Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts - Werner Rügemer - E-Book

Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts E-Book

Werner Rügemer

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Beschreibung

Neue Finanzakteure haben nach der Finanzkrise die bisherigen Großbanken abgelöst. Blackrock & Co sind nun die Eigentümer von Banken und Industriekonzernen. Hinzukommen Private-Equity-Fonds, Hedgefonds, Wagniskapital­-Investoren und Investment­banken. Mit Digital-Giganten wie Amazon, Facebook, Google, Microsoft, Apple und Uber haben die neuen Finanzakteure schon vor Donald Trumps »America First« die US-Dominanz in der EU verstärkt. Arbeits-, ­Wohn-, ­Ernährungs- und Lebensverhältnisse: Die neue Ökonomie dringt in die feinsten Poren des Alltagslebens von Milliarden Menschen ein. Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts verstecken ihre Eigentumsrechte in vier Dutzend Finanzoasen, fördern rechtspopulistische Politik, stützen sich auf eine zivile, trans­atlantische Privatarmee von Beratern und kooperieren in ­Silicon-Valley-Tradition mit Militär und Geheimdiensten. Ein Systemvergleich des »westlichen« mit dem kommunistisch geführten Kapitalismus Chinas umreißt eine alternative Logik.

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Kleine Bibliothek 263

Werner Rügemer

Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts

Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure

PapyRossa Verlag

Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:

ISBN 978-3-89438-675-7 (Print)

ISBN 978-3-89438-906-2 (Epub)

4., ergänzte Auflage 2024

3., ergänzte Auflage 2021

2., ergänzte Auflage 2020

© 2018 by PapyRossa Verlags GmbH & Co. KG, Köln

Luxemburger Str. 202, 50937 Köln

E-Mail: [email protected]

Internet: www.papyrossa.de

Umschlag: Verlag, unter Verwendung einer Abbildung von pixabay.com

Alle Rechte vorbehalten – ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

Datenkonvertierung E-Book: Bookwire - Gesellschaft zum Vertrieb digitaler Medien mbH

Inhalt

Vorwort zur vierten Auflage

Vorwort zur dritten Auflage

Vorwort zur zweiten Auflage

Einleitung

Viel meinen, wenig wissen?

I. Die neuen Kapital-Akteure des Westens

1. Große Kapitalorganisatoren: BlackRock & Co

2. Private-Equity-Investoren: Die schnellen Verwerter

3. Hedgefonds: Die Plünderer

4. Elitäre Investmentbanken: Die Arrangeure

5. Privatbanken: Diskretes Vorfeld der Großen

6. Venture Capitalists: Die Vorbereiter

7. Traditionelle Banken als Dienstleister

8. Internet-Kapitalisten: Google, Facebook, Amazon & Co

9. Zivile Privatarmee des transatlantischen Kapitals

II. Das Verhältnis USA – Europäische Union

1. Umkehr des Kräfteverhältnisses seit dem Ersten Weltkrieg

2. Das Internet unter US-Aufsicht

3. Der Kapital-Digital-Militär-Komplex

4. Freihandel: Die EU im Konflikt mit den USA

III. China: Der kommunistisch geführte Kapitalismus

1. USA gegen die chinesische Selbstbefreiung

2. Die Dialektik des kapitalistischen Imports

3. Staat, Kommunistische Partei, Sozialismus

4. USA: China wirtschaftlich schwächen, militärisch bedrohen

5. China: Wirtschaftliche und friedliche Globalisierung

IV. Gegenwart und Zukunft der irdischen Gesellschaft

Porträts

Der norwegische Staatsfonds Norges

Stephen Schwarzman / Blackstone

Ray Dalio / Bridgewater

John Kornblum und Felix Rohatyn / Lazard

Wilbur Ross – Vom Rothschild-Banker zum US-Wirtschaftsminister

Emmanuel Macron – Vom Rothschild-Banker zum Staatspräsidenten Frankreichs

Peter Thiel / Founders Fund

Jeffrey Bezos / Amazon

Eric Schmidt Der Google-Instagram-LinkedIn-Pentagon-Komplex

Jack Ma / Alibaba: »Inklusive Globalisierung«

Tabellen und Auflistungen

Top 20 der größten Kapitalorganisatoren

BlackRock & Co als Miteigentümer der 30 DAX-Konzerne

Private-Equity-Deals in Deutschland 1999-2018 (Auswahl)

Die 50 größten Private-Equity-Investoren

Das größte Dutzend der Hedgefonds

Die Zentren des elitären Digital-Populismus

Elektroautos weltweit, Neuzulassungen

Firmenaufkäufe Chinas in Deutschland (Auswahl)

Firmenaufkäufe Chinas in der EU (ohne Dtld., Auswahl)

Vier chinesische Banken unter den 10 weltgrößten Banken

Seidenstraßen-Projekte (Auswahl)

Abkürzungen

Anmerkungen

Literatur

Vorwort zur vierten Auflage

Ukraine: »Leuchtfeuer des Kapitalismus«

»Neue Werte« der Kapital-Demokratie

Den US-geführten Kriegs- und Armutskapitalismus bändigen

Im Herbst 2022 wurde bekannt, dass BlackRock beim »Wiederaufbau« der Ukraine »federführend« sein soll. Modernisiert, entbürokratisiert, digitalisiert – die Ukraine soll ein »Leuchtfeuer der Hoffnung für die Kraft des Kapitalismus« werden, so BlackRock-Chef Lawrence Fink.1

