine beste schwarze Hose, eine knallgelbe Seidenbluse (falls …!), ein weißes und ein gelbes Polo plus eine schwarze Strickjacke aufs Bett. Dazu kamen der Regenschirm und mein einziges Paar Stilettos, die Sneakers würde ich anziehen … was fehlte? Ach ja. Der schwarze Blazer. Dann noch Strümpfe und der Kleinkram. Und der neueste Kunstführer.

Um elf hatte ich gepackt, geduscht und mit Jörg ein letztes Glas Zweigelt getrunken. Als wir uns im Bett aneinanderkuschelten, erinnerte er mich daran, dass wir zum ersten Mal in unserer gemeinsamen Zeit für ganze zwei Nächte getrennt wären. »Du wirst mir fehlen«, nuschelte er in mein Ohr. »Ich hab mich schon so an dich gewöhnt, dass ich wahrscheinlich kein Auge zutun werde. Und dann kommt noch die Eifersucht dazu! Ach, Simone.«

»Wie – die Eifersucht?!« Plötzlich war ich hellwach. »Worauf bist du eifersüchtig? Auf meine Freundinnen? Hör mal! Das ist doch Blödsinn!«

»Auf die Mädels bin ich nicht eifersüchtig … Aber Claudia sagte mir mal, da gebe es einen Mann in Paris.«

Mir blieb die Spucke weg. »In Paris gibt es Millionen Männer!«

»Sicher. Aber einen davon sollst du wahnsinnig geliebt haben.«

»Hat Claudia gesagt?«

»Hat Claudia gesagt.«

Wie konnte sie nur! Vor langer Zeit haben wir vier einmal über unsere erste Liebe geredet. Aber das war im Vertrauen gewesen! Wie konnte meine beste Freundin mir dermaßen in den Rücken fallen? Ich kämpfte meinen Zorn nieder. »Hör mal, Jörg. Damals war ich knappe 20. Ist doch wohl klar, dass man sich als junge Studentin in Paris verliebt. Aber glaub mir, den Mann hab ich nie mehr wiedergesehen. Und ich weiß auch nicht, wo er heutzutage wohnt. Genügt dir das?«

»Ich gehe davon aus, dass du das ausfindig machen könntest. Und da du des Lesens und sogar der fremden Sprache mächtig bist und über ein gerüttelt Maß an detektivischem Spürsinn verfügst …«

Da erst kapierte ich, dass Jörg mich nur aufzog. »Du Schuft!«

In dieser Nacht schlief ich sehr wenig. Zum einen wegen Jörg, zum anderen wegen des Anrufs, der uns um vier weckte.

Um vier Uhr in der Früh! Mein Gott aber auch!

Ich wusste, dass Felix die Nacht außer Haus verbrachte. Mein Sohn schien eine neue Freundin zu haben, allerdings hielt er sich mit diesbezüglichen Infos sehr zurück. Es musste sich aber um eine superheiße Affäre handeln, denn während der letzten Wochen schlief er nur noch selten im eigenen Bett. Das beunruhigte mich nicht, meine Befürchtungen drehten sich nur um die Heimfahrt. Was, wenn er sein Auto um einen Baum gewickelt hatte? Was, wenn mir ein Polizist in bemüht neutralem Ton mitteilen würde, mein Sohn kämpfe auf der Intensivstation um sein Leben? Für mich gänge die Welt unter. Mit zitternden Händen griff ich nach dem Hörer.

»Hallo?«

»Simone, bist du’s? Du, mir ist sterbensübel.«

Die Welt ging nicht unter. Grenzenlos erleichtert gaben die Beine unter mir nach; ich sank auf einen Stuhl. »Claudia!«

»Die Sauren Nierle sind mir nicht bekommen. Ich bin schon die ganze Nacht auf dem Klo – dazu der Heuschnupfen … Simone, ich komme nicht mit. Es ist ganz ausgeschlossen. Ich bin krank. Richtig krank.«

»Okay. Du bist krank«, wiederholte ich benommen.

