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Pflicht und Anstand, Vernunft und Moral, Eigenständigkeit und Freiheit, Inbrunst und Sünde. Im Angesicht eines größenwahnsinnigen Himmelfahrtskommandos ihrer Familie muss sich eine junge Mafiosa entscheiden. Denn zwei Welten kollidieren hier miteinander - ihr tiefstes Inneres ist nicht zwiegespalten, es ist gebrochen. "Du denkst, ich sei herzlos - aber in einer Welt voller Menschen, die ohne Herzen wandeln, kann man nicht herzlos sein."
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Seitenzahl: 210
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Anmerkung
Dramatis personae – Schauplätze
Erster Akt: Exposition
Zweiter Akt: Havarie
Dritter Akt: Gipfelfall
Vierter Akt: Sturm und Drang
Fünfter Akt: Endspiel und Epilog
Anhang
Dieses Werk hat viele Tragödien – aber nur eine ist wahrhaftig.
Donatella della Rovere – Donna Tella genannt
Paullanna della Rovere – Donna Lanna genannt
Genoveffa della Rovere – Donna Veffa genannt
Hector von Döber – guter Bekannter Donna Tellas
Pedro Ponce della Rovere – Onkel der Rovere-Schwestern
Limbo Leontes della Rovere – Onkel der Rovere-Schwestern
Geltrude della Rovere – Gattin Limbos
Massimo della Rovere – Sohn von Limbo und Geltrude
Salvatore Cutrera – Vertreter der Corleone Familie
Melchiorre Esposito – Clanoberhaupt der Ferraris
Taddeo Tudor Tedesco – Clanoberhaupt der Casagrande
Julia Maria Tedesco – Gattin Taddeos
Ignazio Tedesco – Sohn von Taddeo und Julia
Salvatrice Maria Montanari – Clanoberhaupt der Montanaris
Busco – Leibwächter von Salvatrice
Cusco – Leibwächter von Salvatrice
Tancredi Volpi – Consigliere der Picciotteria
Benito Amilcare Andrea Mussolini – Patenkind von Donna Tella
Augusta Clavica Mussolini – Tante von Benito und
Oberhaupt der Mussolini Familie
Aghatella di Moro – Oberhaupt der di Moro Familie
Victor di Moro – Gatte von Aghatella
Geronimo di Moro – Sohn von Aghatella und Victor
Banco Bonaventure della Rovere, Conte – Vater von Tella,
Veffa und Lanna und Oberhaupt der Roverefamilie; Contes
Banco genannt
Nena della Rovere, geb. Brehtal – Gräfinwitwe und Mutter
von Pedro, Banco, Limbo
Huarte – Hauswirt des Schlosses
Dorotea – Hausdame des Schlosses
und andere Bedienstete
Ort: Graubünden, Schweiz. Nähere Umgebung: Mafia-Hochburg Schloss Anselm in den alpinen Gebirgen. Das Schloss ist eingeteilt in Nord-, Süd- und Ostflügel. Der Nordflügel führt an ein steiles Hochgebirge, der Südflügel umgekehrt zum Hang. Den Westflügel bilden das Entrée und der davorliegende Park. Folgende Schauplätze werden im Drama benutzt:
Entrée
Eine lange Eingangshalle.
Saal der Tafelrunde
Speisesaal
Großer Saal mit mehreren aneinandergereihten Tischen, die zusammen einen langen Tisch bilden. Ansonsten nur Blumendekorationen.
Ballsaal
Größter Saal des Hauses – Podium, Tanzfläche und Rundtische darum.
Herrensalon
Gesellschaftszimmer mit schwarzdunklem Mobiliar. Viele Wandregale mit Büchern gefüllt, in der Mitte des Salons ein Billardtisch, zwei Sessel und ein Diwan.
Damensalon
Gesellschaftszimmer mit hellem Mobiliar. Viele mit Büchern gefüllte Wandregale, in der Mitte des Salons zwei Sessel und eine Ottomane.
Büro des Mafiafürsten
Schließt an die Gemächer des Mafiafürsten an. Ein nach Osten ausgerichtetes Büro à la Mafiaboss. Dunkelfarbiges Mahagonimobiliar. Ein Arbeitstisch (Bureau) steht vor dem hohen Fenster, dazwischen ein großer Sessel. Zwei Stühle stehen vor dem Tisch. An den Wänden sind mit dunkelumschlägigen Büchern befüllte Regale.
Badezimmer im zweiten Stock
Weniger pompöses und eher kleines Badezimmer mit einem Lavabo, einem Spiegel darüber, und einer Toilette.
