Die Gespräche der Aloisia Sigea - Nicolas Chorier - E-Book

Die Gespräche der Aloisia Sigea E-Book

Nicolas Chorier

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Beschreibung

Die angeblich von der gelehrten Jungfrau Aloisia Sigea aus Toledo verfaßten und von dem Humanisten Johannes Meursius ins Lateinische übersetzten Gespräche, die indes auf den Advokaten Nicolas Chorier (1612-1692) zurückgehen und in der Tradition von Pietro Aretinos Gesprächen stehen, gelten als ein Meisterwerk der erotischen Literatur, ein Roman in Dialogform. Er ist in gewähltem Latein geschrieben und kommt ohne schmutzige Wörter aus. Die physischen und sozialen Aspekte des Liebeslebens werden in präziser Form unterhaltsam. Im Laufe der Jahrhunderte erschienen viele Ausgaben und Übersetzungen dieses Werkes, aber die Originalausgabe (um 1660) ist höchst selten - in öffentlichen Sammlungen ist kein Exemplar nachweisbar. Eine ernsthafte literaturwissenschaftliche Untersuchung ist ohne Kenntnis des Originaltextes schwierig. Daher wird die Erstausgabe hier als Faksimiledruck mit einer ausführlichen Einleitung vorgelegt. Der Herausgeber ist Ltd. Bibliotheksdirektor und Privatdozent i.R.

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Inhalt

Vorwort

Die Erstausgabe der Gespräche der Luisa Sigea (Aloysia oder Meursius)

Die Mystifikation des Nicolas Chorier

Pierre Louÿs und die Aloisia Sigea

Liste der frühen lateinischen Ausgaben der Aloisia Sigea

Bibliographie

An den Leser (Monitum Lectori)

Hymne auf Luisa (De laudibus Aloisiae poëmation)

Dichtung zum Lobe von Aloisia

Faksimile der Erstausgabe (um 1658–1660)

Monitum lectori[Pars prima]Colloquium quintumErrataPars altera. Veneres

Vorwort

Der Titel dieser Veröffentlichung mag zu denken geben: „erotische Literatur“? Gibt es so etwas überhaupt noch? Die Frage ist berechtigt – was vor hundert Jahren verboten und verpönt war, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte beschäftigte, Verleger und Buchhändler ins Gefängnis brachte oder an den Rand des Ruins, ist heutzutage allenfalls eine veraltete inhaltliche Charakterisierung. Die ehemals verfemten Schriften sind nun in vielen Taschenbuchausgaben zu finden und fallen vielfach unter die Rubrik „Romantik“. Die veränderte Einstellung zu solchen Büchern zeigt sich auch darin, daß sie nun im Kontext der Sozialgeschichte betrachtet und Gegenstand von wissenschaftlichen Symposien und Untersuchungen werden.

Damit werden auch Fragen, mit denen sich früher einzelne Büchersammler und Sonderlinge befaßten, verallgemeinert, indem die sogenannten Erotica so behandelt werden wie andere Veröffentlichungen, die „Hochliteratur“.

Bei der wissenschaftlichen Erforschung von Publikationen steht notwendigerweise die Bibliographie am Anfang. Nun kann man keineswegs sagen, daß diese Disziplin in Hinsicht auf die erotische Literatur vernachlässigt worden wäre: Es ist erstaunlich, wie viele Verzeichnisse, Listen und Kataloge sich bislang mit der Erfassung und Beschreibung solcher Bücher befaßt haben. Franz Bayer hat in zwei umfänglichen annotierten Darstellungen die Lage skizziert.1 Es sei nur darauf hingewiesen, daß schon im 19. Jahrhundert beachtliche Bibliographien erschienen, so von Jules und Jean Gay (Frankreich, 6 Bände) und Henry Spencer Ashbee (Großbritannien, 3 Bände); in Deutschland erschienen 9 Bände von Hugo Hayn und Alfred N. Gotendorf (1929, allerdings mit vielen [nichterotischen] „Curiosa“), und neuerdings gibt es die vorbildliche Bibliographie des Pariser Buchhändlers Jean-Pierre Dutel (3 Bände). Trotzdem ist auf diesem Gebiet noch viel zu tun: Viele Eintragungen der älteren Verzeichnungen sind eher summarisch, oft ohne Einsicht in konkret vorliegende Exemplare gemacht. Darüber hinaus macht die verständliche Gewohnheit der Verleger, falsche Namen, Titel, Orte und Erscheinungsdaten anzugeben, eine eindeutige Beschreibung schwierig.

