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Gilbert Markham ist fasziniert von Helen Graham, einer schönen und geheimnisvollen jungen Frau, die mit ihrem kleinen Sohn in das nahe gelegene Wildfell Hall gezogen ist. Er bietet Helen schnell seine Freundschaft an, aber als ihr zurückgezogenes Verhalten zum Gegenstand von lokalem Klatsch und Spekulationen wird, beginnt Gilbert sich zu fragen, ob sein Vertrauen in sie fehl am Platz war. Erst als sie Gilbert erlaubt, ihr Tagebuch zu lesen, kommt die Wahrheit ans Licht und er erfährt die schockierenden Gründe für ihre Schwierigkeiten, Nähe und Vertrauen zuzulassen. Mit großer Unmittelbarkeit, Witz und Ironie erzählt, ist „Die Herrin von Wildfell Hall“ eine kraftvolle Darstellung des Kampfes einer Frau um häusliche Unabhängigkeit und kreative Freiheit. Dies ist der erste von vier Bänden.
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Seitenzahl: 263
Anne Brontë
Die Herrin von
Wildfell Hall
Roman
in vier Bänden
Band 1
In der überarbeiteten Übersetzungvon
W. E. Drugulin.
DIE HERRIN VON WILDFELL HALL wurde in der englischsprachigen Originalfassung (The Tenant of Wildfell Hall) zuerst veröffentlicht von T. C. Newby, London 1848.
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
2024
V 1.0
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
Band 1
ISBN 978-3-96130-646-6
Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de
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Inhaltsverzeichnis
Die Herrin von Wildfell Hall. Band 1
Impressum
Erster Teil.
An Lord Halford Esq.
Erstes Kapitel. Eine Entdeckung.
Zweites Kapitel. Eine Zusammenkunft.
Drittes Kapitel. Eine Kontroverse.
Viertes Kapitel. Die Gesellschaft.
Fünftes Kapitel. Das Atelier.
Sechstes Kapitel. Fortschritte.
Siebentes Kapitel. Die Exkursionen.
Achtes Kapitel. Das Geschenk.
Neuntes Kapitel. Eine Schlange im Gras.
Zehntes Kapitel. Ein Kontrakt und ein Zank.
Elftes Kapitel. Wieder der Vikar.
Zwölftes Kapitel. Ein tête-à-tête und eine Entdeckung.
Dreizehntes Kapitel. Die Rückkehr zur Pflicht.
Vierzehntes Kapitel. Ein Straßenanfall.
Fünfzehntes Kapitel. Eine Begegnung und ihre Folgen.
Sechzehntes Kapitel. Die Wanderungen der Erfahrung.
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Zu guter Letzt
Lieber Halford.
Als wir das letzte Mal beisammen waren, teilten Sie mir eine ausführliche und höchst interessante Erzählung der merkwürdigsten Umstände Ihres Lebens vor unserer Bekanntschaft mit und forderten mich dann zur Erwiederung des Vertrauens auf. Da ich damals nicht in der Laune zum Geschichten erzählen war, lehnte ich es unter dem Vorwande, dass ich nichts zu erzählen habe, und dergleichen unhaltbaren Ausflüchten ab, die Sie, ganz und gar unstichhaltig ansahen, denn obgleich Sie das Gespräch augenblicklich auf etwas Anderes lenkten, geschah es doch mit der Miene eines sich nicht beklagenden, aber tief gekränkten Mannes und Ihr Gesicht war von einer Wolke überschattet, die es bis zum Ende unseres Gesprächs verdunkelte und vielleicht sogar noch verdunkelt, denn Ihre Briefe haben sich seit jener Zeit durch eine gewisse würdevolle, halb melancholische Steifheit und Zurückhaltung ausgezeichnet, die höchst rührend sein würde, wenn mich mein Gewissen beschuldigte, sie verdient zu haben.
Schämen Sie sich nicht, alter Junge — bei Ihrem Alter noch dazu — und nachdem wir einander so lange und so vertraut gekannt und ich Ihnen bereits so viele Beweise von Offenherzigkeit und Vertrauen gegeben und Ihre vergleichsweise Verschlossenheit und Schweigsamkeit nie gerügt habe? — Da wird wahrscheinlich aber der Haase im Pfeffer liegen. Sie sind von Natur nicht mitteilsam und glaubten, dass Sie bei jenem denkwürdigen Anlasse — welchen Sie ohne Zweifel mit feierlichen Schwüren für den letzten dieser Art erklärt haben, große Dinge getan und einen Beweis ohne Gleichen von freundschaftlichem Vertrauen gegeben hätten — und Sie meinten, dass die geringste Vergeltung, welche ich Ihnen für eine so ungeheure Gefälligkeit zu Teil werden lassen konnte, die sei, Ihrem Beispiele, ohne mich einen Augenblick zu bedenken, nachzufolgen.
