Don Moro - Philipp Kaul - E-Book

Don Moro E-Book

Philipp Kaul

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Beschreibung

Der zweite Weltkrieg ist Vergangenheit, doch Europa liegt in Trümmern. Gerade jetzt, wo Don Moro seinen Mafiaclan aufrechterhalten muss, steuert ein Problem auf ihn zu, ein Problem, das seine Tochter heiraten und sich in die Moro Familie einschleusen will. Was Don Moro bei all seiner Weitsicht jedoch nicht kommen sieht, ist ein viel größeres Problem: er selbst.

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Inhaltsverzeichnis:

Anmerkung

Dramatis personae

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Fünfter Akt: Endspiel

Anmerkung des Autors

Zweifelsohne wird man dieses Werk als Theaterstück aufführen können. »Don Moro« dient aber vor allem als Lesedrama.

Dramatis personae

Ernesto Salvatore di Moro, auch Don Moro genannt

Laura Evangeline di Moro; geb. Rombrasteux – Ehefrau Don Moros

Massimo di Moro – ältester Sohn

Battista Renzo di Moro – jüngster Sohn

Annamaria di Moro – älteste Tochter

Vittoria di Moro – jüngste Tochter

Alvaro Sala-Rinaldi – in Vittoria verliebt

Donatella della Rovere, Contessa – Mutter Don Moros

Luigi Palumbo – Bediensteter und Sekretär Don Moros

Guido Giordano – Bediensteter Don Moros

Silvia Rizzi – Kameradin Annamarias und

Theaterschauspielerin

Flavia Loredana Testa – in Battista verliebt

Francesco Prosperiti, Dottore – der Arzt

Hector von Döber, Dottore – ein Arzt

Klientel Don Moros

Charaktere ohne hohen Wert

Erster Akt

Erste Szene

Ort: Herrenhaus Lacasa der Familie di Moro, irgendwo in Süditalien; Kabinett Don Moros: Don Moro liegt auf der Ottomane, Dottore sitzt auf einem Sessel daneben.

DOTTORE: Können Sie das genauer beschreiben?

DON MORO: ein wenig empört Habe ich das nicht schon oft genug?

DOTTORE: Es geht öfter.

DON MORO: Phlegma, Dottore, Phlegma; es sitzt mir wie unterm Zwerchfell. Ich fühle, wie es mich von innen zerreißen will.

DOTTORE: Beschreiben Sie dieses Gefühl.

DON MORO: sieht Dottore an Nun ich hege ein Desinteresse an allerlei Dingen. Früher war ich nicht so – ich bin krank, verstehen Sie? Und ich werde kränker, je länger ich hier sitze.

DOTTORE: kritzelt in sein Notizbuch Desinteresse… an allerlei Dingen… kritzelt weiter Sie wissen, dass Sie vielleicht nicht krank sein könnten?

DON MORO: Wieso fühle ich mich dann so?

DOTTORE: Psychosomatik.

DON MORO: Ihre Worte sind ein Rätsel für mich, kommen Sie zur Sache.

DOTTORE: Leiden Sie vielleicht an Depressionen? Migräne?

Ihr Körper, Ihre Psyche, war sie in letzter Zeit heftigen Angriffen ausgesetzt?

DON MORO: Angriffe? Weder das noch Depressionen und Migräne… obwohl… wenn Sie »Angriffe«, schon erwähnen… DOTTORE: wird aufmerksamer Ja?

DON MORO: seufzt gelangweilt Mein jüngstes Kind, meine Tochter Vittoria, im vergangenen Monat hat sie diesen Sala-Rinaldi kennengelernt, einen italienischen Frischlingsanwalt mit Wurzeln in Ungarn.

DOTTORE: Und Sie mögen ihn nicht?

DON MORO: Ich kenne ihn nicht einmal – das ist das Problem. Meine Vittoria, bildhübsch, von hohem Intellekt, willensstark und empathisch, hat Augen für so einen italienisch-ungarischen Juristen, der aussieht wie ein Deutscher und sich nicht einmal darum bemüht, sich der Familie seiner Verehrerin vorzustellen. Hätte meine Schwester Rosa damals so einen Freund gehabt, hätte Mamma schon längst Mussolini kontaktiert… aber der ist inzwischen schon tot.

DOTTORE: nickt Ich verstehe.

DON MORO: Ich befürchte das Schlimmste: Dieser Sala wird sie heiraten wollen.

DOTTORE: Aber ist das nicht schön? Ihre Tochter glücklich zu wissen?

