Die "Jesus-in-Indien-Legende" - Eine alternative Jesus-Erzählung? - Mark Bothe - kostenlos E-Book

Die "Jesus-in-Indien-Legende" - Eine alternative Jesus-Erzählung? E-Book

Mark Bothe

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Beschreibung

Diplomarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Theologie - Biblische Theologie, Note: 1,3, Westfälische Wilhelms-Universität Münster (Seminar für Zeit- und Religionsgeschichte des Neuen Testaments), Sprache: Deutsch, Abstract: „Wie Jesus wirklich starb“ – so titelte der FOCUS im April 2010 kurz vor Ostern. Und die P.M.-History behandelte in einem Sonderteil „Das Geheimnis des Jesus von Nazareth“. Tatsächlich wird kaum eine Person so intensiv be- und durchleuchtet wie die des Jesus von Nazareth. Bemerkenswert ist dabei jedoch, dass sich das Interesse nur selten auf die für die Theologie relevanten Fragestellungen nach etwa dem christologischen Selbstverständnis oder dem messianischen Anspruch Jesu richtet. Es geht vielmehr immer um die Person, um den Mann aus Nazareth und die Frage, wie er wirklich war. Hier wird „ […] von vornherein eine Differenz statuiert zwischen dem Jesus, von dem die neutestamentlichen Schriften, besonders die Evangelien erzählen – darauf basiert die kirchliche Verkündigung – und Jesus als einer historischen Gestalt.“ Dabei distanzieren sich solche Betrachtungen dezidiert von kirchlichen und theologischen Jesusbildern. Der Fragehorizont ist ein gänzlich anderer geworden, wie auch der Untertitel zur FOCUS-Ausgabe zeigt: „… und das Geheimnis um das Turiner Grabtuch“. Das Leben des Jesus von Nazareth wird als Kriminalgeschichte präsentiert, der es Geheimnisse zu entlocken gilt. Waren es lange Zeit allein Geisteswissenschaftler die sich mit der Leben-Jesu-Forschung beschäftigten, so ist der gesamte Komplex teilweise in ein neureligiös-esoterisches Feld abgewandert. In genau diesem neureligiös-esoterischen Feld ist die Jesus-in-Indien-Legende (im Folgenden kurz: JiIL) anzusiedeln. Ihre Ursprünge liegen in den Offenbarungen des Gründers der indisch-islamischen Ahmadiyya-Bewegung, die als erste die Auffassung vertrat, Jesus habe seine Kreuzigung überlebt, mit dem Ziel, seinen Anspruch als Mahdî und Messias zu festigen. Ungeachtet dieses Zusammenhangs wanderte die Idee von der überlebten Kreuzigung und mit ihr die Überzeugung, Jesus habe Indien besucht, nach Europa ein, wo sie auf ein geistiges Milieu stieß, das es ihr erlaubte, zu einer Form der Neuinterpretation des Lebens Jesu und schließlich der gesamten jüdisch-christlichen Geschichte zu werden. Erstaunlich dabei ist, dass es gerade trotz dieser Ursprünge zur Ausformung der modernen JiIL kommen konnte. Denn die heutige Form ignoriert, dass eine solche Geschichte und Quellenlage keine neutral-wissenschaftlichen Beweise ermöglichen, die jedoch von den Vertretern immer wieder behauptet werden. Auf diese Weise lässt sich bei der JiIL durchaus von einer Form post-moderner Wissenschafts-Religiosität sprechen.

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Inhalt

 