Nun, nun! — ich habe die Feder weder in die Hand genommen, um Ihnen Vorwürfe zu machen, noch mich zu verteidigen, noch um für vergangene Sünden um Entschuldigung zu bitten, sondern um wo möglich dafür zu entschädigen.
Es ist ein regnerischer, nasser Tag, die Familie macht Besuche, ich befinde mich allein in meiner Bibliothek und habe gewisse moderige, alte Briefe und Pariere durchgesehen und über alte Zeiten nachgesonnen, so dass ich mich selbst ganz in der gehörigen Geistesverfassung befinde, Sie mit einer Geschichte aus alter Zeit zu unterhalten — und nachdem ich meine halb gebratenen Füße vom Kamine weggezogen, meinen Stuhl an den Tisch herumgerollt und die obigen Zeilen an meinen brummigem alten Freund aufgesetzt, bin ich im Begriffe, ihm eine Skizze, — nein, nicht eine Skizze — einen vollständigen und treuen Bericht über gewisse Umstände, die sich auf das wichtigste Ereignis meines Lebens — wenigstens vor meinem Bekanntwerden mit Jack Halford, zu geben — und wenn sie diesen gelesen haben, so beschuldigen Sie mich der Undankbarkeit und der unfreundlichen Zurückhaltung, wenn Sie können.
Ich weiß, dass Sie sich gern lange Geschichten erzählen lassen und eben so sehr, wie meine Großmutter, auf ausführlicher Darstellung der Umstände bestehen; ich will sie daher nicht schonen und die einzigen Grenzen sollen meine eigne Geduld und Muße sein.
Unter den Briefen und Papieren, von denen ich sprach, befindet sich ein gewisses altes, verblichenes Tagebuch von mir, dessen ich erwähne, um sie zu versichern, dass ich mich nicht auf mein Gedächtnis allein verlasse — so zähe es auch ist — damit Ihre Leichtgläubigkeit nicht zu sehr auf die Probe gestellt wird, wenn sie mir durch die einzelnen Umstände meiner Erzählung folgen.
Ich beginne also mit dem ersten Kapitel — denn es soll eine vielkapitelige Erzählung werden.
Sie müssen mit mir zum Herbste des Jahres 1827 zurückkehren.
Mein Vater war, wie Sie wissen, ein wohlhabender Landwirt in der Grafschaft — und ich folgte ihm auf seinen ausdrücklichen Wunsch in demselben einfachen Geschäfte, wenn auch nicht sehr gern, denn der Ehrgeiz trieb mich zu etwas Höherem und die Eitelkeit versicherte mir, dass ich dadurch, dass ich seiner Stimme nicht gehorche, meine Talente vergrabe und mein Licht unter den Scheffel stelle.
Meine Mutter hatte ihr Bestes getan, um mich zu überreden, dass ich großer Taten fähig sei, aber mein Vater, der den Ehrgeiz für den sichersten Weg zum Ruin und Veränderung nur für ein anderes Wort für Untergang hielt, wollte auf keinen von allen meinen Plänen zur Verbesserung meiner Lage oder der meiner Mitmenschen hören. Er versicherte mit, dass alles dies nichts wie Unrat wäre, und ermahnte mich mit dem letzten Hauche noch, auf dem guten, alten Wege zu bleiben, seinen Schritten und denen seines Vaters vor ihm zu folgen und es meinen höchsten Ehrgeiz sein zu lassen, ehrlich durch die Welt hinzugehen, weder zur Rechten, noch zur Linken zu schauen und die väterlichen Äcker auf meine Kinder in wenigstens eben so blühendem Zustande, als wie er sie mir hinterließ, zu überliefern.
Nun! — ein ehrlicher, fleißiger Landwirt ist eines der nützlichsten Mitglieder der menschlichen Gesellschaft, und wenn ich meine Talente auf den Anbau meines Gutes und die Beförderung des Ackerbaues im Allgemeinen verwende, so werde ich dadurch nicht nur denen — die unmittelbar mit mir in Verbindung stehen und von mir abhängen, sondern gewissermaßen auch der Menschheit im Allgemeinen nützen und daher nicht umsonst gelebt haben.
Mit dergleichen Gedanken bemühte ich mich, mich zu trösten, als ich an einem kalten, feuchten, bewölkten Abende gegen das Ende des Oktober vom Felde nach Hause ging.
Der Schimmer eines hellen, roten Feuers durch das Fenster des Wohnzimmers trug jedoch mehr dazu bei, meine Laune zu erheitern und meine undankbaren Bedauernisse zu tadeln, als alle weisen Gedanken und guten Entschlüsse, zu denen ich meinen Kopf gezwungen hatte — denn Sie müssen bedenken, dass ich damals noch jung — erst vierundzwanzig Jahr alt war und noch nicht die halbe Herrschaft über meinen Geist erlangt hatte, welche ich jetzt besitze, so geringfügig diese auch sein mag.
