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In dieser Arbeit erläutert und analysiert der deutsche Historiker Karl Zeumer die Entstehungsgeschichte und die Bedeutung des wohl berühmtesten Gesetzes des deutschen Mittelalters: Der Goldenen Bulle. Zitat aus dem Nachruf auf Karl Zeumer von seinem Schüler Mario Kramer über dieses Werk: „Diese Arbeit ist in ihrer bis ins letzte und kleinste gehenden, peinlich sauberen Ausführung ein echt Zeumersches Werk, selten wohl ist auf eine Quelle so viel liebevolle Sorgfalt verwendet worden wie hier.“ Auch wenn einige der von Zeumer gewonnenen Erkenntnisse teilweise durch die späteren Forschungen revidiert wurden, so bietet die Lektüre dieses Werkes dem an der deutschen Geschichte Interessierten weiterhin eine sehr nutzbringende Lektüre. Inhalt: - Teil 1: Entstehung und Bedeutung der Goldenen Bulle - Teil 2: Text der Goldenen Bulle in Latein und 35 Urkunden zu ihrer Geschichte und Erläuterung.
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Seitenzahl: 646
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2. E-Book-Auflage, April 2014
www.mach-mir-ein-ebook.de, Hamburg
ISBN: 978-3-944309-05-7
Originalausgabe: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908
Cover: Meister der Wenzel-Werkstatt, Anfangsseite einer Handschrift der Goldenen Bulle aus dem Jahr 1400.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Schrift: »DejaVu Serif« und »DejaVu Sans«, Copyright (c) 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc. Diese Schriftart ist unter der DejaVu Fonts License verfügbar.
Erster Teil: Entstehung und Bedeutung der Goldenen Bulle.
Vorwort
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Schriften.
Erstes Kapitel. Inhalt und Ursprung der einzelnen Bestandteile der Goldenen Bulle.
Eingangsverse und Proömium.
Kapitel I und II.
Kapitel III-VI.
Kapitel VII.
Kapitel VIII-XI.
Zusatz zu c. XI.
Kapitel XII.
Kapitel XIII.
Kapitel XIV.
Kapitel XV.
Kapitel XVI.
Kapitel XVII.
Kapitel XVIII und XIX.
Kapitel XX-XXIII.
Kapitel XXIV.
Kapitel XXV.
Kapitel XXVI-XXIX.
Kapitel XXX.
Kapitel XXXI.
Zweites Kapitel. Geschichte der Gesetzgebung auf den Reichstagen zu Nürnberg und Metz.
Drittes Kapitel. Die Bedeutung der Goldenen Bulle.
Exkurs I. Das Schwertträgeramt bis zur Goldenen Bulle.
Exkurs II. Die Anschauungen des 14. und 15. Jahrhunderts über das böhmische Kurrecht.
Anmerkung.
Zweiter Teil: Text der Goldenen Bulle und Urkunden zu ihrer Geschichte und Erläuterung.
Vorwort
Text der Goldenen Bulle
Vorbemerkung.