Zimmer 105
Gemach von Donatella della Rovere. Ein großer Raum mit anschließendem Badezimmer. Mittig steht ein großes Himmelbett. Ansonsten stehen Bücherregale und ein Sekretär gegenüber dem Bett.
Zimmer 209
Treppenhaus im Südflügel
Gewöhnliches Treppenhaus im Anselm-Stil mit Wendeltreppe. Das Treppenhaus im Südflügel hat Anschluss zu allen Stockwerken inklusive Kerker und Abendterrasse.
Abendterrasse
Südliches Plateau im Freien. Bestückt mitverschiedenen Broderien,
Topfpflanzen und Sitzbänken. Morgens kann man den
Sonnenaufgang, abends den Sonnenuntergang betrachten.
Geheime Bibliothek im ersten Stock
Bibliothek im Südflügel des Schlosses. Über einen verschiebbaren Wandschrank betretbar. Gegenüber den hohen Fenstern, die gen Horizont schauen, stehen Regale mit akribisch geordneten Büchern.
In der Mitte des Zimmers, auf dessen Decke ein bescheidener Kronleuchter hinunterhängt, stehen ein runder Tisch, auf dem ein Bauplan jedes einzelnen Stockwerks ausgebreitet liegt, und drei hölzerne Stühle am Tisch. An den Wänden zwischen den Fenstern hängen Portraits unbekannter Persönlichkeiten und ungenaue Darstellungen von Weltereignissen. Ein hoher Tresor steht in einer Ecke zwischen zwei Bücherregalen.
Park vor dem Entrée
Broderiegarten im Versailles-Stil. Verbindet die Seilbahnanlegestelle mit der Entrée-Halle.
Seilbahnanlegestelle
Kleines Gebäude am westlichsten Eckpunkt Anselms. Hier legen die Seilbahnen an. Einziger Ein- und Ausgang.
Verschiedene Flure des Schlosses
Meistens bestückt mit Kommoden, Chiffonnieren und hängenden Gemälden und Porträts.
Schauplatz: Geheime Bibliothek im ersten Stock. Tella, Veffa und Donna Geltrude stehen um den Tisch, Don Limbo, etwas auf einen Bauplan kritzelnd, und Hauswirt sitzen auf Stühlen.
DONNA GELTRUDE: Also machen wir es im großen Saal?
DON LIMBO: An der Tafelrunde soll es geschehen. Wenn alle beisammen sind. Es muss schnell und ohne Probleme ablaufen.
TELLA: Wann werden sie eintreffen, unsere Gäste?
DON LIMBO: Heute Abend. Und wir werden sie herzlich empfangen.
VEFFA: Glaubt ihr nicht, dass es etwas zu offensichtlich ist?
DONNA GELTRUDE: Die Versammlung?
VEFFA: Ja, schließlich geht es um den Fortbestand der Clans.
Die Oberhäupter sind nicht dumm; sie werden ahnen, dass wir etwas vor haben mit diesem Treffen.
DON LIMBO: Das sollen sie auch. Wenn sie erst einmal glauben, vorsichtig sein zu müssen, was sie auch ohnehin sein werden, sind unsere Vorhaben umso legitimer.
DONNA GELTRUDE: Seit mehr als einem Jahrzehnt gab es keinen Anführer unter uns. Das soll sich ändern.
DON LIMBO: Zeiten ändern sich, Freunde. Und wenn wir es nicht schaffen, friedlich zu koexistieren unter einem Banner, werden wir von allen Landkarten gestrichen.
TELLA: Gemeinsam überleben oder den Rest eliminieren.
DON LIMBO: So ist es.
Don Pedro und Salvatore Cutrera treten ein.
DON PEDRO: Dies ist die einzige Regel, die in unserem Leben als Mafia wahrhaftig ist.
DONNA GELTRUDE: Pedro, was macht Signore Cutrera hier?
CUTRERA: Verzeiht mein unerlaubtes Eindringen. Ich hielt es für nützlich, mit meinen Fähigkeiten einen Beitrag zu leisten für die Wiederherstellung der Union.
DON PEDRO: Mach dir keine Sorgen, Geltrude. Salvatore ist auf unserer Seite, wir haben uns abgesprochen. Er wird uns sicher eine große Hilfe sein.
DON LIMBO: Dann ist Corleone dabei?
CUTRERA: Mit Blut und Stahl.
TELLA: nimmt den Bauplan für das Erdgeschoss Die Runde ist groß, alle werden Platz haben. Sind wir uns einig, wer neben wem sitzen wird?
