Die Göttin des Zufalls - Mathias Bellmann - E-Book

Die Göttin des Zufalls E-Book

Mathias Bellmann

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Beschreibung

In einer Welt, in der Zufall und Schicksal untrennbar verwoben sind, hält die Göttin des Zufalls alle Karten in der Hand. Die Göttin des Zufalls ist ein berührendes Theaterstück, das dich auf eine tiefgründige Reise mitnimmt. Inmitten des Chaos der Welt müssen die Protagonisten ihren Weg finden, geleitet von den Zufällen der Göttin. Dieses polytheistische Theaterstück nimmt dich auf eine Reise durch die verrückten Wendungen des Lebens mit und zeigt dir, wie die kleinsten Zufälle die größten Veränderungen bewirken können.

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Personen

TFH:

Zufallsgöttin

R:

Rapper

V:

Vögler magischer Narr

S:

Seraphina

C:

Cassian

So:

Soldat

A:

Andre

ZS:

Zweiter Soldat

P:

Perthos

Po:

Polizist

AF:

Alte Frau

L:

Lucy

Inhalt

1. Akt: Die Offenbarung der Göttin

2. Akt: Die Zufälle der Freiheit

3. Akt: Zeichen

1. Akt: Die Offenbarung der Göttin

[Mit einem Knall öffnet sich der Vorhang. Trommelwirbel. Dann Stille. Leise Schritte von nackten Füßen. Eine griechische Tänzerin vollführt kunstvolle Tanzschritte. Ihr folgt ein muskulöser griechischer Tänzer, der an die alten Statuen erinnert. Sie umkreisen sich, nähern sich langsam. Schließlich springt sie zu ihm. Er fängt sie auf und hält sie in die Luft. Standbild. Die Tänzer werden abgedunkelt und der Scheinwerfer schwenkt auf eine Frau am Rand.]

TFH: Seid ihr nur gekommen, weil ihr das Gold und den Reichtum aus meinem Füllhorn wollt?

[Stille. Sie geht zum Bühnenrand, sieht sich um, bei einigen Gesichtern bleibt sie hängen]

TFH: Nehmt alles! Nehmt so viel, eure Bankkonten tragen können. Wenn ihr nicht mehr vom Leben als Gold und Reichtum erwartet, dann bin ich eh die falsche Göttin für euch. Dann geht lieber zu den blinden Narren mit ihren Büchern. Aber für die, die mehr wollen. Die wissen, dass da mehr ist. Ein tiefes Geheimnis. Eine Offenbarung. Das Wunder einer Prophezeiung. Die mögen bleiben. Bei mir seid ihr richtig!

[Wieder Stille. Sie gibt den Habgierigen Zeit, zu verschwinden. Lo-Fi Rap kommt plötzlich aus dem Off. Das Licht wird bei TFH abgedunkelt und erscheint am äußerten Rand, wo noch nichts zu sehen ist. Plötzlich taucht jemand auf durch einen Scheinwerferkegel und rappt zu Beats]

R:Yo, Glück und Glück hat, wer die richtige Göttin hat. Sie schafft Chancen und macht wahr, was man sich erträumt. Willst du also Glück im Leben haben, solltest du die Göttin des Zufalls fragen. Denn sie gibt an allen Tagen die Chance, an die, die auf die richtige Art fragen.

[Das Licht geht aus und kurz danach auch die Beats. Licht wieder auf der Göttin]

TFH: Vor langer Zeit habe sie mir auf einer kleinen Insel im Mittelmeer einen Tempel gebaut. Ich war die glücklichste Göttin der Welt. Junge Frauen waren dort jeden Tag und pflegten ihn. Sie pflanzten Blumen und ich schickte ihnen kleine Wunder. Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Tempel immer reicher. Denn sie wussten das Glück, welches ich ihnen schenkte, weise zu nutzen. Dann haben sie im Herzen des Tempels mir zu Ehren eine wunderschöne Statue erbaut und sie mit purem Gold überzogen. Damit begann das Drama.