A. Das Nürnberger Gesetzbuch
B. Die Metzer Gesetze vom 25. Dezember 1356.
1. Wahldekret für Friedrich den Schönen. 1314, Okt. 19.
2. Erklärung Heinrichs von Köln über Wahl und Krönung Friedrichs des Schönen. 1314, Nov. 28.
3. Urkunde Ludwigs d. B. über das Schwertträgeramt. 1340, Sept. 6.
4. Privileg Karls IV. für Trier über das Recht der ersten Stimme. 1346, Nov. 25.
5. Privileg Karls IV. über das Schenkenamt des Königs von Böhmen. 1348, April 7.
6. Hofgerichtsurkunde Karls IV. über ein Kurfürstenweistum, betreffend die kurfürstliche Gerichtshoheit. 1353, Dez. 3.
7. Privileg Karls IV. für Trier über das Recht der ersten Stimme. 1354, Jan. 8.
8. Karls IV. Transsumpt einer Urkunde seines Vaters über die pfälzische Kur. 1354, Mai 22.
9. Privileg Karls IV. für Ruprecht I. über die pfälzische Kur. 1354, Mai 22.
10. Privileg Karls IV. für Rudolf den Älteren über die sächsische Kur. 1355, Okt. 6.
11. Vollmacht Rudolfs des Älteren zu seiner Vertretung auf dem Nürnberger Reichstage. 1355, Okt. 28.
12. Bericht der Straßburger Ratsboten vom Nürnberger Reichstage. 1355, Nov. 29.
13. Karls IV. Privilegienbestätigung für Ludwig den Römer. 1355, Dez. 3.
14. Lehnsrevers Ludwigs des Römers. 1355, Dez. 3.
15. Weistum über ein Recht des Reichsmarschalls. 1355, Dez. 6.
16. Brief Gerlachs von Mainz an zwei päpstliche Kurialen. 1355. Dez. 12.
17. Karls IV. Willebrief zu seiner Urkunde über die pfälzische Kur. 1355, Dez. 27.
18. Privileg Karls IV. für Rudolf den Älteren über die sächsische Kur. 1355, Dez. 29.
19. Urkunde Gerlachs von Mainz über ein Kurfürstenweistum, betreffend die sächsische Kur. 1356, Jan. 2.
20. Urkunde Gerlachs von Mainz über die Rechte des Königs von Böhmen. 1356, Jan. 7.
21. Urkunde Karls IV. über ein Kurfürstenweistum, betreffend die pfälzische Kur. 1356, Jan. 7.
22. Urkunde Rudolfs des Jüngeren über ein Kurfürstenweistum, betreffend die brandenburgische Kur. 1356, Jan. 7.
23. Urkunde Karls IV. über Erhöhung einer Pfandsumme zu Gunsten des Bischofs Johann von Straßburg. 1356, Jan. 7.
24. Urkunde Boemunds von Trier über ein Kurfürstenweistum, betreffend die sächsische Kur. 1356, Jan. 7.
25. Pfalbürgerprivilegien Karls IV. für Johann von Straßburg. 1356, Jan. 8. und 12.
26. Willebriefe Karls IV. und Rudolfs von Sachsen zum Pfalbürgerprivileg vom 12. Januar. 1356, Jan. 12.
27. Privileg Karls IV. für den Erzbischof Wilhelm von Köln. 1356, Jan. 25.
28. Verkündigung des Pfalbürgergesetzes an die Stadt Straßburg. 1356, Febr. 1.
29. Privileg Karls IV. für den Erzbischof Wilhelm von Köln. 1356, Febr. 2.
30. Urkunde Rudolfs des Jüngern über das Kurrecht des Königs von Böhmen. 1356, Dez. 11.
31. Karls IV. sog. Goldene Bulle für Sachsen. 1356, Dez. 27.
32. Erklärung Karls IV. über das Schwertträgeramt für Wenzel von Brabant. 1356, Dez. 27.
33. Pfalbürgerprivileg Karls IV. für Abt Heinrich von Fulda. 1357, Jan. 6.
34. Erklärung Karls IV. über das Schwertträgeramt für Rudolf von Sachsen. 1357, Jan. 7.
35. Privileg Karls IV. über die Gerichtshoheit des Bischofs von Straßburg. 1358, März 3.
Nachträge.
Der erste Teil der vorliegenden Arbeit sollte seiner ursprünglichen Anlage nach ein Kapitel eines größeren Buches bilden, in welchem ich die Geschichte der deutschen Reichsgesetzgebung zu behandeln gedachte. Als ich dann durch meinen Gesundheitszustand gezwungen wurde, den größeren Plan aufzugeben, beschloß ich, das Kapitel über die Goldene Bulle zu einer selbständigen Arbeit auszugestalten, die ein Heft der Quellen und Studien bilden sollte. Ein revidierter Text des Gesetzes sollte nebst wenigen Urkunden als Anhang hinzugefügt werden. Im Verlaufe der Arbeit aber wuchs der Umfang so sehr, daß ich mich zu einer Teilung des Werkes in zwei Teile entschließen mußte, um es dem Rahmen der Quellen und Studien noch einfügen zu können. Der zweite Teil enthält den Text des Gesetzes nebst den notwendigsten Anmerkungen, sowie eine Sammlung von 35 Urkunden zur Geschichte und Erläuterung der Goldenen Bulle. Es wird gleichzeitig mit dem vorliegenden ersten Teile als zweites Heft des zweiten Bandes der Quellen und Studien ausgegeben.
Neben dem selbständigen Zwecke, den meine Arbeit in beiden Teilen verfolgt, hat sie zugleich noch die Bedeutung einer Vorarbeit für die Ausgabe der Konstitutionen Karls IV. in den Monumenta Germaniae historica. Aus diesem Verhältnis aber erwuchs meiner Arbeit reiche Förderung, indem ich die Möglichkeit hatte, nicht nur die Materialien der Monumenta Germaniae in weitem Umfange heranzuziehen, wie sich das namentlich in dem zweiten Teile im einzelnen zeigen wird, sondern auch den Rat und die Hülfe der Mitarbeiter der Monumenta und besonders derjenigen Herren, die an der von mir geleiteten Abteilung tätig sind oder waren, in Anspruch zu nehmen.
