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In der scheinbaren Idylle des Ruhrgebiets entfaltet sich ein Albtraum: Als die Polizei mehrere vermisste Personen meldet und menschliche Überreste auftauchen, beginnt eine fieberhafte Jagd nach einem skrupellosen Täter. Daniel Berger und sein Team, Ermittler bei der Bochumer Kriminalpolizei, stoßen bei ihren Nachforschungen auf eine blutige Spur, die von einer scheinbar harmlosen Fleischerei bis zu einem zwielichtigen Fitnessstudio führt. Doch was als routinemäßige Ermittlungsarbeit beginnt, entpuppt sich als erschütternde Serie von Verrat, Gewalt und Wahnsinn. Hinter der Fassade alltäglicher Orte und Menschen verbergen sich schockierende Geheimnisse, die selbst die erfahrensten Polizisten an ihre Grenzen bringen. Während das Team versucht, Licht ins Dunkel zu bringen, überschlagen sich die Ereignisse: Kannibalismus, Mord und der unaufhaltsame Absturz von Menschen, die in einem Sumpf aus Schuld und Rache gefangen sind, halten die Leser in Atem. Mit Die Kannibalen von Bochum erzählt Ralf Kronenburg eine düstere Geschichte über die Abgründe der menschlichen Seele, angesiedelt in einer Region, die gleichermaßen für ihre Bodenständigkeit wie für ihre verborgenen Schatten bekannt ist. Ein fesselnder und erschütternder Kriminalroman, der bis zur letzten Seite unter die Haut geht.
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Titel: Die Kannibalen von Bochum
Autor: Ralf Kronenburg
Biografie:
Ralf Kronenburg, geboren am 3. Februar 1972 in Bochum, ist ein deutscher Autor und ehemaliger Journalist, der vor allem für seine düsteren und packenden Kriminalromane bekannt ist. Seine Geschichten zeichnen sich durch eine beklemmende Atmosphäre, psychologische Tiefe und detailreiche Darstellungen des Ruhrgebiets aus. Mit seinem Roman Die Kannibalen von Bochum hat er sich endgültig einen festen Platz in der deutschen Krimi-Landschaft gesichert.
Frühe Jahre und Werdegang
Kronenburg wuchs in Bochum auf, in einer Gegend, die er später als „Schmelztiegel aus Industrie und Menschlichkeit“ beschrieb. Sein Vater war Schlosser in einer der letzten aktiven Zechen der Region, während seine Mutter als Verkäuferin in einer kleinen Bäckerei arbeitete. Schon früh zeigte Ralf eine Leidenschaft für das Schreiben, inspiriert durch die Geschichten seines Großvaters, der von den harten, aber herzlichen Menschen im Ruhrgebiet erzählte.
Nach dem Abitur studierte Kronenburg Journalismus und Germanistik an der Universität Dortmund. Anschließend begann er eine Karriere als Journalist und arbeitete für regionale Tageszeitungen sowie Fachmagazine. In dieser Zeit entwickelte er seinen einzigartigen Stil, der es ihm erlaubt, präzise Beobachtungen mit spannenden Erzählungen zu verweben.
Der Schritt zur Schriftstellerei
Der Übergang vom Journalismus zur Belletristik vollzog sich allmählich. Kronenburg begann, Kurzgeschichten zu veröffentlichen, die oft im Milieu seiner Heimatstadt angesiedelt waren. Sein literarisches Debüt gab er 2005 mit dem Krimi Zechenkinder, der von einem Mordfall in einer stillgelegten Kohlenzeche handelte. Der Roman erhielt positive Kritiken und markierte den Beginn einer erfolgreichen Laufbahn als Autor.
Mit seinen folgenden Werken, darunter Der Stahlschneider (2010) und Schwarzer Rauch über Bochum (2015), vertiefte Kronenburg seinen Ruf als Chronist des Ruhrgebiets und spannungsgeladener Erzähler.
Persönliches Leben
Ralf Kronenburg lebt bis heute in Bochum und ist stolz darauf, ein „Kind des Ruhrgebiets“ zu sein. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. In seiner Freizeit widmet er sich gerne langen Spaziergängen entlang ehemaliger Zechenpfade oder besucht lokale Fußballspiele.
Obwohl er für seine düsteren Geschichten bekannt ist, beschreibt sich Kronenburg selbst als humorvollen und geselligen Menschen. „Man muss das Leben mit einem Augenzwinkern betrachten, auch wenn man Geschichten über die dunkelsten Seiten der Menschheit schreibt,“ sagt er.