DON MORO: Verheiratet und glücklich sein ist nicht dasselbe… außer in meinem Fall. Wenn ich mit diesem Rinaldi nicht zufrieden sein kann, wird die Familie es auch nicht sein.

DOTTORE: Und gegen die Familie darf man sich nicht stellen?

DON MORO: Niemals. Das ist ein Sakrileg.

DOTTORE: Ich verstehe.

DON MORO: schüttelt den Kopf Wie beschämend muss es wohl für Annamaria und Massimo sein, wenn ihre jüngeren Geschwister ein Pendant gefunden haben.

DOTTORE: Signore Battista hat eine Partnerin?

DON MORO: Flavia Testa, aber Battista scheint noch kein großes Interesse an ihr entwickelt zu haben. Dennoch, auch für mich ist es nicht gut, wenn meine Ältesten nicht verheiratet sind – zumal Massimo das Geschäft übernehmen wird, wenn ich meine Ruhe brauchen werde.

DOTTORE: Und was hält Donna Laura von der Liaison zwischen Vittoria und Sala-Rinaldi?

DON MORO: entschlossen Sie ist natürlich meiner Meinung.

DOTTORE: Nun, ich erlaube mir keineswegs, ein Urteil zu bilden, aber Sie könnten doch einfach mit Signorina Vittoria darüber sprechen.

DON MORO: wirft einen anmaßenden Blick auf Dottore Denken Sie, das hätte ich nicht gemacht? Sie hört einfach nicht mehr auf mich, meine kleine Vittoria, dabei war sie früher immer so gehorsam, hat immer gemacht, was wir ihr sagten. Sie war immer so gut…

DOTTORE: Und jetzt ist sie es nicht mehr?

DON MORO: Natürlich ist sie immer noch gut, aber gegen den Willen der Familie stellt man sich nicht. Das bringt nichts Gutes, weder für einen selbst noch für die Familie.

DOTTORE: Also sind Sie um die Familie besorgt?

DON MORO: Wenn ich um mein Kind besorgt bin, dann auch um die Familie.

DOTTORE: kritzelt in sein Notizbuch

DON MORO: Das schreiben Sie auf?

DOTTORE: Wenn ich Ihnen helfen soll, dann nur damit.

DON MORO: Wenn Sie meinen…

DOTTORE: Haben Sie dieses träge Gefühl eher durch das Handeln Ihrer Tochter oder durch die E-xis-tenz Sala-Rinaldis?

DON MORO: Es ist alles, alles kränkt mich.

DOTTORE: Alles? Determinieren Sie diesen Begriff.

DON MORO: Haben Sie mir die letzten eineinhalb Stunden eigentlich zugehört?

DOTTORE: Als Psychologe muss ich jedes Detail wissen.

DON MORO: Haben Sie Ihre Dissertation nicht über eine podologische Amputationsdisziplin geschrieben?

DOTTORE: Ich habe zwei Doktorgrade.

DON MORO: hebt erstaunt die Brauen

DOTTORE: Ich würde nun unsere Sitzung beenden, Signore di Moro. Ich werde morgen wieder kommen und unsere Gesprächstherapie fortsetzen. Steht auf und packt sein Notizbuch in seine Jackettinnentasche

DON MORO: Dottore Prosperiti, verschreiben Sie mir doch bitte Medikamente!

DOTTORE: Entschuldigung, aber das kann ich im Moment nicht. Ich muss erst Ihre Erkrankung diagnostizieren, bevor wir mit medikamentöser Behandlung fortfahren können.

DON MORO: Das heißt, Sie wissen nicht, was meinen Körper befallen hat?

DOTTORE: Die Arbeit eines Arztes basiert auf Tatsachen, Empirie und Überprüfungen; alles braucht seine Zeit.

DON MORO: Solange Sie mich in nächster Zeit heilen…

DOTTORE: Ich habe es geschworen, Signore di Moro, ich habe einen Eid abgelegt, den ich zu brechen selbst in kühnsten Träumen nicht imstande wäre.

DON MORO: steht auf Sie sind ein guter Mann, Dottore, ein guter Mann. Reicht ihm die Hand Dann sehen wir uns morgen.

DOTTORE: Ciao, Signore di Moro.

Dottore und Don Moro schütteln Hände. Dottore bleibt stehen und sieht Don Moro an.

Stille.

DON MORO: Dottore, haben Sie etwas?

DOTTORE: Ähm, die Zahlung, Signore di Moro.

DON MORO: grinst Natürlich, natürlich, die Zahlung. Geht zum Schreibtisch und öffnet eine Schublade Hier ist die Summe für die heutige Stunde: 2.000.000 Lire. Reicht dem Dottore das Geld

DOTTORE: schiebt es sich in die Jackettinnentasche Danke sehr.