Für dieses Leuchtfeuer beschickt der US-geführte Kriegskapitalismus die Ukraine, lässt eine unbekannte Zahl an ukrainischen Soldaten unsichtbare Tode sterben. Und je mehr vor dem Wiederaufbau zerstört wird, umso lukrativer leuchtet der Wiederaufbau, etwa eine neue Panzerfabrik von Rheinmetall vor Ort. Übrigens: Neun der zehn größten Aktionäre des »deutschen« Rüstungskonzerns kommen aus den USA, nämlich BlackRock, Vanguard & Co.

Dieser Stellvertreterkrieg bringt für die US-Aktionäre nicht nur neue Gewinne aus dem Rüstungsgeschäft, sondern auch für die US-Frackingindustrie: Sie vergiftet nicht nur Boden, Pflanzen, Wasser und Luft, sondern bringt in den USA auch vielfach einen frühen Tod für Anwohner und Arbeiter an den Millionen Bohrstellen.2

Die US-Regierung hat die EU vom russischen Gas abgetrennt. So nehmen auch deutsche »Umwelt-Prediger« beim Bezug von nordamerikanischem Frackinggas nicht nur einen viermal höheren Preis in Kauf, sondern auch eine zerstörte Umwelt und den Tod von Menschen.

De- und Re-Industrialisierung in US-Hand

Nicht nur die De-Industrialisierung, auch die Re-Industrialisierung Deutschlands liegt in der Hand vor allem von US-Konzernen, so bei der Intel-Chipfabrik, die aus Brüssel, Berlin und Magdeburg mit zehn Milliarden Euro subventioniert wird – die Gewinne freilich fließen an BlackRock & Co.

Durch die Kriegshaushalte wird in den EU-Staaten die Infrastruktur für die Mehrheit der Bevölkerungen abgebaut, privatisiert, verteuert, Arbeitsplätze werden verlagert. Dabei spielen auch weitere US-Kapitalakteure wie Hedgefonds und »Heuschrecken«-Investoren sowie ihre zivile Privatarmee aus Beratern eine führende Rolle.

Ein stets gut aufgelegter US-Präsident Obama hatte den europäischen NATO-Mitgliedern auferlegt: Rüstungshaushalte auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöhen! Nun verlangt sein Nach-Nachfolger Biden: Zwei Prozent sind nicht genug. Neue NATO-Mitglieder, neue Spezialtruppen, neue US-Militärstützpunkte gehören zum weiter gen Russland getragenen, kapitalen Leuchtfeuer in Europa – wie in Asien gegen China.

Die Systemkrise der Kapital-Demokratie und deren »neue Werte«

Freie Marktwirtschaft am Ende: Die neuen Oligarchen BlackRock & Co. treiben die Staaten noch tiefer in die Überschuldung als bisher. Pharmakonzerne verkaufen Medikamente und Impfstoffe, die nicht mehr umfassend getestet werden. Immer wieder werden Unternehmen nur noch gegründet oder angesiedelt, wenn der Staat sie subventioniert. Der Korridor der veröffentlichten Meinung sowie der des »Sagbaren« wird immer enger. BlackRock & Co. machen Multimillionäre und Multimilliardäre noch reicher und treiben die Mehrheit der Bevölkerung, auch den einstmals gelobten Mittelstand, in die Armut – working poor, working sick vor allem für Frauen, steigende Kindersterblichkeit, Wohnungslosigkeit, Rassismus, sinkende Lebenserwartung, Selbstzerstörung durch Alkohol, Drogen, Selbstmord – hier sind die USA führend und verbreiten diesen way of life auch im bisher gehätschelten Europa.3

Die Vielfachkrise aus Klima und Unwettern, Energie und Kriegen sowie einer besonders gepushten »Flüchtlingskrise« soll es überdecken: Die westliche Kapital-Demokratie steckt in einer Systemkrise, allen voran in den USA, aber auch in besonders US-abhängigen Staaten wie Israel und Großbritannien sowie in EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich, Italien: Die absterbenden, kapitalfinanzierten Volks‘parteien fördern durch ihre asoziale, antidemokratische Politik einen noch offener auftretenden Rechtsradikalismus.

Demokratische Alternativen, die Millionen – auch junge Menschen – zum Mitmachen begeistern und die Interessen der abhängig Beschäftigten vertreten wie etwa mit Bernie Sanders in den USA werden vom Establishment der »Demokraten« um Obama und die Clintons gnadenlos an (Wahl-)Erfolgen gehindert.4 In Frankreich ließ der autoritäre Banker-Präsident Macron die demokratische Millionenbewegung der Gelbwesten und der Proteste gegen die BlackRock-Rente brutal niederknüppeln.