[Dunkelheit. Trommelschläge. Eine Lyra ertönt, gefolgt von Fanfarenstößen. Dann leichte Tanzmusik. Wieder treten die beiden Tänzer auf. Ausdruckstanz. Sehr körperbetont. Nach einiger Zeit abdunkeln. Stille entstehen lassen. Die Göttin spricht, aber ist nicht sichtbar]

TFH: Ihr Menschen werdet irre beim Anblick des Goldes. Ein Krümmel reicht und ihr entfacht einen Krieg deswegen [Es knallt und am linken Rand explodiert ein Knallkörper], selbst kluge Frauen würden ihren nackten Körper für einen Klumpen dieses goldenen Metalls verkaufen. [Eine Frau stöhnt aus dem Off und scheint orgiastisch zu kommen]

TFH: Weil ihr blind seid für die wahre Schönheit, klammert ihr euch an das funkelnde Metall. [Während sie das sagt, geht das Scheinwerferlicht auf sie an. Die Bühne wird hell. Das Bühnenbild ist ein alter griechischer Tempel] Würdet ihr endlich verstehen, was wir Götter euch seit Äonen versuchen zu sagen, dann würdet ihr längst alle im Paradies leben.

[TFH lässt sich auf eine römische Sitzliege sinken und wirft den Kopf in den Nacken. Am Rand der Bühne guckt eine Art Vogelmensch aufs Publikum. Im nächsten Moment springt er auf die Bühne. Er geht merkwürdig und stolziert mehr wie ein Vogel. Langsam schleicht er sich an die Göttin heran, die immer noch verzweifelt ihren Kopf nach hinten auf die Liege des römischen Sofas gelehnt hat]

V: Gott sein, ist schwer und Göttin sein noch mehr. Glaubt nicht, dass wir Menschen es schwerer haben, auch ich nicht mit meinem Flügelfell. Die Göttin sehnt sich nach uns in Harmonie, aber sie verzweifelt immerzu, weil wir uns wie Kleinkinder benehmen. Das ist schwer zu ertragen. Schwer. Sehr schwer.

TFH: Du närrischer Vogel, was weißt du schon von uns Göttlichen? [Fragt die Göttin, aber wendet sich ab, als ob sie an einer Antwort nicht interessiert ist]

V: Sie ist gestresst von euch [Läuft zum Publikum, geht ganz nah an Einzelne ran und starrt sie für einen Moment irre an], weil ihr so oberflächlich seid und für den kleinsten Scheiß eure Ideale verratet!

TFH: Wenn es nur das wäre …

V: Seht die Göttin Menschen! Seht sie als Symbol. Seht sie als Vertreterin für die vielen. Denn ihr alle wisst es. Die Zeichen der Götter sind von der Erde verschwunden. Nur wenn ihr die alten Texte und Inschriften lest, erfahrt ihr noch, wie es ist, mit den Götter zusammenzuleben. Manche glauben schon, es hat sie nie gegeben und eure Vorfahren hätten einfach nur zu viele Halluzinogene konsumiert oder sich in einer kollektiven Hypnose selbst verarscht. Nichts könnte ferner der Wahrheit liegen. Nichts könnte falscher sein. Nichts wäre ein größerer Trugschluss. In der alten Zeit lebten die Menschen mit den Göttern und Göttinnen in Einklang. Ihr Leben war eine Symbiose. Aber sie sind weg.

[Trommelschlag und Knall, gern Feuerwerkseffekte an der Decke]

V: Sie sind weg, weil ihr sie enttäuscht habt. Begreift das! Hört die Wahrheit und vergesst sie nie mehr. Ihr Menschen seid in den Augen der Götter eine Enttäuschung. Eure Habgier. Eure Feigheit. Eure Notgeilheit. All das stößt sie ab. Sie finden euch eklig und deshalb sind sie weg. Aber es war nicht immer so …

[Es wird dunkel. Scheinwerfer leuchtet am anderen Rand der Bühne einen Bereich aus. Zwei Menschen sind dort mit dunkler Haut, langen schwarzen Haaren, mit Fell als Kleidung und sie sitzen auf dem Boden und schaben einige Fellreste aus und bessern die Spitze eines Speeres aus. Die Szene bleibt einige Momente auf die Frühmenschen gerichtet. Dann wird es wieder dunkel und der Scheinwerfer richtet sich wieder auf den Vögler]

V: Seht, damals waren sie immer da und sie waren immer bereit, euch zu helfen. Denn sie liebten euch. Wirklich, sie liebten euch und ich hoffe, ihr habt das Präteritum gehört. Denn es ist ein Teil der Vergangenheit.