Ich durfte jedoch in diesen Hafen des Glückes nicht eher einlaufen, als bis ich meine schmutzigen Stiefeln mit reinen Schuhen und meinen rauhen Surtout mit einem anständigen Rocke vertauscht und mich vor anständiger Gesellschaft präsentabel gemacht hatte, denn meine Mutter war bei aller ihrer Güte in gewissen Punkten ungemein eigen.
Als ich nach meinem Zimmer hinaufstieg kam mir auf der Treppe ein hübsches, neunzehnjähriges Mädchen, mit netter gerundeter Gestalt, rundem Gesicht, roten, blühenden Wangen, glänzendem dichten Locken und kleinen, lustigen, braunen Augen entgegen.
Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass dies meine Schwester Rosa war, ich weiß, dass sie noch eine hübsche Matrone und ohne Zweifel — in Ihren Augen — noch eben so liebenswürdig ist, wie an dem glücklichen Tage, wo Sie ihrer erst ansichtig wurden. Ich ahnte damals nicht, dass sie nach wenigen Jahren die Frau eines Mannes werden würde — der mir damals noch ganz unbekannt, aber bestimmt war, später zu einem engeren Freunde zu werden, als selbst sie, — zu einem vertrautem, als der unmanierliche, siebzehnjährige Bursche, der mich im Hausgange, als ich herabkam, beim Kragen faßte und bei nahe umgeworfen hätte und zum Lohne für seine Unverschämtheit einen schallenden Schlag über den Schädel er hielt, welcher indeß davon keinen ernstlichen Nachteil erlitt, da er erstlich dicker, als gewöhnlich und zweitens durch einen reichlichen Wulst kurzer, rötlicher Locken geschützt wurde, die meine Mutter kastanienbraun nannte.
Als wir in das Zimmer traten, fanden wir die geehrte Dame auf ihrem Armstuhle am Kamin sitzend und strickend, wie sie gewöhnlich zu tun pflegte, wenn sie nichts zu tun hatte. Sie hatte den Heerd rein gefegt und ein hellloderndes Feuer zu unserm Empfange gemacht, die Magd so eben das Teebrett hereingebracht und Rosa langte die Zuckerschale und die Teebüchse aus dem Kasten in dem schwarzeichenen Buffet, das in der milden Dämmerung des Zimmers wie poliertes Ebenholz glänzte
»Nun, da sind sie Beide,« rief meine Mutter, indem« sie, ohne die Bewegung ihrer geschäftigen Finger und glänzenden Nadeln dadurch verzögern zu lassen, sich nach uns umblickte. — »Nun, macht die Türe zu und kommt an’s Feuer, während Rosa den Tee bereitete ihr müßt sicher halb verhungert sein, — und erzählt mir, was Ihr den ganzen Tag getan habt, ich möchte gern wissen, was meine Kinder tun.«
»Ich habe das graue Füllen zugeritten — nichts Leichtes — das Umpflügen der letzten Weizenstoppeln geleitet — denn der Ackerknecht hat nicht soviel Verstand, um es selbst zu tun — und einen Plan zur ausgedehnten und wirksamen Entwässerung der tiefen Wiesen aus geführt.«
»Du bist ein braver Junge! — Und Fergus, was hast Du getan?«
»Einen Dachs ausgegraben!«
Und nun begann er eine ausführliche Erzählung seiner Jagd und der einzelnen Züge von Tapferkeit, welche der Dachs und die Hunde entwickelt hatten, wobei meine Mutter tat, als höre sie mit der tiefsten Aufmerksamkeit zu, und sein beliebtes Gesicht mit einem Vorrate mütterlicher Bewunderung betrachtete, welchen ich für seinen Gegenstand höchst unproportioniert hielt.
»Es wird Zeit, dass Du etwas Anderes tust, Fergus,« sagte ich, sobald mir eine momentane Pause in seiner Erzählung ein Wort einzuschieben gestatten.
»Was kann ich tun?« fragte er; »meine Mutter will mich nicht auf die See gehen oder in die Armee treten lassen und ich bin einmal entschlossen, nichts Anderes zu tun, außer so viele Dummheiten, dass Ihr am Ende froh sein werdet, mich, unter welchen Bedingungen es auch sein mag, los zu werden.«
Unsere Mutter streichelte ihm besänftigend die steifen, kurzen Locken. Er brummte und versuchte ein mürrisches Gesicht zu machen, und dann setzten wir uns, der dreimal wiederholten Aufforderung Rosa’s gehorsam, Alle um den Tisch
»Nun, trinkt Euern Tee,« sagte sie; »jetzt will ich Euch sagen, was ich getan habe. Ich bin zum Besuch bei den Wilsons gewesen und es ist tausend Schade, dass Du nicht mitgingst, Gilbert, denn Elise Milward war dort.«
»Nun, was solls mit ihr?«
»O nichts! — Ich habe nicht im Sinne, Dir etwas von ihr zu erzählen — nur dass sie ein nettes, amüsantes, kleines Ding ist, wenn sie sich in guter Laune befindet, und ich würde gar nichts dawider haben, wenn Du sie —«
»Still, still, mein liebes Kind, Dein Bruder denkt nicht daran,« flüsterte meine Mutter eindringlich und hielt den Finger warnend in die Höhe.
