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Auf dem Gelände einer Autobahn-Raststätte wird ein völlig durchgefrorenes Mädchen gefunden. Es hat keine Ausweispapiere, und es spricht nicht. Man ruft die Polizei. Die möchte das Mädchen vorläufig in sicherer Umgebung wissen und bringt die Kleine bei Familie Kaminski unter. Dort wird sie liebevoll aufgenommen, aber sie spricht noch immer nicht. Sie malt jedoch einige Bilder mit Motiven, die mit dem Mittelalter zu tun haben. Schließlich fasst sie Zutrauen zu Raffi Kaminski und berichtet ihr stockend von einigen Männern mit Kettenhemden und anderen mittelalterlichen Figuren. Sie schildert auch einen Mann, der ihr sehr vertraut ist. Er sei plötzlich zu Boden gefallen und habe sich nicht mehr bewegt. Daraufhin sei sie weggelaufen und stundenlang durch den Wald geirrt. – Die Kaminski-Kids beschließen natürlich sofort, dieser mysteriösen Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Dabei stoßen sie auf eine Burg mit finsteren Gestalten, verschlungenen Gängen und taffen Geheimnissen. Ehrensache für die Kids, dass sie das Rätsel lösen! Eine abenteuerliche Mittelalterstory für Kinder und Jugendliche von 8 bis 12 Jahren.
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Seitenzahl: 109
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Carlo Meier Die Kaminski-Kids:
Wie bei allen Fällen der Kaminski-Kids haben auch bei diesem Band meine drei Kinder Sidi, Anuschka und Saskia tatkräftig mitgeholfen. Vielen Dank dafür! Bedanken möchte ich mich für die wertvollen Anregungen auch bei Alicia Smith (11) und Bianca Vogel, Gary Rother, Sarah Hoehn sowie Jaron (14) und Bigna Meier. Und natürlich bei meiner Frau Andi, ohne die dieses Buch nie möglich geworden wäre.
Mein Dank geht ebenfalls an Manuela Griffel und André Widmer (Kriminalpolizei) sowie Simon Carrel und Claudia Bucheli (Pädagogen) für ihre sachkundige Beratung.
Nicht zuletzt möchte ich mich auch bei meinen Lektorinnen Vera Hahn und Anne Helke sowie bei meinem Lektor und Freund Christian Meyer bedanken, der seit Beginn der Kaminski-Kids in sämtlichen Bänden entscheidende Impulse eingebracht hat.
Viel Spaß wünscht Euch allen
Carlo [email protected]
Besuche die Kaminski-Kids aufwww.kaminski-kids.com! Schau nach, was die Kids über sich selbst erzählen, und fordere die kostenlosen E-Mail-News mit spannenden Infos und Gewinnspielen an – damit bleibst Du immer am Ball, wenn was Wichtiges passiert. Viel Wissenswertes gibt es hier auch für Vorträge/Referate und natürlich über die Bücher, Hörspiele, Lesungen und den Autor.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2017 by Fontis – Brunnen Basel Umschlag und Illustrationen: Matthias Leutwyler, Luzern Typografie Umschlag: David Grau, Fontis – Brunnen Basel E-Book-Vorstufe: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel E-Book-Herstellung: Textwerkstatt Jäger, Marburg
ISBN (EPUB) 978-3-03848-482-0 ISBN (MOBI) 978-3-03848-483-7
Kapitel 1 − Das merkwürdige Mädchen
Kapitel 2 − Stumm
Kapitel 3 − Das geheimnisvolle Zeichen
Kapitel 4 − Zeitreise
Kapitel 5 − Die finstere Nische
Kapitel 6 − Wilbur
Kapitel 7 − Der Schatten
Kapitel 8 − Der schlafende Mann
Kapitel 9 − Das Rätsel
Kapitel 10 − Vargas
Kapitel 11 − Die Schatulle
Kapitel 12 − Das Burgfräulein
Kapitel 13 − Der Trick
Kapitel 14 − Der Geheimgang
Kapitel 15 − Ein heiseres Hüsteln
Kapitel 16 − Eisiger Windhauch
Kapitel 17 − In der Gruft
Kapitel 18 − Zwockel im Verlies
Kapitel 19 − Das Burg-Gespenst
Kapitel 20 − Der tiefe Brunnen
«Schau mal, da!»
Ein Junge mit halblangem braunem Haar zeigte zur Einzäunung der Autobahn-Raststätte.
Doch seine Mutter schaute nicht auf.
«Was ist, Mattias?» Frau Jolander ließ ihren Blick auf der Tankanzeige an der Zapfsäule.
«Da drüben», sagte Mattias. «Das Mädchen.»
Nun blickte Frau Jolander endlich auf.
Am Zaun trottete ein etwa neunjähriges Mädchen ganz allein über zwei leere Parkfelder.
«Die wird wohl zu jemandem gehören», meinte Frau Jolander.
Mattias schüttelte den Kopf. «Nein, die ist aus dem Wald da rausgekommen.»
«Aus dem Wald?»
In diesem Moment trat das Mädchen achtlos auf die Fahrspur zwischen den Parkfeldern.
Ein Auto rollte geradewegs auf die Kleine zu.
Der Fahrer hupte wild. Im letzten Augenblick konnte er das Steuer herumreißen und ausweichen.
Er hupte noch mal und fuhr weiter.
Doch die Kleine machte keine Anstalten, von der Fahrspur runterzugehen. Mit leerem Blick irrte sie weiter.
Frau Jolander steckte hastig den Zapfhahn in die Säule, schloss den Tankdeckel und rannte zu dem Mädchen hinüber.
Mattias folgte seiner Mutter und sah zu, wie sie das Mädchen am Arm fasste und vom Fahrstreifen wegführte.
Neben der Seitenlinie ging sie vor der Kleinen in die Hocke. «Hey, du musst aufpassen! Zu wem gehörst du denn?»
Das Mädchen schaute sie stumm an.
Frau Jolander runzelte die Stirn. «Wo ist deine Mama?»
Die Kleine schwieg.
«Verstehst du mich nicht?»
Es kam keine Antwort.
Von der Autobahn her drang das Rauschen und Dröhnen der Autos und Laster herüber. Doch die Kleine gab keinen Ton von sich.
Frau Jolander erhob sich und ließ den Blick über das Raststätten-Gelände schweifen.
Da war niemand unterwegs, der nach einem Mädchen Ausschau hielt.
Auch in den geparkten Wagen saß keiner, der so aussah, als würde er jemanden suchen.
Frau Jolander kniete sich hin und musterte das Mädchen.
Die Kleine trug ein uraltes, sackartiges Baumwollkleid, von oben bis unten mit Erde beschmutzt. Sie sah mitgenommen aus. Und sie fröstelte – ihre Arme waren von einer Gänsehaut überzogen. Ein dünnes Lederband hielt ihr braunes Haar zu einem Zöpfchen zusammen.
«Hmm», murmelte Frau Jolander. «Was machen wir jetzt mit dir, Kleine? Bist du denn ganz allein?»
Das Mädchen schaute wortlos zu Boden.
«Darf ich mal in deinen Taschen nachsehen?», schlug die Frau vor. «Vielleicht hast du ja was drin, das zu deinen Eltern führt. Einen Ausweis oder eine Telefonnummer oder irgendwas.»
Das Mädchen blickte nicht auf.
Zögerlich griff Frau Jolander in die Taschen des schmutzigen Baumwollkleides.
Doch sie waren leer, alle.
«Hmm», murmelte die Frau erneut. «Rein gar nichts, auch kein Geld. Einfach nichts. Seltsam.»
«Mam, ich schau mal da drüben nach», sagte Mattias und rannte zum Zaun hinüber.
Aufmerksam spähte er in den angrenzenden Wald hinein.
Doch da war nichts zu entdecken.
Keine Spuren von Menschen, kein verlassenes Lagerfeuer oder so was. Überhaupt nichts Auffälliges, was nicht hierhergehörte.
Mattias hob die Schultern und kehrte wieder um.
«Da ist niemand», erklärte er, als er zurück bei seiner Mutter und dem Mädchen war. «Sie ist wirklich ganz allein.»
«Tja.» Frau Jolander stand auf. «Dann gehen wir jetzt mal in die Gaststätte rein. Die Kleine ist ja ganz durchgefroren.»
Sie führte das Mädchen zum Restaurant, Mattias trottete neben den beiden her.
Unterwegs ließ Frau Jolander den Blick noch einmal übers Gelände schweifen.
Zwei Autos parkten gerade ein.
Leute stiegen aus und streckten sich.
Weit und breit war kein Mensch zu sehen, der nach einem Mädchen suchte.
«Seltsam», murmelte sie noch einmal und zog die Tür auf.
In der Raststätte herrschte viel Betrieb.
Frau Jolander brachte Mattias und das Mädchen an einen der wenigen freien Tische.
«Und? Wie sieht's aus?» Sie musterte die Kleine fragend. «Magst du heiße Schokomilch?»
Das Mädchen nickte.
«Aha», schmunzelte die Frau. «Immerhin das scheinst du doch zu verstehen!»