Die Hülfe, deren ich in besonders hohem Grade bedarf, ist mir denn auch in reichem Maße und in freundlichster Weise von dieser und anderer Seite zuteil geworden.
Bei der Bearbeitung dieses ersten Teiles haben mich einander ablösend dauernd durch Nachschlagen, Vorlesen, Exzerpieren und sonst mit Rat und Tat unterstützt die Herren Dr. Dr. Fritz Kern, Mario Krammer, Max Rintelen und Karl Rauch. In letzterer Zeit hat mir dann in besonders wirksamer Weise Herr Dr. Richard Salomon bei der endgültigen Redaktion des Manuskripts, und namentlich bei der Abfassung zahlreicher Anmerkungen, zum Teil auch durch ganz selbständige, in meinem Interesse angestellte Nachforschungen in regelmäßiger Mitarbeit zur Seite gestanden. Derselbe hat sich auch der Mühe unterzogen, von fast allen Druckbogen die erste Korrektur mit Manuskript zu lesen, während mein Freund, Herr Archivrat Dr. Robert Arnold, mich in der Beaufsichtigung der Drucklegung vertrat, nachdem er zuvor noch das Manuskript einer Durchsicht unterzogen hatte. Indem ich allen genannten Herren und auch allen denen, die mir außerdem mit Rat und Hülfe beigestanden haben, meinen herzlichsten Dank ausspreche, kann ich nicht umhin in diesen Dank ausdrücklich meine liebe Frau Melanie, geb. Eyßenhardt, einzuschließen, die dieses Werk vom ersten Entwurf bis zur letzten Korrektur mit stets tätiger Hülfe und Sorge begleitet hat, und auf deren Unterstützung allein ich zeitweilig angewiesen war.
Steglitz bei Berlin, den 22. Dezember 1907.
Böhmer-Huber, Regesta Imperii VIII.
H. Friedjung, Kaiser Karl IV. und sein Anteil am geistigen Leben seiner Zeit. Wien 1876.
O. Hahn, Ursprung und Bedeutung der Goldenen Bulle Karls IV. Breslauer Diss. 1902.
O. Harnack, Das Kurfürstenkollegium bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts. Gießen 1883.
Ch. J. Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins. Düsseldorfs 1840-1858.
Ch. Lindner, Das Urkundenwesen Karls IV. Stuttgart 1882.
J. P. Ludewig, Vollständige Erläuterung der Guldenen Bulle, Frankfurt 1716-1719.
Monumenta Germaniae historica, Constitutiones. (MG. Const.)
Monumenta Germaniae historica, Scriptores. (MG. SS.)
E. Nerger, Die Goldene Bulle nach ihrem Ursprung und reichsrechtlichen Inhalt. Göttinger Diss. 1877.
J. D. von Olenschlager, Neue Erläuterung der Guldenen Bulle Kaysers Carls des IV. Frankfurt 1766.
J. D. von Olenschlager, Erläuterte Staatsgeschichte des Römischen Kaiserthums in der Ersten Helfte des Vierzehenden Jahr-Hunderts. Frankfurt 1755.
F. M. Pelzel, Kaiser Karl IV. Prag 1780-81.
E. Reimann, Untersuchung über die Vorlagen und die Abfassung der Goldenen Bulle. Hallische Diss. 1898.
M. G. Schmidt, Die staatsrechtliche Anwendung der Goldenen Bulle. Hallische phil. Diss. 1894.
E. Werunsky, Geschichte Kaiser Karls IV. Innsbruck 1880-92.
Die im zweiten Teile gedruckten Urkunden sind zitiert: Urkunden Nr. 1 usw.