»Ja. Sagst du’s den anderen? Es tut mir wahnsinnig leid, aber unter den gegebenen Umständen … Oh Gott, ich muss schon wieder aufs Klo. Macht’s gut! Und bringt mir was Schönes mit!«

Ich starrte auf den Hörer in meiner Hand. Felix lag nicht auf einer Intensivstation. Kämpfte nicht um sein junges Leben. Es war nur Claudia, die sich nicht gut fühlte. Der Sauren Nierle wegen. Heuschnupfen hatte sie auch. So was kam vor …

Ich kuschelte mich wieder an Jörg.

»Wer war das?«, murmelte er schlaftrunken.

»Claudia. Sie ist krank. Sie bleibt zu Hause.«

»Dumm für sie. Deshalb hat sie dich aus dem Bett geklingelt?« Er zog mich noch enger an sich. »Braucht sie einen Arzt?«

»Davon hat sie nichts gesagt.«

»Dann kann’s wohl nicht allzu schlimm sein, oder?«

»Sie sagte, die Nierle sei ihr nicht bekommen.«

»Lebensmittelvergiftung? Du, damit ist nicht zu spaßen. Wer kümmert sich um sie, wenn ihr weg seid?«

»Das weiß ich nicht.«

»Na, hör mal! Wenn dich deine Freundin in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett klingelt und auch noch auf die Reise verzichtet, muss es ihr wirklich schlechtgehen. Findest du nicht?«

»Sie klang eigentlich ganz munter. Nur dass sie eben wieder aufs Klo musste.« Ich gähnte. »Kannst sie ja übers Wochenende mal anrufen und dich erkundigen, ob sie Hilfe braucht.«

»Vielleicht mache ich das sogar«, sagte Jörg und gähnte ebenfalls.

Eng umschlungen schliefen wir ein.

Kapitel 5

Es war ein wunderbarer Morgen. Die Temperatur war frühlingshaft mild, der Himmel wölbte sich in makellosem Blau über den Weinbergen, den roten Dächern und dem spitzen Turm unserer Kirche. Auf der Rems paddelten etliche Enten und ein Schwanenpaar, im blühenden Flieder und zwischen dem jungen Laub der Bäume jubilierten die Vögel, vorschriftsmäßig hielt ein Auto vor einer unserer wenigen Ampeln, aus der Bäckerei drang der Duft heißer Brezeln, und am Bahnsteig der S-Bahn-Linie 3 standen Heiderose und Margret. Letztere sehr gediegen im taubenblauen Hemdblusenkleid mit heller Jacke und ohne Koffer, dafür aber mit einer großen, prall gefüllten blauen Plastiktasche: reinstes IKEA. Wie seltsam.

Heiderose trug Pariser Schick: weißes Tanktop, dunkelgrauer Blazer und schwarze Mokassins. Das Brillengestell stimmte perfekt mit dem Sandton der weit geschnittenen Hose überein. Sie sah zuerst auf die Armbanduhr, dann auf die große Anzeige am Bahnhofsgebäude. »Du bist spät dran«, nörgelte sie. »Jetzt warten wir nur noch auf Claudia. Dass die auch nie pünktlich sein kann!«

»Claudia kommt nicht. Sie ist krank.«

»Soll das ein Witz sein?«, regte sich Heiderose auf. »Bloß wegen dem bisschen Heuschnupfen bleibt sie daheim?«

»Die Sauren Nierle sind ihr nicht bekommen. Sie hat die Nacht auf dem Klo verbracht.«

»Woher weißt du das?«

»Sie hat angerufen. Heute Morgen um vier Uhr. Ich bin fast in Ohnmacht gefallen – ich dachte, Felix hätte einen Unfall gehabt.«

Wir sahen uns an. »Hast du ihr geglaubt?« Margrets Stimme klang ungewöhnlich skeptisch.

»Eigentlich schon. Jörg kümmert sich vielleicht um sie.«

»Oha! Bist du damit einverstanden?«, fragte Heiderose.

»Warum nicht?«

Wir wussten alle, warum, aber keine von uns sagte es laut.