»Nun,« fuhr Rosa fort, »ich wollte Euch eine wichtige Neuigkeit erzählen, die ich dort gehört habe — das Geheimnis hat mich fast zum Platzen gebracht — Ihr wisst, dass es vor einem Monate hieß, dass Jemand im Begriff sei, Wildfell Hall zu mieten — und — denkt Euch, — jetzt ist es schon seit mehr als einer Woche bewohnt — und wir haben nichts davon gewusst.«
»Unmöglich!« rief meine Mutter.
»Unsinn!!!« schrie Fergus.
»Es ist wirklich so! — und das von einer einzelnen Dame.«
»Guter Gott, Kind, das Haus ist ja eine Ruine.«
»Sie hat zwei bis drei Zimmer in wohnlichen Stand setzen lassen und dort lebt sie ganz allein, außer einer alten Frau, die sie bedient.«
»Du lieber Gott, das verdirbt den ganzen Witz — ich hoffte schon, dass sie eine Hexe wäre,« bemerkte Fergus, während er sich ein zolldickes Butterbrot abschnitt.
»Unsinn, Fergus.«
»Ist es aber nicht sonderbar« Mama?«
»Sonderbar! — ich kann es kaum glauben.«
»Aber Sie können es glauben,« den Jane Wilson hat sie gesehen. Sie ist mit ihrer Mutter hingegangen, die natürlich, sobald sie hörte, dass sich eine Fremde in der Gegend befand, auf Nabeln und Kohlen saß, bis sie bei ihr gewesen war und, so viel sie konnte, aus ihr herausgelockt hatte. Sie heißt Mrs. Graham und ist in Trauer, nicht in Witwentrauer, sondern in Halbtrauer, und sie wäre ganz jung, heißt es — nicht über fünf oder sechsundzwanzig Jahr — aber so zurückhaltend. — Sie versuchten alles Mögliche, um ausfindig zu machen, wer sie sei und wo sie herkommt u. s. w., aber weder Mrs. Wilson mit ihren hartnäckigen, impertinenten, geradezu gestellten Fragen, noch Miß Wilson mit ihren geschickten Manövern, war im Stande, eine einzige zufriedenstellende Antwort, oder auch nur eine beiläufige Bemerkung oder einen zufälligen Ausdruck aus ihr zu bringen, der geeignet war, ihre Neugier zu befriedigen, oder den schwächsten Lichtstrahl auf die Geschichte, die Verhältnisse oder Familie der Dame zu werfen. Überdies hat sie sich höflich gegen sie benommen, das war aber auch Alles, denn Jene konnten deutlich sehen, dass es ihr lieber war: Leben sie wohl! zu sagen als: Wie befinden sie sich? — Elise Milward sagt aber, dass ihr Vater beabsichtige, sie bald zu besuchen, um ihr einige geistliche Ratschläge zu erteilen, deren sie, wie er fürchtet, bedarf, da sie bekanntlich schon vorige Woche in die Nachbarschaft gezogen, dessenungeachtet aber am vergangenen Sonntag nicht in der Kirche erschienen ist, und sie — das heißt Elise — will ihn bitten, mitgeben zu dürfen und ist über zeugt, dass sie etwas aus ihr bringen kann — Du weißt, Gilbert, dass sie Alles tun kann, was sie will — und auch wir sollten einmal einen Besuch dort machen, Sie wissen ja, dass es die Schicklichkeit gebietet?«
»Natürlich, mein liebes Kind; das arme Ding, wie einsam es ihr sein muß.«
»Und beeilt Euch damit, und vergeßt nicht, mir Nachricht zu bringen« wie viel Zucker sie in ihren Tee tut und was für Hauben und Schürzen sie trägt, und was sie sonst noch angeht, denn ich weiß nicht, wie ich leben soll, bis ich es weiß,« sagte Fergus mit äußerst ernsthaftem Gesichte
Wenn er aber erwartet hätte, seine Rede als ein Meisterstück des Witzes aufgenommen zu sehen, so mißlang ihm dies gänzlich, denn kein Mensch lachte. Darüber ließ er sich aber nicht aus der Fassung bringen, denn als er einen Mundvoll Butterbrot zu sich genommen hatte und eben einen Schluck Tee hinterschlucken wollte, brach der Humor der Sache mit so unwiderstehlicher Gewalt auf ihn ein, dass er vom Tische aufspringen und schnaubend und fast erstickend aus dein Zimmer stürzen mußte und eine Minute später in furchtbarer Pein im Garten kreischend gehört wurde.