Über Ursprung und Bedeutung des unter dem Namen der Goldenen Bulle bekannten Reichsgesetzes haben in den wesentlichsten Punkten Zweifel nie bestanden. Die ersten 23 Kapitel hat Kaiser Karl IV. am 10. Januar 1356 auf dem Nürnberger Reichstage publiziert und am 25. Dezember desselben Jahres auf einem Reichstage zu Metz noch eine Anzahl ergänzender Kapitel hinzugefügt. Durch dieses bis zum Ende des heiligen römischen Reiches als dessen vornehmstes Fundamentalgesetz anerkannte Gesetz wurde das Recht der Königswahl dauernd festgelegt, die hervorragende Stellung der Kurfürsten gesichert, und das Zeremoniell für die feierliche Repräsentation des Reiches bei den großen Reichsfesten für alle Zeit geordnet. Über diese Punkte hinaus aber herrschten und herrschen im einzelnen viele Zweifel und Dunkelheiten, die auch durch die ziemlich reiche neuere Spezialliteratur über die Goldene Bulle keineswegs völlig behoben sind, wenn auch manche Fragen durch tüchtige Einzeluntersuchungen bereits endgültig gelöst erscheinen. So schien es mir wünschenswert, die Frage nach Ursprung und Bedeutung der Goldenen Bulle noch einmal im Zusammenhange unter Heranziehung des gesamten Quellenmaterials zu untersuchen und die gesicherten Resultate eigener und fremder Forschung in einer größeren Darstellung zusammenzufassen.
Bei der Frage nach dem Ursprung mußten schon aus praktischen Gründen gesondert behandelt werden der Ursprung der einzelnen Bestimmungen des Gesetzes und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes im ganzen. Damit aber ergab sich die Einteilung der nachfolgenden Arbeit von selbst. In einem ersten Kapitel werden die einzelnen Bestandteile des Gesetzes, die einzelnen Kapitel oder die Gruppen zusammengehöriger Kapitel untersucht, ihr Inhalt analysiert, die etwa vorhandenen Quellen und Vorlagen nachgewiesen, und die Geschichte der darin behandelten Institute, soweit das nicht schon anderweit in genügender Weise geschehen ist, bis zur Kodifizierung durch das Gesetz verfolgt. Wenn dabei die Erörterung einzelner Kapitel sich fast zu einem Kommentar gestaltet, so wird dadurch hoffentlich die Forschung gefördert, und die Erörterung mancher vielleicht unwesentlich erscheinender Einzelheiten nicht allzusehr als Ballast empfunden. Das zweite Kapitel bringt dann die Darstellung der Gesetzgebung auf den Reichstagen zu Nürnberg und Metz, soweit sie sich unmittelbar oder mittelbar auf die Goldene Bulle bezog. Dabei finden auch die Fragen der Textgeschichte besondere Berücksichtigung. Das dritte Kapitel erörtert die Bedeutung der Goldenen Bulle, die Ziele und Absichten des Gesetzgebers, die Wirkungen des Gesetzes im allgemeinen und insbesondere seine Bedeutung für die Entwicklung des Rechtes der Königswahl und ihrer Formen.
Bevor wir uns unserer eigentlichen Aufgabe zuwenden, mögen noch einige Bemerkungen und Erörterungen über die uns für die Lösung derselben zu Gebote stehenden Quellen vorausgeschickt werden.
Unsere Hauptquelle für die Entstehungsgeschichte der Goldenen Bulle ist der Text des Gesetzes selbst. Daneben kommen in erster Linie eine Anzahl Urkunden in Betracht, deren Inhalt in Beziehung zu Bestimmungen des Gesetzes steht, und die zum Teil auch Angaben über seine Entstehung und Publikation enthalten.[1] Dazu kommen einzelne Briefe, welche entweder unmittelbar Bezug nehmen auf die Gesetzgebung oder doch Angaben enthalten, die irgendwie für deren Geschichte von Bedeutung sind.