DON LIMBO: Das werden wir jetzt besprechen. Pedro, hast du die fehlenden Portfolios?
DON PEDRO: legt Dokumente auf den Tisch DON LIMBO: Gut. Huarte, bringen Sie die anderen.
Hausmeister steht auf, geht zu einem Chiffonnier und holt Akten heraus.
CUTRERA: Don Pedro hat mir ein wenig über euren Plan erzählt. Wo genau plant ihr, in eurem großen Schlösslein, unsere Familien zu versammeln?
DON LIMBO: Im großen Saal hinter dem Entrée.
CUTRERA: Dann passiert es dort?
DONNA GELTRUDE: zu Don Limbo Ich bin mir nicht sicher, ob wir Cutrera vertrauen können.
DON LIMBO: Lass das meine Sorge sein.
CUTRERA: Wenn Sie möchten, Donna Geltrude, gehe ich und halte meinen Mund, was diese Sache hier angeht, geschlossen.
DON LIMBO: Nein, wenn Sie schon hier sind, gibt es kein Zurück mehr.
Hausmeister legt Akten auf den Tisch.
DON LIMBO: Nun gut, legen wir mit den Clans los.
Alle rücken näher an den Tisch.
DON PEDRO: öffnet eine Akte Als erstes nehmen wir uns Melchiorre Esposito vor. Er führt die Ferraris an, eine unbedeutende, mickrige Gesellschaft mit Hauptquartier in Sardinien. Sie bevorzugen Bilanzfälschungen und Bankraube – sind eher leise unterwegs.
TELLA: Ich habe ein perfektes Druckmittel, was Esposito angeht. Seine Tochter leidet an einer schweren Krankheit; Medikamente für ihre Genesung sind schwer zu bekommen.
DON LIMBO: Dann ist Clan Ferrari unser.
CUTRERA: Mir ist bewusst, dass wir die Mafia sind, aber so brutal ging ich bisher nie vor.
TELLA: Willkommen bei Rovere, Signore.
DON LIMBO: Als nächstes hätten wir Tedesco.
DONNA GELTRUDE: Taddeo Tedesco ist Oberhaupt des Clans Casagrande. Sie besitzen hohes Ansehen in Sizilien, Montecarlo und in der Schweiz.
DON LIMBO: Ihr Fachbereich liegt auf Erpressung, Korruption des Bankwesens und großflächigen Raubzügen – die eher exquisiten Jobs.
CUTRERA: Auf meinem Kopf liegen drei Kopfgelder von der Casagrande.
VEFFA: Was haben Sie angestellt?
CUTRERA: Ich habe mit Tedescos Ehefrau eine Nacht geteilt.
DON LIMBO: Mhm. Zurück zum Wesentlichen. Taddeo Tedesco ist ein dicker Geldsack, der sich schwer zu öffnen und schwer zu tragen lässt. Wir brauchen schwere Geschütze, wenn wir ihn auf unsere Seite ziehen wollen.
CUTRERA: Wenn es hilft, könnte ich einfach meinen Kopf im Gegenzug zu Tedescos Unterschrift anbieten.
DON PEDRO: Taddeo wird mehr verlangen.
DONNA GELTRUDE: Vielleicht lässt es sich mit ihm verhandeln.
DON LIMBO: Kommen wir später nochmal auf die Casagrande zurück. Noch schwieriger wird es nämlich, die Montanaris zu überzeugen.
DONNA GELTRUDE: Es würde auch reichen, sie zu überreden.
DON LIMBO: Selbst das ist kompliziert. Ihre Anführerin ist Salvatrice Maria Montanari, sie ist die Enkeltochter des Urvaters Villano Hettore Montanari, der den Clan gegründet hat. Die Montanaris sind geübte Assassinen, nur an Aufträgen interessiert, bei denen Blut vergossen wird.
DON PEDRO: Ich sage euch, diese Salvatrice ist eine Hure.
DON LIMBO: Montanari wird womöglich eine Leibgarde dabeihaben, also wird es nicht möglich sein, sie zu erpressen.
TELLA: Ich habe einen Freund aus Kindertagen hierher eingeladen, der uns eine große Hilfe sein könnte.
VEFFA: Ist es dieser Hector?
TELLA: Genau. Montanari hat keine Kinder, Hector ist ihr Neffe und damit einziger Nachfahre. Ich könnte ihn überzeugen, seine Tante zu überzeugen.
DON LIMBO: Und du hast sicher deine Mittel, wie du das anstellst?