Was mich betrifft, so war ich hungrig und begnügte mich damit, schweigend den Tee mit Schinken und Butterbrot zu demolieren, während meine Mutter und Schwester fortplauderten und die bekannten oder unbekannten Umstände und die wahrscheinliche oder unwahrscheinliche Geschichte der geheimnisvollen Dame besprachen; aber ich muß gestehen, dass ich nach dem Unglücksfalle meines Bruders ein paar Mal die Tasse an die Lippen führte, aber wieder niedersetzen mußte, ohne den Inhalt zu kosten zu wagen, um nicht meiner Würde durch eine ähnliche Explosion zu schaden.
Am nächsten Tage beeilten sich meine Mutter und Rosa, der schönen Einsiedlerin ihr Kompliment zu machen, und kamen nur um wenig klüger, als sie gegangen waren, zurück, wenn auch meine Mutter erklärte, dass sie der Weg nicht daure, da sie auch, wenn sie nicht viel Gutes für sich gewonnen, sich doch schmeichele, selbst Einiges getan zu haben, was besser wär, sie hatte einige nützliche Ratschläge gegeben, die hoffentlich nicht weggeworfen sein würden, denn Mrs. Graham schiene, wenn sie auch sehr wenig spreche und etwas von sich selbst eingenommen sei, doch des Nachdenkens nicht unfähig. Wenn sie auch nicht wüßte, wo das arme Ding ihr ganzes Leben zugebracht haben müsse, da sie eine klägliche Unwissenheit in gewissen Punkten verriet und nicht einmal den Verstand hatte sich derselben zu schämen.
»In welchen Punkten, Mutter?« fragte ich
»In Haushaltungssachen und allen kleinen Küchendelikatessen und dergleichen Dingen, mit denen jede Dame vertraut sein sollte, ob es nun nötig ist, dass sie von ihren Kenntnissen praktischen Gebrauch mache oder nicht. Ich habe ihr jedoch einige nützliche Mitteilungen gemacht und verschiedene ausgezeichnete Küchenrecepte gegeben, deren Wert sie offenbar nicht beurteilen konnte, denn sie bat mich, ich solle mir nur keine Mühe machen, da sie so einfach und still lebe, dass sie sie sicher nie in Anwendung bringen werde. — »Das tut nichts, mein liebes Kind,«« sagte ich — »»jedes respektable Frauenzimmer muß das wissen und übrigens sind sie zwar jetzt allein, werden es aber nicht immer bleiben, sie sind verheiratet gewesen und werden wahrscheinlich — ich möchte fast sagen, sicherlich — sich wieder verheiraten.«« — »»Da irren Sie sich, Madame,«« sagte sie fast hochfahrend — »»ich bin überzeugt, dass ich es nie tun werde.«« — Aber ich sagte ihr, dass ich das besser wüßte.«
»Wahrscheinlich eine romantische junge Wittwe,« sagte ich, »die dorthin gegangen ist, um ihre Tage in der Einsamkeit zuzubringen und um den teuern Entschlafenen im Geheimen zu trauern; es wird aber nicht lange anhalten.«
»Nein, das denke ich auch nicht,« bemerkte Rost, »denn sie schien nicht überaus untröstlich zu sein, und ist ungemein hübsch — vielmehr angenehm — Du mußt sie sehen, Gilbert, Du wirst sie eine vollkommene Schönheit nennen, wenn Du auch kaum im Stande sein wirst, eine Ähnlichkeit zwischen ihr und Elise Milward zu entdecken.«
»Nun, ich kann mir viel schönere Gesichter vorstellen, als das Elisens, wenn auch kein reizenderes. Sie hat allerdings nur geringen Anspruch auf Vollkommenheit, aber ich behaupte, dass sie weniger interessant sein würde; wenn sie vollkommener wäre.«
»Du ziehst also ihre Fehler den Vollkommenheiten anderer Leute vor?« —
»Ganz richtig — die gegenwärtige Gesellschaft ist natürlich immer ausgenommen.«
»O, lieber Gilbert, welchen Unsinn Du da schwatztest! — Ich weiß, dass Du es nicht so meinst, es ist ganz außer aller Frage,« sagte meine Mutter, indem sie aufstand und unter dem Vorgehen, dass sie Haushaltungsgeschäfte habe, aus dem Zimmer trippelte, um dem Widerspruche zu entgehen, welcher schon auf meiner Zunge zitterte.