Frau Jolander bezahlte die Benzinrechnung, fuhr rasch ihr Auto von der Tankstelle weg auf einen freien Parkplatz und ging dann in der Gaststätte zur Theke, um die Getränke für die Kinder zu bestellen.«Sagen Sie mal», fragte sie die Bedienung. «Ist ein Mädchen als vermisst gemeldet worden?»
Die Verkäuferin schüttelte den Kopf. «Nicht, dass ich wüsste. Wir vom Personal hätten auch gar keine Zeit, uns darum zu kümmern. Wie Sie sehen, haben wir alle Hände voll zu tun.»
«Verstehe.» Frau Jolander wartete und sah auf die Uhr. Schon ziemlich spät. Mit einem so langen Zwischenstopp hatte sie nicht gerechnet.
Sie nahm das Tablett mit den Getränken und brachte es zum Tisch.
Dort legte Mattias gerade seine Jacke um die Schultern des Mädchens. «Sie schlottert voll», erklärte er. «Ich leih ihr meine Jacke.»
«Das ist lieb von dir.» Frau Jolander stellte die dampfenden Tassen vor den Kindern ab und setzte sich hin.
Mattias blies in seinen Becher und nippte vorsichtig an der Schokomilch.
Die Kleine trank ihre Tasse in hastigen Schlucken leer.
«Du hast ja einen ganz schönen Durst», staunte Frau Jolander. «Wie heißt du eigentlich?»
Das Mädchen starrte mit verlorenem Blick auf die leere Tasse.
«Na komm, jetzt sag doch was», bat Mattias. «Deinen Namen … Oder erzähl uns, was los ist. Uns kannst du's doch sagen, wir tun dir nichts.»
Das Mädchen lächelte ein wenig, blieb aber stumm.
Frau Jolander schaute auf die Uhr. «Tja, wir müssen langsam. Aber allein können wir die Kleine nicht hierlassen. Da gibt's wohl nur noch eins.»
Sie holte ihr Handy hervor und wählte die Nummer der Polizeizentrale.
Polizist Koller betrat die Raststätte, ging zwischen den Tischen hindurch und setzte sich neben Frau Jolander. «Der Tankwart hat nichts gesehen», berichtete der Polizist. «Keiner weiß etwas, ich hab jetzt alle befragt. Weder der Gaststättenbetreiber noch das Personal – niemand hat das Mädchen je zuvor gesehen oder weiß, zu wem sie gehört.»
Der Streifenbeamte legte seine Dienstmütze auf den Tisch. «Wir werden uns dann die Videobilder der Überwachungskameras ansehen, aber das braucht seine Zeit. Spricht die Kleine nach wie vor nicht?»
Frau Jolander schüttelte den Kopf. «Reden tut sie nicht, aber sie versteht uns. Als ich sie fragte, ob sie noch eine zweite Schokomilch will, hat sie sofort genickt.»
«Genau», schmunzelte Mattias. «Und zwei Brötchen hat sie auch gleich noch verdrückt!»
«So klein und schon so einen großen Hunger.» Koller zwinkerte dem Mädchen zu.
Sie schaute ihn abwesend an.
Deshalb wandte er sich wieder Frau Jolander zu. «Danke, dass Sie uns angerufen und in der Zwischenzeit für die Kleine gesorgt haben.»
«Ach», lächelte die Frau. «Das ist doch selbstverständlich.»
«Wenn Sie wüssten … das ist es eben nicht. Umso mehr ist es wichtig, wenn jemand anderen hilft.» Der Beamte erhob sich und setzte die Mütze auf. «Ich bringe das Mädchen jetzt zu einer Familie in der Nähe, die für Notaufnahmen zugelassen ist – als Übergangslösung.»
«Alles klar.» Frau Jolander stand ebenfalls auf und sah Mattias an. «Und wir fahren jetzt weiter. Wir sind spät dran.»
«Mam, krieg ich noch ein Snickers für die Reise?»
«Nach der ganzen Aufregung – okay, hol dir eins. Aber rasch!»
«Super, danke!» Mattias zog seine Jacke behutsam von den Schultern des Mädchens und ging zur Theke.
«Hier noch meine direkte Nummer.» Polizist Koller hielt Frau Jolander seine Karte hin. «Ihre Adresse hab ich ja. Sollte Ihnen noch was einfallen, rufen Sie mich bitte an.»
«Mir wird wohl nichts mehr einfallen, aber wenn doch, ja klar, dann melde ich mich.»
«Danke.» Koller tippte sich an die Mütze. «Auf Wiedersehen, und gute Fahrt.»