TELLA: Natürlich.
DON PEDRO: Hoffen wir, dass es ausreicht.
DON LIMBO: Hoffen dürfen wir nicht – Versuchen und Machen werden uns nur helfen. Kommen wir zu den Familien.
DONNA GELTRUDE: Familie Corleone sieht Cutrera an CUTRERA: Wie bereits gesagt, ich versichere euch die volle Unterstützung meiner Familie – finanziell und militärisch.
DON LIMBO: Die Mussolini Familie sollte uns immer noch unterstützen.
TELLA: Das tut sie. Der kleine Benito ist mein Patenkind.
CUTRERA: Das ist interessant.
DON LIMBO: Dann blieben nur noch die Moros. Veffa, hast du etwas herausgefunden?
VEFFA: Sie werden beide kommen, die Ehefrau und der Ehemann. Ihr Sohn, Geronimo, begleitet sie ebenfalls. Die Frau, Aghatella, ist der Kopf der Schlange und sie ist nicht einfach zu überzeugen.
DON PEDRO: Sollten wir es schaffen, diese Montanari zu uns zu ziehen, wird es uns auch bei den di Moros gelingen.
VEFFA: Es heißt, die Moros hätten Kontakte in den Reihen des Königs.
DON LIMBO: Der König macht uns keine Sorgen.
DON PEDRO: Vielmehr die Tatsache, dass beide Oberhäupter nicht getötet werden dürfen.
CUTRERA: Was? Ihr habt vor, jemanden zu töten? Ich dachte, diese Versammlung soll die Mafias vereinigen.
DON LIMBO: Das soll sie auch. Doch sollte etwas nicht so laufen, wie es geplant ist, dann haben wir auch weitere Möglichkeiten, um einen Ausweg zu finden.
CUTRERA: Und dieser Ausweg ist – so nehme ich an – nur den Roveres vorteilhaft?
TELLA: Und den Corleonesi, wenn Sie wirklich dabei sind, Signore Cutrera.
DONNA GELTRUDE: Wie steht es nun um die Casagrande und Tedesco?
DON LIMBO: Tella, Veffa, der Sohn von Tedesco wird an der Versammlung teilnehmen. Vielleicht könnt ihr euren Charme benutzen und ihn in die richtige Richtung versetzen, wäre das möglich?
TELLA: Veffa, könntest du das übernehmen? Ich habe schon Hector am Hals.
VEFFA: Mit größtem Vergnügen.
DON LIMBO: Sollte sich alles am Ende als erfolgreich feststellen, haben wir nicht nur alle Clans vereint, sondern die Macht der Familie Rovere… und Corleone, auf lange Dauer gesichert.
DON PEDRO: Und wieso komme ich zu der Annahme, dass du dich zum Mafiafürsten erhebst?
DON LIMBO: Das ist selbsterklärend: Ich habe schließlich diesen Plan entworfen und die Clans und Familien eingeladen.
DONNA GELTRUDE: Die Clans und Familien habe ich eingeladen.
TELLA UND VEFFA: Und wir haben dir mit dem Plan geholfen.
DON PEDRO: geht zu Limbo und tätschelt ihm die Schulter Wir werden noch sehen, wer sich als würdig erweist, Fürst der Mafiaunion zu werden.
DON LIMBO: Natürlich, natürlich.
CUTRERA: Wenn Sie beide antreten, könnte theoretisch auch Salvatore Cutrera antreten, nicht?
LIMBO, PEDRO, GELTRUDE, VEFFA UND TELLA: Nein.
CUTRERA: Schon gut. Aber – wenn ich mir das anmerken darf -, es fehlt doch noch ein Clan, habe ich nicht recht?
TELLA: Die Picciotteria.
CUTRERA: Genau.
DON PEDRO: Die Picciotteria hat unsere Einladung nicht angenommen – sie hat sie bespuckt und mit Füßen betreten.
DON LIMBO: Die künftige Union wird ihre Streitmacht versammeln und diesen abtrünnigen Clan ein für alle Mal liquidieren.
CUTRERA: Ach… ich verstehe.
DONNA GELTRUDE: Unser Plan ist bereit für seine Ausführung.
DON LIMBO: Unsere Gäste werden in Bälde eintreffen.
Sorgen wir dafür, dass das Ambiente einladend und gemütlich wirkt – wir schließen schließlich Frieden, da sollte nichts nach Weltkrieg aussehen.
CUTRERA: A propos Weltkrieg. Wenn Don Limbo dieses Thema schon anspricht-TELLA: Der Weltkrieg ist erstmal Nebensache, Signore Cutrera. Konzentrieren wir unser Augenmerk auf die Gegenwart.