Hierauf beglückte mich Rosa mit weiteren Ausführlichkeiten über Mrs. Graham, ihr Äußeres, ihre Manieren und Kleidung, — kurz Alles, bis zu den Möbeln des von ihr bewohnten Zimmers herab, wurde mir Alles mit bedeutend größerer Klarheit und Ausführlichkeit, als sich zuhören Lust hatte, auseinander gesetzt; da ich aber nicht eben ein aufmerksamer Zuhörer war, so könnte ich die Beschreibung nicht wiedergeben, wenn ich auch wollte.
Der nächste Tag war der Sonnabend und am Sonntage erging sich Alles in Vermutungen, ob die schöne Unbekannte den Vorstellungen des Vikars folgen und in die Kirche kommen werde oder nicht.
Ich muß gestehen, dass ich selbst mit einigem Interesse nach der Wildfell Hall gehörenden alten Familien-Loge blickte, wo die verblichenen karmoisinroten Kissen und Überzüge so viele Jahre lang unbenutzt und unerneuert geblieben waren und die düsteren Wappen mit ihren begräbnismäßigen Rändern von verschossenem, schwarzen Tuch so finster von der Mauer darüber herabschauten.
Und dort erblickte ich eine hohe,schwarzgekleidete Gestalt von vornehmer Haltung. Ihr Gesicht war mir zugekehrt und in demselben befand sich ein gewisses Etwas, das einmal gesehen, mich einlud, wieder hinzublicken. Ihr Haar war rabenschwarz und in langen, seidenartigen Locken arrangiert, die damals noch etwas Ungewöhnliches waren, aber immer graziös und zierlich sind, ihr Teint war rein und blaß, ihre Augen konnte ich nicht sehen, denn sie waren auf ihr Gebetbuch geheftet und von ihren gesenkten Lidern und langen, schwarzen Wimpern verborgen; aber die Augenbrauen waren ausdrucksvoll und schön begrenzt, die Stirn hoch und intellektuell, die Nase eine vollkommene Adlernasse und die Züge im Allgemeinen tadellos — nur dass eine leichte Gesunkenheit um die Wangen und Augen sichtbar und die Lippen, wenn auch schön geformt, doch etwas zu schmal, etwas zu fest zusammengepreßt waren und ein Etwas um sich hatten, das, wie ich dachte, ein nicht eben weiches oder liebenswürdiges Gemüt bekundete, und ich sagte in meinem Herzen:
»Ich möchte Sie lieber aus der Ferne bewundern, schöne Dame, als in einem Hause mit Ihnen wohnen.«
In diesem Augenblicke erhob sie zufällig ihre Augen und sie begegneten den meinen. Ich wendete meinen Blick nicht ab und sie richtete dieselben wieder auf ihr Buch, aber mit einem momentanem unbeschreiblichen Ausdrucke ruhiger Verachtung, der ungemein aufreizend für mich war.
»Sie hält mich für einen unverschämten Hasenfuß,« dachte ich, »hm! sie soll ihre Ansicht bald ändern, wenn ich es für der Mühe wert halte.«
Dann aber fiel es mir plötzlich ein, dass dies sehr unpassende Gedanken für ein Gotteshaus seien und dass mein jetziges Benehmen ganz und gar nicht so sei, wie es sich für mich schicke. Ehe ich jedoch meinen Geist wieder auf den Gottesdienst lenkte, ließ ich meine Augen in der Kirche umherschweifen, um zu sehen, ob mich Jemand beobachtet habe — aber nein, — Alle, die nicht auf ihre Gebetbücher schauten, blickten nach der fremden Dame hin, wozu auch meine gute Mutter und Schwester und Mrs. Wilson nebst ihrer Tochter gehörte, und selbst Elise Milward blickte aus den Winkeln ihrer Augen verstohlen nach dem Gegenstande der allgemeinen Aufmerksamkeit hin, dann sah sie mich an, lächelte ein wenig und errötete, — sah, verschämt auf ihr Gebetbuch und bemühte sich, ihre Züge in Ordnung zu bringen.
Da sündigte ich schon wieder, und diesmal wurde ich durch einen plötzlichen Rippenstoß von dem Ellbogen meines vorwitzigen Bruders darauf aufmerksam gemacht. Für jetzt konnte ich die Beleidigung nur dadurch rächen, dass ich meinen Fuß auf seine Zehen setzte und verschob die weitere Rache, bis wir aus der Kirche kommen würden.
Nun, Halford, ehe ich diesen Brief schließe, will ich Ihnen sagen, wer Elise Milward war. Sie war die jüngste Tochter des Vikars und ein recht einnehmendes Geschöpfchen, dem ich nicht wenig gewogen war — und sie wußte es, obgleich ich mir nie eine direkte Erklärung erlaubt und auch keine entschiedene Absicht hatte, dies zu tun, da meine Mutter, die behauptete, dass es zwanzig s Meilen in der Runde Keine gäbe, die gut genug für mich sei, den Gedanken nicht ertragen konnte, dass ich das unbedeutende, kleine Ding zur Frau nähme, das außer seinen zahlreichen übrigen Eigenschaften, die es dazu untauglich machten, keine zwanzig Pfund besaß.
Elisens Gestalt war schlank, aber voll, ihr Gesicht klein und fast so rund, wie das meiner Schwester, — Teint, dem dieser etwas ähnlich, aber zarter und nicht so außerordentlich blühend, — Nase retroussée — Züge im Allgemeinen unregelmäßig — und im Ganzen genommen war sie eher reizend als schön; aber ihre Augen — diese bemerkenswerten Teile ihres Gesichts, darf ich nicht vergessen, denn darin lag ihre hauptsächlichste Anziehungskraft, wenigstens im Äußern — sie waren lang und schmal geformt, die Augäpfel schwarz oder von sehr dunklem Braun, der Ausdruck wechselnd und immer veränderlich, aber stets entweder übernatürlich — ich hätte fast gesagt satanisch — schelmisch oder unwiderstehlich bezaubernd — oft beides. Ihre Stimme war sanft und kinderartig, ihr Schritt leicht und unhörbar wie der einer Katze und ihr ganzes Wesen meist das eines hübschem mutwilligen Kätzchens, das bald vorwitzig, bald schelmisch, bald furchtsam, bald demütig ist, wie es gerade will.
Ihre Schwester Mary war um mehrere Jahre älter, mehrere Zoll länger und von stärkerem, gröberen Bau — ein häßliches, stilles, verständiges Mädchen, das ihre Mutter während ihrer letzten langen, schleichenden Krankheit geduldig gepflegt und von da an bis zum gegenwärtigen Augenblicke die Haushälterin und der Familie Aschenbrödel gewesen war.
Ihr Vater vertraute ihr und schätzte sie hoch, alle Hunde, Katzen, Kinder und Arme liebten sie und schmeichelten ihr und alle Übrigen vernachlässigten sie und schätzten sie gering.
Seine Hochwürden, Herr Michael Milward selbst, war ein langer, schwerfälliger, ältlicher Herr, der einen breitkrämpigen, hinten aufgeschlagenen Hut über sein breites, viereckiges, massives Gesicht setzte, in der Hand einen dicken Spazierstock trug und seine noch kräftigen Beine in Kniehosen und Gamaschen, oder bei feierlichen Gelegenheiten in schwarz-seidene Strümpfe steckte.
Er war ein Mann von festen Grundsätzen, starken Vorurteilen und regelmäßigen Gewohnheiten. Er duldete keinen Widerstand, in welcher Gestalt er auch erscheinen mochte und handelte nach der festen Überzeugung, dass seine Ansichten stets die richtigen seien und, wer von ihnen abwich, entweder bedauernswert unwissend oder absichtlich blind sein müsse.
In der Kindheit war ich stets gewohnt gewesen, ihn mit ehrfurchtsvollem Schrecken zu betrachten, das ich erst seit ganz kurzer Zeit überwunden hatte, denn wiewohl er gegen gut erzogene Kinder eine väterliche Güte bewies, so war er doch ein strenger Freund der Disciplin und hatte unsere jugendlichen Fehler und kleinen Sünden oftmals hart bestraft und wenn er unsere Eltern besuchte, hatten wir immer vor ihn treten und unsern Katechismus hersagen, oder »was tut die kleine fleißige Biene« oder eine andere Hymne deklamierem oder — was das Schlimmste war, — uns über seinen letzten Text und die Teile seiner Predigt, deren wir uns nie entsinnen konnten, ausfragen lassen müssen.
Mitunter tadelte der gute Mann sogar meine Mutter darüber, dass sie gegen ihre Söhne so nachsichtig wäre und erging sich dabei in Beziehungen auf den alten Eli oder David und Absalom, die sie ganz besonders kränkten, und so hoch sie ihn und alle seine Worte auch verehrte, hörte ich sie doch einmal ausrufen: — »Ich wollte doch, dass er selbst eigen Sohn hätte, dann würde er nicht so bereitwillig sein, anderen Leuten immer Ratschläge zu geben — er würde sehen, was das heißt, wenn man ein paar Jungen in Ordnung halten muß.«
Er besaß eine löbliche Sorgfalt für seine körperliche Gesundheit — stand früh auf und ging bei Zeiten zu Bette, machte regelmäßig vor dem Frühstück einen Spaziergang, war ungemein eigen in Bezug auf warme und trockne Kleidung, hatte nie eine Predigt gehalten, ohne vorher ein rohes Ei zu verschlucken, obgleich er mit guten Lungen und einer kraftvollen Stimme begabt war, und war im Allgemeinen in Bezug, auf das, was er aß und trank, äußerst eigen, wenn auch keineswegs enthaltsam, und hatte eine ganz eigentümliche Diät, indem er Tee und dergleichen Gewäsch höchlichst verachtete und dafür Bier, Speck und Eier, Schinken, Rauchfleisch und andere kräftige Speisen in Schutz nahm, die mit seinen Verdauungsorganen in gutem Vernehmen standen, weshalb er behauptete, . dass sie für Jedermann gut und gesund seien und sie den schwächlichsten, kranken oder an Unverdaulichkeit Leidenden eifrig empfahl und ihnen dann, wenn sie von seinen Recepten nicht den versprochenen Nutzen zogen, sagte, dass es nur daher komme, dass sie nicht lange genug damit fortgefahren seien, und wenn sie sich über unangenehme Folgen davon beklagten, ihnen versicherte, dass es nichts wie Einbildung sei
Ich will zwei andere Personen, die ich erwähnt habe, nur kurz berühren und dann diesen langen Brief schließen. Dies sind Mrs. Wilson und ihre Tochter.
