Die Karte der Ostmark: Zeitraffer - C. Hinterlechner - E-Book

Die Karte der Ostmark: Zeitraffer E-Book

C. Hinterlechner

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Beschreibung

Was tun, wenn man aus Versehen beinahe die gesamte Menschheit ausgelöscht hat? Vor dieser zugegeben recht kniffligen Frage stehen unsere Helden am Beginn des zweiten Teils von Die Karte der Ostmark. Nur Schokokuchen essen und Bier trinken wird das Problem wahrscheinlich nicht lösen und so gehen sie zum Ursprung unserer Geschichte, bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter! Obwohl: das ist eine andere Geschichte und soll ein ander Mal erzählt werden Die Fortsetzung des trashigen Abenteuers nimmt Sie mit auf eine unglaubliche Reise quer über den gesamten Globus von Nepal über ganz Europa und dabei natürlich auch in die Ostmark.

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Seitenzahl: 383

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C. Hinterlechner

 

Die Karte der Ostmark:Zeitraffer

 

Roman

 

Die Karte der Ostmark im Internet:

www.c-hinterlechner.at

 

1. Auflage (Hardcover), 2022

E-Book-Ausgabe, 2023

 

© 2022 Christian Hinterlechner

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Autors wiedergegeben werden.

 

Umschlaggestaltung: Christoph Stranger

Lektorat: Christina Guggenberger

Korrektur: Sandra & Stefan Stranger

Layout & Satz: Stefan Stranger

ISBN: 978-3-9505203-0-9

In lieber Erinnerung:

Michi1982 - 2021

 

Vorprolog

Liebe Leserinnen, liebe Leser!Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es überhaupt einen Vorprolog gibt, aber grundsätzlich sollte das nicht stören, und wenn doch, bin ich jederzeit unter [email protected] erreichbar. Dieser kleine vorgelagerte Absatz soll als Erinnerungsstütze für die gelten, die bereits Band eins gelesen haben (meinen aufrichtigen Dank dafür, es war ja mein erstes Buch, unglaublich, dass das überhaupt jemand gelesen hat, diese ganzen Rechtschreibvehler – einfach verheerend) und natürlich für all jene, die das bisher noch nicht geschafft haben, aber trotzdem mit Band zwei beginnen wollen (ist zwar ein etwas seltsamer Umstand, aber ist die Welt nicht an sich seltsam und überhaupt muss ich in letzter Zeit öfters an den Film „Matrix“ denken! Suchen Sie nicht auch die Fehler im aktuellen Programm?). Naja, auf alle Fälle hier eine Mini-Zusammenfassung der Geschehnisse von Teil eins (ich kann trotzdem nur empfehlen, lesen Sie zuerst Band eins, denn es hilft Ihnen und natürlich mir, meine Familie zu ernähren):

Ein junger, etwas seltsamer Typ, stolpert zufällig über die Spur eines Nazischatzes, zumindest glaubt er das. Seine Suche beginnt mit einem zweifachen Mord (der Mörder steht im Band eins) und führt ihn quer über den gesamten Erdball. Während seiner Suche findet er mit Lilli eine Frau, die ihm nicht nur den Verstand, sondern auf gewisse Art und Weise auch die Jungfräulichkeit (nicht sexuell – genauer steht‘s in Band eins) raubt. Zusammen mit ihr und seinem neuen Kumpel Henry stolpern sie von einem Abenteuer ins nächste und lernen dabei auch noch Dr. Schmidt kennen, der einen geheimnisvollen Kristall sein Eigen nennt. Genau dieser Kristall und einige andere schräge Begebenheiten führen dazu, dass unser Held die gesamte Menschheit in rosa durchsichtige Geister verwandelt. Nur noch unsere drei sind halbwegs unbeschadet durch die Sache gekommen und stehen jetzt etwas verdattert in „Black Horizon“, einer geheimen Nazistadt in den USA.

So, das sollte nun genug Material für die grauen Zellen zum Erinnern sein und auch ausreichend, um jetzt neugierig auf den ersten Teil zu werden. (Sie merken vielleicht, ich wiederhole immer die gleichen Worte, wie den „ersten Teil“. Das ist eine psychologische Finte, denn ich platziere somit eine indirekte Werbung in ihrem Hirn!)

Auf alle Fälle: Ich bedanke mich bei allen, die sich hier beim Lesen wiederfinden und wünsche viel Spaß beim zweiten Teil von „Die Karte der Ostmark“.

C. Hinterlechner

Prolog

Francisco stand mit zittrigen Knien am Strand und starrte die Klippen des Little Irish Canyon hinauf. Er war schon mindestens ein Dutzend Mal hier gewesen und hatte sich mit seinen Abnehmern getroffen. Der schmale Canyon bot einen perfekten Schutz vor neugierigen Blicken und obwohl das Diablo Canyon Atomkraftwerk nur um die Ecke lag, hatte es noch nie Probleme gegeben. Francisco, eigentlich nannte ihn jeder nur El Gordo, was so viel wie „der Dickliche“ hieß, war auf einen fast schon wahnsinnigen Plan für seine Lieferungen in die USA gekommen. Er hatte sich ein Ein-Mann-U-Boot gebaut und startete damit immer von seinem mexikanischen Heimatort Rosarito aus. Von dort war es nur eine knappe Stunde bis zur Grenze, danach ging es entlang der Küste bis zum aktuellen Standpunkt, dem Canyon. El Gordo hatte seine Prinzipien. Nur Ware, die er selbst verkostet und für gut befunden hatte, würde er auch verkaufen. So hatte er sich einen ziemlich guten Ruf in der Branche der Drogenhändler erarbeitet oder, besser gesagt, erschnupft.

Eigentlich hatte auch bei dieser Lieferung alles wie am Schnürchen geklappt. Überhaupt war es noch nie so ruhig gewesen und somit hatte er die Strecke sogar in Rekordzeit geschafft, aber jetzt bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Der Himmel über ihm leuchtete in einer seltsamen Farbe und El Gordo spürte ein furchtbares Brennen auf seiner Haut. Er war sich nicht ganz sicher, ob er nicht vielleicht doch zu viel von seinem eigenen Qualitätsprodukt geschnupft hatte, denn es kam ihm so vor, als würden ihn von den Klippen herab rosafarbene, fast durchsichtige Geisterwesen anstarren. Doch das alles war völlig egal, denn das Nächste, was Francisco alias El Gordo vernahm, war eine gewaltige Explosion. Während es ihm durch die brandheiße Druckwelle die Haut von den Knochen schälte, konnte man den aufsteigenden Atompilz sehen, der sich in seinen Augen spiegelte.