»Eben«, sagte Margret stattdessen. »Einer muss es tun, und wir sind ja nicht da. Und jetzt sag ich euch was: Wir lassen uns die gute Laune nicht vermiesen, nur weil sich Claudia den Magen verdorben hat. Einverstanden?«

Wir nickten. »Einverstanden!«

Mit der S-Bahn erreicht man in einer halben Stunde die Landeshauptstadt. Gemessen an den Entfernungen, die man in den Ballungsräumen Paris, London, Hongkong, Tokio oder New York zurücklegt, ist das ein Klacks. Für uns vom Land ist die Distanz aber nicht nur geographischer Art; Stuttgart ist kulturelles Zentrum und in Sachen Shopping ein Qualitätsmerkmal. »Das hab ich in der Stadt gekauft« – wer das sagte, bewies weltmännisches Flair und exquisiten Geschmack. Heiderose zum Beispiel kauft fast nur dort ein. Margret muss auf ihren Mann Rücksicht nehmen und die örtlichen Händler unterstützen; ich hoffe, sie macht wenigstens bei der Unterwäsche eine Ausnahme – ihretwegen.

Ich mache schon längst keine Experimente mehr: Jeans und Polos, Pullis und Blazer. Das ist’s für mich. Bequem, praktisch, gut. Nur bei Schuhen und Gürteln mache ich eine Ausnahme – die sammle ich nämlich, die müssen was Besonderes sein.

Wir hatten Glück. Die S-Bahn machte keine Sperenzchen, und so trafen wir zehn Minuten vor der Abfahrt nach Paris auf dem Bahnsteig ein. Und da stand er in seiner ganzen Pracht: der TGV!

Margret machte sofort ein Foto, dann hielt sie die Nase in die Luft. »Alle Bahnhöfe haben einen so eigenen Duft. Sie riechen nach weiter Welt. Findet ihr das nicht auch?«

»Absolut«, entgegnete Heiderose bereitwillig. »Nur dass mir der Geruch meiner Blumen lieber ist. Kommt schon!«

Wir stiegen ein, suchten unsere Plätze, bewunderten die Farben der Sitze – lila und orange – und lachten, als Margret ein Köfferchen aus dem IKEA-Ungetüm zog, den Koffer zusammen mit unserem Gepäck verstaute und die immer noch nicht leere blaue Tasche unter ihren Sitz schob.

»Was ist denn noch da drin?«

Sie lächelte verschmitzt. »Das ist eine Überraschung!«

Heiderose und ich rollten die Augen, dann sahen wir uns alle um. Fast alle Sitze des langen Abteils waren besetzt. Nicht von Frauen wie uns, sondern von Männern in dunklen Anzügen. Die versteckten sich hinter Zeitungen, tippten auf ihren Smartphones herum oder klappten ihre mitgebrachten Laptops auf. Margret legte sich den neuesten Feinschmecker auf die Knie, Heiderose hatte sich, wie sollte es auch anders sein, eine Gartenzeitschrift besorgt, und ich wollte ein wenig im Kunstführer schmökern.

Der Zug setzte sich in Bewegung. So sachte ging das, dass wir’s kaum bemerkten. Ruck, zuck hatten wir Vaihingen an der Enz erreicht, dann Karlsruhe, dann tauchten die ersten Hügel des Schwarzwalds auf – das ging so unfassbar schnell, dass wir nur aus den Fenstern starrten und keine Sekunde ans Lesen dachten.

Aber dann bekam Margret Hunger.

Sie zog die IKEA-Tasche unterm Sitz hervor und packte aus: Becher und Teller in verschiedenen Farben. Besteck. Servietten. Eine Thermoskanne – »Kaffee.« Eine rechteckige Box – »Selbstgebackenes Brot. Ich hoffe, die Scheiben sind mir nicht zu dick geraten.« Eine runde Box – »Linzer Torte mit selbstgekochter Himbeermarmelade.« Eine weitere Box – »Aufschnitt und Käse. Und hier –« Sie öffnete den Deckel einer rechteckigen Dose. »Obst! Apfel, Ananas, Erdbeeren. Hab ich was vergessen? Ach ja, die Butter. Hier ist sie. Und die Tube Senf. Die Milchdöschen und Zuckertütchen. Bedient euch. Lasst es euch schmecken!« Sie hielt eine kleine Flasche Schampus hoch, die sie aber gleich wieder in die Tasche steckte. »Den gibt’s als Nachtisch.«

»Du bist wie eine Mutter zu uns«, lobte Heiderose und breitete eine Serviette über ihre Knie. »Bist einfach ein Goldstück. Nicht zu bezahlen. Ein Schatz eben!«

Bald zog ein köstlicher Duft durchs Abteil, Köpfe drehten sich in unsere Richtung, Männer schmunzelten.