Die Umwelt soll gerettet werden – aber seit den Clintons wird auf Druck der USA das Militär, samt Stützpunkten, Manövern und Kriegen, aus den Umweltbilanzen entfernt. Für die CO2-freie e-Mobilität, für die neuesten Apple-Smartphones usw. werden die globalen Produktionsketten unsichtbar gemacht. Die Digital- und Plattformkonzerne organisieren menschenrechtswidrige, rassistische Niedrigstlöhnerei.5 Sexualisierte Gewalt gegen Frauen wird zu Recht angeprangert, aber ökonomische Gewalt gegen Frauen wird millionenfach praktiziert, mit Arbeitsausbeutung und Altersarmut.

Die völkerrechtliche und menschenrechtliche Weltordnung

Die Kapital-Demokratien stecken in einer Systemkrise, auch weil China als dynamischste Volkswirtschaft eine alternative Entwicklungslogik praktiziert, national wie global: antikolonial, zugleich offen für westliche Unternehmen, hunderte Millionen Menschen wurden und werden aus der Armut geholt, Infrastruktur wird ausgebaut, junge Frauen und Männer gründen Start-ups, Wirtschaftskriminelle werden bestraft. In China herrscht mehr Marktwirtschaft als im Westen – und dies ohne militärische Expansion, ohne die knapp tausend Militärstützpunkte, die von den USA auf allen Kontinenten und annektierten Territorien wie Guantanamo oder Guam betrieben werden.

Die US-geförderten Kriege, zuletzt in der Ukraine und im Nahen Osten, haben die Distanzierung von der »einzigen Weltmacht«, aber auch die Selbstorganisation des »Rests der Welt« beschleunigt. Die von China mitorganisierten Allianzen wie BRICS oder die Shanghai Cooperation Organization erweitern sich, rohstoffgebundene Währungen lösen sich vom Dollar. In Afrika, Lateinamerika und weltweit bilden sich weitere Bündnisse: in Form von Parteien, Initiativen, Medien entwickeln sich rasant.

Unter Obama wurde die Feinderklärung gegen Russland und China zum Systemkonflikt verschärft und die US-Doktrin des nuklearen Erstschlags erneuert. Zu der seit Februar 2022 in eine neue Phase getretenen Konfrontation in der Ukraine kam im Oktober 2023 eine Gewaltexplosion im Nahen Osten hinzu. Eine von Brasilien eingebrachte und mit großer Mehrheit angenommene Resolution für eine allseitige Feuerpause in Gaza blockierten die USA im UN-Sicherheitsrat. Das ist an sich nichts Neues, hatten die USA seit 1972 doch Dutzende israelkritische oder das Land auch nur in seinem Handlungsspielraum einschränkende Resolutionen blockiert – auch so fördert man den dauerhaften Bruch von Völkerrecht und Menschenrechten.

Und doch ist etwas in Bewegung: Eine Mehrheit von Staaten, die überdies die übergroße Mehrheit der Weltbevölkerung stellt, schickt sich an, diese tödliche Logik zu benennen und der Praxis der Kapital-Demokratien in den Arm zu fallen. Die US-definierte »regelbasierte internationale Ordnung« muss vollständig ersetzt werden durch das UN-Völkerrecht und die UN-Menschenrechte einschließlich der Arbeits- und Sozialrechte – und der Weg zur Systemalternative, zum Sozialismus, muss geöffnet werden.

Das Buch ist inzwischen auch in englischer, französischer, italienischer, russischer und chinesischer Sprache erschienen.

Vorwort zur dritten Auflage

China gewinnt den Systemwettbewerb

Der US-geführte Westen rüstet auf

Lockdown this capitalism!

»Corona«: Die Gesellschaft des US-geführten Westens ist zurückgeführt in die kleinsten Einheiten der Individuen und der einsamen Alten in den Altenheimen. Die Menschen dürfen angstvoll schnell einkaufen und zuhause vereinzelt konsumieren. Sie konsumieren dabei die staatlichen und privaten Leitmedien: Die zeigen endlos wiederholt leere Einkaufsstraßen, leere Innenstädte. Aber arbeitet irgendjemand? Ja natürlich – Homeoffice!

Neoliberales Ideal: Der vereinzelte Konsument, der macht- und lautlos arbeitet

Mit »Corona« erfüllte sich der neoliberale Traum: Die Menschen sind keine sozialen Wesen, sondern Einzelne, bestenfalls mit Kleinfamilie. Sie konsumieren, mit unendlicher Auswahl aus aller Welt. Ja, aber arbeiten denn nicht, neben Krankenhauspersonal und Kassiererinnen, die vielen, vielen Millionen abhängig Beschäftigten, die nicht Homeoffice machen können? Ja, irgendwie arbeiten sie, möglichst lautlos und billig, an ungezeigten Orten. Unauffällig gelangen sie dorthin und wieder zurück ins einsame Heim, wo zwei Kinder vor dem (nicht vorhandenen) Computer sitzen, für das Homeschooling. Zu den Einzelnen gehören die Obdachlosen, die frei auf Parkbänken dahinfrieren, – ausgesetzt dem Diebstahl durch noch Ärmere: frei zum unauffälligen Wegsterben oder Verschwinden, notfalls mithilfe der Polizei. Vorbei joggen kräftige junge Menschen in smarter Joggingkleidung, in sich gekehrt, vollgedröhnt über den schnurlosen Ohrhörer von Apple, den der migrantische Amazon-Auslieferer freundlich-gehetzt in den Briefkasten geworfen hat.

Seit Anfang 2021 wird tausendfach wiederholt in den Leitmedien der Stich in den Oberarm gezeigt: Das rettende Impfen hat begonnen! Aber wie lange es dauern wird – das wissen die Regierenden nicht. Denn sie haben mit der privatkapitalistischen Zurichtung der Gesundheitssysteme, der Alten- und Pflegeheime, der Krankenversicherung, der virologischen Wissenschaft und auch der Arbeitsverhältnisse die Lösung verbaut.1 In Deutschland wurden während der Pandemie 20 Krankenhäuser geschlossen.

WHO und UN-Sozialpakt: Was ist Gesundheit?

Gesundheit ist laut UN-Sozialpakt und WHO »ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur des Fehlens von Krankheit und Gebrechen.« Dagegen verdrängt die Fixierung auf Corona den Gesamtzustand der Bevölkerung und verschärft nicht nur die Gefahren des Virus.

Die Regierungs-Virologen verweigern die gestufte Differenzierung von »an und mit Corona gestorben«. Statt Risikogruppen nach sozialen, Lebens- und Arbeitsumständen zu testen und das Gesundheitssystem auszubauen, wird eine nationale Volksgemeinschaft simuliert. Die »besonders Verwundbaren«, die jetzt zuerst geimpft werden – seit Beginn hat man sie isoliert und zu tausenden sterben lassen.

BlackRock & Co steigen weiter auf, Beschäftigte und Staat verarmen

Die im Buch geschilderten Kapitalisten mit BlackRock, Vanguard & Co und ihre Beraterheere haben die Krise vorangetrieben. Mit dem Schlagwort »Hyperglobalisierung« wurden schon vor Corona die Entmachtung der Demokratien, der abhängig Beschäftigten, der Mieter, der Rentner, der Sozialversicherten und auch der Mittelschichten sowie die Privatisierung der Infrastruktur kritisiert.2

Diese Wirtschaft, gestützt von abstürzenden Volks‘parteien, hält sich nur noch mit immer größeren staatlichen Hilfsprogrammen wie dem 750-Milliarden-»Corona-Aufbauprogramm« der EU. Und die Kredite verteilt BlackRock über die US-Notenbank Fed und die EZB. BlackRock, Aktionär auch bei Amazon, Facebook, Google, Microsoft, Apple, Twitter sowie Pharma- und Rüstungskonzernen, hat im Pandemiejahr den Gewinn für seine superreichen Kunden um 17 Prozent gesteigert. Jetzt spielen sich die Krisenverursacher als Retter auf.

China gewinnt den Systemvergleich

Durch die Abschaffung der feudalen, kolonialen und kapitalistischen Abhängigkeiten hat die Volksrepublik China die Potenziale ihres Systemwechsels in sieben Jahrzehnten schrittweise entfaltet und ist damit keineswegs zu Ende. China konnte nicht nur, im Unterschied zu endlos vom Westen angekündigten Armuts-Bekämpfungs-Programmen, hunderte Millionen Menschen aus der Armut holen, in Arbeit bringen, mit steigenden Arbeitseinkommen und Sozialversicherungen, nachhaltig. So konnte auch der Virus erfolgreich eingedämmt werden. Neue öffentliche, auch technisch innovative Verkehrsinfrastruktur, kostenfreie Bildung und Gesundheit für alle,3 dazu niedrige Staatsverschuldung, Milliarden neu gepflanzter Bäume, Bestrafung von Wirtschaftskriminellen: Vergleichbares wurde von der deutschen Bundeskanzlerin mit Hinweis auf Corona als »politische, soziale, ökonomische Jahrhundertaufgabe« bezeichnet – während sie als »mächtigste Politikerin Europas« ihre Komplizenschaft mit den neuen Kapitalisten nur (noch) brüchig verdeckt.

Was die westlichen Leitmedien verleugnen: China als Friedensmacht. China ist der Staat mit den meisten UNO-Blauhelmen, aktiv in immer mehr UNO-Organisationen und vor allem: Inklusive Globalisierung ohne militärische Begleitung – während die USA 1.000 Militärstützpunkte weltweit unterhalten und immer mehr um China herum aufrüsten, zwischen Afghanistan und Libyen failed states hinterlassen, tausende Menschen per Drohne ermorden und Millionen Menschen zu Flüchtlingen machen.

US-geführter Westen rüstet auf, innen und außen

Nur weil sie in China produzieren und verkaufen können, sind viele westliche Konzerne und Mittelständler (noch) nicht pleite. Doch das ist nur eine Zwischenlösung. China öffnet sich, auch um den Systemkonflikt zu entschärfen. Aber China baut innovativ für den eigenen Bedarf immer mehr eigene und qualifiziertere Produktionen auf. Und, wie der Stopp des Riesen-Börsengangs des Digitalkonzerns Ant Financial zeigt: Auch erfolgreiche Aufsteiger wie Alibaba-Gründer Jack Ma werden nun hart reguliert. Was man im Westen gegenüber Facebook und Amazon eigentlich auch will – aber sie werden jetzt mit noch mehr Aufträgen überhäuft.

In der Regierung des neuen US-Präsidenten Biden sind so viele Topmanager von BlackRock wie noch nie vorher in einer Regierung des wirtschaftlich, politisch, menschenrechtlich und moralisch abstürzenden westlichen Führungsstaates. BlackRock & Co sind Teil von »America First«: Auch Biden führt die unter Obama eingeleitete, von Trump fortgeführte Aufrüstung und Feindhetze insbesondere gegen China, dann auch Russland und den Iran fort.4 Und die Umwelt- und Nachhaltigkeitsprediger von BlackRock & Co sind auch die größten Aktionäre und Gewinner der größten Fossil- und Rüstungskonzerne auch in der EU.5

BlackRock-Vertreter gingen in Deutschland bei den Finanzministern Schäuble (CDU) und Scholz (SPD) und bei Außenminister Gabriel (SPD) ein und aus. Unter der dahindämmernden Langzeitkanzlerin wurden BlackRock & Co mächtig. Im neuen männlichen CDU-Führungstrupp ist der eine (Merz) direkt, der andere (Laschet) indirekt mit BlackRock eng vernetzt.6

Lockdown this capitalism!

Die weltweiten Bewegungen für Demokratie, menschenrechtliche Arbeit, soziale Gerechtigkeit, naturfreundliche Innovationen, Frieden und auch Sozialismus stehen vor ihrer größten Herausforderung. Es gibt keine »Vorbilder«. Kreativitäten an jedem Ort, in jedem Staat und jeder Nation, in jedem Unternehmen, in jeder Schule und Verwaltung sind gefordert – und internationale, kundige, solidarische Verbindungen.

Werner Rügemer, Köln / Deutschland / Europa

Vorwort zur zweiten Auflage

Die »Furien der Hyper-Globalisierung«

Die Geschichte ist offen

Die globale Koordination der Alternativen

Vor einem Jahr habe ich in diesem Buch die neuen Kapitalorganisatoren, ihre Mittäter und Komplizen geschildert, die seit den 1990er Jahren im US-geführten Westen die Vorherrschaft gewannen. Der breiten Öffentlichkeit immer noch kaum bekannt, haben sie die Krisenhaftigkeit in Wirtschaft, Politik, Medien und Moral sowie in den internationalen Beziehungen weiter verschärft. US-Präsident Trump und der aktuelle britische Premier Johnson zeigen dabei auch die moralischen Deformationen gewählter Führungsfiguren – gerade in den beiden ältesten Kapital-Demokratien der Erde.

Die »Furien der Hyper-Globalisierung«

Die in meinem Buch geschilderten unregulierten Schattenbanken der unterschiedlichen Typen wie BlackRock, Blackstone, Elliott, Macquarie, Founders Fund & Co krempeln die westlichen Gesellschaften um. Das geht über das hinaus, was bisher als »neoliberal« gilt.

Die UNCTAD, die Wirtschaftsorganisation der UNO, spricht von den »Furien der Hyper-Globalisierung«: Wachsende soziale Ungleichverteilung in allen Lebensgebieten wie Arbeit, Wohnen und Gesundheit; Überschuldung von Unternehmen, privaten Haushalten und Staaten.1

Der Internationale Währungsfonds IWF und der UN-Ausschuss für Menschenrechte prangern die weltweite Spekulation der neuen Kapitalisten mit Wohnungen an und die Explosion von Mieten und von Preisen für Eigentumswohnungen – für abhängig und prekär Beschäftigte und den Mittelstand immer weniger bezahlbar.2

Die OECD stellt fest: Die »reichen« Staaten verlieren durch die systemische Steuerflucht der Unternehmen und deren Eigentümer jährlich 450 Milliarden Dollar.3 Die für die Mehrheit der Bevölkerungen wichtige Infrastruktur, also öffentlicher Verkehr, Krankenhäuser, Schulen, Trinkwasser- und Abwassersysteme, Straßen, Wohnungen, verfällt – oder wird privatisiert und verteuert.

Die Finanzzeitung Financial Times, die den Aufstieg der neuen Kapitalisten bisher gelobt hat, konstatiert jetzt: Die Privateigentümer versinken verantwortungslos in ihren Supergewinnen. Demokratie wird degradiert, Wettbewerb findet kaum statt, Innovationsfähigkeit sinkt, Bürger sind mehrheitlich mit »ihren« Regierungen unzufrieden: Dieser Kapitalismus müsse vor seinen »Rentiers« gerettet werden.4

Das Blut der Armen in den Adern der Reichen

Das Freihandelsabkommen NAFTA brachte Niedriglöhnerei und Bauernsterben nach Mexiko, in den USA wurden Arbeiter arbeitslos. Pharmafirmen unterhalten an der Grenze zu Mexiko auf US-Seite Stationen für die Blutabnahme. US-Beamte winken verarmte MexikanerInnen über die hochgesicherte Grenze durch, obwohl das Visum nicht zum Geldverdienen berechtigt: Die Einreise ist illegal, wird aber staatlich organisiert. Die verarmten Illegalisierten dürfen sich für ein paar Dollar so oft Blut abnehmen lassen, dass sie krank werden. Damit wurden die USA zum größten, gewinnträchtigen Exporteur von Blutplasma. Abnehmer sitzen vor allem in Großbritannien, Deutschland und Österreich.5 Das Blut der zugleich diskriminierten Armen wird abgesaugt in die Adern der gesundgepflegten Reichen. Und dieses Blut nährt die Profitmaschine des Westens. Die heuchlerische, rechtliche, moralische Perversion des US-Staates und westlicher Unternehmen kennt in mehrfacher Hinsicht keine Grenzen. Auch eine »christliche« und von einer Frau geführte Regierung wie in Deutschland schaut zu.

Systemwettbewerb: Vom Westen nur militärisch gewonnen

Was IWF, UNCTAD und Financial Times verschweigen: Kriege sind die gefährlichsten »Furien der Hyper-Globalisierung«!

Die USA haben nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Kapital-Expansion mit der militärischen kombiniert. Dafür steht in Westeuropa die Gleichzeitigkeit von Marshall-Plan und NATO, fortgesetzt bis heute in der Kombination von EU-Osterweiterung und NATO-Mitgliedschaft. Diese Politik wurde und wird neben Kuba auch gegenüber den neuen Feinden, erst Jugoslawien, danach Irak, Libyen, Syrien und dann Russland, dem Iran, Venezuela und jetzt China weitergeführt.

Der US-geführte Westen hätte seine Dominanz nach dem Zweiten Weltkrieg nicht entwickeln und halten können, wenn er sich dem friedlichen Wettbewerb der Systeme gestellt hätte.

In den westlichen Führungsetagen weiß man: Das US-geführte westliche Modell wird den Interessen der Mehrheitsbevölkerungen nicht gerecht, ist ein Auslaufmodell. Aber die bestimmenden Akteure sind reich, sind militärisch mächtig und sind vielfältig herrschaftserfahren – sie sind hochgefährlich.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping stellte im Dezember 2018 fest: »Wir sind auf Gefahren und Risiken eingestellt, die bisher unvorstellbar sind.«6

Die Geschichte ist offen

China zeigt, wie die »Furien der Hyper-Globalisierung« gebändigt und qualitativ verändert werden können, zugunsten der Mehrheits-Bevölkerungen und zugunsten friedlicher globaler Kooperationen.

Sie ermöglichen das, was die gefährdete Menschheit braucht: friedliche Konfliktaustragung trotz und jenseits ideologischer Differenzen. Dialog und freier Kampf der Meinungen – das ist ja eigentlich auch der Selbstanspruch der westlichen Kapital-Demokratien – werden aber, wenn es ernst wird, nicht verwirklicht.

Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten in Europa verkündeten die (Un-)Verantwortlichen in den USA das »Ende der Geschichte«. Sie kämpften verbissen für die Erhaltung ihrer mit 1.000 Militärstützpunkten gesicherten globalen Festung, genauso wie die stagnierende EU sich gegen ertrinkende Flüchtlinge abschottet und alle elementaren Menschenrechte vergisst. Aber der Aufstieg Chinas zeigt deutlicher als alles andere: Die geschichtliche Entwicklung auf der Erde ist offen.

Koordination der Alternativen

Es geht in anderen Staaten nicht darum, den von China jetzt erreichten Zustand als »Vorbild« zu nehmen. Jeder und jede auf allen Kontinenten muss an seinem und ihrem Platz die Potentiale der Demokratie, der Sicherheit, des Friedens, der menschenrechtlichen Arbeit und der technischen Innovation ausschöpfen. Eine vermittelnde Rolle könnte die EU spielen. Italien hat sich als erster EU-Staat offiziell der Neuen Seidenstraße angeschlossen. Griechenland hat sich der 16+1-Initiative Chinas mit ost- und südosteuropäischen Staaten angeschlossen. Westliche Konzerne strömen wegen Innovationen nach China. Dabei geraten Vorstellungen und Realisierungsformen in Konflikt, etwa bei Demokratie, Technologien und beim Umgang mit der Umwelt. Solche Konflikte müssen ausgetragen werden.

Das Völkerrecht der UNO und die universellen Menschenrechte sind dafür eine unverzichtbare Orientierung. Wenn Du Frieden willst, sorge für Gerechtigkeit, so seit 1919 das Motto der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Deshalb vor allem: Kriege müssen verhindert, Frieden muss gesichert werden. Das ist die wichtigste Systemfrage.

Redaktionelle Anmerkung: Auf Aktualisierungen im Text des Buches habe ich verzichtet. Das Buch ist in weiteren Sprachen erschienen, englisch: The capitalists of the 21st Century (tredition, Hamburg 2019, auch als eBook); chinesisch im Pekinger Verlag People’s Oriental Press, 2020; italienisch: I Capitalisti del XXI secolo; französisch: Les capitalistes du XXIème siècle (tredition, Hamburg 2020, auch als eBook).

Werner Rügemer, Köln / Deutschland / Europa

»Die heutige Gesellschaft vertheidigt sich nuraus platter Nothwendigkeit, ohne Glauben an dasRecht, ja ohne Selbstachtung.«

(Heinrich Heine zum »Bereichert euch!«-Kapitalismus, der mit einem ‚Bürger‘königdekoriert war, Frankreich, 19. Jahrhundert)

Einleitung

Viel meinen, wenig wissen?

Die westliche Kapital-Demokratie zerfällt auf der politischen Ebene: Zum einen international durch die noch unverblümtere »America First«-Position der US-Regierung gegenüber den europäischen Vasallen, zum anderen national durch die innere Kritik an den bisher und gegenwärtig Regierenden und an der Europäischen Union. Die hier lange regierenden Volks‘parteien, die sie stützenden Leitmedien und das korrumpierte parlamentarische System verlieren im regierten Volk schrittweise an Zustimmung.

Dieser Prozess intensivierte sich seit der »neoliberalen« Wende der 1980er Jahre. Auf dem Weg zur Finanzkrise von 2007 und vor allem danach wurde er beschleunigt. Die bankrotten Großbanken wurden marktwidrig auf Gemeinkosten gerettet, ein bisschen reguliert – und entmachtet. Kapitalorganisatoren wie BlackRock, die die Finanzkrise ebenfalls mitverursacht hatten, sind nun die Eigentümer der alten Banken und Börsen und vor allem die Eigentümer der wichtigsten Unternehmen.

Vom Typ BlackRock agieren heute, weitgehend unreguliert und unbekannt, einige Dutzend weitere Finanzakteure der ersten Liga; hinzukommen die neuen Finanzakteure der zweiten und dritten Liga, ebenfalls kaum reguliert, also Private-Equity-Fonds, Hedgefonds, Venture Capitalists, dazu elitäre Investmentbanken, die traditionellen Großbanken und die von diesen allen geförderten und beherrschten Aufsteiger des Internets wie Apple und Microsoft, Google/Alphabet, Amazon, Facebook, Uber oder AirBnB.

Sie praktizieren eine neue, noch asozialere Form der brutalen Akkumulation des privaten Kapitals. Mit der Brutalisierung hat aber auch die Komplexität der Akkumulation zugenommen, was sich auch in der Vielfalt der Finanzakteure und ihrer Praktiken zeigt. Und wem gehören Facebook, Google & Co? Die Eigentümer bleiben vor der Öffentlichkeit, den abhängig Beschäftigten, den Wählern so gut wie unsichtbar. Die Eigentümer sind nicht nur brutal, sondern auch feige und lichtscheu. Ihre öffentlichen Vertreter kommen mit softer, schleimiger, auch basisdemokratischer Sprache daher, können sich auf Gesetze oder jedenfalls staatliche Duldung verlassen und werden von einer diskreten, zivilen Privatarmee »renommierter« Bereicherungs-Profis unterstützt.

Es ist keineswegs so, wie »Globalisierungskritiker« anprangern, dass das heutige Kapital als digitale Fiktion rund um den Globus gejagt werde und nichts (mehr) mit der »Realwirtschaft« zu tun habe – falsch! Im Gegenteil! BlackRock, Blackstone, Elliott, Founders Fund & Co haben hunderttausende der wichtigsten Unternehmen der Realwirtschaft im Griff, entscheiden über Arbeitsplätze, Arbeits-, Wohn-, Ernährungs- und Umweltverhältnisse, über Produkte, Gewinnverteilung, Armut, Reichtum, Staatsverschuldung. Und die Weltkonzerne der Plattform-Ökonomie dringen in die feinsten Poren des Alltagslebens von Milliarden Menschen ein, forschen es aus, krempeln es um – und kooperieren mit den Geheimdiensten.

Der Reichtum des BlackRock-Milieus vermehrt sich, aber die Volkswirtschaften und die für die Bevölkerungsmehrheiten wichtigen Infrastrukturen schrumpfen oder werden privatisiert und verteuert. Das Klima wird beschleunigt angeheizt. Rüstungsprofite boomen mit der Erfindung neuer Feinde. Die neuen Kapitalmächtigen bilden eine transnationale kapitalistische Klasse. Sie organisieren sich, schaffen für sich Kollektivformen, während sie die Reste bisheriger Kollektivformen der abhängig Beschäftigten zerstören und diese gnadenlos in hilflose, wenn auch manchmal unterhaltsame Einsamkeiten manövrieren.

Die neuen Mächtigen und Reichen domizilieren ihre Eigentumsrechte so konsequent wie noch nie in einer globalen, okkulten Parallelgesellschaft untereinander verflochtener Finanzoasen. Diese Investoren und ihre beauftragten Vorstände und Geschäftsführer können millionenfach straflos Gesetze brechen, Menschenrechte verletzen, abhängig Beschäftigte degradieren und verarmen, Menschen und Umwelt vergiften, das Rechtsgefühl zerstören, die Wirklichkeit verkleistern – Full Tolerance. Wirkmächtig im Alltag ist zudem der Digital-Populismus*, dessen Akteure nach dem bewunderten Silicon-Valley-Muster das glückliche individuelle Leben und die Verbesserung der Menschheit versprechen.

Der westliche, US-geführte Kapitalismus wurde (wieder) aggressiver nach innen und außen. Er führt erklärte und unerklärte Kriege, erweitert seine globale Militärpräsenz, rüstet heimlich und offen Stellvertreter auf. Gegen die Flüchtlinge aus den wirtschaftlichen und militärischen Kriegsgebieten werden tödliche Mauern der verschiedensten Art hochgezogen, am europäischen Mittelmeer genauso wie an der Grenze zu Mexiko. Wohlstand für alle, Menschenrechte, Christentum – nichts bleibt, auf der Ebene der bisher Verantwortlichen, von den rituell beschworenen »westlichen Werten«.