IAufbruch

Lilli lehnte am Geländer ihrer Terrasse und starrte wortlos auf Black Horizon hinunter. Ich ertappte mich dabei, wie ich durchaus wohlwollend ihren knackigen Hintern betrachtete. Irgendwie wirkte er, seitdem sie schwanger war, noch schöner. Eigentlich war mir im Moment aber mehr nach Weinen, als sexuelle Gelüste zu hegen, doch die Natur sieht wohl über solche Sachen hinweg. Wir hatten gerade erfolgreich die ganze Nazibrut ausgelöscht, zusätzlich leider auch alle anderen Menschen auf diesem Planeten und das war wirklich nicht Teil unseres wohldurchdachten Plans gewesen. Irgendwie waren alle verschwunden, aber dann doch wieder nicht. Man konnte die rosa schimmernden Gestalten, die einen etwas an Gespenster erinnerten, sogar von hier oben erkennen. Sie schwebten scheinbar ziellos durch die Straßen, als wüssten sie nicht so recht, was genau mit ihnen geschehen war. Auch wir konnten uns keinen Reim darauf machen, fest stand nur, dass sie irgendwie in einer Art „Zwischenwelt“ feststeckten und wir hatten auf den Überwachungskameras gesehen, dass dies offenbar ein weltweites Phänomen war. Dr. Schmidt hatte uns also angelogen, denn er musste von Anfang an gewusst haben, dass die Macht der Kristalle weitaus mächtiger war, als er uns verraten hatte. Darum war klar: wenn einer wusste, wie das Ganze wieder rückgängig gemacht werden könnte, dann er.

Henry hatte sich schon eine Zeit lang nicht mehr blicken lassen, aber ich vermutete, dass er bereits alles für unseren Aufbruch nach Lend vorbereitete. Während ich immer noch gedankenverloren auf Lillis wirklich perfekten Hintern glotzte, drehte sie sich zu mir um.

„Samuel, hä?“, ätzte sie mich mit frostigem Unterton an.

In der ganzen Zeit, die wir jetzt schon zusammen waren, hatte ich ihr noch nie meinen wahren Namen verraten, nicht mal als ich sie geschwängert hatte, aber irgendetwas in mir sagte, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür wäre, wenn es überhaupt einen geeigneten Moment für so was gab.

„Ja, Samuel, aber meine Freunde nennen, oder besser gesagt nannten mich immer nur Sam.“

Etwas verunsichert sah ich ihr in die Augen. Ich liebte diese Frau abgöttisch, aber ich hatte gesehen, wie sie ohne mit der Wimper zu zucken Männer, die doppelt so groß wie sie waren, einfach niedermetzelte.

„Sam, hä?“, fuhr sie mich wieder mit verächtlicher Stimme an.

„Ja, Sam, Schatz. Ich wusste nie, wie ich dir das unmissverständlich erklären sollte. Zu Beginn wusste ich ja nicht einmal, ob ich lebend aus der ganzen Geschichte herauskomme. Zudem war es für mich nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, dass sich eine solch wunderschöne Frau wie du überhaupt mit mir abgeben würde.“

„Schmier‘ mir jetzt keinen Honig ums Maul, du Sack. Normalerweise sollte ich dir deinen winzigen Penis abschneiden und dich zwingen ihn zu essen.“

Ihre Augen glühten, während sie ihre Wut und Aggression an mir ausließ. Ganze fünf Minuten lang beschimpfte sie mich weiter, wobei sie gekonnt von einer Nettigkeit zur nächsten sprang, aber ich unterbrach sie nicht. Bellende Hunde beißen nicht, hatte meine Oma schon immer gesagt und so wartete ich, bis sich die Zornesröte in ihrem Gesicht wieder etwas legte. Es war mir nicht ganz klar, was zu ihrer Beruhigung beitragen könnte, darum schoss ich einfach ins Blaue.

Mit dem treuherzigsten Blick, den ich aufsetzen konnte, sah ich sie an und fragte:

„Liebst du mich?“

Sie kniff ihre Augen fest zusammen, aber ich konnte bereits sehen, dass ich die richtige Frage gestellt hatte.

„Ob ich dich liebe? Natürlich liebe ich dich, du Arschloch, sonst hätte ich dich schon längst die Felswand hinuntergeworfen. Wir werden jetzt diese ganze Scheiße wieder in Ordnung bringen, unser Kind auf die Welt bringen und danach ein glückliches Leben führen, ist das klar Samuel alias Sam Kleinschwanz?“

„Jawohl, geht klar!“, antwortete ich im militärischen Ton und erhaschte dafür ein kurzes Lächeln von ihr.

„Trotzdem muss ich dich noch etwas fragen, Lilli!“

Ihr Blick verfinsterte sich wieder.

„Was meinst du mit ‚klein‘?“

Sie lachte laut auf und gab mir einen kräftigen Stoß in die Rippen.

„Nur wenn er schlaff herumhängt, mein Hübscher. Ansonsten ist er recht passabel, keine Angst.“

Immer noch lachend ging sie zurück ins Haus.

„Komm jetzt, Herr SAM, sieh zu, dass du Henry findest, wir haben einiges zu tun!“

Erleichtert über ihre gute Stimmung, machte ich mich auf den Weg. Sie hatte Recht, wir hatten einiges zu tun und es würde wahrscheinlich keine leichte Aufgabe werden.

Ich fand Henry im Bunker des Hauses. Er saß gerade vor den Monitoren und sah blass aus.

„Was ist los?“, fragte ich mit sorgenvollem Blick.

„Es sieht nicht gut aus, Tom ... äh ... Samuel. Ohne die Menschen funktioniert das Ganze nicht!“

Ich sah auf die Bildschirme und erkannte mit Entsetzen, was er meinte. Überall war nur Zerstörung zu sehen.

„Es wird nicht mehr lange dauern, Sam, dann wird dieser Planet unbewohnbar sein. Ohne Kontrolle durch die Menschen sind ihre Errungenschaften tickende Zeitbomben und da rede ich jetzt noch gar nicht von den ganzen Atomkraftwerken, die früher oder später sowieso alles verseuchen werden.“

„Was sollen wir machen?“, fragte ich mit bedrückter Stimme.

Henry zuckte mit den Schultern.

„Schmidt und der verdammte Kristall sind wahrscheinlich unsere letzte Chance, wenn es überhaupt noch eine Chance gibt.“

Ich nickte zustimmend.

„Wann brechen wir auf?“

„Ich habe bereits alles eingepackt und würde sagen, wir machen uns noch ein Bier auf, danach geht’s los!“

Ein Bier war die absolut beste Idee zur Beruhigung, so saßen wir schweigend vor den Monitoren und schlürften aus den Dosen das lauwarme Gebräu.

Lilli hatte in der Zwischenzeit auch gepackt, so saßen wir wenig später in einem der gepanzerten Wagen und rasten die Straße zum Flugplatz hinunter.

Henry hatte das Fahrzeug bis oben hin mit Kisten voll geräumt, sodass wir wie in einer Ölsardinenbüchse zusammengepfercht darin hockten. Da der Bauch von Lilli mittlerweile schon gut sichtbar war und sie somit mehr Raum benötigte, blieb für mich nur ein Platz in der Größe eines Schuhkartons. Schon nach wenigen Minuten schlief mir der verdammte Fuß ein. Ich streckte mich ein wenig, um den drohenden Kribbelanfall, den so ein blutleerer Fuß mit sich brachte, zu verhindern und streifte dabei unweigerlich Lillis Hintern. Immer noch hegte sie einen leichten Groll auf meine Wenigkeit und giftete mich mit einem boshaften Blick an. Mit Daumen und Zeigefinger signalisierte sie mir eine Länge von etwa zwei Zentimetern und machte damit wieder eine Anspielung auf die Größe meiner Männlichkeit, doch sie konnte mich nicht mehr verunsichern. Mit einem kurzen Blick auf ihren Bauch entgegnete ich ihr:

„Für das hat er gereicht, der Rest ist Luxus.“

Sie verzog nach meinen Worten keine Miene, sah mir nur tief in die Augen, beugte sich zu mir und steckte ihre Zunge tief in meinen Mund.