Margret lächelte den vieren auf den Nachbarsitzen zu. »Nur kein Neid. Wenn was übrig bleibt, bekommen Sie’s.«

Ein fülliger Mann mit lichtem Haar lachte. »Bleibt zu hoffen, dass Sie auf Ihre schlanke Linie achten!«

»Keine Chance. Wir nehmen nicht zu – wir sind biologische Wunder«, flunkerte Heiderose.

Margret, die gute Seele, bestrich umgehend etliche Brotscheiben mit Butter, legte Rädchen von der Schinkenwurst, dem weißen Presssack, der Pfeffersalami und dem gerauchten Schinken obenauf, dekorierte alles mit Gürkchen oder eingelegter Paprika, schnitt die Brote in mundgerechte Happen und richtete sie appetitlich auf einem Pappteller an. Den reichte sie samt Serviette unserem Nachbarn. Auf seinem hellblauen Schlips tummelten sich winzige gelbe Entchen.

»Lassen Sie es sich schmecken«, forderte sie ihn freundlich lächelnd auf.

Er teilte die Gabe mit den Herren, die ihm gegenübersaßen.

»Köstlich. Sind Sie noch zu haben, Madame?«

»Weder als Ehefrau noch als Haushälterin«, antwortete Heiderose prompt. »Sie ist in festen Händen. Pech für Sie, mein Lieber.«

Wir teilten auch die Linzer Torte mit den Männern und schenkten dem Entenschlips sogar das Fläschchen Sekt, das für Claudia vorgesehen war. »Würden Sie uns bitte fotografieren?«, bat ihn Margret. »So, dass auch der Tisch auf dem Bild ist – unsere Männer sollen doch sehen, wie gut es uns geht!«

Wir hielten die Fläschchen hoch. Waren so vergnügt und voller Vorfreude auf das, was uns erwartete, dass wir wie beschwipste Teenager in die Kamera lachten. Drei Tage und zwei Nächte in Paris! Ohne Männer, die uns bremsten, weil ihnen unsere Wünsche zu teuer, zu unsinnig oder einfach nur unverständlich waren. Das Leben war herrlich! In Gold getaucht! Heiderose hob ihr Fläschchen hoch. »Margret! Auf dich und deinen glorreichen Geburtstagswunsch!«

Wir prosteten uns zu.

»Ich wusste, dass uns das allen guttun würde«, wehrte Margret bescheiden ab. »Nur schade, dass Claudia krank geworden ist.«

In diesem Augenblick zeigte ihr Handy eine SMS an. Sie fummelte ihre Lesebrille zwischen den leeren Plastikbehältern, den zerknüllten Servietten und schmutzigen Papptellern hervor, setzte sie auf die Nase, stupste sie zurecht, las … und ihr Gesicht verlor alle Farbe.

Ihr Aussehen machte mir Angst. »Ist was mit deinem Heiner?« Sofort kamen einem die schlimmsten Gedanken. Ein Unfall? Herzinfarkt mit Todesfolge?

Wie betäubt schüttelte Margret den Kopf. »Schlimmer.«

Heiderose nahm ihr das Handy aus der Hand. Las und schnaubte: »Das ist ein blöder Witz, Margret. Ein saublöder Witz ist das. Darüber kann ich nur lachen!«

»Was ist denn? Sagt doch endlich!«

Heiderose gab das Handy an mich weiter. Ich las. Lachte tatsächlich. Wurde schlagartig ernst und holte auch mein Handy aus der Tasche. »Wenn das ein Witz sein soll, versteh ich ihn nicht.«

Inzwischen hatte auch Heiderose ihr Handy in der Hand. »Das gibt’s nicht. Ist sie übergeschnappt? Hat sie neben Heuschnupfen und Lebensmittelvergiftung jetzt auch noch Rinderwahnsinn?«

Die SMS auf den Displays unserer Handys ließ sich nicht wegdenken. Unverrückbar stand sie uns vor Augen. Die Buchstaben sprangen uns beinahe entgegen, versengten uns das Hirn, raubten uns den Atem, ließen unser Herz rasen und erstickten unsere Freude.

Liebste Freundinnen,

ich bin nicht krank. Ich fahre gerade mit einem eurer Männer in ein sexy Wochenende! Auch euch viel Vergnügen!

Eure Claudia

»Das ist ein Witz«, sagte Heiderose schließlich. »Sie würde uns das nicht antun. Sie würde nicht mit einem unserer Männer ins Bett gehen. Eine Freundin tut so was nicht. Niemals. So gemein ist sie nicht.«

Plötzlich hatte ich das Bild wieder vor Augen, wie Claudia am Hals meines Jörgs hing. »Ich trau’s ihr zu.«

Margret zuckte zusammen.

Heiderose zog scharf die Luft ein. Wir schwiegen. Minutenlang starrten wir uns nur an.

»Warum sagst du das, Simone?«, fragte Heiderose schließlich zaghaft.

»Ich trau’s ihr eben zu.«

Der mit der seidenen Entenkrawatte beugte sich zu uns herüber. »Schlechte Nachrichten?«

»Ganz schlechte sogar.«

»Worum handelt es sich denn?«

»Um …«

»Ist es ein Unfall?«

»Wohl eher eine Naturkatastrophe«, sagte Heiderose.

Mein schockgefrostetes Hirn taute etwas auf. »Sie hat recht. Ein Tornado zerfetzt gerade unser Leben.«

»Beim Tornado handelt es sich um unsere beste Freundin«, setzte Margret hinzu. Ihre Stimme war ohne jede Emotion – was bewies, wie fertig sie war.

»Ihre Freundin zerstört Ihr Leben?«, wiederholte der Krawattenträger ungläubig. »Wie stellt sie das an?«

»Indem sie«, ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn, »sich einen unserer Männer ins Bett holt.«

»Ach! Welchen denn?«

»Wie bitte?«

In diesem Augenblick ging mir auf, dass jede von uns dreien ganz automatisch angenommen hatte, Claudia habe sich ihren Mann gekrallt. »Das ist die entscheidende Frage.«

»Keine Vermutung?«, forschte der Sitznachbar nach.

Wir schüttelten die Köpfe. »Null Komma null.«

Er hustete diskret. »Bedauerlich. Aber nicht einleuchtend. Es würde nämlich bedeuten, dass Sie glauben, dass jeder Ihrer Männer … sagen wir mal, gefährdet ist. Bereit, ein Abenteuer einzugehen. Dafür muss es Gründe geben.«

»Nein!«, riefen wir wie aus einem Munde.

»Bestimmt nicht. Unsere Freundin will uns nur den Spaß verderben!«, setzte Heiderose trotzig und so entschieden wie nur was hinzu.

»Dann sollten Sie es ihr mit gleicher Münze heimzahlen«, schlug er vor, stand auf und griff nach seinem Businessköfferchen. »Straßburg. Hier steige ich aus. Chère Madame«, wandte er sich an Margret, »falls sich Ihre … Situation verändern sollte, kontaktieren Sie mich. Ich würde mich aufrichtig freuen, Sie wiederzusehen.« Damit reichte er ihr eine Visitenkarte, lächelte sie an und strebte dem Ausgang zu.

Verdutzt sahen wir ihm nach.

»Zeig mal.« Heiderose griff nach dem Kärtchen.

Marcel Kesselin, stand da in wunderschön geschwungenen Lettern. Strasbourg. Delikatessen beim Münster.

»Na, das ist doch was, Margret. Wenigstens deine Zukunft ist gesichert.« Heiderose biss sich auf die Lippen.

»Wer sagt denn, dass mein Heiner –« Margrets Augen weiteten sich. Sie sprang auf. »Ich steige aus. Ich muss sofort zurück!«

»Bist du wahnsinnig? Willst du aus dem fahrenden Zug springen?« Wir drückten sie auf den Sitz zurück.

»Wie? Wir fahren schon wieder? Oh Gott! Jetzt ist alles aus!« Margret schlug die Hände vors Gesicht.