Dottore ab.

Zweite Szene

Luigi und Guido betreten das Kabinett.

DON MORO: Ah, Luigi, Guido, kommt rein. Setzt sich auf seinen Stuhl Ich bin froh, dass ihr beide da seid – der Dottore hat meine Sinne bis zum Maximum ausgeschöpft.

GUIDO: Er schien ganz zufrieden zu sein, als er aus Ihrem Büro kam.

DON MORO: Bei der Bezahlung, natürlich. Nimmt eine Zigarre in den Mund Also, kommen wir zum Geschäft.

Guido und Luigi setzen sich auf die Stühle vor dem Schreibtisch.

DON MORO: Wie laufen die Fälle in der Schweiz?

GUIDO: Direktor Heidefeld wird den Endbetrag pünktlich unserem Konto in Russland überweisen.

DON MORO: Luigi, sag mir, dass die Türken noch im Spiel sind.

LUIGI: Sind sie, Signore.

DON MORO: Gut, dann bleiben wenigstens noch die Zigarren.

GUIDO: Im Foyer warten bereits ein paar Klienten, Don Moro, einer ist neu bei uns.

DON MORO: Ein Neuankömmling? Wie schön, dann scheinen wir unsere Arbeit ja gut zu verrichten. Führt sie gleich hinein, ich will nicht zu viel Zeit mit diesen Hoffnungslosen verbringen.

LUIGI: Ja, Signore.

DON MORO: Stellt euch vor, diese Leute kämen jeden Tag.

GUIDO: Signore, sie kommen jeden Tag.

DON MORO: sieht Guido und Luigi nacheinander an Verständlich.

LUIGI: blättert in einem Gästebuch herum Signora Gatelli ist die erste Klientin für heute.

DON MORO: Gatelli? Was hat sie schon wieder mit ihrem Gatten? Das ist doch schon der vierte oder fünfte…

GUIDO: Der Sechste.

DON MORO: schüttelt empört den Kopf

LUIGI: Ich führe sie hinein.

DON MORO: Bitte.

Dritte Szene

Signora Gatelli, ihr Kind, Guido, Luigi, Don Moro.

GATELLI: entsetzt Signore di Moro, ich brauche Ihre Hilfe.

DON MORO: schalkhaft Signora Gatelli, wie lange haben wir uns nicht gesehen?

GATELLI: keuchend Es geht um Vincenzo… DON MORO: Wie ich sehe, haben Sie Ihren Kleinen dabei.

GATELLI: Er ist völlig durchgedreht!

GUIDO: flüsternd zu Luigi Und sie wohl mit ihm.

GATELLI: Er ist drogensüchtig, ein Alkoholiker und hat sein Geld in Montecarlo verspielt. Er droht, mich umzubringen, wenn ich ihm kein Geld gebe. Bitte helfen Sie mir, Don Moro, ich flehe Sie an!

DON MORO: versucht, sie zu beruhigen

GATELLI: Sehen Sie mein Kind! Mein armes Kind, er wird ihn töten wie mich. Bitte, Signore Don Moro, ich flehe Sie an, Don!

DON MORO: lässig Signora machen sich bitte keine Sorgen, wir werden uns um Vincenzo kümmern. Gibt Guido ein Zeichen Ich werde ein paar meiner Leute nach ihm schicken, um Klartext zu sprechen.

GATELLI: Danke, Signore di Moro, danke vielmals! Bedankt sich auch bei Guido und Luigi

GUIDO: Wo befindet sich Ihr Mann gerade?

GATELLI: Zuhause – an Don Moro Sie wissen doch, wo ich wohne?

DON MORO: Natürlich. Gibt Guido wieder ein Zeichen Guido ab.

GATELLI: Sie sind meine letzte Hoffnung.

DON MORO: schmunzelnd Das bin ich oft, Signora. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?

GATELLI: Sie haben schon so viel getan, Don Moro. So viel.

Ich und mein Kind sind jetzt in Sicherheit – das genügt!

Danke, Don Moro, ich danke Ihnen.

DON MORO: Bitte, bitte.

LUIGI: Denken Sie bitte an die Bezahlung, Signora Gatelli.

DON MORO: unterbricht Luigi Nein, dieses Mal müssen Sie nichts zahlen – und nun gehen Sie schon.

GATELLI: macht einen unsauberen Knicks Don sind zu gnädig.

Gatelli und ihr Kind ab.

DON MORO: nickt Ich kann mich an sie gut erinnern…

LUIGI: Und an ihre Männer.