Merkwürdig ist, wie überaus geringfügig die Spuren sind, welche von den Urkunden abgesehen der Akt der Gesetzgebung in den gleichzeitigen Aufzeichnungen hinterlassen hat. Während seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts die Goldene Bulle sich einer schnell steigenden Wertschätzung erfreute, sind die Zeitgenossen fast durchweg achtlos an ihr vorübergegangen. Selbst die auf den Reichstagen, auf denen das Gefetz publiziert wurde, anwesenden Personen scheinen von den bedeutsamen Vorgängen, abgesehen natürlich von den unmittelbar beteiligten Kreisen, kaum etwas gemerkt zu haben. Und wenn wir es vielleicht begreifen daß der Verfasser des gleich näher zu besprechenden Trierer Rechnungsbuches aus seiner Küchenperspektive zum 10. Januar 1356 nur von den vom Erzbischof von Trier zur Tafel geladenen Personen zu berichten weiß, und entsprechend auch zum 25. Dezember zu Metz nur die große Festtafel erwähnt, so muß es doch wundernehmen, daß auch die Städteboten in ihren Berichten von dem Hauptereignis der Reichstage so wenig zu sagen wissen. Gewiß sind viele derartige Korrespondenzen verloren gegangen; doch gibt es auch unter dem überlieferten Material einen deutlichen Beweis für den Mangel an Interesse in diesen Kreisen. In dem kurz nach dem Weihnachtstage 1356 von den Straßburger Ratsboten über diesen Tag erstatteten Bericht[2] wird von allen möglichen Dingen gehandelt, von der großen Zahl der anwesenden Fürsten und Herren, von dem großen Festmahle, bei dem die von den Kurfürsten geübten Erzämter hervorgehoben werden; von der an demselben Tage vollzogenen Publikation des Gesetzes kein Wort! In demselben Schreiben melden die Boten, daß sie ihre Angelegenheit beim Kaiser noch nicht hätten anbringen können wegen der vielen Geschäfte, die er mit den Fürsten zu erledigen hätte. Man scheint demnach hier die Städteboten auch gar nicht zu dem Akte der Publikation herangezogen zu haben, vielleicht, weil es sich in den Metzer Gesetzen nicht mehr um Dinge handelte, die für die Städte von unmittelbarem Interesse waren.
Jedenfalls machen es solche Beobachtungen erklärlich, wenn in noch ferner stehenden Kreisen die Goldene Bulle fast gar nicht beachtet wird. Von den gleichzeitigen chronikalischen Quellen erwähnt nur eine die Nürnberger Gesetzgebung, und zwar in der allerdürftigsten Weise. Es ist das, worauf Th. Lindner hingewiesen hat, Werner von Lüttich.[3] Sonst berichtet über den Nürnberger Tag etwas eingehender Heinrich von Dießenhofen, der jedoch nur von einer damals vereinbarten Landfriedensorganisation zu berichten weiß, nicht aber von unserm Gesetze.[4]
Die hohe Politik, die Regelung der Königswahl und des Rechtes der Kurfürsten interessierte die weiteren Kreise damals offenbar nicht. Dagegen war fast jedermann an der Aufrichtung des Landfriedens mehr oder weniger direkt beteiligt. So fanden von allen Gesetzen allezeit die Landfriedensgesetze das allgemeinste Interesse im Volke; und dieses Interesse war es auch in erster Linie, welches den einzigen gleichzeitigen Chronisten, der etwas näher auf die Goldene Bulle eingeht und ein Exemplar derselben eingesehen hat, Lewold von Northof, zu seinen Mitteilungen bewogen hat. Er spricht in seiner Chronik der Grafen von der Mark von den nützlichen Gesetzen, die Karl IV. zu Metz erlassen habe, und teilt dann aus der Goldenen Bulle das 17. Kapitel mit, welches er wegen der darin enthaltenen Bestimmungen zur Einschränkung der Fehde für besonders heilsam in Anbetracht seiner westfälischen Heimat hält. Wir kommen später noch bei Besprechung der Metzer Gesetzgebung auf die Mitteilung Lewolds zurück.
Eine Quelle von ganz hervorragender Bedeutung für die Geschichte der Reichstage von Nürnberg und Metz und damit für die Entstehungsverhältnisse der Goldenen Bulle ist das bisher freilich nur in einem verkürzten Auszuge gedruckte Rechnungs- und Tagebuch über einige Reisen Erzbischof Boemunds von Trier. Überliefert ist uns dieses Buch nur durch einen kürzeren Auszug und eine vollständigere Bearbeitung des kurtrierischen Geheimschreibers Peter Maier von Regensburg[5], der nach etwa 60jähriger Tätigkeit im Dienste der Erzbischöfe von Trier im Jahre 1542 starb. Die vollständigere Fassung des Rechnungsbuches ist enthalten in dem von Peter Maier im Jahre 1532 mit Benutzung von Urkunden und anderem archivalischem Material verfaßten Huldigungsbuche, dessen Handschrift sich seit 1873 im Staatsarchiv zu Koblenz befindet. Dieser Text, den wir als A bezeichnen, ist noch nicht gedruckt, wird aber demnächst im Neuen Archiv (Bd. 33) durch R. Salomon, dessen Abschrift ich benutze, herausgegeben werden. Eine kürzere Fassung hat Peter Maier einem anderen 1536 geschriebenen Werke, dem schon zu den älteren Beständen des Koblenzer Staatsarchivs gehörenden Ämterbuch, einverleibt. Der hier gegebene Text, den wir als B bezeichnen, ist bereits zweimal gedruckt und zwar in ein und demselben Jahre 1838: das eine Mal nach der Koblenzer Originalhandschrift von H. Beyer[6], das andere Mal von Wittenbach und Müller nach einer späteren Abschrift in der Trierer Stadtbibliothek.[7] Auch in dieser unvollkommneren Gestalt hätte die Quelle eine ganz andere Beachtung verdient, als sie bisher gefunden hat. Ganz vereinzelt sind Angaben aus ihr in der Literatur benutzt. Für die Geschichte der Goldenen Bulle hat Harnack eine Angabe über die Publikation der Metzer Gesetze benutzt, die aber leider gerade zu den wenigen eigenen Zutaten Maiers gehört, während er wie alle andern an den Angaben, welche für die Erläuterung und Entstehungsgeschichte des Gesetzes von wirklicher Bedeutung sind, vorübergeht.