Erstere war die Witwe eines wohlhabenden Gutsbesitzers, eine engherzige, schwatzhafte alte Frau Base, deren Charakter keine Beschreibung verdient. Sie hatte zwei Söhne, Robert, einen rauhen, verbauerten Landmann und Richard, einen schüchternen, fleißigen, jungen Mann, der unter Beihilfe des Vikars die classischen Sprachen studierte und sich für die Universität vorbereitete, um später in die Kirche zu treten.
Ihre Schwester Jane war eine junge Dame von einigem Talent, aber noch größerem Ehrgeiz. Sie hatte ihrem eigenen Wunsche zufolge, eine ordentliche Pensionats-Erziehung, die vornehmer war, als sie irgend ein Mitglied der Familie vor ihr erhalten hatte, genossen; sie hatte die Politur gut angenommen, höchst elegante Manieren erhalten, ihren Provinzialaccent gänzlich verloren und konnte sich größeren Wissens rühmen, als die Töchter des Vikars.
Man hielt sie überdies für eine Schönheit, sie konnte mich jedoch nie auch nur auf einen Augenblick zu ihren Bewunderern zählen. Sie war etwa sechsundzwanzig, « ziemlich lang und sehr schlank, ihr Haar weder kastanienbraun noch auburn, sondern von höchst entschiedenen grellem hellen Rot. Ihr Teint auffallend weiß und brillant, ihr Kopf klein, Hals lang, Kinn gut geformt, aber sehr kurz, die Lippen schmal und rot, die Augen hellbraun, durchdringend und scharf, aber des Gefühls und der Poesie gänzlich ermangelnd. Sie hatte oder hätte in ihrem Stande eine Menge von Bewerbern haben können, wies sie aber alle verächtlich zurück oder ab, denn ihrem feinen Geschmacke konnte nur ein Gentleman gefallen und ihrem Ehrgeize nur ein reicher Mann genügen. Es gab einen Gentleman, der ihr in der lebten Zeit ziemlich auffallende Aufmerksamkeit bewiesen und auf dessen Herz, Namen und Vermögen, wie man sich zuflüsterte, sie ernsthafte Absichten hatte.
Dies war Mr. Lawrence, der junge Gutsherr, dessen Familie früher Wildfell Hall bewohnt, es aber vor etwa fünfzehn Jahren verlassen hattest, um ein moderneres und bequemeres Haus im benachbarten Kirchspiele zu bewohnen.
Nun, Halford, für jetzt nehme ich von Ihnen Abschied. Dies ist die erste Ratenzahlung meiner Schuld; sagen Sie mir, ob Ihnen die Münze zusagt, und ich werde Ihnen dann das Übrige nach Muster zusenden. Wollen Sie aber lieber mein Gläubiger bleiben, als Ihre Börse mit so unbehilflichen, schweren Geldstücken vollstopfen — so sagen Sie mir es dessenungeachtet und ich werde Ihrem schlechten Geschmack verzeihen und den Schatz gern für mich behalten.
Unveränderlich der Ihrige
Gilbert Markham.
Ich nehme mit Freuden wahr, mein hochgeschätzter Freund, dass sich die Wolke Ihres Unwillens verzogen hat, Sie lassen die Sonne Ihres Antlitzes wieder leuchten und verlangen die Fortsetzung meiner Geschichte und sollen dieselbe also ohne weitere Umschweife erhalten.
Ich glaube, dass der von mir zuletzt erwähnte Tag der letzte Oktobersonntag des Jahres 1827 gewesen ist. Am folgenden Dienstag war, ich mit meinem Hunde und meiner Flinte ausgegangen, um solches Wild aufzusuchen, wie es sich auf dem Gebiete von Linden-Car vorfand; da ich aber gar keines erblickte, wendete ich meine Waffen gegen die Falken und Aaskrähen, deren Räubereien mich, wie ich argwöhnte, besserer Beute beraubt hatten.