„Ich hasse dich!“, waren ihre Worte nach einem unglaublich langen Kuss und ich spürte die Armee von Liebes-Schmetterlingen in meinem Bauch aufmarschieren.

Der Weg zum Flughafen bot zum Glück nichts Spektakuläres, aber als wir in Richtung Landebahn fuhren, sahen wir den Horizont bedrohlich rötlich leuchten. Henry hielt den Wagen vor dem wunderschönen schwarzen Flieger der Nazis an, der uns schon mehrmals quer über den Erdball gebracht hatte.

„Da ist ja meine Hübsche“, meinte er mit feuchten Augen.

Zusammen luden wir die Kisten in das Flugzeug und ich musste Lilli öfters ermahnen, dabei nicht zu übertreiben. Obwohl sie nichts dazu sagte, spürte ich in ihrem Blick, dass ihr meine offensichtliche Sorge um sie und das Baby gefiel. Der Schutz der beiden stand für mich natürlich an erster Stelle, so war für mich das Ziel der Mission nicht die Wiederherstellung der Normalität, sondern die Absicherung meiner Familie. Es musste für uns eine Zukunft geben und dazu war mir jedes Mittel recht.

Als wir den Flieger bestiegen, deutete Henry mit einem besorgten Blick auf den rötlich glühenden Horizont:

„Sieht nicht gut aus.“

Ich nickte nur zustimmend, denn es war mehr als klar, dass sich dort draußen etwas Scheußliches zusammenbraute. Wenig später starteten wir. Henry überflog nochmals Black Horizon, das wie ein dunkles Loch im großen Meteoritenkrater lag. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir diese Stadt wohl nicht zum letzten Mal gesehen hatten.

IIToter Planet

Wir waren noch nicht lange in der Luft, als uns der Grund für die Verfärbung des Himmels offenbart wurde. Unter uns loderte ein Feuer gigantischen Ausmaßes. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals einen solchen Flächenbrand gesehen zu haben. Henry musste das Flugzeug sogar in eine höhere Position bringen, damit wir nicht langsam darin gegart wurden. Niemand sprach ein Wort, erst als das Meer erreicht war und sich die Luft wieder etwas abkühlte, setzten wir uns geschockt zurück auf unsere Stühle.

„Fuck, was passiert da gerade?“, entkam es mir.

„Die Welt der Menschen stirbt!“, antwortete Henry mit bitterer Stimme.

„Die Menschheit hat aus dem Planeten eine tickende Zeitbombe gemacht und jetzt, wo sie weg ist, kontrolliert niemand mehr den Zünder. Es wird wohl alles zerstört werden und wenn die Erde damit fertig ist, wird es auf diesem Planeten nur mehr wenig geben, dass an uns, geschweige denn an das Leben, erinnert.“

„Ich hoffe dieser Scheiß-Kristall kann uns helfen.“

„Das hoffe ich auch Sam, das hoffe ich auch.“

Lilli äußerte sich nicht sondern saß nur still da und streichelte ihren Bauch. Voller Sorge setzte ich mich zu ihr und umarmte sie fest. Sie wirkte müde, es dauerte nicht lange, bis sie zusammensank und an meiner Schulter angelehnt einschlief.

Der weitere Flug verlief ruhig. Henry versuchte mehrmals mittels Funk Kontakt mit eventuellen Überlebenden herzustellen, aber es kam keine Antwort.

Als wir die europäische Küste überflogen, bot sich uns schnell dasselbe Bild wie in Amerika. Überall wüteten große Feuer und ich war froh, als wir uns im Landeanflug auf den kleinen Flughafen von Zell am See befanden.

Da Österreich kein Atomkraftwerk besaß, war zumindest vorübergehend keine erhöhte Strahlung zu befürchten, auch die Warngeräte im Flugzeug zeigten normale Werte. Grundsätzlich schien die Gegend im Moment noch ausreichend intakt zu sein, denn alles wirkte friedlich und ruhig.

Henry schloss eines der vielen leerstehenden Autos, die einfach überall herumstanden, kurz. Auch hier hatten sich ihre Besitzer in Luft aufgelöst, aber im Gegensatz zu den USA hatten wir noch keine der rosafarbenen Gespenster gesehen. Die Fahrt nach Lend ging zügig voran, trotzdem herrschte eine seltsame Atmosphäre. Ich fühlte mich beobachtet und spürte einen Druck im Körper, dessen Ursprung ich nicht genau ermitteln konnte. Erst als wir uns kurz vor Lend befanden, ließ er etwas nach. Bald würden wir auf Schmidt treffen, er würde uns wohl hoffentlich eine Lösung für den Schlamassel anbieten können. Doch meine Hoffnungen wurden schnell zerstört.

Wir hatten gerade die Abzweigung nach Lend genommen und waren im letzten Moment noch einem Bus ausgewichen, der quer über die Fahrbahn gestanden hatte, als Henry plötzlich stark abbremste. Eigentlich hätte jetzt vor uns der Wald mit dem Bunker von Sektor 4 auftauchen sollen, stattdessen tat sich vor uns ein gewaltiger Krater auf.

Wir stiegen aus dem Auto und tasteten uns langsam an den Rand des Kraters heran.

„Fuck!“, war wieder einmal das einzige Wort, das mir in dem Moment einfallen wollte.

Das Loch zu unseren Füßen hatte gewaltige Ausmaße, der gesamte Wald war verschwunden und vom Bunker war eindeutig nichts mehr übriggeblieben.

„Was zum Geier reißt ein solches Loch in den Boden?“, sagte ich mit fragendem Blick.

Henry zuckte mit den Achseln:

„Keine Ahnung, das Ganze sieht komisch aus, hier drüben stehen die Bäume völlig normal, es scheint keine richtige Druckwelle gegeben zu haben, aber das ist bei diesem Ausmaß der Zerstörung unmöglich.“

Lilli kniete sich auf den Boden und hob einen Klumpen Erde auf. Sie zerbröselte ihn zwischen den Fingern.

„Die Erde fühlt sich irgendwie seltsam an. Sie wirkt gummiartig.“

Ich blickte in den Krater und spürte wie sich die Enttäuschung mit leichter Panik vermischte.

„Er wird das nicht überlebt haben“, vermerkte ich mit bitterer Stimme.

Henry schüttelte den Kopf.

„Nein Sam, ich glaube nicht, dass das ein Unfall oder Ähnliches ist. Da will jemand seine Spuren verwischen oder seinen Tod vortäuschen.“

„Wie kommst du darauf?“

„Überlegt mal, der Typ war jahrzehntelang im Bunker und es hat nie Probleme gegeben. Und jetzt plötzlich, als wir aufgetaucht sind, würde alles in die Luft fliegen. Ich sag dir, der hat nur darauf gewartet, dass sein Plan aufgeht und jetzt ist er weg!“

Ich konnte den Überlegungen von Henry nicht ganz folgen, wollte ihm aber auch nicht widersprechen.