[TFH springt auf und stößt den Vögler zur Seite, verzweifelt geht sie zum Rand der Bühne]

TFH: Ich wünschte, ihr wäret noch die Alten oder ihr hättet noch das Herz am rechten Fleck. Aber ihr seid kalt, außer es geht um Geld, Sex oder Ruhm. Früher hielten eure Familien zusammen und eure Freundschaften hielten ein Leben lang. Heute verstoßen Kinder ihre Eltern, kaum dass sie in der Pubertät sind und träumen von dem Tag, an dem sie ausziehen und nie wieder heimkehren. Eure Freundschaften sind so zerbrechlich wie Sektgläser. Wisst ihr, wie schnell diese kleinen Sektgläser zerbrechen? Ihr seid nicht nur korrupt und oberflächlich, eure ganze Gesellschaft ist unfähig zu tiefen Beziehungen geworden. Also warum sollte ich mich auf euch einlassen, wo ich doch nie weiß, ob ihr schon morgen alles, was wir hatten, wegschmeißt, als wäre es nie dagewesen?

[Vögler drängelt sich an ihr vorbei, stützt sie, als ob sie ohnmächtig werden würde und bringt sie zu den Stufen des Tempels]

V: Die Göttin ist so zart. Nicht alle Götter sind so. Aber sie hat ein gutes Herz. Wann immer einer Glück braucht und wirklich an sie glaubt, dann segnet sie ihn und das Glück wird ihm folgen. Aber sie ist enttäuscht, für welche unnützen Dinge sie es missbrauchen.

Glaubt mir! Denn es ist wahr. Die meisten Götter haben sich von euch abgewendet. Sie ekeln sich vor euch. Zwar habt ihr jetzt diese tollen Geräte und riesigen Städte, aber das ist nicht das, was sie einst an euch liebten. Ihr hattet Herz und ihr hattet Mut. Das faszinierte sie. Ihr wart für eure Familie da und hättet euch jedem wilden Tier und jeder Armee in den Weg gestellt, um sie zu retten. Aber heute lasst ihr euch selbst bei der kleinsten Kleinigkeit im Stich, als ob eure Familien nur genetische Kühlschränke wären. Dabei ist es der Zufall, der euch in diese Familie geführt hat und der Zufall ist immer ein göttliches Werk. Denn sie ist die Göttin, die für euch da ist.

[Dreht sich nach dem letzten Satz um und zeigt mit offener Handgeste auf die Göttin. Licht über ihm wird dunkel und leuchtet zu ihr, sie sitzt an den Stufen des Tempels und hält ein Rad in der Hand]

TFH: Geld oder kein Geld! Das ist doch das, was ihr alle wollt! Ihr wollt Geld. Ihr braucht Geld. Geld ist wie euer Blut. Darum braucht ihr mich. Denn mein ist die Macht über Gewinn und Verlust. Darum betet ihr zu mir. Denn Geld ist der Zündstoff eures Motors.

[Dreht das Rad und lässt es in der Hand kreisen, Vögler steht am Rand der Bühne]

V: Stimmt es? Seid ihr nur wegen des Geldes hier? Zumindest seid ihr klug. Denn welche Macht ist sonst verantwortlich für Gewinn und Verlust? Nur, wenn ihr zu ihr betet, könnt ihr euer finanzielles Glück steigern. Also betet. Betet zur Göttin des Glücks. Betet um euer Geld. Glaubt mir, wer auch immer Glück hatte und guten Gewinn machte, machte es wegen ihres Segens. Also betet. Zögert nicht! Werft euch zu Boden und betet für euren Reichtum.

TFH: Hinweg du Narr. Ich will mehr sein. Geld ist schön, aber das Schicksal ist die wahre Macht der Erde. Jeder trägt es in sich, aber wie viele verschlafen ihr Schicksal und sterben, ohne es erfüllt zu haben?!

V: Zu viele!

TFH: Viel zu viele. Viel zu viele werden geboren und ihnen wird ein großes Schicksal in die Wiege gelegt, aber sie werden es nie nutzen. Sie sind faul, oder vielmehr noch, sie sind selbstmitleidig und drücken sich vor den Prüfungen des Lebens.

V: Niemand kann zu jemandem werden, der sich nicht den Herausforderungen stellt. Feiglinge werden von den Haifischen der Weltmeere verschlungen.