»Nichts ist aus. Wir rufen Claudia an.« Heiderose wählte die eingespeicherte Nummer, hielt sich das Handy ans Ohr und wartete. »Nichts. Sie geht nicht ran. Moment mal. Ich schreib ihr eine SMS.« Sie schaute hoch. »Was soll ich schreiben?«

»Wir machen es wie sie«, schlug ich vor. »Wir drei schicken ihr dieselbe SMS. Wie wäre es mit ›Dein dummes Witzchen geht ins Leere. Deine fröhlichen Freundinnen‹?«

Heiderose runzelte die Stirn. »Nicht übel; aber ein bisschen mehr Biss wär mir lieber. Zum Beispiel so: ›Schön für dich. Es lebe die Abwechslung in der Liebe!‹«

»Ausgeschlossen! Wenn das mein Heiner liest, meint er, ich würde einen Seitensprung gutheißen!«

»Margret hat recht«, stimmte ich zu. »Sollte Claudia tatsächlich das Unsagbare geplant haben und die SMS dem Untreuen zeigen, wäre das wie ein Freibrief für ihn. Wir sollten es subtiler formulieren. Was haltet ihr von: ›Alle Männer haben nur zwei Dinge im Kopf. Geld ist das andere.‹ Jeanne Moreau soll das gesagt haben.«

»Geht nicht. Wir müssen Claudia eins auswischen. Nicht unseren Männern«, protestierte Heiderose.

Nach einigem Hin und Her einigten wir uns auf:

Liebste Putzhilfe,

wenn ein attraktiver Mann daherkommt, gibt es immer eine Frau, die bereit ist, seine Schuhe mit ihrer Breitrippunterhose zu polieren. Wie gut, dass du etliche davon hast; benutze sie fleißig.

Liebste Grüße von deinen fröhlichen Freundinnen

Erst als jede von uns die SMS abgeschickt hatte, ging uns auf, dass wir tatsächlich an die Untreue unserer Männer glaubten – was uns in tiefste Verzweiflung stürzte.

»Die Unsicherheit halte ich nicht aus.« Margret schnäuzte sich energisch. »Egal was ihr jetzt von mir haltet: Ich rufe meinen Heiner an.«

»Gut. Ich knöpf mir Karlheinz vor. Und du dir deinen Jörg?«, wollte Heiderose wissen.

Ich nickte.

Innerhalb der folgenden Stunde riefen wir unzählige Male unsere Männer an. Vergeblich. Nicht einer meldete sich. Weder unter der Handy- noch unter der Festnetznummer war auch nur ein einziger von ihnen zu erreichen.

Wir fluchten. Malten uns das Undenkbare aus. Bekamen nichts von der herrlichen Landschaft vor dem Zugfenster mit. Bis Margret sich an die Stirn schlug. »Die Kinder werden wissen, wo ihr Vater steckt!«

Mein Felix meldete sich so aufgekratzt, dass ich sofort misstrauisch wurde. »Bist du betrunken?«

»Iiich? Um diese Zeit? Mama, das glaubst du doch selbst nicht. Weshalb rufst du an?«

»Will nur wissen, wie es euch geht. Kommt ihr ohne mich zurecht?«

»Danke der Nachfrage«, entgegnete er vergnügt. »Mir geht es bestens. Die Mädchen sind bei diversen Freundinnen. Wo Jörg ist, weiß ich nicht; ich hab ihn gestern Abend das letzte Mal gesehen. Heute wollte er sich mit einem potenziellen Bauherren treffen. Hast du sonst noch was auf dem Herzen?«

Wie bitte? Mit einem Bauherren wollte er sich treffen? Mir hatte er das nicht gesagt. »Passt einfach auf euch auf, ja?«, antwortete ich bedrückt.

»He, so kenne ich dich gar nicht! Seit wann gluckst du denn?«

»Tu ich nicht.« Ich drückte die Aus-Taste. »Verdammter Mist!«

Leider hatte auch Margret keine beruhigende Antwort erhalten. Ihre Tochter hatte gemeint, der Papa wäre nach einem Bad in seinem Rasierwasser – anders wäre der durchdringende Geruch nicht zu erklären gewesen – und aufs Feinste herausgeputzt aufs Feuerwehrfest entschwebt.

Heiderose rief ihre Nachbarin an. Die kümmerte sich immer um den Garten, wenn Heiderose verreiste, war schwerhörig und nicht die Hellste, hatte aber genau gesehen, dass Herr Kowatsch in aller Herrgottsfrühe so große Dinger in den Gepäckraum des SUVs geladen hatte.