Erst die in das Huldigungsbuch aufgenommenen Mitteilungen lassen den Charakter der Quelle und die Art ihrer Bearbeitung durch Peter Maier genauer erkennen. Es war ein am Hofe Boemunds von Trier während dreier Reisen desselben geführtes Rechnungs- und Tagebuch. Die erste der Reisen ist die Huldigungsfahrt durch das Territorium im Juli 1354, die zweite die zum Nürnberger Reichstage im Dezember 1355 und Januar 1356, die dritte die zum Metzer Tage vom November 1356 bis Januar 1357. Die Eintragungen waren durchweg völlig gleichzeitig und meist von Tag zu Tage fortschreitend aufgezeichnet. Die Sprache war durchaus die lateinische. Wo in A die deutsche Sprache begegnet, handelt es sich um Übersetzung und Bearbeitung oder auch um Zusätze Maiers. Doch hat er auch einzelne Zusätze da, wo es ihm bequemer war, in lateinischer Sprache eingefügt. Den Grundstock der Aufzeichnungen über die beiden uns hier allein interessierenden Reichstagsreisen bildet ein genaues Itinerar mit Angabe der Nachtquartiere, der Anzahl der jeweilig zu verpflegenden Pferde und die periodisch wiederkehrende Angabe über die in gewissen Zeiträumen aufgewendeten Kosten. Gastmähler, welche der Erzbischof gibt, bieten Anlaß, die bei solchen Gelegenheiten gemachten Aufwendungen zu verzeichnen. Es werden aber auch die vornehmsten Gäste namhaft gemacht und ebenso wird vermerkt, wenn und bei wem der Erzbischof zur Tafel geladen ist. So kommt es, daß namentlich die Aufzeichnungen über den Nürnberger Tag fast einem vom Standpunkte der Trierischen Hofhaltung oder speziell der erzbischöflichen Küche aus verfaßten Reichstagsdiarium ähnlich sehen. Das Übermaß der Festlichkeiten bot dem Kaiser, wie unsere Quelle berichtet, Anlaß zum Einschreiten; eine Nachricht, die auf eine Bestimmung in c. XII der Goldenen Bulle und auf eine Stockung in den Vorbereitungen des Nürnberger Gesetzbuches helles Licht fallen läßt. Neben dem fortlaufenden Verzeichnis der Ausgaben für die eigentliche Hofhaltung findet sich am Ende der Nürnberger Reise noch ein Verzeichnis außerordentlicher Ausgaben, welche anscheinend schon in der alten Quelle selbst als extraordinarie (sc. expense) bezeichnet waren, unter denen uns die Zahlungen für den Lehnsempfang an die Hofbeamten und für die Ausfertigung von zwei Privilegien besonders interessieren. Die Notiz über die Zahlung der Lehnstaxe ist von Bedeutung für die Erläuterung des c. XXX. Die Aufzeichnungen über die Gebühren für die Privilegien aber sind bemerkenswert namentlich für die Kritik der Quelle selbst.