„Ja und was hat er jetzt vor, wo ist er hin?“

Henry zuckte abermals mit den Schultern: „Keine Ahnung!“

Frustriert hockte ich mich an den Kraterrand und ließ meine Füße in den Abgrund baumeln. Lilli setzte sich daneben. So saßen wir still da und starrten entmutigt ins Leere. Auch Henry gesellte sich zu uns. Als nach geschlagenen 15 Minuten der wortlosen Traurigkeit keine Lösung in Sicht war, stand ich wieder auf und holte mir einen Apfel aus der Provianttasche.

Gedankenverloren ging ich umher und nagte am Apfel herum. Irgendetwas mussten wir doch tun können. Auch ich war mir mittlerweile sicher, dass Henry Recht hatte. Das Arschloch hatte sich fix aus dem Staub gemacht und seine Pläne waren sicher nicht die besten. Mein Blick blieb plötzlich an einem Stück Papier hängen. Es war ein unscheinbarer weißer Schnipsel, der etwas verloren am Boden lag, aber es gab mir einen Stich ins Hirn.

Ich spuckte das Apfelzeugs in meinem Mund aus und prustete los:

„Verdammt Lilli, die Mappe, ich habe die Scheiß-Mappe noch bei mir unter dem Bett liegen.“

Lilli sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Welche Scheiß-Mappe?“

„Ja, du weißt schon, die Mappe, die ich im Wald in Werfenweng gefunden habe, die Originalaufzeichnungen von Schmidt. Vielleicht ist hier ein Hinweis versteckt, wo er sein könnte!“

Ich war völlig aus dem Häuschen, aber die beiden anderen hatte ich mit meiner Hirngeburt noch nicht überzeugen können. Für mein Gefühl viel zu langsam, rappelten sie sich hoch und schlenderten zum Auto.

„Jetzt, macht schon!“, drängte ich sie, aber Lilli warf mir einen schiefen Blick zu.

„Mach dir nicht ins Hemd, Herr Samuel. Die Chancen sind doch sehr gering, dass wir was finden. Wer weiß, ob deine Bude überhaupt noch steht.“

Ich überhörte standhaft ihren Zweifel an meiner Idee und als beide endlich im Auto saßen, gab ich Vollgas. Dies war im Moment unser einziger Lichtblick und er gab mir genau die Hoffnung, die wir gerade dringend benötigten.

Nach 15 Minuten der kopflosen Raserei, standen wir schließlich vor meinem Wohnblock. Zum Glück sah alles so aus wie immer. Schnell lief ich die Stiegen zu meinem alten Zuhause hinauf. Fast schon hysterisch öffnete ich die Wohnungstüre und stürzte ins Schlafzimmer. Ich hatte diese verdammte Wohnung immer geliebt. Viele gute Erinnerungen verband ich mit ihr, obwohl besser niemand mit Schwarzlicht die Räume ausleuchten sollte. Ich atmete tief durch, tatsächlich, sowohl die Mappe, als auch die Karte der Ostmark lagen noch genauso unter dem Bett, wie sie von mir dort deponiert wurden. Wie ein kleines Kind saß ich am Boden und blätterte in der Mappe. Ich hatte sie damals oftmals durchgesehen und die Aufzeichnungen über den Kristallfund in Ägypten gelesen. Neben diesen Aufzeichnungen hatte es aber auch Seiten gegeben, deren Inhalt ich nicht verstanden hatte, genau diese erregten jetzt mein Interesse.

Die beiden andern hatten inzwischen auch die Wohnung betreten und standen nun zusammen mit mir im Zimmer. Henry ging zum Kasten in der Ecke des Raumes, nahm die Flasche Rum heraus, die da schon einige Jahre stand, öffnete sie und nahm einen tiefen Schluck daraus. Sichtlich zufrieden über den Geschmack des Gebräus, setzte er sich neben mich.

„Nun, Kleiner, was glaubst du darin zu finden?“

Ich antwortete nicht, denn es gab bereits etwas, das mir ins Auge gestochen war. Auf der letzten Seite waren nur zwei Zeilen aufgeschrieben, aber die Form und der Inhalt genügten mir. Genau wie die anderen Seiten waren sie handschriftlich verfasst, aber es war nicht die gleiche Schriftart wie bei den übrigen Seiten davor.

Eigentlich stand dort nur:

„Loenpo Gang – UTMREF 45R 382170 3119464“

Aus dem Geschichtsunterricht wusste ich, dass die Nazis die UTM-Einteilung der Erde erfunden hatten. Es war ein System, das die Erde in ein globales Koordinatensystem einteilte.

Schnell holte ich mein Handy raus, um nachzusehen, aber es funktionierte nicht. Ich kramte wieder hektisch unter dem Bett herum und beförderte einen uralten Schulatlas ans Tageslicht.

Henry beobachtete mich mit immer größer werdender Neugierde. Ich klärte ihn über meine Gedanken auf:

„Du weißt ja noch, was uns Schmidt über seinen Vater berichtet hat?“

„Nein, das weiß ich natürlich nicht mehr.“

„Nun, er hat doch erzählt, dass dieser in Nepal verschwunden sei, und man ihn nie wieder gesehen habe. Grundsätzlich ist es aber eine Tatsache, dass Schmidts Vater der eigentliche Entdecker des Kristalls war und er nur nicht die Möglichkeit hatte, ihn zu bergen. Da wir aber jetzt wissen, dass es noch einen zweiten Kristall auf dem Planeten geben muss, gehe ich mal davon aus, dass er ungefähr wusste, wo dieser zu finden sei. Und jetzt schau mal“, ich deutete auf den Atlas. „Loenpo Gang ist ein Berg in Nepal und das sind seine Koordinaten!“

Henry beugte sich über den Atlas und die Mappe und verglich die Aufzeichnungen miteinander.

„Du glaubst also, dass er dort ist?“

„Ich bin überzeugt!“

„Hmm, naja, durchaus eine logische Möglichkeit, wahrscheinlich auch die einzige im Moment.“

Er nahm wieder einen großen Schluck aus der Flasche.

„Wir haben ja sowieso keine Alternative.“

Ich hatte ihn überraschenderweise schnell überzeugt, was sicherlich der schrägen Situation, in der wir steckten, geschuldet war und fühlte nun, wie neue Hoffnung in mir aufkeimte. Vielleicht würden wir in Nepal auf Schmidt treffen. Falls er den zweiten Kristall gefunden hatte, würden unsere Chancen steigen, dass alles wieder irgendwie rückgängig gemacht werden konnte. Immerhin hatte ja nur ein Bruchteil der Kristalle das Ganze ausgelöst. Dann sollten doch zwei ganze Kristalle die Macht haben, um Ereignisse abermals zu ändern. Aufgeregt wirbelte ich umher und suchte den Blick von Lilli, aber sie war nicht da. Ich fand sie gedankenversunken vor einem Glas Wasser in der kleinen Küche der Wohnung sitzend.

„Alles klar?“, fragte ich sie zögerlich.

Sie schüttelte den Kopf.

„Sam, wir haben die gesamte Menschheit, wahrscheinlich den ganzen Planeten, auf dem Gewissen. Nicht einmal, wenn wir als Nazis weitergelebt hätten, wäre eine solche Zerstörung zustande gekommen. Auch unser Kind wird aller Voraussicht nach sterben, bevor es auf der Welt ist und wir sind selbst schuld daran. Ich wünschte wir hätten alles so gelassen, wie es war!“

Ihr Blick war starr auf den Tisch gerichtet, man konnte den Schmerz darin deutlich erkennen.