TFH: Lass es Narr. Es lohnt sich nicht. Sie sehen uns nicht, weil sie blind sind. Ihre Ahnen sahen, aber sie sind blind geworden. Dabei haben sie alle ein drittes Auge.

V: Tyche, wovon redest du?

TFH: Über tausend Generationen haben sie mit uns gelebt. Sie haben ihren Nachfahren die Gabe vererbt. Der Gott des Buches hat versucht, diese Gabe auszurotten. Aber das ist unmöglich. Jeder Mensch hat die magische Gabe, um mit unserer Welt in Verbindung zu treten.

V: Warum tun sie es nicht?

TFH: Das ist die Tragik. Sie lassen ihre magische Gabe verkümmern.

V: Das klingt, als wären sie behindert.

TFH: Es ist schlimmer. [Steht auf, hebt einen Arm und malt etwas mit der offenen Hand in die Luft] Wer sein spirituelles Herz verkümmern lässt, der wird zu einem platten Charakter.

V: Platt wie ein Flunder?

TFH: Lass deine Witze, sonst möge dich mein Zorn treffen.

V: Verzeiht mir Göttin. Erklärt mir bitte, was das spirituelle Herz ist?

TFH: Das spirituelle Herz war es einst, was die ersten Menschen spüren ließ, dass wir da sind. Wir lebten so lange Seite an Seite und streiften durch die Weiten dieser Welt. Aber dann wurden sie blind.

V: Wann war das?

TFH: Diese elenden Bücher sind schuld. Sie tauchten in die Welten der Seiten ein und wurden blind für die Welt, die wirklich existiert.

V: Narren!

TFH: Narren sind Dummköpfe, aber diese Irren haben fast den ganzen Planeten in Schutt und Asche gelegt.

V: Wer blind ist für die Wahrheit, wird im Wahn sein eigenes Haus niederbrennen.

TFH: Es brennt noch immer.

V: Lichterloh.

TFH: Ach, wäre ich froh, die Alten wiederzusehen. Sie zogen durch die Steppen und Wälder. Ihr Leben war hart und rau, aber sie waren glücklich, ehrlich und konnten mit ihren Augen sehen.

V: In dieser blinden Welt heute findet man keine Sehenden mehr.

TFH: Es gibt sie. Sie sind wenige. Rar gesät wie reine Diamanten ohne Einschlüsse.

V: Wer? Wo?

TFH: Dieses Geheimnis müssen wir bewahren, denn die blinden Irren hassen nichts mehr als Menschen, die die Wahrheit sehen können. Sie fürchten sie, weil sie der Beweis sind, dass ihre ganze Welt eine Lüge ist.

V: Ein einstürzender Lügenpalast …

TFH: Selbst die wilden Tiere in den Steppen sehen wahrer als die blinden Städter. Oh, wie ich es liebe, mit den letzten wilden Löwen zu tollen [Löwengebrüll aus dem Off]

V: [Geht zum Bühnenrand] Ist sie nicht die Löwengleiche? Ich wünschte, ihr würdet sie nicht so verzweifeln lassen mit eurer Blindheit für die Göttlichkeit. Oder ist ein Sehender hier? [Guckt ins Publikum. Bleibt bei einigen Gesichtern kurz hängen]

TFH: Jeder von ihnen könnte sehen, aber um die Wahrheit zu sehen, müssten sie aufhören, nur an ihr Geld zu denken.

V: Oh, sie kommt zum Geld.

TFH: Narr, werd nicht frech. Sonst rufe ich den Gott des Donners, dass er mir einen Blitz schickt, um dich zu grillen. Ich habe nichts gegen Geld, aber es betäubt die Augen der Menschen. Es wirkt wie Scheuklappen bei Pferden. Sie sehen dann nichts anderes mehr. [Ein Diener erscheint und bringt der Göttin ihr Füllhorn]

V: Sie liebt das Geld, sagt sie und es stimmt. Menschen verehren sie wegen des Geldes, das ihr Glück mit sich bringt.

TFH: Warum auch nicht. Ich will das sie gewinnen. Zu gewinnen ist schön. Zu gewinnen macht Spaß. Ich will, dass sie gewinnen. Immerzu. Ich will, dass sie feiern. Warum auch nicht?

V: Aber worüber beschwerst du dich dann?

TFH: Über ihre Blindheit!

V: Ja, sie sind blind. Aber was sehen sie nicht?

TFH: