Die Judenbuche - Annette von Droste-Hülshoff - E-Book

Die Judenbuche E-Book

Annette von Droste-Hülshoff

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Beschreibung

In "Die Judenbuche", einem der herausragendsten Werke der deutschen Novellistik, beleuchtet Annette von Droste-Hülshoff die Themen Antisemitismus und Vorurteile im Kontext des 19. Jahrhunderts. Die Novelle erzählt die tragische Geschichte des Juden Aaron, dessen Leben in einem von Intoleranz geprägten Dorf endet. Durch ihren eindringlichen, poetischen Stil und die meisterhafte Konstruktion von Handlung und Charakteren gelingt es der Autorin, ein eindimensionales Bild des jüdischen Lebens zu hinterfragen und die psychologischen Mechanismen hinter gesellschaftlichem Hass zu entblättern. Das Werk ist nicht nur literarisch wertvoll, sondern bietet auch eine scharfsinnige gesellschaftskritische Analyse der Zeit. Annette von Droste-Hülshoff, eine prominente Stimme der deutschen Romantik, entstammt einem traditionellen westfälischen Adelsgeschlecht. Ihre sensiblen, oft melancholischen Werke spiegeln ihre eigenen Erfahrungen mit gesellschaftlichen Konventionen und persönlichen Verlusten wider. Besonders ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Thema des Exils und der Identität, angestoßen durch die Schatten ihrer eigenen Familientradition, prägt die Erzählung in "Die Judenbuche" und verleiht ihr eine emotionale Tiefe. Dieses Buch ist nicht nur ein literarisches Meisterwerk, sondern fordert auch zur Reflexion über anhaltende gesellschaftliche Probleme auf. Es eignet sich sowohl für Literaturinteressierte als auch für Leser, die sich mit der Geschichte der Vorurteile auseinandersetzen möchten. Droste-Hülshoff schafft es, den Leser in eine Welt zu entführen, die immer noch aktuell ist und zum Nachdenken anregt.

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Annette von Droste-Hülshoff

Die Judenbuche

Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2024
EAN 8596547838791

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titelblatt
Text

Die Judenbuche

Inhaltsverzeichnis
Die Judenbuche.
Ein Sittengemälde aus dem gebirgigten Westphalen.
Von Annette E. Freiin von Droste zu Hülshoff.

Wo ist die Hand so zart, daß ohne Irren Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren, So fest, daß ohne Zittern sie den Stein Mag schleudern auf ein arm verkümmert Seyn? Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen, Zu wägen jedes Wort, das unvergessen In junge Brust die zähen Wurzeln trieb, Des Vorurtheils geheimen Seelendieb? Du Glücklicher, geboren und gehegt Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt, Leg hin die Wagschal’, nimmer dir erlaubt! Laß ruhn den Stein – er trifft dein eignes Haupt! –

Friedrich Mergel, geboren 1738, war der einzige Sohn eines sogenannten Halbmeiers oder Grundeigenthümers geringerer Klasse im Dorfe B., das, so schlecht gebaut und rauchig es seyn mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges. Das Ländchen, dem es angehörte, war damals einer jener abgeschlossenen Erdwinkel ohne Fabriken und Handel, ohne Heerstraßen, wo noch ein fremdes Gesicht Aufsehen erregte, und eine Reise von dreißig Meilen selbst den Vornehmeren zum Ulysses seiner Gegend machte – kurz, ein Fleck, wie es deren sonst so viele in Deutschland gab, mit all den Mängeln und Tugenden, all der Originalität und Beschränktheit, wie sie nur in solchen Zuständen gedeihen. Unter höchst einfachen und häufig unzulänglichen Gesetzen waren die Begriffe der Einwohner von Recht und Unrecht einigermaßen in Verwirrung gerathen, oder vielmehr, es hatte sich neben dem gesetzlichen ein zweites Recht gebildet, ein Recht der öffentlichen Meinung, der Gewohnheit und der durch Vernachläßigung entstandenen Verjährung. Die Gutsbesitzer, denen die niedere Gerichtsbarkeit zustand, straften und belohnten nach ihrer in den meisten Fällen redlichen Einsicht; der Untergebene that, was ihm ausführbar und mit einem etwas weiten Gewissen verträglich schien, und nur dem Verlierenden fiel es zuweilen ein, in alten staubigten Urkunden nachzuschlagen. – Es ist schwer, jene Zeit unparteiisch in’s Auge zu fassen; sie ist seit ihrem Verschwinden entweder hochmüthig getadelt oder albern gelobt worden, da den, der sie erlebte, zu viel theure Erinnerungen blenden und der Spätergeborene sie nicht begreift. So viel darf man indessen behaupten, daß die Form schwächer, der Kern fester, Vergehen häufiger, Gewissenlosigkeit seltener waren. Denn wer nach seiner Ueberzeugung handelt, und sey sie noch so mangelhaft, kann nie ganz zu Grunde gehen, wogegen nichts seelentödtender wirkt, als gegen das innere Rechtsgefühl das äußere Recht in Anspruch nehmen.

Ein Menschenschlag, unruhiger und unternehmender als alle seine Nachbarn, ließ in dem kleinen Staate, von dem wir reden, manches weit greller hervortreten als anderswo unter gleichen Umständen. Holz- und Jagdfrevel waren an der Tagesordnung, und bei den häufig vorfallenden Schlägereien hatte sich jeder selbst seines zerschlagenen Kopfes zu trösten. Da jedoch große und ergiebige Waldungen den Hauptreichthum des Landes ausmachten, ward allerdings scharf über die Forsten gewacht, aber weniger auf gesetzlichem Wege, als in stets erneuten Versuchen, Gewalt und List mit gleichen Waffen zu überbieten.

Das Dorf B. galt für die hochmüthigste, schlauste und kühnste Gemeinde des ganzen Fürstenthums. Seine Lage inmitten tiefer und stolzer Waldeinsamkeit mochte schon früh den angeborenen Starrsinn der Gemüther nähren; die Nähe eines Flusses, der in die See mündete und bedeckte Fahrzeuge trug, groß genug, um Schiffbauholz bequem und sicher außer Land zu führen, trug sehr dazu bei, die natürliche Kühnheit der Holzfrevler zu ermuthigen, und der Umstand, daß Alles umher von Förstern wimmelte, konnte hier nur aufregend wirken, da bei den häufig vorkommenden Scharmützeln der Vortheil meist auf seiten der Bauern blieb. Dreißig, vierzig Wagen zogen zugleich aus in den schönen Mondnächten, mit ungefähr doppelt so viel Mannschaft jedes Alters, vom halbwüchsigen Knaben bis zum siebzigjährigen Ortsvorsteher, der als erfahrener Leitbock den Zug mit gleich stolzem Bewußtseyn anführte, als er seinen Sitz in der Gerichtsstube einnahm. Die Zurückgebliebenen horchten sorglos dem allmähligen Verhallen des Knarrens und Stoßens der Räder in den Hohlwegen und schliefen sacht weiter. Ein gelegentlicher Schuß, ein schwacher Schrei ließen wohl einmal eine junge Frau oder Braut auffahren; kein anderer achtete darauf. Beim ersten Morgengrau kehrte der Zug eben so schweigend heim, die Gesichter glühend wie Erz, hier und dort einer mit verbundenem Kopf, was weiter nicht in Betracht kam, und nach ein paar Stunden war die Umgegend voll von dem Mißgeschick eines oder mehrerer Forstbeamten, die aus dem Walde getragen wurden, zerschlagen, mit Schnupftabak geblendet und für einige Zeit unfähig, ihrem Berufe nachzukommen.