Ich selbst hatte noch nicht wirklich darüber nachdenken können, aber natürlich sprach sie die Wahrheit. Sicherlich hätten die Nazis in ihren Allmachtfantasien viele abscheuliche Dinge angerichtet, aber das Ausmaß unserer eigenen Mission übertraf sogar das. Lilli hatte ihre Freunde, sogar ihren eigenen Vater geopfert, um unsere Familie zu beschützen, aber das würde völlig bedeutungslos sein, wenn der Planet nicht mehr bewohnbar ist und alle Menschen, außer uns dreien, als rosa Geister umherwandern.

Ich setzte mich zu ihr und nahm ihre Hände.

„Lilli, ich verspreche dir, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um uns eine gute Zukunft zu ermöglichen.“

Sie sah mir tief in die Augen und nickte kaum merklich mit dem Kopf.

„Ich hoffe es“, sprach sie mit leisem Ton, aber es war deutlich zu spüren, dass ihr Glaube daran nicht sehr ausgeprägt war. Doch auch wenn jetzt Raum für depressive Gedanken war, wir hatten eine Chance und die wollte ich nutzen, darum trieb ich beide wieder an und konnte die vorherrschende Lethargie, in der sie sich gerade befanden, nicht hinnehmen.

Henry wirkte vom Rum schon etwas betrunken, als wir uns endlich wieder in Richtung Auto bewegten. Ich wollte ihn schon etwas schief anmotzen, als Lilli einen leisen Schrei ausstieß.

Sie stand vor dem Auto, blickte dabei mit weit aufgerissenen Augen in Richtung des Kofferraumes. Ich folgte ihrem Blick und sah sofort den Grund ihrer Aufregung. Vor uns stand eine alte Dame, die uns mit tiefrot unterlaufenden Augen anstarrte. Sie hatte zwei Taschen mit, die sie fest in beiden Händen hielt. Es war absolut unerklärlich, wo sie hergekommen und wie sie der Wolke entkommen war. Während Lilli und ich sie nur völlig verschreckt anblickten und kein Wort herausbrachten, wirkte Henry aufgrund des konsumierten Rums etwas entspannter.

Er ging einige Schritte auf die Alte zu und musterte sie von oben bis unten. Als sie sich nicht bewegte, sondern ihn nur starr anglotzte, erläuterte er in fachmännischem Ton:

„Da brennt zwar Licht im Dachboden, aber es dürfte niemand zu Hause sein.“

Als er sich weiter näherte, wich sie aber plötzlich zurück. Gleichzeitig gab sie ein undeutliches Gestammel von sich.

„Was sagt sie?“, fragte ich.

„Keine Ahnung, hört sich nach ’Ich bin nicht ganz dicht an‘.“

Wieder ging er einige Schritte in ihre Richtung.

„Das ist ein toter Planet, ein toter Planet!“, schrie sie plötzlich mit grauenhaft schriller Stimme, drehte sich um und rannte in einer Geschwindigkeit davon, wie ich es einer Dame ihres Alters niemals zugetraut hätte.

Henry fing an zu lachen:

„Sag ich ja, völlig irre die Lady.“

„Wir können sie doch nicht hier lassen!“, bemerkte ich in einem Anflug von Nächstenliebe, aber insgeheim hatte ich wenig Lust die Alte mitzunehmen. Umso erfreuter war ich, als sich endlich auch Lilli zu Wort meldete.

„Spinnst du, das hätte uns jetzt gerade noch gefehlt, sie hat bis jetzt überlebt, dann wird sie es auch weiter ohne uns schaffen. Außerdem stinkt sie bestialisch und mein Geruchssinn ist im Moment mehr als empfindlich.“

Ihr jetzt zu widersprechen wäre sowieso ein großer Fehler gewesen, darum ließen wir die alte Dame eine alte Dame sein und stiegen endlich ins Auto. Henry hatte sich, zu meiner Überraschung, freiwillig auf den Rücksitz gesetzt und machte es sich sofort bequem. Der Rum hatte nun seine volle Kraft entfaltet. Bereits nach wenigen Minuten hörten wir laute Schnarchgeräusche. Wir aber saßen während der Fahrt zurück zum Flughafen wortlos nebeneinander. Es gab einiges zu bereden, aber wussten beide, dass jetzt nicht der richtige Moment dafür war. Ich ergriff ihre Hand und als sie meinen Griff fest erwiderte, verspürte ich eine kleine Erleichterung im Herzen.

Als wir uns schließlich wieder in der Luft befanden, sah ich gedankenverloren aus dem Fenster. Wir überflogen gerade das große Wasserkraftwerk Kaprun mit seinen großen Stauseen, die sich elegant in das Bergpanorama einfügten. Ich musste dabei an einen meiner schönsten Schulausflüge denken, der uns zu den Kraftwerken geführt hatte, und fragte mich, welche Zukunft wohl auf mein Kind wartete. In etwa vier Monaten würde unser Baby in eine Welt kommen, die im Moment nicht mehr viel Positives zu bieten hatte.

IIIMOT

Wir flogen sehr hoch, sodass unter uns nur Wolken oder die dichten Rauchschwaden der Brände zu sehen waren. Lilli schlief und Henry fluchte ständig, denn er hatte heftige Kopfschmerzen, nachdem die Wirkung des Rums sich mit der eines heftigen Katers abtauschte. Ich hatte etwas Mitleid mit ihm und mischte einen netten Cocktail, der nicht nur seinen körperlichen Zustand, sondern auch sein seelisches Gleichgewicht schnell verbessern sollte.

„Wird wohl keiner einen Alkotest mit dir machen“, zwinkerte ich ihm zu, aber so richtig gute Laune machte sich nicht breit.

„Du machst dir Sorgen wegen Lilli und dem Nachwuchs?“, fragte Henry.

„Ja, sieht für die Gründung einer Familie gerade ziemlich düster aus.“

„Ach, für so was gibt es selten einen perfekten Zeitpunkt. Ich habe immer darauf gewartet, aber den Zeitpunkt dafür mit offenen Augen verpasst. Obwohl es wirklich viele Momente zum ‚Baby machen‘ gegeben hätte“, er lächelte verschmitzt, doch in seinen Augen war durchaus auch eine gewisse Traurigkeit vorhanden.

In diesem Moment fiel mir auf, wie wenig ich eigentlich über ihn wusste. Jahrelang diente er Stechmann, dem Vater von Lilli, als Pilot oder Mädchen für alles, aber über konkrete, weiterführende Informationen über Henry verfügte ich nicht. Irgendwo gab es noch eine Frau in seinem Leben, aber Genaueres war mir nicht bekannt. Ich nahm mir vor, Lilly bei Gelegenheit ein bisschen auszufragen und wollte mich gerade zu ihr umdrehen, als sie plötzlich neben uns stand. Ihr Blick durchbohrte uns beide, sie hatte wohl unser Gespräch gehört.