Weiterhin sind wegen ständiger Verfolgung zur Sicherung der öffentlichen Moral viele Publikationen selten und gelangten nicht in öffentliche Sammlungen, die meist auf solchen Schund keinen Wert legten. So sind es Ausnahmen, wenn in Paris (Bibliothèque nationale) eine Sondersammlung „Enfer“ (inzwischen aufgelöst) zur Verwahrung solcher destruktiver Literatur angelegt wurde. In London (British Museum Library) gab es ein „Private Case“, streng sekretiert und weitgehend unkatalogisiert; die Sammlung stammte ursprünglich von dem bedeutenden Sammler und Bibliographen Henry Spencer Ashbee und wurde von der Bibliothek nur unter großem Widerstreben als Geschenk akzeptiert, weil man an der wertvollen Don Quijote-Kollektion des Sammlers interessiert war, der aber nur beides zusammen abzugeben bereit war. Aus diesen und anderen Gründen ist also die Quellenlage alles andere als reichlich, die Texttradition ist meist unerforscht. Über zahlreiche Autoren, wenn überhaupt bekannt, gibt es kaum Informationen, die zugrundeliegenden Manuskripte sind nicht erhalten, Verlagsarchive existieren nicht.

Die Texte der veröffentlichten Erotica sind alles andere als „zuverlässig“ – sie galten nicht als Literatur, sondern als dekadenter Zeitvertreib, und meist druckte der Produzent, was ihm in die Hände kam und guten Absatz verhieß. In zahlreichen Fällen stimmt das nicht ganz, denn wenn es zu offensichtliche anstößige Stellen gab, dann wurden die Vorlagen „entschärft“, um der Justiz keinen überzeugenden Grund zum Eingreifen zu bieten. Gelegentlich dürfte auch ein langweiliger Text durch Einstreuen „interessanter Stellen“ attraktiver gemacht worden sein.

Diese kurzen Andeutungen sollen deutlich machen, daß auf dem Gebiet der Erotica meist keine sichere Textgrundlage vorausgesetzt werden kann, also noch viel Arbeit zu leisten ist.

Im Falle des hier in Frage stehenden Klassikers Aloisia Sigaea, über den im Folgenden näherer Aufschluß gegeben wird, meist auf Grund der Arbeiten des Bibliographen und Übersetzers Alcide Bonneau (1836–1904), sind erstaunlich viele Ausgaben erhalten – zum einen weil es sich um ein Werk von literarischer Qualität, in der Tradition von Aretinos Gesprächen, handelt, zum anderen weil die Erstausgabe etwa um 1658–1660 erschienen sein dürfte, also für eine literaturwissenschaftliche Untersuchung Ausgaben aus etwa 350 Jahren zur Verfügung stehen. Die schlechte Nachricht ist, daß die Originalausgabe zwar gelegentlich erwähnt wird, aber nicht zur Verfügung steht – es ist kein Exemplar in öffentlichen Bibliotheken bekannt. Außerdem bestand anhand der wenigen mitgeteilten bibliographischen Daten Unsicherheit, ob es sich bei der angenommenen Erstausgabe auch wirklich um die erste handelte. So teilten der Verleger Isidore Liseux (ein professioneller und zuverlässiger Buchkenner, 1835–1894), der Diplomat und Bibliophile Eduard Grisebach (1845–1906) und der Übersetzer A. Unger mit, sie seien im Besitz dieser seltenen Ausgabe gewesen.