»Lang und schwarz?«, hakte Heiderose nach.

»Wie?«

Heiderose verdrehte die Augen. »Was hatte mein Mann an? Eine bunte Hose?«

»Bunt? Nein, die war rot.«

»Dann«, sagte unsere Freundin erleichtert, »ist er auf dem Golfplatz.«

Der TGV verlangsamte seine Geschwindigkeit. Geistesabwesend stopfte Margret den Müll vom Klapptisch in eine Plastiktüte. Sagte dann: »Claudia spielt auch Golf.« Ihre Stimme klang durchaus hoffnungsvoll. »Ich will ja nicht behaupten, dass sie sich dort mit deinem Karlheinz trifft, aber –«

»Wirst du wohl den Mund halten?«

»Ich wollte nur sagen –«

»Dass es dir egal ist, mit wem Claudia ins Bett steigt, solange es nicht dein Heiner ist?« Heiderose war ernstlich sauer. »Das hätte ich nicht von dir erwartet, Margret.«

Margret hob die Hand. »Ich wollte nur sagen«, beharrte sie, »dass sich Claudia einen schlechten Scherz erlaubt. Unsere Männer kennen sie doch – keiner wird mit ihr ins Bett gehen.«

»Da bin ich mir nicht so sicher. Claudia weiß, was sie will. Und wie sie ihren Willen durchsetzt.«

Der Zug wurde immer langsamer, erste Häuser kamen in Sicht, dann ein Park … Ich nickte Heiderose zu. »Ich könnte mir denken, weshalb mein Jörg ihr nicht widersteht. Widerstehen könnte«, setzte ich hinzu.

Margret runzelte die Stirn. »Denkst du an damals, als … Du denkst aber nicht an die kurze Affäre mit Jörg? Das war doch vor deiner Zeit.«

Mein Magen war ein einziger eiskalter Klumpen. »Doch. Genau daran denke ich. Ihr habt es gut; eure Männer …«

»Eure Männer, eure Männer – bleib mir doch weg mit deinem ›eure Männer‹! Was glaubst du«, fuhr Margret mich an, »weshalb ich um meinen Heiner fürchte?«

»Ich hab auch verdammte Angst …«, sagte Heiderose bedrückt.

»Ich verstehe nicht«, stotterte ich fassungslos. »Habt ihr etwa Grund zur Annahme, Heiner oder der absolut brave Karlheinz …« Ich ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen, weil beide mit feuchten Augen aus dem Fenster starrten, wo gerade jetzt der Zug an einem Schild vorbeiglitt, auf dem in riesigen Lettern ›PARIS‹ zu lesen war. »Ihr traut euren Männern einen Seitensprung zu? Ich glaub’s nicht! Gibt es dafür Gründe? Bitte, sagt es mir!«

Zu spät. Der TGV hielt.

Die Ankunft in Paris, der Stadt der Mode, der köstlichen Backwaren, der raffinierten Menüs, der berühmten Museen und, nicht zu vergessen, der Liebe, hatten wir uns anders vorgestellt.

Kapitel 6

In Paris nimmt man die Metro. Das hatte ich meinen Freundinnen klargemacht, die in Stuttgart, wo die Entfernungen in der Innenstadt sehr überschaubar sind, entweder zu Fuß gehen oder, wenn’s regnet oder schneit oder sie um ihre Frisur fürchten, ein Taxi nehmen. Den Bahnsteig entlang zogen wir also unsere Rollköfferchen hinter uns her und strebten flott der Metrostation zu. Plötzlich fühlte ich mich wieder in meine Studententage zurückversetzt: diese Sprache! Diese Reklametafeln! Dieser unverwechselbare Pariser Duft! Ich wich zwei Damen in klassischen Kostümen, sehr hohen Stilettos und teuren Handtaschen am Arm aus und fühlte mich plötzlich wieder so jung und unternehmungslustig wie damals, als ich hier lebte. Mein Gott, was ging mich Claudias blöde Nachricht an! Sollte sie doch glücklich werden mit einem unserer Männer – mir lag Paris zu Füßen! Und vielleicht, vielleicht, vielleicht würde ich ja doch schwach werden und meinen ehemaligen Lover treffen. Fabrice! Ach, Fabrice …

Ich bekam Lust auf einen petit café,