CUTRERA: Natürlich, natürlich.
DON LIMBO: Tella, Veffa, könntet ihr in den Keller gehen und nachsehen, wie es mit dem Essen steht? Unsere Köche müssten die Öfen schon angestellt haben.
TELLA: Sicher.
DON LIMBO: Geltrude, siehe bitte nochmal im Arsenal nach, ob nichts fehlt.
DONNA GELTRUDE: Soll ich den Nachschub von draußen bringen?
DON LIMBO: Ich glaube, dass wir den nicht brauchen werden. Pedro, könntest du Don Salvatore in unseren Notfallplan einweisen? Nicht, dass er am Ende noch bluten wird.
CUTRERA: Aha… DON PEDRO: Eine Waffe geben wir dir aber nicht, klar.
CUTRERA: Nun, ich kam auch nicht mit der Absicht hierher, jemanden zu erschießen.
DON LIMBO: Huarte, könnten Sie mit der Seilbahn ins Tal hinunterfahren und dort unsere Gäste begleiten?
HAUSMEISTER: Natürlich.
DON LIMBO: Gut, wir haben alle eine Aufgabe, also los! Zeit darf nicht vergeudet werden.
Schauplatz: Treppenhaus im Südflügel. Tella und Veffa gehen die Treppen hinunter.
VEFFA: Mir gefällt nicht, dass Onkel Pedro diesen Cutrera in unser Vorhaben miteinbezogen hat.
TELLA: Ich stimme dir zu, aber er wird sicher etwas geplant haben damit.
VEFFA: Wenn Corleone tatsächlich auf unserer Seite stehen sollte, haben wir ein starkes Bündnis an unserer Seite.
TELLA: Und die Picciotteria wird dieses große Bündnis gegen sich haben.
VEFFA: Sollte unsere Unternehmung erfolgreich sein.
TELLA: Onkel Limbo hat bei der Planung jede mögliche Komplikation in Betracht gezogen – und wenn er auf etwas fokussiert ist, erreicht er sein Ziel.
VEFFA: In dieser Gelegenheit bedarf es aber mehr als Limbos Kalkül und Gewieftheit. Sieht sich Gemälde der Tafelrunde beim Vorbeigehen an Die Führung der Mafias in Italien war immer ein kontroverses Thema und sein Diskurs endete gewohnheitsgemäß in blindem Blutvergießen und kontinuierlicher Feindschaft zwischen den Clans und Familien.
TELLA: Diesmal wird die Gewohnheit keine Macht über die Ereignisse haben.
VEFFA: Die anderen Clans und Familien haben sicher gutdurchdachte Pläne. Sie werden ihre Ansprüche zutage bringen und sich gezielt auf ein ihnen vorteilhaftes Ende bewegen. Und genau diese egozentrische Weitsicht der Clans hat dem Clanfriedens die Axt in den Stamm gerammt.
TELLA: Es ist erstaunlich, wie lange die Mafia überleben konnte, führungslos, in Zeiten von Kriegen und weltlicher Korruption.
VEFFA: Onkel Pedro würde sagen, dass die Unterwelt
VEFFA UND TELLA: immer einen Weg hinausfindet.
Beide lachen.
TELLA: Sei mal ehrlich, Veffa. Wen würdest du auf dem Thron des Mafiafürsten sehen?
VEFFA: versinkt in Gedanken
TELLA: Onkel Limbo? Onkel Pedro? Beide hätten dadurch nur die Möglichkeit, die Union nach ihren Weltanschauungen umzuformen, und täten alles, damit unser Familienclan über Jahrhunderte eine mächtige Stellung innehat.
VEFFA: Das wäre nicht schlecht. Aber im Sinne der Mafias…
TELLA: Genau das meine ich. Wenn wir wirklich beabsichtigen, ein großes und starkes Mafiabündnis aufzubauen, muss jedem die Hand gereicht werden und jeder muss einen Stein auf die Mauer setzen.
VEFFA: Und wer könnte dann das Bündnis leiten? Geltrude?
Beide lachen.
TELLA: Auch von den anderen Clans kann es niemand sein.
VEFFA: Paula vielleicht.
Beide lachen.
TELLA: Wie wärs mit uns?
VEFFA: Du und ich?
TELLA: Ich und du. Genau.
VEFFA: Ich weiß nicht…
TELLA: Wieso nicht? Donatella und Genoveffa della Rovere – Mafiafürstinnen Italiens.