Nachdem die Beträge für den Kanzler, den Ingrossator und den Besiegler aufgeführt sind, wird noch ein Posten für die gelbe und schwarze Seide zu den Siegelschnüren verzeichnet, und dann noch 25 Gulden pro bulla aurea. Damit kann natürlich nur ein wirkliches Goldsiegel gemeint sein, und zwar ist es das des Sammelprivilegs für die Trierer Kirche vom 5. Januar 1356.[8] Wenn dann aber weiter hinzugefügt wird: que adhuc habetur in Ehrenbreitstein, so kann dieser Zusatz natürlich nicht vom Verfasser der Vorlage herrühren, sondern erst erheblich später geschrieben sein. Außerdem ist deutlich, daß hier nicht mehr von dem Goldsiegel jenes Privilegs die Rede ist, sondern von dem im erzbischöflichen Archiv zu Ehrenbreitstein befindlichen Exemplar der Goldenen Bulle. Wie hier in einem offenbar nicht dem Texte des Rechnungsbuches angehörigen Satze die Bezeichnung bulla aurea auf das Gesetz bezogen wird, so wird in entsprechender Weise auch noch an einer anderen Stelle, die ebenfalls ihrem Inhalte nach nicht gleichzeitig mit dem Text des Rechnungsbuches sein kann, das Gesetz als aurea bulla bezeichnet. Es ist dies die Stelle, welche von der Publikation der Metzer Gesetze handelt. Sie lautet: illo die sunt promulgate leges auree bulle annexe, que incipiunt: „Si ''quis cum principibus etc. et est 31 capittulum auree bulle. Die Notiz ist auf Grund eines Textes der Goldenen Bulle verfaßt, wie er auf dem Metzer Tage noch nicht vorgelegen haben kann. Das Trierer Exemplar, an das man hier zunächst denken könnte, kann hier nicht benutzt sein, weil es weder die Vorbemerkung vor den Metzer Kapiteln enthält, noch eine Kapitelzählung. Jene Vorbemerkung aber, welche einige der Originalausfertigungen enthalten, und die auch in spätere Abschriften und Drucke übergegangen ist, bildet die Grundlage der ganzen Notiz, und aus ihr sind die Worte sunt promulgate leges direkt herübergenommen. Die Angabe, daß das mit den Anfangsworten zitierte erste Kapitel das 31. der Goldenen Bulle sei, beruht auf einem Irrtum des Verfassers, den wir nicht aufzuklären vermögen, da das Kapitel, wo es überhaupt gezählt wird, stets als c. XXIV beziffert wird. Das aber ergibt die Notiz mit Sicherheit, daß in ihr ein Text des Gesetzes benutzt ist, der auch in den Metzer Zusätzen eine Kapitelzählung enthielt. Solche Texte jedoch hat es unzweifelhaft erst erhebliche Zeit nach dem Metzer Tage gegeben.
Haben wir nun zwei Stellen kennen gelernt, in denen die Bezeichnung aurea bulla auf unser Gesetz bezogen wird, und welche beide sich als spätere Zusätze charakterisieren lassen, so spricht das von vornherein dafür, daß auch die dritte Stelle, in der die Goldene Bulle unter diesem Namen erwähnt wird, eine spätere Zutat ist. Am 10. Januar heißt es in der Quelle: Dominica 10. Ianuarii comederunt cum domino comes Sarepontensis, Galterus frater domini Metensis, dominus de Blaumont, primicerius Metensis, cives Metenses et Virdunenses cum multis. Uff diesen tage hait der romisch keiser in maiestate gesessen und by ime die sehss curfursten sambt andern fursten etc. Daselbst die gulden bulle ussgangen. Hier verrät schon die deutsche Sprache, daß die von der Goldenen Bulle handelnden Worte einen der lateinischen Originaleintragung zum 10. Januar hinzugefügten Zusatz Peter Maiers darstellen. Wäre der Satz vom Verfasser des Rechnungsbuches geschrieben, so wäre er sicher nicht nur lateinisch abgefaßt, sondern auch an der richtigen Stelle eingetragen, d. h. vor der Notiz über das Gastmahl, welches gewiß der Publikation des Gesetzes nicht vorausging, sondern folgte. Endlich ist auch in diesem Satze wie in dem vorher besprochenen die Quelle lediglich der Text des Gesetzbuches selbst. Mit dem so gewonnenen Ergebnis, daß die drei Stellen, in denen das Gesetz mit der uns geläufigen Bezeichnung belegt wird, nicht dem ursprünglichen Texte des Rechnungsbuches angehören können, stimmt nun auch der weitere Umstand, daß die Bezeichnung des Gesetzes als gulden bulle oder aurea bulla zur Zeit, wo es entstand, äußerst unwahrscheinlich und jedenfalls sonst nicht vor dem Ende des 14. Jahrhunderts nachweisbar ist. Daß aber der Urheber aller dieser Interpolationen Peter Maier selbst war, ist kaum zu bezweifeln. Für die deutsche Stelle ist das durch den Dialekt gesichert, und für die Bemerkung über die Metzer Gesetze durch die Erweiterungen, welche er ganz in der Art der ursprünglichen Notiz ihr im Ämterbuche einige Jahre später hat zuteil werden lassen. Ihm als genauem Kenner des erzbischöflichen Archivs zu Ehrenbreitstein ist auch ohne Zweifel der Zusatz über den Aufbewahrungsort des trierischen Exemplars der Goldenen Bulle zuzuschreiben. Von den sonst für unsere Zwecke allenfalls noch in Betracht kommenden Stellen sind als Interpolationen Maiers nur noch die Sätze anzusprechen, welche von der angeblichen Ausübung der erzkanzlerischen Ehrenrechte berichten, soweit sie nach der Goldenen Bulle jedem der Erzkanzler nur in dem Bezirk seines Erzkanzellariates zustanden. Maier nahm offenbar an, daß Boemund zu Metz, welches doch nicht zu seinem Archikanzellariat gehörte, zur Ausübung der erzkanzlerischen Ehrenrechte befugt gewesen sei und diese damals geübt habe, was er dann mit Hilfe der Goldenen Bulle ausmalte.