„Diese Jammerei muss aufhören, wir werden jetzt dieses Arschloch finden, dann werde ich die Informationen aus ihm herausprügeln!“

Niemand widersprach ihr, stattdessen gab ich ihr einen langen Kuss, denn das war meine Lilli, wie ich sie liebte. Zudem bescherte mir ihr Stimmungswandel ein besseres Gefühl im Bauch. Lilli war zwar mein Ein und Alles, aber tief in ihrem Inneren verbarg sich noch die Gesinnung der Nazis, da war ich mir sicher und genau dieses Monster wollte ich nicht zum Leben erwecken.

Nach etwa zehn Stunden Flugzeit landeten wir auf dem Flughafen von Katmandu. Wie erwartet, war auch hier keine Menschenseele zu sehen, dafür aber umso mehr Hunde. Wir hatten sie schon bei unserem Anflug in den Straßen gesehen. Es waren gewaltige Rudel, das Fehlen der Menschen musste demnach ein großes Problem für die Tiere darstellen.

„Denen sollten wir nicht in die Quere kommen“, meinte Henry. „Sicher mächtig hungrig, diese Biester.“

Am Flughafen selbst herrschte eine unheimliche Stimmung, auch von hier aus konnte man noch das Geheule der vielen Hunde deutlich hören.

Henry wies uns an, vorerst im Flugzeug zu bleiben, er würde sich zunächst auf die Suche nach einem passenden Gefährt machen. Die Route würde über extrem unwegsames Gelände führen und wir hatten dafür ein bis zwei Tage eingerechnet. Während wir also auf ihn warteten, kochte Lilli in der kleinen Bordküche Spaghetti Bolognese. Sie wirkte das erste Mal seit längerer Zeit wieder etwas entspannter und summte leise vor sich hin. Ich stellte mich hinter sie, küsste ihren Nacken, sog ihren Geruch tief in mich ein und versuchte den Duft so lange wie möglich zu behalten. Sie gab mir eine der Nudeln zum Probieren und wie es sich für einen Mann wie mich gehörte, saugte ich das Ding mit einem Zug ein. Lilli lachte laut auf, nahm aber nun selbst eine der Spaghetti in den Mund.

„Kennst du den verdammten Zeichentrickfilm mit den Hunden?“, fragte sie mich mit neckischem Blick.

„Natürlich!“, antwortete ich augenzwinkernd.

Schnell schnappte ich mir das andere Ende und so saugten wir beide an der Nudel, bis sich schließlich unsere Lippen berührten. Zunächst küssten wir uns nur zaghaft, es war schon eine Weile her, dass wir so vertraut miteinander waren, aber es wurde immer leidenschaftlicher. Kurz darauf kämpften unsere Zungen um die Vorherrschaft im Mund. Ich spürte, wie der Atem von Lilli schneller wurde, wie ihre Hände hastig meinen Gürtel öffneten. Obwohl ich sexuell etwas verunsichert wegen Lillis Schwangerschaft war, gab es für mich auch kein Halten mehr. Wie ein gieriges Tier drückte ich sie auf die Couch, die sich im hinteren Teil des Flugzeugs befand. Hastig rissen wir uns die Kleider vom Leib, doch bevor es richtig zur Sache ging, stoppte ich. Wir hatten schon lange keinen Sex mehr gehabt, darum befürchtete ich, dass sich die Sache wohl nicht lange hinziehen würde, aber ich wollte unbedingt, dass auch Lilli genug abbekam. Ich spreizte mit meinen Händen ihre Beine und fing an sie mit der Zunge langsam zu verwöhnen. Meine volle Konzentration war jetzt auf sie gerichtet und gab einfach all das, was mir als Mann möglich war und konnte sofort spüren, dass es ihr mehr als gefiel. Lillis ganzer Körper begann zu beben und ich spürte wie ihre Oberschenkel zu zittern begannen. Plötzlich legte sie ihre Knie seitlich an meinem Kopf und je näher sie dem Höhepunkt kam, umso fester drückte sie zusammen. Der Druck wurde so groß, dass ich schon fast befürchten musste, dass sie meinen Kopf in Kürze, wie eine Walnuss knacken würde. Dann aber presste sie sich nach oben und ich konnte spüren, wie sich ein gewaltiger Orgasmus in ihr wellenförmig ausbreitete. Sie stöhnte lauf auf, ihr gesamter Körper zuckte wild hin und her. Zufrieden sackte sie wenige Momente später zurück, zog mich aber schon kurz darauf zu sich hoch.

„Fick mich“, hauchte sie mir ins Ohr, steckte ihre Zunge tief in meinen Mund.

Ich tat wie befohlen und drang tief in sie ein. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, aber wie bereits von mir befürchtet, konnte ich meine angestaute Gier nach ihr kaum zurückhalten. Immer wieder legte ich kleine Pausen ein, um nicht zu früh fertig zu werden, aber als es dann soweit war, explodierte ich wie ein Böller in ihr.

Leise kichernd kuschelten wir verliebt auf der Couch, als Lilli zusammenzuckte.

„Was ist?“, wollte ich besorgt wissen.

Lilli lachte, nahm meine Hand und legte sie auf ihren Bauch.

„Wir haben das Baby aufgeweckt!“, prustete sie los.

Tatsächlich, ich konnte es kaum glauben, aber es waren deutlich leichte Bewegungen zu spüren.

Tränen der Freude schossen mir in die Augen.

„Scheiße Lilli ... unser Baby ...!“

Lilli nickte und streichelte ihren Bauch.

„Ja, unser Baby.“

Gerührt starrte ich immer noch auf den Bauch, als Lilli, wie von der Tarantel gestochen, aufsprang.

„Scheiße Sam ... die Nudeln...!“

Erschrocken sprang ich auf, lief schnell zur Bordküche, um die Nudeln vom Herd zu retten, aber ich kam zu spät. Völlig versteinert stand ich da und starrte dabei auf Henry, der bereits einen Teller voller Nudeln vor sich stehen hatte und genüsslich in sich hinein schaufelte. Völlig ungeniert glotzte er mir zwischen meine nackten Beine, schob sich noch eine Ladung Nudeln in den Mund, nickte kurz und streckte mir den Daumen hoch entgegen.

„Arsch!“, entgegnete ich ihm, konnte dabei aber ein Grinsen nicht verkneifen.

Kurz darauf saßen wir alle drei am kleinen Tisch und ließen uns die leicht verkochten Spaghetti schmecken.

Henry berichtete, dass er ein optimales Gefährt für uns gefunden hatte. Es würde perfekt für die raue Fahrt ins Gebirge passen, denn sollte dabei etwas passieren, könne er es leicht wieder selbst reparieren. Wir freuten uns über die Fortschritte und auch die Stimmung war so entspannt, wie schon lange nicht mehr.

Meine Laune verdüsterte sich aber wieder etwas, als ich vor dem von Henry so hochgelobten Wagen stand. Es handelte sich dabei um einen uralten Mercedes Transporter, der so aussah, als würde er bei nächster Gelegenheit in seine Einzelteile zerfallen.

„Ist nicht dein Ernst?“, fragte ich ungläubig auf die Schrottkarre starrend.

„Glaub mir Sam, das ist das Beste überhaupt. Für die Straßen, auf denen wir fahren werden, brauchen wir ein Gefährt, das genau für so was gebaut wurde. Zuviel an neumodischer Elektronik würde uns nur verwundbar machen. Dieses Schnuckelchen ist im Handumdrehen repariert, außer es reißt uns die Achse aus.”