In der westlichen Kapital-Demokratie wuselt eine Unmenge von Kritik der verschiedensten Art. Wer ist nicht »kritisch«? Gewerkschaften und Leitmedien regen sich über die Vorstände und Manager und deren Millioneneinkommen auf, fragen aber nicht nach den Eigentümern und deren hundertfach höheren Gewinnen. Die Meinungsfreiheit ist ein hoher »westlicher Wert« – aber er wird entwertet durch den Abbau der Informationsfreiheit. Viel meinen, wenig wissen: Gegen diese »kritische« Selbst-Erblindung will das vorliegende Buch Abhilfe schaffen.

John Hobson, Rudolf Hilferding, Wladimir Iljitsch Lenin, Rosa Luxemburg, Nikolai Bucharin und andere hatten zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vor und im Ersten Weltkrieg, festgestellt: Die kartell- und monopolbildenden Banken aus den damals fünf mächtigsten imperialistischen Staaten haben die Herrschaft im transatlantischen Kapitalismus übernommen – ein dreißigjähriger Krieg mit zwei Weltkriegen war die Folge. Aber aus der Konkurrenz mehrerer imperialistischer Staaten ist ein US-geführtes Imperium hervorgegangen. Die neuen Finanzakteure haben die US-Vorherrschaft und das Vasallentum der »Bündnispartner« noch einmal vertieft.

Der Titel der weltbekannten Analyse Lenins »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus« lautete ursprünglich anders. Lenin sprach 1916 nicht vom »höchsten«, sondern vom »jüngsten« Stadium. Das »höchste« – damit auch gemeint »das letzte« – Stadium wurde danach hineinfantasiert. Man kann die damit verbundene Hoffnung verstehen. Aber sie war illusionär, wenn man die Stärke und die gnadenlosen, hinterhältigen und professionalisierten Verbrechen und Praktiken berücksichtigt, die die Akteure schon des damaligen Kapitalismus gegen Demokratie, Völkerrecht, Arbeiterbewegung, Sozialismus und nationale Befreiungsbewegungen an den Tag gelegt haben.*/1

Die Diagnose »jüngstes Stadium« war damals und ist auch heute der Wirklichkeit näher. Aber insbesondere der vom westlichen Kapitalismus ungewollt beförderte Aufstieg des kommunistisch geführten Kapitalismus in der Volksrepublik China und dessen global sich ebenfalls entfaltendes Netzwerk manifestieren die Wieder-Eröffnung einer neuen, anderen Geschichte. Diese Wende ist zudem der sichtbarste Teil einer internationalen Bewegung der neu eröffneten Entkolonialisierung, Demokratisierung und des Friedens.

Das einmal im Überschwang des zerstörten Sozialismus in den 1990er Jahren ausgerufene Post-Histoire, das Ende der Geschichte und die Verewigung des antiislamistischen, christlich lackierten »westlichen« Kapitalismus sind vorbei. Eine der notwendigen Maßnahmen besteht darin, die zwei großen Varianten des jüngsten Kapitalismus genauer als bisher gemeinsam anzusehen und zu vergleichen, von innen und von außen, menschenrechtlich und völkerrechtlich. Dazu lädt das vorliegende Buch ein. Es erscheint auch in chinesischer Sprache.

Die universellen Menschenrechte, Vereinte Nationen (1948)

Artikel 23

1.

Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit

.

2.

Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit

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3.

Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen

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4.

Jeder hat das Recht, zum Schutze seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten

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* Populismus: Wenn Unternehmer/innen, Investor/inn/en, Berater/innen, Politiker/innen im Interesse einer unklar gelassenen, minderheitlichen Interessen- und Machtgruppe dem Volk (lateinisch: populus) bzw. der Bevölkerungsmehrheit bewusst oder naiv Versprechungen machen (Arbeitsplätze, Sicherheit, Frieden, Heimat, Glück, Wohnungen), die sie nicht einhalten können oder wollen. Auch die Simulation »Das Volk ist der Souverän« ist populistisch, wenn die harten Entscheidungen wie Krieg und Investitionen nicht vom Volk, auch nicht von den gewählten Abgeordneten, gefällt werden. Auf den Primär-Populismus der bisherigen ‚Volks‘parteien christlicher, konservativer und dann sozialistisch-sozialdemokratischer Firmierung folgt wegen der gebrochenen Versprechen und der (mit)verursachten Misere der Sekundär-Populismus. Der wird zudem von den Primär-Populisten und den herrschenden Meinungsmachern dadurch gefördert, dass die demokratische, antikapitalistische Opposition diskreditiert, behindert, kriminalisiert wird. Sekundär-Populisten wie der US-Präsident Donald Trump und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron repräsentieren »Bewegungen«, die sich von den diskreditierten Parteien angeblich wesentlich unterscheiden.

* Schon Marx und Engels hatten sich nach ihrem Kommunistischen Manifest von 1848 in ihrer Hoffnung auf eine baldige sozialistische Revolution heftig getäuscht.