VEFFA: Hört sich nicht schlecht an.
Lanna kommt ihnen entgegen.
LANNA: Hallo, Schwestern! Was hört sich nicht schlecht an?
TELLA: Hallo, Paulinchen.
VEFFA: Wir haben nur fantasiert.
LANNA: Wohin geht ihr?
TELLA: Onkel Limbo bat uns, nach dem Essen zu schauen.
LANNA: Essen! Gut, ja. Essen ist gut. Ich komme mit. Ihr werdet sicher Hilfe brauchen – und ein wenig hungrig bin ich auch.
TELLA: Wir haben gerade nur über die Zukunft der Mafias gesprochen. Wie sieht es mit den Gärten aus?
LANNA: Gut, sehr gut. Nein, sehr gut! Ich habe nochmal die schönen Rosen am Pavillon gegossen, sie sahen so traurig aus, weil sie kein Wasser hatten. Und die Grünblatthecken, die Huarte nicht mag, habe ich geschnitten. Sehen besser aus so.
TELLA: Toll.
VEFFA: Sehr gut.
LANNA: Die Georginen blühen dieses Jahr prächtig. Ich habe sie noch nie so strahlen sehen.
VEFFA: Du pflegst sie ja auch.
LANNA: Das brauchen sie aber. Ja. Das brauchen sie. Pflege, Freude und Liebe – dann blühen sie gut!
TELLA: Wisst ihr eigentlich, ob das Appartement auf dem Dachgeschoss an einen der Gäste vergeben wird?
VEFFA: Wird Signora Montanari nicht dort logieren?
LANNA: Und ihre beiden Begleitpersonen, Busco und Cusco.
TELLA: Du kennst ihre Leibwächter?
LANNA: Aber ja doch, ihr etwa nicht?
TELLA: Nein.
LANNA: Sie waren mal auf so einem Treffen.
VEFFA: Ah…
TELLA: Wie dem auch sei, auf zur Küche. Das Essen sieht sich nicht selbst nach.
Schauplatz: Büro des Mafiafürsten. Don Limbo sitzt im Sessel, Donna Geltrude steht vor dem Tisch und blättert in einer Akte herum.
DONNA GELTRUDE: Bist du dir sicher, dass es sich nicht einfach um einen Fehler handelt?
DON LIMBO: Ein Fehler? Wieso bist du bei Cutrera so misstrauisch und hier behauptest du, ich zweifle an einem Fehler.
DONNA GELTRUDE: Nun-
DON LIMBO: Wir müssen ihn oder sie im Auge behalten.
Huarte sollten wir noch Bescheid geben; falls es eskalieren sollte, soll er ihn oder sie aus dem Feld räumen.
DONNA GELTRUDE: Und die Familie?
DON LIMBO: Die Familie braucht vorerst nicht wissen, was sich in den Schatten des Schlosses herumtreibt. Vielleicht ist es – wie du gesagt hast – doch nur ein Irrtum und ich zerbreche mir nur den Kopf.
DONNA GELTRUDE: Wie du möchtest. Ich gehe dann und sehe nach den Waffen.
DON LIMBO: Warte, bevor ich es vergesse. Holt einen dicken Umschlag aus einer Schublade und gibt diesen Geltrude
DONNA GELTRUDE: Ist das unsere Besoldung?
DON LIMBO: Das ist deine Besoldung. Meinen Anteil habe ich bereits bekommen.
DONNA GELTRUDE: Das ist weniger als abgemacht.
DON LIMBO: Die andere Hälfte bekommen wir, wenn alles erledigt ist.
DONNA GELTRUDE: Haben das deine Verwandten gesagt?
DON LIMBO: Sie sind vertrauenswürdig, Geltrude.
DONNA GELTRUDE: Ich hoffe, du hast recht – ich hoffe das für dich, nicht für mich. Denn was du am meisten verabscheust auf dieser Welt ist Verrat, aber die Unterwelt, die du zu regieren beabsichtigst, wird nun mal von Verrat beherrscht.
DON LIMBO: Verrat und Geschäft sind zwei verschiedene Sachen, die ein Mafioso zu unterscheiden imstande sein muss.
DONNA GELTRUDE: Natürlich. Wir werden sehen, wie sich Verrat und Geschäfte noch gegenseitig die Klinge an den Hals halten werden.
Es klopft an der Tür.
DON LIMBO: Eintreten.
Ein livrierter Diener betritt das Büro.
DIENER: Sie haben mich gerufen, Don Limbo.