Auch Lilli sah die Sache zunächst etwas skeptisch, meinte dann aber:

„Na dann hoffen wir mal, dass die Achse dran bleibt. Los Jungs, beladen wir den Prügel, dann ab ins Gebirge.“

Sie hatte Recht, darum räumten wir alles, was uns von Nutzen sein konnte, auf die große Ladefläche. Lilli wollte auch eine der großen schwarzen Kisten mitnehmen, die sich schon zuvor im Flugzeug befunden hatten.

„Was ist denn da drinnen?“ fragte ich stöhnend, als ich mit großer Mühe das schwere Ding hinauf hievte!“

„Ach nur Nazizeugs, ich nehme es mal mit, man kann ja nie wissen.“

Mehr Infos gab es im Moment offenbar nicht und ich wollte ihre gute Stimmung nicht mit weiteren lästigen Fragen zerstören.

Der LKW hatte vorne eine Sitzbank für drei Personen, so starteten wir kurz darauf etwas zusammengequetscht in den nächsten Abschnitt unserer Reise. Ich war etwas verwundert, wie schnell der Motor ansprang und wie ungewöhnlich leise er schnurrte.

„Deutsche Wertarbeit“, zwinkerte Lilli mir schelmisch zu.

Wir tuckerten also los und fuhren durch die engen Gassen von Katmandu. Obwohl alles menschenleer war, wirkte die Stadt nicht ausgestorben. Viele verschiedene Tiere tummelten sich auf den Straßen, bei den meisten von ihnen handelte es sich um die zuvor schon erwähnten Hunde. Zunächst waren es nur wenige, aber es schien so, als würden sie von dem Motorengeräusch angezogen, denn von Minute zu Minute wurden es immer mehr. Es dauerte nicht lange, bis Henry die Geschwindigkeit drosseln musste, um nicht welche von ihnen zu überfahren.

„Verdammte Drecksköter, was wollen die?“, fluchte er laut.

„Sehen irgendwie hungrig aus“, antwortete ich scherzend, aber die Anzahl der Hunde erreichte bald eine beachtliche Größe und erinnerte stark an eine Horde von Zombies, wie man sie oft in diversen Horrorfilmen sah.

„Seht!“, rief Lilli laut und zeigte mit ihrem Finger auf ein Auto in der Nähe. Dort saß ein junger, kleiner Hund, der offensichtlich vor den anderen auf das Autodach geflüchtet war. Der Wagen wurde bereits von anderen Hunden umkreist, immer wieder sprangen sie hoch und schnappten nach dem Kleinen.

Die Meute hatte definitiv Hunger.

„Wir müssen ihm helfen, sie werden ihn sonst sicherlich fressen oder so.“

Ich sah Lilli verwundert an.

„Spinnst du, ich geh da keinen Meter raus, die Drecksviecher kauen mir meinen Kopf ab.“

Lilli strafte mich mit einem bitterbösen Blick.

„Bleib sofort stehen!“, herrschte sie Henry an, der reflexartig bremste und wenige Meter vor dem Auto stehen blieb. Lilli griff hinter die Sitzbank, holte eines der Maschinengewehre hervor, die Henry dort in weiser Voraussicht deponiert hatte, kurbelte das Seitenfenster hinunter und schoss mehrmals in die Luft. Zu unserer Verblüffung reagierten die Hunde darauf aber kaum, sie sahen nur leicht verwundert in unsere Richtung. Lilli kniff die Lippen zusammen, ich konnte die Wut in ihren Augen sehen.

„Der Kleine gehört mir“, zischte sie leise und bevor ich es verhindern konnte, stieg sie aus dem LKW. Ich wollte ihr schon hinterher springen, aber Henry hielt mich zurück.

„Warte, die macht das schon.“

Gebannt beobachteten wir, wie sich Lilli dem Auto langsam näherte. Sie begab sich in große Gefahr und ich machte mich nervös bereit aus dem Wagen zu springen, um sie zu retten. Die Hunde ließen nun von dem Kleinen ab und beäugten die Situation. Zu meinem Entsetzen lief genau der Größte und Furchterregendste von ihnen als erster in Lillis Richtung. Sein athletischer Hundekörper war über und über mit tiefen Furchen und Narben übersät, es handelte sich also eindeutig um einen erfahrenen Kämpfer. Er baute sich vor Lilli auf, knurrte dabei grauenhaft, seine Muskeln spannten sich und man konnte sehen, wie er sich bereit zum Angriff machte. Lilli blieb völlig ruhig, vom LKW aus konnte man sehen, dass sie irgendetwas zum Hund zu sagen schien, aber Sekunden später beförderte sie den armen Teufel mit einer gewaltigen Salve aus dem Gewehr, ins Jenseits.

„Man sollte sich einer Schwangeren nicht in den Weg stellen“, bemerkte Henry.

Ich aber war beruhigt, denn die anderen Hunde hatten sich sofort nach dem Schuss aus dem Staub gemacht. Auch sie hatten wohl bemerkt, dass mit Lilli nicht gut Kirschen essen war.

Sie hatte sich inzwischen den kleinen Wollknäuel geschnappt und stieg bereits wieder zurück in den LKW. Das kleine Ding zitterte am ganzen Körper und sah uns mit großen verschreckten Augen an.

„Er sieht sehr jung aus“, meinte ich mit fragendem Ton.

Lilli nickte.

„Ja, maximal drei Monate. So ein herziger, kleiner Kerl.“

Sie hielt ihn hoch und der kleine Kerl ließ sofort einen gewaltigen gelben Strahl auf meine Hose ab.

„Sehr herzig!“, fluchte ich und versuchte dabei meine Hose schnell zu reinigen, bevor alles in den Stoff versickerte. Die beiden anderen lachten mich nur aus.

„Ich nenne ihn Mot!“ erklärte Lilli völlig verzückt.

Fragend sah ich sie an. „Mot?“

„Ja, Mot, er soll dich immer daran erinnern, welche Scheiße du mir in den letzten Monaten aufgetischt hast“.

Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange, aber ich hatte es immer noch nicht kapiert. Fragend sah ich Henry an. Er grinste mich blöd an, flüsterte aber leise:

„Denk rückwärts.“

Da erkannte ich endlich ihren Wortwitz. Mot sollte mich immer an meinen Tarnnamen Tom erinnern. Ich verdrehte die Augen, aber der süße Blick von Mot besänftigte sogar mich etwas.

Henry hatte inzwischen die Fahrt wieder aufgenommen und so machten wir uns jetzt zu viert auf den Weg.

Als wir die engen Gassen von Katmandu hinter uns gelassen hatten, blickte ich nachdenklich in den Rückspiegel.

„Wir haben keinen einzigen rosa Geist gesehen. Weder hier, noch in Lend. Ich glaube sie verschwinden oder lösen sich auf.

Auch Lilli blickte zurück, etwas traurig fügte sie hinzu:

„Sie sterben nun endgültig.“

IVLoenpo Gang

Trotz der ruppigen Straßen kamen wir überraschend schnell voran. Henry war mit dem LKW ein wahrer Goldgriff geglückt. Obwohl der Weg immer wieder von mehr oder weniger großen Steinbrocken verlegt war, rumpelte die alte Schüssel ohne große Probleme darüber hinweg. Wir hatten mit etwa drei Tagen Fahrzeit gerechnet, schafften aber bereits am ersten Tag etwa die Hälfte der Wegstrecke.