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

0 Einleitung

1 Jesus in Indien – die Anfänge

1.1 Jesus in Indien – Legende oder Theorie? Das Problem der Bezeichnung

1.2 Die erste Phase: Ursprung und erste Autoren

1.2.1 Ghulam Ahmad – Jesus starb in Indien

1.2.2 Levi Dowling – Das Wassermann-Evangelium

1.2.3 Nicolas Notovitch

1.2.4 The Crucifixion by an Eye-Witness

1.2.5 Fazit: Jesus in Indien – ein Gedanke aus vielen Anfängen

1.3 Die zweite Phase: Al-Haj Khwaja Nazir Ahmad – Jesus in Heaven on Earth

1.4 Die dritte Phase: Jesus-in-Indien heute – Wandlung zur Kaschmir-Theorie

1.4.1 Andreas Faber-Kaiser

1.4.2 Fida Hassnain

1.4.3 Holger Kersten

1.4.4 Obermeier, Choudhury, Goeckel

1.4.5 Fazit: Jesus als der neue Buddha – die JiIL als Kaschmir-Theorie

2 Literaturkritik: Die Erzählstruktur der JiIL

2.1 Die Wahrheit der frühen Zeugnisse

2.2  Aura der Plausibilität

2.3 Ähnlichkeitsbeweise

2.4 Die JiIL als Kriminalgeschichte und die Kirche als Gegner

2.5 Sprachvergleiche

2.6 Quellen

2.6.1 Biblische Schriften

2.6.2 Apokryphe Schriften

2.6.3 Orientalische Quellen

2.6.4. Weitere Quellen

2.7 Fazit – Die Methodik der JiIL

3  Die JiIL – Versuch einer religionssoziologischen und -historischen Einordnung

3.1 Kritik an der JiIL

3.1.1 Art und Herkunft der Quellen

3.1.2 Die Verwendung der Quellen

3.2 Die JiIL und ihre Motivation

3.2.1 Die Selbst-Einordnung der JiIL-Autoren

3.2.2 Die Fremd-Einordnung der Kritiker

3.2.3 Versuch einer weiteren Perspektive: Die JiIL – ein Zeichen für eine sich verändernde Religiosität

4 Schlussbetrachtung

Anhang

Bildnachweis

Literaturverzeichnis

Lexika

Primär- und Sekundärliteratur

 

Abbildungsverzeichnis

 

Abb. 1: Jesu Reise nach Ghulam Ahmad

Abb. 2: Jesu erste Reise nach Nazir Ahmad

Abb. 3: Jesu zweite Reise nach Nazir Ahmad

Abb. 4: Jesu erste Indienreise nach Faber-Kaiser

Abb. 5: Jesu zweite Indienreise nach Faber-Kaiser

Abb. 6: Schematischer Überblick über die JiIL

Abb. 7: Die Sprachvergleiche des Nazir Ahmad, Beispiel 1

Abb. 8: Die Sprachvergleiche des Nazir Ahmad, Beispiel 2

 

Abkürzungsverzeichnis

Anmerkungen zur Zitation:

0 Einleitung

 

„Wie Jesus wirklich starb“ – so titelte der FOCUS im April 2010 kurz vor Ostern.[1] Und die P.M.-History behandelte in einem Sonderteil „Das Geheimnis des Jesus von Nazareth“.[2] Tatsächlich wird kaum eine Person so intensiv be- und durchleuchtet wie die des Jesus von Nazareth. Bemerkenswert ist dabei jedoch, dass sich das Interesse nur selten auf die für die Theologie relevanten Fragestellungen nach etwa dem christologischen Selbstverständnis oder dem messianischen Anspruch Jesu richtet. Es geht vielmehr immer um die Person, um den Mann aus Nazareth und die Frage, wie er wirklich war. Hier wird „ […] von vornherein eine Differenz statuiert zwischen dem Jesus, von dem die neutestamentlichen Schriften, besonders die Evangelien erzählen – darauf basiert die kirchliche Verkündigung – und Jesus als einer historischen Gestalt.“[3] Dabei distanzieren sich solche Betrachtungen dezidiert von kirchlichen und theologischen Jesusbildern, welche meist als geformte, gewachsene, teilweise sogar als absichtlich veränderte Größen verstanden werden, die mit der ursprünglichen Person nicht mehr viel gemein haben. Der Fragehorizont ist ein gänzlich anderer geworden, wie auch der Untertitel zur FOCUS-Ausgabe zeigt: „… und das Geheimnis um das Turiner Grabtuch“. Das Leben des Jesus von Nazareth wird als Kriminalgeschichte präsentiert, der es Geheimnisse zu entlocken gilt. Die biblischen Aussagen über Jesus werden dabei mit einer rein naturwissenschaftlichen Perspektive betrachtet, Aussagen des Glaubens auf ihre nachweisbaren Aspekte reduziert oder nicht beachtet. Dieser veränderten Fragestellung geht eine veränderte Fragemotivation voraus. Waren es lange Zeit Theologen, Philosophen, Geistliche und Sprachwissenschaftler, die sich mit der Leben-Jesu-Forschung beschäftigten, so ist der gesamte Komplex teilweise in ein populärwissenschaftliches bzw. in ein neureligiös-esoterisches Feld abgewandert. Die Fragesteller sind jetzt Journalisten, Romanautoren und Anhänger neureligiöser Bewegungen. Das ist auch der Grund für die große Vielfalt an Literatur zu dem Thema in Abgrenzung zu Literatur über das Thema, die sich auf einige wenige Werke beschränkt. Und auch die Leserschaft hat sich verändert, denn diese neue Art der Fragestellung  wird von einer sehr viel breiteren Öffentlichkeit verfolgt als jemals zuvor, was insbesondere auch durch die relativ große Internetpräsenz des Themas illustriert wird.[4]