So stehen wir denn am Schluß unserer Kritik vor dem eigenartigen Ergebnis, daß in der für die Entstehung und Erläuterung der Goldenen Bulle so wichtigen Quelle gerade diejenigen Stellen als wertlos auszuscheiden sind, welche ausdrücklich von dem Gesetze handeln.[9]
Den Eingang der Nürnberger Gesetze ziert eine aus 14 Hexametern bestehende poetische Einleitung, deren größerer Teil aus älteren Dichtern entlehnt ist. Längst war es bekannt[10], daß die größere Hälfte der Verse dem Carmen paschale (I, 60. 61 und 53-59) des britannischen Dichters Cölius Sedulius, der im 5. Jahrhundert schrieb, entstammt. Erst kürzlich aber hat die Entlehnung weiterer Verse H. Christensen nachgewiesen.[11] Er zeigte, daß in den Versen 4 und 5 die Worte
…………… ubi regnat Erinis,Imperat Allecto, leges dictante Megera
dem Anticlaudianus des Philosophen Alanus ab Insulis angehören (lib. VIII, c. III, 24-25, Migne Bd. 210, S. 562 C), und daß in den Versen 3 und 7 sich Reminiszenzen an karolingische Dichtungen finden (Alcuin 48, 5; Dungal I, 4).
In diesen Versen fällt eine Mischung von antik-heidnischen und christlichen Bestandteilen auf, die sich ebenso in dem prosaischen Proömium findet.
Dieses beginnt ganz wie die feierlichen lateinischen Urkunden Karls IV. mit der Invokationsformel, dem Titel des Kaisers und den Worten Ad perpetuam rei memoriam. Dann folgt die Arenga, welche mit Betrachtungen über die Nachteile der Zwietracht für ein Reich beginnt. Die Anfangsworte: Omne regnum in se ipsum divisum desolabitur; nam principes eius facti sunt socii furum, sind auch denjenigen Deutschen, welche niemals die Goldene Bulle gelesen haben, wohlbekannt aus Goethes Wahrheit und Dichtung. Der Dichter erzählt im vierten Buche, wie er als Knabe oft bei dem Schöffen von Olenschlager gewesen sei, als dieser seine auch uns noch so wertvolle Neue Erläuterung der Güldenen Bulle verfaßte. Er habe seine Gewohnheit, die Anfangsworte bedeutender Schriftwerke auswendig zu lernen, auch auf die Goldene Bulle angewandt und so den belehrten Herrn oft überrascht, indem er jene Worte deklamierte. Der kluge Mann habe dann bedenklich den Kopf geschüttelt und besagt: „was müssen das für Zeiten gewesen sein, in welchen der Kaiser auf einer großen Reichsversammlung seinen Fürsten dergleichen Worte ins Gesicht publizieren ließ.“ Olenschlagers Bedenken würden wohl weniger stark gewesen sein, wenn er beachtet hätte, daß diese Worte nichts waren, als ein Zitat aus der Bibel; wie denn auch die folgenden Sätze in gleicher Weise aus Bibelzitaten zusammengestellt sind. Das ist längst bekannt, aber auch in neuerer Zeit nicht immer genügend beachtet worden.
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