Insofern erscheint es dem Herausgeber sinnvoll, dieses rare Werk, das vor Jahren kurze Zeit in seiner Hand war, allgemein zugänglich zu machen. Der jetzige Verbleib des Buches ist nicht bekannt. Ein Problem dieses Faksimiles besteht darin, daß ein Teil des Scans, womöglich bei einem Computerwechsel, verlorengegangen ist und durch den Scan einer älteren (qualitätsmäßig weniger zufriedenstellenden) Rückvergrößerung ergänzt werden mußte.

Damit dürfte nun endlich eine wichtige Textgrundlage für die Forschung zur Verfügung stehen.

1Selten und gesucht. Bibliographien und ausgewählte Nachschlagewerke zur erotischen Literatur. Bearbeitung der Bibliographie und Auswahl der Illustrationen von Franz Bayer und Karl Ludwig Leonhardt. Stuttgart: Anton Hiersemann 1993. XI, 416 S. (Hiersemanns Bibliographische Handbücher 10.) – Franz Bayer: Nachschlagewerke und Studien zur erotischen Literatur & Kunst. Eine annotierte Bibliographie. Nachträge zu Bayer/Leonhardt, Selten & gesucht (1993). Norderstedt: BoD 2018. 136 S. 4°

Die Erstausgabe der Gespräche der Luisa Sigea (Aloysia oder Meursius)

Aloisiæ \ Sigeæ \ Toletanæ \ Satira Sotadica \ de \ arcanis Amoris \ et Veneris. Aloisia Hispanice scripsit, \ Latinitate donavit Ioannes \ Mevrsius \ V. C. Sine nota, 12°, 6 Bll. Vorspann, 245 S.; Errata, 6 ungez. Seiten. Pars altera, 3 Bll. Vorspann, 111 S.

Aloysia oder Meursius, dieses unbestrittene Hauptwerk der erotischen Literatur, war auf Französisch nur durch eine alberne Parodie bekannt, die Académie des Dames. Dank der französisch-lateinischen Ausgabe, die wir ganz kürzlich gegeben haben2, können nun Liebhaber den Wert dieses Werkes schätzen, eines veritablen Gedichts in Prosa, das, nach dem Ausdruck eines jungen und brillanten Schriftstellers, «in einem Feuerwerk gedrängten, vielfarbigen mit Verzierungen und schillernden Tönen geschmückten Stils, alles was sich die Vorstellungskraft zum bereits genugsam dargestellten Thema der menschlichen Liebkosungen erdenken und zusammenreimen kann, enthält».3

Die Vorbemerkung des Übersetzers4 , die wir unserer Ausgabe vorangestellt haben, erledigt definitiv ein Problem der Literaturgeschichte, das die Bibliographen für unlösbar gehalten hatten: Nicolas Chorier, Advokat des Parlaments von Grenoble, der kluge Historiker der Dauphiné, ist unbestritten der Autor der Aloysia.

Dieser so lange erwarteten Bestimmung der Vaterschaft dieses Buches erlaubt uns ein glücklicher Zufall eine weitere hinzuzufügen, die gleichfalls ihr Interesse hat: die der ersten Originalausgabe dieser berühmten Gespräche. Weder Brunet in seinem hervorragenden Manuel noch der Kenner der Dauphiné, Colomb de Batines, in seinem Moniteur de la Librairie (1842 und 1843), haben diese Ausgabe erwähnt. Wir finden sie schließlich im Supplément au Manuel, veröffentlicht 1878 von P. Deschamps und G. Brunet, aber ohne irgendeine Anmerkung, ohne ein Wort, das ihre Bedeutung hervortreten ließe; sie ist dort einfach zitiert, als sei sie irgendeine andere alte Ausgabe, nach einem Katalog von Libri; man hält sie für holländischer Herkunft und gibt ihr das Datum 1685 ohne jede Begründung (alle Welt weiß, daß die Aloysia erstmals um 1660 erschien).

Im übrigen konnten die Autoren des Supplément au Manuel, die das Libri-Exemplar nicht in Händen hatten, sich nicht aus eigener Anschauung über die Qualität der Ausgabe äußern. Wir wären auch, genau wie sie, im unklaren gewesen, darüber zu befinden. Zum Glück haben wir, in Ermangelung dieses Exemplars, dessen Schicksal wir nicht kennen, ein anderes finden können, das sich jetzt in unserem Besitz befindet und das keinen Zweifel in dieser Hinsicht läßt; es ist offensichtlich die erste Originalausgabe, die Chorier um 1659 oder 1660 veranstaltet hat.