DON LIMBO: Holen Sie mir Huarte. Er soll später mit der Seilbahn hinunterfahren.
DIENER: Sehr wohl.
Diener ab.
DONNA GELTRUDE: Wenn ich fragen darf, Limbo, was passiert, wenn Don Taddeo und du euch trefft? Das letzte Mal, als ihr euch saht, hast du seine Tochter ins Grab befördert.
DON LIMBO: Ich sagte bereits, dass Verrat und Geschäft verschieden sind.
DONNA GELTRUDE: Ich hoffe, er wird dich nicht umbringen wollen.
DON LIMBO: Der Hohe Kodex verbietet es allen, in diesem Refugium andere Mafiaclans und Familien anzugreifen.
DONNA GELTRUDE: Was hindert ihn daran? Schließlich verstößt unser Notfallplan gegen jeden Kodex, den die Räte je aufgestellt haben.
DON LIMBO: Taddeo legt hohen Wert auf Ehre und Loyalität – er wird sich schwertun, gegen den Hohen Kodex vorzugehen.
DONNA GELTRUDE: sieht noch einmal in den Umschlag Dann gehe ich.
Donna Geltrude ab.
Don Limbo steht von seinem Sessel auf und geht ans Fenster.
DON LIMBO: Das Spiel beginnt.
Schauplatz: Treppenhaus im Südflügel. Don Pedro und Salvatore Cutrera gehen die Treppen hinunter.
CUTRERA: Also, Pedro, erzähl schon. Du hast doch sicher einen Hinterzimmerplan.
DON PEDRO: schalkhaft Hinterzimmerplan?
CUTRERA: Der gerissene Don Pedro wird sich doch niemals einem unbeholfenen Don Limbo beugen. Ich kenne euch beide doch.
DON PEDRO: Ach, Salvatore, du solltest eine Sache wissen:
Mein Bruder ist nicht der einzige Protagonist, der die Fäden zieht. Sollte auch ich ein paar Fäden in Händen halten, brauchst du vorerst nicht zu wissen. Aber ich lasse dich wissen, dass unser Akkord sich auszahlen wird – für mich wie auch für dich.
CUTRERA: grinst Das weiß ich doch. Sonst wäre ich ja nicht hier. Gut, wie sieht es nun mit diesem »Notfallplan« aus?
Wollt ihr im schlimmsten Fall Blut vergießen?
DON PEDRO: Mein gewiefter Bruder und Huarte haben diesen »Notfallplan« höchstselbst entworfen.
CUTRERA: Huarte, der Hausmeister?
DON PEDRO: Ein gewichtiger Mann in diesem Hause. Sollte der Hauptplan, also die Wiedervereinigung, nicht aufgehen, greifen wir auf Plan B zurück. Dabei müssen wir davon ausgehen, dass gegen den Hohen Kodex Anselms verstoßen wird, da auch wir gegen den Kodex verstoßen werden. Du hast es richtig formuliert, Salvatore, es wird Blut vergossen werden – und zwar das Blut des Feindes. Jeder von uns, dir eingeschlossen, hat eine Verbindungsperson, deren unmittelbare Tötung eingeleitet werden soll, tritt der Notfallplan in Kraft. Am Ende, sollte jede Verbindungsperson tot sein, treffen sich die restlichen Überlebenden in den Gemächern des Mafiafürsten, um die Union in Einheit zu proklamieren.
CUTRERA: hebt leicht belustigt die Brauen Ihr habt tatsächlich vor, alle umzulegen, wenn es schief geht.
DON PEDRO: So kann man es auch ausdrücken.
CUTRERA: Und wer sind die Verbindungspersonen?
DON PEDRO: Das kannst du dir sicherlich denken.
CUTRERA: Wenn Salvatore Cutrera aber ursprünglich nicht Teil des Notfallplans war, wie kann dieser dann von seiner Verbindungsperson wissen? Und wie soll Salvatore Cutrera jemanden ohne eine Waffe umlegen?
DON PEDRO: bleibt stehen
CUTRERA: bleibt auch stehen und sieht Pedro direkt in die Augen
DON PEDRO: Du wirst schon wissen, wie man jemanden ohne Waffe umlegt. Wen du töten wirst, erfährst du, wenn die Zeit reif ist.
CUTRERA: Und wann ist sie reif, die Zeit?
DON PEDRO: Das wirst du früh genug erkennen.
Tella, Veffa, Lanna und Hausdame im Entrée; die Türen nach draußen stehen offen.
HAUSDAME: blättert in einem Notizheft herum Alle Vorbereitungen sind getroffen, meine Fräulein.
TELLA: Gut, dann fehlen nur noch unsere Gäste.
HAUSDAME: Der Meister des Hauses empfängt sie gerade.
TELLA: nickt VEFFA: Was ist denn nun konkret geplant für die kommenden Tage?
TELLA: Die Wiedervereinigung soll binnen drei Tage vonstattengehen. Morgen werden wir uns an der Tafelrunde beraten und jedes kleine Sandkorn besprechen.
LANNA: verdutzt Welche Sandkörner?
TELLA: Am darauffolgenden Tag, übermorgen, wird jeder Capo seine Signatur geben und die Wiedervereinigung besiegelt sein. Für heute sind lediglich ein gemeinsames Abendessen geplant. Für morgen Abend eine – so hat es Onkel Limbo genannt – amüsante kleine Veranstaltung.
VEFFA: Ich nehme mal an, es ist wieder ein Opernball im österreichischen Stil.
TELLA: Unser geschätzter Walzerkönig ist unglücklicherweise vor wenigen Monaten verstorben. Seis drum, alles nur Zeitverschwendung, wenn ihr mich fragt.
VEFFA: Ja?
TELLA: Diese Sache könnte man sehr schnell an einem Tag beenden. Aber unser Onkel muss es ja ganz feierlich und traditionell angehen. Im schlimmsten Fall geschehen in diesen drei Tagen all die Dinge, die uns zum Notfallplan führen.
VEFFA: Ich muss zugeben, alles führt auf seine Weise zum Notfallplan.
TELLA: Die »große Sache« muss auch immer ein Blutbad mit sich ziehen.
HAUSDAME: lugt an den Türen vorbei nach draußen Seht, die Seilbahn ist angekommen. Wer wohl die ersten Gäste sind, die auf Anselm Fuß fassen werden?
VEFFA: stupst Tella an Und? Bist du gespannt auf dein Wiedersehen mit Hector? Grinst TELLA: ironisch Das Blut in meinen Adern kocht vor Sehnsucht.
Tella und Veffa lachen.
LANNA: Ach, es sind die Mussolinis. An Tella Da ist auch dein Patenkind, der kleine Benito. Wie alt ist er, zehn?
TELLA: Inzwischen über 18.
HAUSDAME: Und der Herr vom Ferrari-Clan.
VEFFA: Melchiorre Esposito. Und grinst Tella vergnügt an der geliebte Hector.
Augusta und Benito Mussolini, Melchiorre Esposito und Hector von Döber treten ins Entrée ein.
HAUSDAME: Guten Tag, die Damen und Herren. Verbeugt sich leicht
Die, die eingetreten sind, grüßen.
TELLA: Grüß dich, Augusta. Tella und Augusta umarmen sich Wie lange ist es her?
AUGUSTA: mit pathetischen Handbewegungen Viel zu lange, Teuerste, viel zu lange. Es war höchste Zeit, hierher zu kommen. Daheim, bei meinem Bruder, wird nur noch über den Sozialismus gesprochen – unerträglich, Teuerste, das sage ich dir, unerträglich! Überreicht der Hausdame ihr Ridicül, schlendert zum großen Spiegel und betrachtet ihre hochtoupierte Frisur
TELLA: zu Benito Du bist aber erwachsen geworden. Wir haben uns auch eine lange Zeit nicht mehr gesehen.
BENITO: etwas frech Wir sind alle beschäftigt.
AUGUSTA: grinst sich im Spiegel an Was habe ich dir in der Seilbahn gesagt, Benito? Höflichkeit, Gepflogenheit, Erhabenheit. Zu Tella Er hält sich auch für einen Duce. Lacht theatralisch
ESPOSITO: drängt sich zwischen dem Getümmel durch Entschuldigt, im Express gab es kein Wasserklosett. Wenn ich das Hiesige benützen dürfte?
LANNA: Vorne rechts die Treppen hinunter.
Esposito ab.
HECTOR: steht recht unbeholfen da TELLA: Hallo, Hector.
HECTOR: errötet leicht Hallo, Donatella.
TELLA: Es ist schön, dass du gekommen bist.
HECTOR: tritt Tella nun etwas entschlossener näher Ein Treffen mit dir würde ich auch nicht in entferntesten Träumen zu versäumen gedenken. Ergreift Tellas Hand und führt sie an seinen Mund TELLA: Vielleicht könnten wir uns woanders unterhalten, wo wir ungestört sind?
HECTOR: Mit dem größten Vergnügen.
TELLA: an Veffa Übernimm hier für mich die Führung.