«Ich hoffe, Sie können dem Mädchen helfen.»
«Ja, das hoffe ich auch.» Koller wandte sich an die Kleine und streckte ihr die Hand hin. «Also, dann wollen wir mal. Na, komm, du darfst im Polizeiauto fahren!»
Mit einem schwachen Nicken stand das Mädchen auf und folgte dem Beamten aus der Raststätte.
Der Streifenwagen fuhr wenig später auf den Kaminski-Hof. Die Kids rannten gespannt die Treppe hinunter auf den Vorplatz. Allen voran Raffi, dahinter Simon und Debora.
Als Erster war aber Zwockel beim Wagen. Dort wartete der Hund artig auf die Kids.
Das fremde Mädchen stieg zögernd aus und sah sich mit blassem Gesicht um.
Zwockel schnupperte an ihr, wobei er freudig mit dem Schwanz wedelte.
Sie beugte sich ein wenig vor und hielt dem Hund vorsichtig die Hand hin. Zwockel stupste ihre Finger mit der feuchten Nase an und leckte dann ihre Handfläche.
Zum ersten Mal huschte ein richtiges Lächeln über das Gesicht der Kleinen.
Vater und Mutter kamen aus der Blumenhandlung herüber und begrüßten Polizist Koller.
«Und?», fragte Mutter. «Wie sieht's aus?»
«Wir wissen noch nicht mehr über die Kleine als vorhin», erklärte der Beamte. «In der Zentrale ist zwar ein zehnjähriges Kind als vermisst gemeldet, aber dabei handelt es sich um einen Jungen. Also kommt sie hier nicht in Frage.»
Mutter ging vor dem Mädchen in die Hocke. «Hallo, du bleibst jetzt ein bisschen bei uns. Sieh mal, hier sind noch andere Kinder!» Sie wies auf die Kids.
Doch die Kleine hatte nur Augen für Zwockel.
Vater schaute den Streifenbeamten an. «Und was passiert nun weiter?»
«Ich ermittle in alle Richtungen», antwortete Koller.
Frau Kaminski stand auf und sagte leise: «Die Kleine ist wohl während einer Autofahrt bei einem Halt auf der Raststätte verloren gegangen, oder?»
«Es gibt auch andere Möglichkeiten», murmelte der Polizist. «Das Mädchen könnte auch von den Eltern ausgesetzt worden sein.»
«Was?» Raffi sog erschrocken Luft ein. «Gibt's so was denn wirklich?»
Der Beamte nickte. «Ja, leider gibt es das, Raffaela. Obwohl man's kaum glauben kann.»
Er schaute zu dem Mädchen hinüber. Sie war voll und ganz darin vertieft, Zwockel sanft hinter den Ohren zu kraulen, und wirkte wie in einer anderen Welt.
«Hoffen wir, dass das hier nicht der Fall ist», seufzte Mutter. «Was für Möglichkeiten sehen Sie denn sonst noch?»
«Das Mädchen könnte von selbst weggelaufen sein», erklärte Koller. «Von zu Hause, oder aus einem Heim – vielleicht aus einer Einrichtung für Stumme, wer weiß … Dass die Kleine stumm ist, steht ja noch nicht fest, es könnte aber sein.»
«Und was ist, wenn Sie nichts rausfinden?», wollte Simon wissen. «Was geschieht mit dem Mädchen, falls die Ermittlungen zu keinem Ergebnis führen?»
«Dann werden wir Meldungen im Fernsehen bringen, im Radio und in den Zeitungen», antwortete der Polizist. «Mit Fotos der Kleinen und dem Aufruf, sich zu melden, wenn man das Mädchen kennt oder etwas über sie weiß.»
«Ach so», sagte Debora. «Solche Aufrufe haben wir auch schon erlebt.»
«In früheren Fällen, ja.» Der Beamte nickte und sah dann Frau Kaminski an. «So lange bitte ich Sie nun erst mal, die Kleine in Obhut zu nehmen, bis diese Abklärungen erledigt sind.»
«Klar, gerne. Die Einzelheiten des Aufenthaltes haben Sie mir ja schon am Telefon mitgeteilt.»
«Genau.» Der Polizist wandte sich an die Kids. «Ihr dürft der Kleinen jetzt ihr Zimmer zeigen.»
Das Mädchen streichelte Zwockel unablässig und schien sich kaum von ihm trennen zu wollen.
«Okay.» Raffi hakte sich bei ihr unter. «Ich bin Raffi, und wie heißt du?»
«Sie spricht nicht», erklärte Koller. «Vielleicht ändert sich das ja noch bei euch, wer weiß.»