Hier in dieser Gegend erinnerte nur wenig an die Geschehnisse der letzten Tage, nur ab und zu konnte man aus der Entfernung Rauchschwaden aufsteigen sehen, die wahrscheinlich von abgestürzten Flugzeugen stammten.

Am Abend machten wir vor einer alten Hirtenhütte halt, die direkt neben der Straße stand. Zusammen suchten wir Holz für ein Feuer, während Mot, der inzwischen alle Ängste abgelegt hatte, quietschvergnügt um uns herumsprang. Als die Dunkelheit einbrach, saßen wir am Lagerfeuer und beobachteten den Himmel. Es war klar, dass es kein gutes Omen für uns alle war, aber trotzdem genossen wir den Ausblick, denn kaum war die Sonne untergegangen, begann ein atemberaubendes Schauspiel. Über unseren Köpfen gab die Aurora Borealis eine gewaltige Vorstellung.

Henry schüttelte mehrmals ungläubig den Kopf:

„Diese Explosion muss mehr auf dem Planeten verändert haben, als gedacht. Das Nordlicht hat hier nichts zu suchen. Schon gar nicht in dieser Intensität.“

Er bekam keine Antwort auf seine Feststellung. Man konnte es sowieso in jeder einzelnen Zelle spüren, dass hier etwas überhaupt nicht mehr stimmte, mehrmals am Tag hatte es mir plötzlich eine Gänsehaut aufgezogen und die Blicke von Lilli zeigten, dass auch sie spürte, dass massive Veränderungen den Planeten erschütterten. Doch das alles schob ich jetzt beiseite, kuschelte mich fest an Lilli und genoss das schaurig schöne Spektakel.

Am nächsten Morgen wurden wir früh von Mot geweckt. Trotz seiner geringen Größe konnte er schon einen mächtigen Wirbel schlagen, obwohl es sich doch noch etwas mäuseartig anhörte. Er wuselte nervös um uns herum, stupste dabei Lilli mehrmals an. Der Grund für seine Unruhe war schnell gefunden. Die Luft hatte sich grau eingetrübt und kratzte im Hals. Die Brände kamen schnell näher, es war also dringend an der Zeit weiter zu fahren. So packten wir zusammen, um wenig später wieder in der engen LKW-Kabine zu sitzen.

Wie am vorherigen Tag verlief die Fahrt für unsere Verhältnisse sehr unspektakulär und so kam es, dass wir am Abend bereits im Zielgebiet eintrafen. Die Koordinaten von Schmidt waren nur vage gehalten und so hofften wir, irgendwie vor Ort einen Hinweis zu erhalten. Wir befanden uns in einer kargen, steinigen Gegend. Vor uns baute sich nur der gewaltige „Loenpo Gang“ mit seinen knapp siebentausend Metern auf. Weit und breit war nicht die geringste Spur einer Siedlung oder sonstiger Bauten zu sehen und als wir das Ende der Straße erreichten, richteten wir eher ratlos unser Lager für die Nacht ein. Es war bereits sehr spät, die Dunkelheit umhüllte uns zunehmend, sodass Henry nun endlich das Lagerfeuer entzünden wollte.

„STOPP!“, rief Lilli plötzlich, „Dort drüben!“

Wir folgten ihrem Blick und tatsächlich konnte man in einiger Entfernung ein schwaches Licht an der unteren Seite des Berges flackern sehen.

„Etwa zwei Kilometer entfernt“, berechnete Henry.

„Glaubst du, dass wir bemerkt wurden?“, fragte ich.

„Keine Ahnung, eher nicht. Wir sollten trotzdem vorsichtig sein und heute kein Feuer entzünden. Im Morgengrauen werden wir uns das näher ansehen.“

Ich nickte, aber Lilli fluchte leise vor sich hin. Sie murmelte etwas von Schwangerschaft, Frauen und Hunger. Dank meines unglaublichen Gespürs für drohenden Ärger, wusste ich, dass eine versteckte Feuerstelle dringend notwendig war, um zumindest für Lilli ein warmes Essen zubereiten zu können. Ich informierte Henry über das aufkommende Unheil und machte mich zu Fuß auf die Suche nach einem geeigneten Platz. Ich erklomm gerade einen kleinen Hügel in der Nähe unseres Lagerplatzes, als mit einem Schlag das Nordlicht wieder einsetzte. Dieses Mal war es noch stärker als am Vorabend, doch es leuchtete die Umgebung so gut aus, dass ich nicht nur einen geeigneten Ort zum Kochen fand, sondern auch sah, dass die Straße hinter dem Hügel weiterging und scheinbar bis zum von uns entdeckten Licht führte.

Wieder zurück informierte ich die beiden über meine Entdeckung. Schnell beschlossen wir, dass wir uns am nächsten Morgen so weit wie möglich per LKW dem Licht nähern wollten.

Nachdem Lilli eine warme Mahlzeit bekommen hatte, entspannte sie sich sichtlich. Sie gab es zwar nicht zu, aber die Schwangerschaft machte ihr mit fortlaufender Zeit immer mehr körperliche Probleme. Gleichzeitig strahlte sie aber eine unglaubliche Schönheit aus, die sich von Tag zu Tag zu steigern schien. Ich hatte von diesem Phänomen gelesen, aber nicht geglaubt, dass es tatsächlich so wäre, immerhin wusste ich auch, dass Schwangere oft mit Wasser in den Beinen, unglaublichen Fressattacken und einem wankelmütigen Wesen zu kämpfen hatten. Einen Aspekt hatte ich sowieso völlig übersehen. Meine eigenen Gefühle. Die Geburt unseres Kindes kam mit großen Schritten näher und ich hatte eigentlich noch gar keine Zeit gehabt, richtig darüber nachzudenken, geschweige denn die Konsequenzen für mein Leben zu begreifen. Doch jetzt, wo es einfach nicht mehr zu übersehen war, spürte ich tief in mir Gefühle aufkeimen, die ich bisher so niemals verspürt hatte. Es waren wohl die berühmten Vatergefühle und der Drang Lilli und das Ungeborene zu beschützen, war mittlerweile der Hauptbestandteil meines täglichen Handelns. Ich konnte spüren, wie ich mich weiterentwickelte, also langsam, aber sicher doch noch erwachsen werden würde, wobei ich die Definition von „erwachsen sein” noch immer für sehr dumm hielt. Viele der sogenannten „Erwachsenen”, die ich in meinem Leben getroffen hatte, waren Gefangene ihres eigenen Ichs. Sie durften nie wirklich Kind sein und hatten somit den Sprung in ein „normales Leben” verpasst. Eines meiner absoluten Lebensprinzipien, welches ich mir immer wieder selbst leise zuflüsterte, war: „Liebe das Kind in dir – lass es leben!“ Genau so wollte ich es auch an meinem Nachwuchs weitergeben. Das kindliche Wesen in uns bewahrt die Seele vor dem Verlust der Freude und ermöglicht einen unbefangenen Blick auf die Welt.