DON MORO: Wer ist der Nächste?

LUIGI: Signore Milano.

DON MORO: seufzt Welche Disziplin plastischen Vandalismus hat seine kunstvernarrte Tochter schon wieder praktiziert?

LUIGI: Er schien ganz aufgeregt zu sein, als ich ihn im Foyer stehen sah. Er zuckte und lief im Kreis umher.

DON MORO: unbeeindruckt Schreck.

Milano stürmt in das Kabinett.

MILANO: Don Moro, verzeihen Sie, dass ich so rechtswidrig hereinplatze, aber

DON MORO: Sachte, sachte, so beruhigen Sie sich doch, Alessio, wir haben doch genug Zeit. Schaut auf seine Armbanduhr Aber ein bisschen schneller, wenn’s geht.

MILANO: Meine Tochter, sie ist auf dem Revier, man hat sie festgenommen.

DON MORO: Weswegen?

MILANO: Sie wissen doch, wie meine Tochter denkt und lebt.

DON MORO: gräbt in Gedanken herum Ja, das weiß ich. Und was soll ich Ihrer Meinung nach machen? Das Polizeirevier stürmen? Oder gleich einen Putsch gegen unsere Republik unternehmen?

MILANO: Sie können doch wenigstens versuchen, mit der Polizei zu reden und sie zu überreden.

DON MORO: Mein Clan hat nichts mit der Polizei zu tun und wird auch nichts mit ihr zu tun haben, Alessio, das wissen Sie so gut wie ich.

MILANO: senkt aller Hoffnung beraubt den Blick

DON MORO: Doch ich kann eine Ausnahme machen.

MILANO: hebt voll Hoffnung den Blick

DON MORO: an Luigi Schicke Massimo hin, er kann gut mit solchen Leuten reden.

MILANO: O ich danke Ihnen, Don Moro, Sie retten meine Tochter und dadurch auch mich.

DON MORO: Na na, wir wollen nicht zu hoch springen. Und ich bin mir sicher, dass Sie jetzt gleich arbeiten müssen, ist es nicht so, Alessio?

MILANO: Also eigentlich

DON MORO: Na also, wir wollen nicht, dass Ihre Arbeitgeber sich Sorgen um den abwesenden Milano machen. Wedelt mit der Hand Los, los, sonst kommen Sie noch zu spät.

MILANO: gehetzt Also… äh, und die Bezahlung, Don Moro?

DON MORO: Geht aufs Haus, jetzt gehen Sie endlich.

Milano ab.

LUIGI: Sie wollen kein Geld annehmen heute?

DON MORO: gelassen Zu Satan das Geld schick – ich schlafe doch schon in Geld. Kramt in Dokumenten Wie vielen trostlosen Seelen haben wir geholfen, Luigi? Mehr als ich Geld habe. Ich könnte das ganze Britenland für zehn Jahre mit schmackhaftester Nahrung und bequemster Unterkunft versorgen, mit Ausdruck capisci? Ich könnte die Deutschen einen dritten Weltkrieg gewinnen lassen. Was bedeutet mir schon Geld, he?

LUIGI: Ich werde nicht widersprechen, Don Moro.

DON MORO: tunkt seine Zigarre in einen Aschebecher Gott, ich habe wirklich an gar nichts Interesse. Nicht einmal Geld kann meine Geschmackszotten erfrischen.

LUIGI: Gleich ist der Neuankömmling dran.

DON MORO: zu sich; nickt Menschen verändern sich, daran soll man nichts auszusetzen haben.

LUIGI: Soll ich den Neuen hereinbringen?

DON MORO: Äh, natürlich.

Luigi ab.

DON MORO: Der Neue… kratzt sich am Kopf ein weiterer Mensch, der aus Rache, Neid oder Hass einen anderen Menschen seines Hauptes erleichtern möchte – dabei ist der andere wahrscheinlich sogar unschuldig. Zuckt mit den Schultern Geschäft bleibt Geschäft. Und wir Moros respektieren das Geschäft. Wir bleiben ehrenvoll und loyal gegenüber der Ratio und Moral. Ehre, ja, das ist Familie di Moro, Ehre und Loyalität. Nickt und beaugenscheinigt einen Brief Oh, Mamma ist in Paris. Wieso lese ich den Brief erst jetzt? CECA… was soll das darstellen?

Luigi und ein Mann treten ein.

DON MORO: legt den Brief beiseite Sie sind wohl ein neuer Kunde, Signore…

MANN: State, Ignazio State.

DON MORO: Gut, Ignazio, willkommen. Steht auf und reicht State die Hand