Einfluss und Vermächtnis
Kronenburg wird häufig mit internationalen Autoren wie Håkan Nesser und Jo Nesbø verglichen, doch seine Werke bleiben unverkennbar deutsch und tief in der Kultur des Ruhrgebiets verwurzelt. Seine Bücher sind nicht nur spannende Krimis, sondern auch ein Spiegel der sozialen und kulturellen Realitäten einer Region im Wandel.
Kapitel 1: Das kalte Haus
Bochum, Januar. Die Kälte kroch durch jede Ritze der Stadt. Es war eine dieser Nächte, die sich durch den Frost in die Knochen fraß und ein Gefühl von Einsamkeit mit sich brachte, das schwer abzuschütteln war. Ein eisiger Wind ließ die Straßenlaternen flackern und jagte leere Blätter die Gehwege entlang. Kai Urban, 27 Jahre alt, zog seinen Schal enger um den Hals und blies in die hohlen Hände, während er auf den knarrenden Stufen vor dem kleinen Reihenhaus stand. Hausnummer 17, dort sollte er sich bei einer Frau namens Maria Kipper melden.
Ein ungewöhnlicher Auftrag an einem Freitagabend, aber es war gutes Geld. Diese alte Dame, so hatte sie am Telefon erklärt, hatte schon seit Tagen Probleme mit ihrem Fernseher und klang regelrecht verzweifelt, als sie ihn bat, noch heute Abend zu kommen. Kai dachte kurz an den Feierabend, an das kalte Bier, das ihn Zuhause im Kühlschrank erwartete. Doch dann dachte er an die Mietkosten für seine kleine Wohnung und die Reparaturen an seinem alten Auto, das morgens kaum noch ansprang. Ein zusätzlicher Auftrag an einem Freitagabend konnte nicht schaden.
Er zog an der Klingelschnur. Ein schrilles Läuten drang von innen nach außen und verblasste im kalten Wind. Kai schaute sich um; die Nachbarschaft war still, wie ausgestorben. Hier lebten überwiegend ältere Menschen. Die Fenster der meisten Häuser waren dunkel, als hätte sich der gesamte Block schon längst in die Betten verzogen.
Die Tür öffnete sich langsam. In der Tür stand eine kleine Frau mit silbergrauen Haaren, die ihr fein geflochten auf die Schultern fielen. Ihr Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, doch ihre Augen leuchteten wach und irgendwie neugierig.
„Herr Urban?“ Ihre Stimme war weich, beinahe flüsternd, wie ein fernes Echo in der Stille der Nacht.
Kai nickte und zwang sich zu einem freundlichen Lächeln. „Guten Abend, Frau Kipper. Sie hatten Probleme mit Ihrem Fernseher?“
„Ach ja“, seufzte sie und machte eine einladende Geste mit ihrer knochigen Hand. „Kommen Sie doch herein, es ist viel zu kalt, um hier draußen zu stehen.“
Der Gedanke an die warme Stube ließ Kai ohne Zögern eintreten. Die Wärme im Haus schlug ihm entgegen, während Maria die Tür hinter ihm leise ins Schloss zog. Das alte Haus hatte den charakteristischen Geruch von Moder und Holz, den man oft in sehr alten Gebäuden findet.
„Es ist hier entlang“, sagte Maria, als sie ihm voranschritt, ihren Rücken leicht gekrümmt, als hätte sie jahrzehntelang schwere Lasten getragen. Sie führte ihn durch einen schmalen Flur, dessen Wände von vergilbten Bildern in hölzernen Rahmen gesäumt waren. Die Luft war stickig, fast süßlich, und Kai musste an die Wohnräume seiner eigenen Großeltern denken.
Sie betraten das Wohnzimmer. Ein altmodischer Sessel stand am Fenster, und auf einem wackligen Tischchen lag ein Buch, das anscheinend schon mehrfach gelesen worden war. Auf dem Teppich in der Mitte des Zimmers stand ein alter Röhrenfernseher, so ein klobiges Gerät, wie man es heute kaum noch sieht. Kai spürte die Augen der alten Frau im Rücken, während er sich neben das Gerät kniete und das Werkzeug aus seinem Rucksack holte.