Diejenige, die Brunet, ohne sich festzulegen, als die erste betrachtet, besteht aus 8 Seiten Vorspann, 165 Seiten; pars altera, 78 Seiten. Sie ist also kompakter als unsere, was schon ein Zeichen für einen Nachdruck ist; sie enthält aber überhaupt keine Errata.

Diese Errata von 6 Seiten können nur zum ersten Druck gehören. Die Mehrzahl der angemerkten Fehler geht sicherlich auf schlechtes Lesen des Manuskripts seitens eines Korrektors der Druckerei zurück, der im übrigen genug Latein konnte, denn die gedruckten Wörter sind zu Unrecht lateinisch. Beispiel: curabis, du wirst dich kümmern, statt cubabis, du wirst schlafen; foemina, eine Frau, statt femina, die Schenkel; venire, kommen, statt vænire, bezahlt werden; oculis, Augen, statt osculis, Küssen; capillis, Haare, statt lapillis, Edelsteine; sciens, wissend, statt ciens, stoßend; domum, Haus, statt demum, schließlich; lectum, gelesen, statt lethum, tot; usw. usw.

Die Mehrzahl der Nachdrucke wurde naturgemäß in Holland unternommen, wo die Buchhändler viel sicherer waren als in Frankreich; aber unsere Ausgabe ist, wenn man sie genau ansieht, sicherlich französischen Ursprungs. Ein einziges Detail liefert den Beweis, oder doch ein sehr kräftiges Indiz: es gibt Blatthüter nur am Ende jedes Druckbogens, wie es unsere Drucker gewöhnt sind, während die holländischen Setzer sie ans Ende jedes verso und sogar jeder Seite setzen.

Wir gehen jedoch noch weiter und behaupten ohne Furcht uns zu täuschen, daß diese erste Ausgabe in Lyon gedruckt wurde. Wir haben uns ein anderes Werk des Autors beschafft: Les Recherches du Sieur Chorier sur les antiquités de la ville de Vienne ... A Lyon, et se vendent à Vienne chez Claude Baudrand, 1658, klein-12°, und wir haben festgestellt, daß die Typen des ersten Teils dieses Buches identisch sind mit denen unserer ersten Ausgabe der Aloysia. Es ist naheliegend, daß Chorier, der ein französisches Buch in Lyon drucken ließ, wo sein Protektor Dugué de Bagnols, der Regierungspräsident der Provinz, seinen Sitz hatte, demselben Drucker auch den Druck seiner Gespräche anvertraute.

Diese Originalausgabe muß in einer äußerst beschränkten Anzahl von Exemplaren gedruckt worden sein, denn sie blieb dem Verleger der Ausgabe Lugd. Batav., ex typis Elzevirianis (Paris, collection Barbou) unbekannt, der den Ruf hat, die sorgfältigste Ausgabe der Aloysia geliefert zu haben. Tatsächlich ist der elegante Band von Barbou5 fast genauso inkorrekt wie seine Vorgänger. Ein oder zwei Beispiele dürften genügen um deutlich zu machen, daß der Herausgeber (der gelehrte Moët 6 , wie man sagt) die Originalausgabe von Chorier nicht gehabt hat.

S. 80 (1. Teil) dieser Ausgabe von 1757 liest man: Petulantis esse mulieris sub viro subagitanti cubare et commoveri. Cubare gibt hier keinen vernünftigen Sinn; es muß heißen subare, und das ist genau die Lesart der Originalausgabe. Subare drückt gewisse Bewegungen aus, die denen durch das Verb subagitare entsprechen. Subagitare ist die Sache von Caviceo: subare die von Ottavia. Aber subare findet sich gemeinhin nicht in den Wörterbüchern, und ein alter Drucker, der einen Barbarismus zu lesen glaubte, hatte keine bessere Idee als es in