 

In genau diesem neureligiös-esoterischen Feld ist die Jesus-in-Indien-Legende (im Folgenden kurz: JiIL)[5] anzusiedeln. Ihre Ursprünge liegen in den Offenbarungen des Gründers der indisch-islamischen Ahmadiyya-Bewegung, die als erste die Auffassung vertrat, Jesus habe seine Kreuzigung überlebt, mit dem Ziel, seinen Anspruch als Mahdî und Messias zu festigen. Ungeachtet dieses Zusammenhangs wanderte die Idee von der überlebten Kreuzigung und mit ihr die Überzeugung, Jesus habe Indien besucht,  nach Europa ein, wo sie auf ein geistiges Milieu stieß, das es ihr erlaubte, zu einer Form der Neuinterpretation des Lebens Jesu und schließlich der gesamten jüdisch-christlichen Geschichte zu werden. Dieser Prozess verband in seinem Fortgang immer mehr Elemente. Hatte Jesus in Ghulam Ahmads Entwurf Indien erst nach seiner Kreuzigung bereist, präsentiert 1951 Nazir Ahmad bereits eine Weiterentwicklung, in welche offensichtlich weitere Quellen Aufnahme gefunden hatten, sodass Jesus jetzt sowohl nach als auch vor seiner Kreuzigung Indien bereiste. Die Begründungen dafür variieren von der Suche nach den verlorenen zehn Stämmen der Juden, über die Flucht vor den Häschern der Juden und Römer, bis hin zur Suche nach der Weisheit seiner Vorväter, deren Heimat in Indien vermutet wird. Alle drei Versionen bestehen in den meisten Werken zu dem Thema nebeneinander und führen zu dem jüngsten evolutionären Schritt in der JiIL: der Identifikation Jesu als Bodhisattva. Wie angedeutet, findet das Thema innerhalb wissenschaftlicher Disziplinen kaum Niederschlag. Bisher haben sich im deutschsprachigen Raum lediglich Günter Grönbold, Norbert Klatt, Roman Heiligenthal und Bernd Kollmann[6] mit dem Thema „Jesus-in-Indien“ befasst. Von diesen haben jedoch lediglich die ersten beiden Autoren den Versuch gewagt, näher auf die Hintergründe einzugehen; die meisten Untersuchungen gehen auf das Thema nur am Rande ein und tun es als „Schwindel“[7] ab. Und auch bei Grönbold ist der stark polemische Ton nicht zu überlesen, mit dem er sich dezidiert gegen die Jesus-in-Indien-Autoren wendet.[8] Ein solcher Stil trübt die Neutralität ansonsten sachlich richtiger Aussagen und macht es dem Leser schwer, sich eine fundierte, eigenständige Meinung zu bilden. Einzig Norbert Klatt scheint bemüht, einen neutralen Stil zu pflegen, was mit seiner Zielsetzung zusammenhängt. Denn ihm geht es nicht um eine Widerlegung der Jesus-in-Indien-Vertreter, sondern um eine religionswissenschaftliche Einordnung, also den Versuch Ursprung und Wirkung des Phänomens „Jesus-in-Indien-Legende“ zu klären:

 

„Die bloße Frage, ob Jesus in Indien gelebt hat, ist eigentlich uninteressiert, da sie nur auf eine positive oder negative Antwort ausgeht. Erst die Betrachtung des Systems, in dem diese Fragestellung entfaltet wird, erschließt ihren wesentlichen Sinngehalt.“[9]

 

Eine solche Auffassung wird auch in der vorliegenden Arbeit vertreten. Bisher haben sich im deutschsprachigen Raum lediglich Günter Grönbold, Norbert Klatt, Roman Heiligenthal und Bernd Kollmann[10] mit dem Thema „Jesus-in-Indien“ befasst. Von diesen haben jedoch lediglich die ersten beiden Autoren den Versuch gewagt, näher auf die Hintergründe einzugehen; die meisten Untersuchungen gehen auf das Thema nur am Rande ein und tun es als „Schwindel“[11] ab. Und auch bei Grönbold ist der stark polemische Ton nicht zu überlesen, mit dem er sich dezidiert gegen die Jesus-in-Indien-Autoren wendet.[12] Ein solcher Stil trübt die Neutralität ansonsten sachlich richtiger Aussagen und macht es dem Leser schwer, sich eine fundierte, eigenständige Meinung zu bilden. Um hierauf eine Antwort zu geben wird in dieser Arbeit in einem Dreischritt verfahren. Im ersten Teil soll geklärt werden, woher die JiIL kommt. Was sind ihre Wurzeln? Welche Quellen liegen ihr zugrunde? Woher nimmt sie ihre Inhalte?

 

Im zweiten Teil wird die innere Struktur der JiIL untersucht werden um zu sehen, auf welche Methoden sie zurückgreift und welche Strategien sie verfolgt um Einheitlichkeit und innere Logik zu bewahren und mit welchen Mitteln sie es schafft, auch nach außen hin als plausibel zu gelten.

 

Der dritte Teil schließlich stellt die eigentliche Einordnung dar. Hier soll geklärt werden, ob und wie sich die JiIL verorten lässt, also ob sie ein eigenständiges Phänomen darstellt oder ob sie bereits bestehenden Denkrichtungen und –strömungen zuzurechnen ist. Einleitend wird diesem Teil eine inhaltliche Kritik an einigen, beispielhaften Punkten der JiIL vorangestellt, um eine bessere Beurteilung der im zweiten Teil abgehandelten Quellen und Erzählstrategien zu ermöglichen. Daraufhin wird zunächst auf die Selbstwahrnehmung der JiIL-Autoren eingegangen werden um dann die Fremdwahrnehmung der Kritiker zu behandeln. Dem schließt sich ein eigener Erklärungsansatz an. Die Ergebnisse werden nach jeden Teil noch einmal kurz zusammengefasst.

 

1 Jesus in Indien – die Anfänge

 

Bei der Sichtung des Materials zur zum Thema „Jesus-in-Indien“ wird schnell deutlich, dass es die JiIL zu Beginn gar nicht gibt. Gleich mehrere Autoren bieten sehr unterschiedliche und teils widersprüchliche Motive an, die sogar zu Beginn, wie im Falle des „Essäerbriefes“, zunächst mit der Thematik gar nichts zu tun zu haben scheinen. Erst in einem zweiten Schritt wird aus diesen Motiven ein Gesamtkonzept, dass sich als eine „Jesus-in-Indien-Legende“ bzw. „Kaschmir-Theorie“ zu erkennen gibt. An dieser Stelle soll auf vier ganz bestimmte Werke eingegangen werden, die für die Formung der Jesus-in-Indien-Idee zu einem Gesamtkonzept eine tragende Rolle spielen und auf die von allen Autoren immer wieder Bezug genommen wird. Zu diesen kommen noch weitere hinzu, die aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung jedoch gesondert in Kapitel 1.6 abgehandelt werden.