„Das ist ein schönes altes Gerät“, murmelte er und versuchte, das unangenehme Gefühl abzuschütteln. „Ein Sammlerstück fast schon.“
„Ja, ja“, antwortete Maria aus einer Ecke des Raums, ihre Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. „Es begleitet mich schon viele Jahre.“
Kai warf einen Blick auf die Anschlüsse und begann, die äußere Hülle zu lösen. „Ich muss kurz nachsehen, was hier los ist. Es dauert nicht lange.“
Er konzentrierte sich ganz auf seine Arbeit, schraubte den Fernseher auf, suchte nach dem Problem und versuchte, die Elektronik zum Laufen zu bringen. Die Geräusche des Schraubenziehers hallten im Raum wider, und er bemerkte kaum, wie still es plötzlich um ihn geworden war. Die Uhr auf der Wand tickte monoton und war das einzige Geräusch, das die Stille unterbrach.
Dann, aus dem Nichts, wurde ihm plötzlich etwas Kaltes, Raschelndes über den Kopf gezogen. Ein Moment der Verwirrung – er wollte sich aufrichten, doch seine Sicht war verschwommen. Etwas Dunkles, Weiches legte sich eng um seinen Kopf und schloss sich unerbittlich um seinen Hals. Ein Ruck, und er erkannte, dass es eine Plastiktüte war, die ihn am Atmen hinderte.
Sein Herz schlug wild, Panik flammte auf. Er versuchte, die Tüte mit seinen Händen zu zerreißen, zu greifen, irgendetwas, aber ein kräftiger Zug hielt ihn zurück. Der Raum um ihn herum drehte sich, wurde zu einem engen, dunklen Tunnel. Sein Kopf fühlte sich heiß und gleichzeitig kalt an, während er verzweifelt nach Luft rang, ein Röcheln drang aus seiner Kehle. Er schlug um sich, doch seine Kräfte schwanden.
Dann hörte er ein leises, kehliges Lachen – kalt und unbarmherzig. Es kam direkt hinter ihm, und plötzlich wurde ihm klar, dass es Maria war. Die alte Frau lachte, während sie ihn langsam, aber sicher erstickte. „Du bist noch so jung und zart“, flüsterte sie, als sein Bewusstsein zu schwinden begann. „Du wirst bestimmt gut schmecken.“
Dann lachte sie lauthals. Sie schien diese skurrile und brutale Situation wirklich zu genießen und wollte sich auf keinen Fall etwas davon entgehen lassen
Kai wollte schreien, wollte fliehen, doch seine Arme und Beine fühlten sich taub an. Die Dunkelheit schloss sich unbarmherzig um ihn, und das Letzte, was er spürte, war der stechende Schmerz der Kälte, die sich in seine Glieder fraß, bevor alles in Schwärze versank.
Kapitel 2: Die verlorenen Spuren
Kriminalhauptkommissar Daniel Berger lehnte sich zurück und starrte auf den Stadtplan, der an der Wand des Besprechungsraums der Mordkommission prangte. Mit einem leisen Klicken hatte er gerade eine blaue Pinnnadel eingesteckt, an einer Stelle, die ihm besonders ins Auge fiel: das Elektronikfachgeschäft „Günzlers Technik-Oase“. Hier war Kai Urban zuletzt gesehen worden – zwei Tage, seit niemand mehr etwas von ihm gehört hatte.
Daniel ließ den Blick über die anderen bunten Nadeln schweifen, die den Stadtplan übersäten. Rot markierte die Fundorte, an denen Knochen in den vergangenen Monaten aufgetaucht waren, fast immer bei der städtischen Müllverbrennungsanlage. Blau bedeutete „letzter Aufenthaltsort“ der vermissten Personen, die sie meist kurz darauf tot oder in Einzelteilen fanden. Es war eine verfluchte Karte voller Verluste, voller unbegreiflicher Gewalt und düsterer Geheimnisse, die tief unter der Oberfläche von Bochum brodelten.
Die Atmosphäre im Raum war drückend, die Kollegen wirkten angespannt. Kein Wunder – das Verschwinden von Kai Urban war das dritte in dieser Woche. „In Bochum nichts Ungewöhnliches“, versuchte Daniel sich selbst einzureden. Es gab immer wieder Vermisstenfälle; eine Großstadt wie Bochum brachte das mit sich. Doch dieses Muster, das sich in den letzten zwei Jahren entwickelte, hatte eine neue Dimension erreicht.
Daniel schloss die Augen und seufzte. Bilder stiegen in ihm auf, Bilder, die er am liebsten verdrängt hätte. Die letzten Funde waren keine gewöhnlichen Leichen gewesen. Die Knochen waren sauber gebleicht, viele waren zerbrochen, manche waren sogar gekocht worden. Das entsetzte Murmeln des Gerichtsmediziners hallte in Daniels Kopf wider: „Vielleicht eine Art Kannibalismus…“
Daniel biss die Zähne zusammen. Die Vorstellung, dass jemand in seiner Stadt Menschen entführte, tötete, und dann auch noch… nein, das durfte er nicht denken. Nicht jetzt. Schon der Hauch eines Verdachts über diese abscheulichen Details würde die Presse in einen Rausch versetzen, und ganz Bochum würde vor Angst verfallen. Der Gedanke ließ ihn erschaudern. Wie erklärt man einer Bevölkerung, dass vielleicht jemand in der Stadt Menschen… isst?
Er öffnete die Augen und konzentrierte sich wieder auf die Karte. Der Fall Kai Urban war ihm wie ein Knoten in der Kehle. Etwas an dieser Geschichte fühlte sich anders an, aber es war nichts Greifbares. Vielleicht lag es daran, dass Kai jung war, erst 27. Daniel konnte nicht anders, als an die ersten Vermisstenfälle zu denken, die nach dem neuen Muster aufgetaucht waren. Menschen, die plötzlich verschwanden, und deren Knochen – die letzten Überreste ihrer Existenz – dann später an Orten auftauchten, an denen sie nie hätten sein sollen.
Sein Kopf pochte, die Gedanken schienen zu explodieren. Er fragte sich, wie oft er das noch ertragen könnte. Er war in seinem 39. Lebensjahr und hatte viele schlimme Fälle gesehen, aber dieser Fall, die Art und Weise, wie die Menschen verschwanden und wie die Funde abgewickelt werden mussten… es zermürbte ihn.
„Daniel?“
Die leise Stimme seines Kollegen riss ihn aus seinen Gedanken. „Ja?“ murmelte er und drehte sich langsam um. Es war Lukas, einer der jüngeren Ermittler, gerade frisch in die Mordkommission versetzt. In seinen Augen flackerte ein Funken, der Daniel an seine eigenen Anfänge erinnerte – diese Mischung aus Ehrgeiz und Naivität, die bald durch die Realität abgeschliffen werden würde.
„Die Familie von Kai Urban hat eben angerufen. Sie haben seit Tagen nichts mehr von ihm gehört.
Angeblich war er auf einem Auftrag unterwegs zu einer gewissen Maria Kipper. Die Adresse ist hier in der Nähe, vielleicht ein paar Straßen von Günzlers Laden entfernt.“
„Eine ältere Dame?“ Daniel hob eine Augenbraue.
Lukas nickte. „62 Jahre, lebt allein.“
Daniel überlegte. „Ich werde mit dir hinfahren. Ich will mir die Situation selbst ansehen.“
Lukas nickte respektvoll, und gemeinsam verließen sie den Besprechungsraum. Der kalte Januartag empfing sie draußen mit einem frostigen Windstoß, der Daniel durch Mark und Bein ging. Es war einer dieser trüben Nachmittage, die keine Farbe kannten. Er zog den Mantel enger und setzte sich neben Lukas ins Auto.
Auf dem Weg zur Adresse von Maria Kipper schwiegen sie, jeder von ihnen in seine eigenen Gedanken vertieft. Daniel spürte das mulmige Gefühl in der Magengegend wieder aufsteigen, das ihn seit Beginn dieser Fälle begleitete. Da war etwas Unaussprechliches in dieser Angelegenheit, etwas Dunkles, das er nicht greifen konnte.
Endlich hielten sie vor einem kleinen, heruntergekommenen Reihenhaus. Die Fensterläden waren geschlossen, und nur ein schwaches Licht drang aus dem Inneren des Hauses nach draußen. Der Vorgarten wirkte vernachlässigt, Unkraut wuchs zwischen den Pflastersteinen, und die Holzlatten des Gartenzauns waren verwittert.
„Sieht nicht gerade einladend aus“, murmelte Lukas und schob sich nervös die Mütze ins Gesicht.
„Ist es selten in diesen Fällen“, murmelte Daniel, stieg aus und ging vor Lukas zur Tür. Er klopfte, die Kälte kribbelte unangenehm auf seiner Haut, und ein flaues Gefühl nistete sich in seinem Bauch ein. Nach einer Weile hörten sie Schritte im Inneren des Hauses, dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit. Ein paar kalte, stechende Augen schauten heraus.
„Frau Kipper?“ Daniel hielt seine Dienstmarke in die Höhe.
Die alte Frau nickte. Ihre Augen waren schmal, misstrauisch, als ob sie nicht ganz wusste, ob sie die Beamten einlassen wollte oder nicht. Doch schließlich öffnete sie die Tür weiter und bat sie herein. Der Geruch, der Daniel entgegenströmte, war abgestanden und dumpf, wie in einem Haus, in dem die Fenster zu selten geöffnet wurden.
„Wir suchen Kai Urban“, begann Daniel. „Er war vorgestern hier, um sich Ihren Fernseher anzuschauen, ist das richtig?“
Maria Kipper nickte und lächelte leicht, doch es war ein Lächeln, das ihn frösteln ließ. „Oh ja, ein lieber Junge. So höflich. Aber leider musste er wieder gehen, ohne den Fernseher reparieren zu können.“
„Wissen Sie, wohin er danach gegangen ist?“ Daniel versuchte, ruhig zu bleiben, aber etwas an der Art und Weise, wie sie sprach, ließ ihn wachsam werden. Es war fast, als ob sie sich an den Besuch eines alten Freundes erinnerte, und nicht an einen Fremden, der einen kurzen Auftrag erledigen wollte.
„Nein, er hat nur gesagt, dass er es eilig hat, und dann ist er gegangen.“ Ihre Stimme klang plötzlich kühl, fast mechanisch. „Mehr habe ich nicht gesehen.“
Daniel musterte sie schweigend, versuchte, ihre Mimik zu lesen, doch ihr Blick war leer und unergründlich. Schließlich nickte er langsam. „Danke, Frau Kipper. Wir werden uns umgehend melden, falls wir noch Fragen haben.“
Als sie das Haus verließen, warf Lukas ihm einen fragenden Blick zu. „Was denkst du? Sie wirkt seltsam, oder?“
„Sehr seltsam“, antwortete Daniel. „Aber es gibt keine handfesten Beweise.“ Doch das ungute Gefühl ließ ihn nicht los.
Kapitel 3: Blutige Rituale
Die Luft in dem Raum war schwer und durchzogen von einer seltsam süßlichen Note. Die flackernden Kerzen warfen unruhige Schatten an die Wände, die sich wie gespenstische Figuren bewegten. Siegfried Wagner betrat den Raum mit der Aura eines Mannes, der Kontrolle hatte – absolute Kontrolle. Er hielt die Hand der jungen Frau, die ihn begleitete, fest, aber nicht grob. Ihre Finger schienen in seiner Hand fast zu verschwinden, so zierlich war sie im Vergleich zu seiner kräftigen Statur. Sie wirkte nervös, fast blass, und vermied es, die Gesichter der acht Personen anzusehen, die am großen Esstisch saßen.
Als die beiden eintraten, erhoben sich die acht hastig und verbeugten sich tief. Es war, als würde ein König den Raum betreten – ein König mit einer dunklen, unheilvollen Herrschaft. Das gedämpfte Flackern der Kerzen spiegelte sich in ihren Augen, die voller Erwartung und Furcht auf Siegfried gerichtet waren.
In einer Ecke, auf einem schlichten Stuhl aus Edelstahl, saß Gerd Kipper. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, ein breiter Knebel hielt ihn davon ab, auch nur ein Wort zu sagen. Schweiß perlte von seiner Stirn, und sein Brustkorb hob und senkte sich hektisch. Er zitterte unkontrolliert, seine Augen waren weit aufgerissen vor nackter Panik. Die Szene schien ihm unwirklich, ein Albtraum, aus dem er nicht aufwachen konnte.
Siegfried ließ die Hand der Frau los und ging langsam auf Gerd zu. Sein Blick war hart und gnadenlos, seine Bewegungen kontrolliert und fast bedrohlich ruhig. „Du weißt genau, warum du hier bist!“ Seine Stimme war ruhig, doch sie trug einen Unterton, der wie ein scharfes Messer durch die Stille schnitt.
Gerd zuckte bei jedem Wort zusammen. Schweiß rann ihm in die Augen, und sein Atem ging stoßweise. Wenn er hätte sprechen können, hätte er versucht, sich zu rechtfertigen, zu entschuldigen, zu flehen – irgendetwas, um der unausweichlichen Dunkelheit zu entkommen, die sich um ihn zusammenzog. Aber der Knebel blieb fest in seinem Mund, und die einzigen Geräusche, die er von sich geben konnte, waren dumpfe, erstickte Laute.