 

1.1 Jesus in Indien – Legende oder Theorie? Das Problem der Bezeichnung

 

Der Begriff „Jesus-in-Indien-Legende“ oder kurz „JiIL“ geht auf den Indologen Günter Grönbold zurück: „Denn mehr als eine ‚religiös erbauliche, volkstümliche Erzählung um den irdischen Lebenslauf eines Heiligen‘ ist es nicht, was uns […] vorgesetzt wird.“[13]Sicherlich trifft die Bezeichnung „Legende“ den Kern der zur Jesus-in-Indien-Thematik gehörenden Literatur. Jedoch ist dieser Begriff nicht unproblematisch, da er von Grönbold offensichtlich in abwertender Absicht benutzt wird, wiewohl sein ganzes Buch in offen polemischer Weise gegen die Autoren der Jesus-in-Indien-Thematik stellt und persönlich angreift. Die Betitelung als Legende steht daher unter dem Verdacht, eine negative Wertung zu beinhalten und damit eine Voreingenommenheit zu produzieren. Neutraler erscheint die von Norbert Klatt gefundene Bezeichnung als „Kaschmir-Theorie“. Dieser Begriff ist vor allem dort zutreffend, wo der Jesus-in-Indien-Themenkomplex von seinen Autoren als wissenschaftlich nachvollziehbar dargestellt wird. Dies trifft hauptsächlich auf solche zu, die nach 1950 ihre Werke verfassen. Doch auch dieser Begriff ist nicht unproblematisch. Denn er suggeriert Wissenschaftlichkeit. Diese wird jedoch nur von einigen Jesus-in-Indien-Autoren behauptet, von anderen hingegen deutlich abgelehnt. Einen Kompromiss scheint die Zeitschrift P.M. History zu finden, in dem sie von der „Jesus-in-Indien-Theorie“ spricht.[14]Die Vielfalt der Bezeichnungen spiegelt wider, dass die Vertreter der Jesus-in-Indien-Idee selbst keine einheitliche Begrifflichkeit bieten,[15]obwohl erkennbar ist, dass sich die Autoren in ihrer Thematik untereinander als verwandt einstufen.[16]In dieser Arbeit wird zudem gezeigt werden, dass sich die Jesus-in-Indien-Idee in mehreren Stufen zu dem Konstrukt bildet das sie heute ist. In ihrer Anfangszeit ist sie in der Tat nicht viel mehr als eine religiös motivierte Neuformulierung der Lebensgeschichte Jesu, was am ehesten mit dem Begriff „Legende“ erfasst wird. In den späteren Phasen wird sie mehr und mehr zu einer These mit wissenschaftlichem Anspruch, was wiederum die Bezeichnung als These rechtfertigt. Somit wäre es also legitim, beide Begriffe parallel zu rechtfertigen. Dies ließe jedoch außer Acht, dass es sich trotz allem um ein systematische Einheit handelt welche in ihren Kernaussagen zwar Erweiterungen, aber keine Verminderungen erfährt. Ein Ausweg aus diesem Dilemma soll hier, trotz der Intentionen seines Begründers, über den Legenden-Begriff versucht werden. Denn er muss in der Tat nicht als Wertung begriffen, sondern kann auch völlig neutral verstanden werden, eben als die Bezeichnung für den irdischen Lebenslauf eines Heiligen. Zudem ist dies nicht die einzige Bedeutung dieses Begriffs. Das RGG definiert eine Legende in der Wissenschaft als die „ […] Erweiterung eines historischen Kerns durch unhistorische bzw. phantastische Elemente“[17], was den Begriff nicht nur deutlich neutraler erscheinen lässt, sondern zudem den Vorteil bietet die JiIL aus einem weiteren Blickwinkel zu erfassen. Die Flexibilität des Begriffs eröffnet hier die Möglichkeit mit ein und demselben Begriff ein sich im Wandel befindendes Phänomen erfassen zu können. Daher soll für diese Arbeit der Begriff „Legende“[18]als neutrale Bezeichnung für eine alternative Lebensbeschreibung Jesu weiterhin Verwendung finden, in Abgrenzung zu der negativen Konnotation Grönbolds. Um dennoch die ganze Bandbreite der Jesus-in-Indien-Darstellungen beschreiben zu können, wird zudem, an entsprechender Stelle, der Begriff „Kaschmir-Theorie“[19]genannt werden.