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Die Tatsache, dass wir die Ereignisse in unserem Leben nicht immer unter Kontrolle haben, wurde selten so poetisch und vergnüglich in leichtfüßig daher kommende Gleichnisse verpackt. Mit welchem Blick schauen wir in diese Welt? Ist das, was wir tun, und das, was wir wollen, immer das Richtige? Wie positionieren wir uns gegenüber anderen? In den 13 Parabeln für den Nachttisch geht es um unsere Träume und Sehnsüchte, um Freundschaft, Liebe und Verantwortung, aber auch um äußerst fragwürdige und eingefahrene Handlungsmuster, kurz: um unsere eigene, wundervolle Unvollkommenheit. Lassen Sie sich von freundlichen Riesen und eigensinnigen Feen, neugierigen Katzen und tollpatschigen Fröschen zu einer Reise der besonderen Art verführen. Die kurzen Episoden sind perfekt als Nachttischlektüre vor dem Schlafengehen geeignet. Oder man liest sie zu anderen Zeiten an anderen Orten, vermutlich mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht und voller Erstaunen über die Verhaltensakrobatik der ungewöhnlichen Hauptfiguren.
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Seitenzahl: 96
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Die hier vorliegende Sammlung von Gleichnissen entstand zu großen Anteilen schon in den Jahren 2002 bis 2005 und wurde im Jahr 2008 durch passende Grafiken ergänzt. Die Texte sind im Jahr 2016 erneut gesichtet, vollständig überarbeitet und für diese illustrierte Erstausgabe um einen Prolog und einen Epilog erweitert worden.
Die Autorin wurde 1968 in Hannover geboren und studierte nach Abschluss einer kaufmännischen Lehre von 1990 bis 1996 in Freiburg im Breisgau Bildende Kunst, Deutsch und Französisch auf Lehramt. Ihr ständiges Fernweh und ihre Neugier, andere Kulturen kennenzulernen, führten sie zu zahlreichen, oft mehrmonatigen Auslandsaufenthalten in Übersee. Die Autorin lebt heute in ihrer Wahlheimat Berlin, hat einen erwachsenen Sohn und unterrichtet im öffentlichen Schuldienst. Außerdem arbeitet sie als freie Künstlerin an Malereien und Objekten. Ihr besonderes schriftstellerisches Interesse gilt dem Menschen mit seinen unterschiedlichen Verhaltensweisen. Unter ihrem Pseudonym Rebecca Buchwald schreibt sie Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
DASS DER MENSCH UNVOLLKOMMEN IN SEINEM FÜHLEN, DENKEN UND HANDELN IST, GIBT UNS DIE GELEGENHEIT, MITGEFÜHL FÜR DEN ANDEREN ZU ENTWICKELN, UNS IN GEDULD ZU ÜBEN, UNS SELBST ZU ERKENNEN ODER ABER AUCH ZU SPÜREN, WANN DISTANZ ZUM ANDEREN NOTWENDIG WIRD. VOR ALLEM JEDOCH ERLAUBT UNS DIE MENSCHLICHE UNVOLLKOMMENHEIT EINES, NÄMLICH DEN ANDEREN SO WAHRHAFT ZU LIEBEN, WIE ES UNS IRGEND MÖGLICH IST.
R.B. (2008)
REBECCA BUCHWALD
WIE DAS LEBEN IST
13 PARABELN FÜR DEN NACHTTISCH (LESBAR AUCH AN ANDEREN ORTEN)
Impressum
© 2016 Rebecca Buchwald
Umschlag, Illustration: Meike Laudon-Eni
Lektorat, Korrektorat: Meike Laudon-Eni
Fotografie der Autorin: Susanne Mauksch
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback 978-3-7345-7814-4
Hardcover 978-3-7345-7815-1
e-Book 978-3-7345-7816-8
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
(EINE GESCHICHTE VOR DEN GESCHICHTEN)
Der Mond zauberte silberne Lichtspuren auf das schwarze Wasser. Es war ruhig auf dem Ozean, nur das leise Lecken der Wellen am Bug des Schiffes verursachte ein glucksendes, gleichförmiges Geräusch. Das Schiff hob und senkte sich regelmäßig, wie die Brust beim Atmen. Die Menschen auf dem Schiff schliefen traumlos oder träumten. Ein Steuermann blieb wach.
Man konnte in der Dunkelheit nicht so genau feststellen, ob dies nun ein Ausflugsdampfer war oder ein Fährschiff oder ein Frachter mit kostbarer Ladung. Ein Dreimaster mit Matrosen der Marine. Ein Ausbildungsschiff. Oder ein Piratenschiff mit gehisster Flagge. Eine Galeere mit qualvoll schwitzenden Leibern unter Deck. Ein Sklavenschiff… Ein winziges Flüchtlingsboot, hoffnungslos überfüllt und der Meeresströmung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Oder war es doch nur das kleine Boot der Fischersleute, das verspätet heimkehrte?
Jedenfalls, auf die Reling dieses durch die Nacht fahrenden Schiffes hatten sich zwei Seemöwen gesetzt, in der Hoffnung, unbemerkt etwas Futter stehlen zu können.
„Findest du sie nicht etwas seltsam, diese Menschen?“, sagte die eine Möwe.
„Ja, Menschen sind merkwürdig. Sie machen so viel Gewese um alles. Sie bauen und machen und tun so viele nutzlose Dinge. Immer sind sie in Eile. Sie flüchten von einem Unglück ins nächste. Selten sind sie so ruhig wie jetzt. Wie gut, dass es die Nacht gibt, in der sie schlafen müssen“, erwiderte die andere.
„Alles, was man braucht, um glücklich zu sein, ist doch, dass man frei mit Seinesgleichen herumsegeln kann und genug Futter hat. Warum sind die Menschen bloß so kompliziert? Ich finde, sie wirken oft so unzufrieden. Und gerade die, die eigentlich genug zu fressen haben, die jammern am lautesten herum!“
„Die sind eben nicht frei, meine Liebe, die sind eben nicht frei! Nicht frei im Kopf, verstehst du? Irgendetwas stimmt bei denen nicht. Sie nehmen sich was vor, ganz, ganz fest, und wenn das dann nicht klappt, dann werden sie melancholisch. Oder sie werden ungeduldig. Oder sogar unausstehlich. Die schlagen sich lieber die Köpfe ein, anstatt miteinander zu reden…Und manche sind einfach nur extrem gierig. Die Gierigsten unter ihnen treiben ganze Völker in den Krieg. Widerwärtig!“
Die beiden Möwen trippelten ein bisschen an der Reling hoch, denn sie hatten die liegengebliebenen Reste einer Mahlzeit entdeckt. Mit Appetit stürzten sie sich auf ihren Fund und taten sich daran gütlich.
„Du hast Recht“, sprach nun wieder die erste. „Aber die Menschen lassen sich nun mal leicht manipulieren. Und sie verstehen oft nicht, was sie nicht am eigenen Leib erfahren haben. Umso mehr beschweren sie sich ununterbrochen über ihre eigenen alltäglichen Probleme. Am meisten stehen sie auf Kriegsfuß mit sich selbst.“
„Ach, die mit ihrem ständigen Herzschmerz! Die wollen ganz einfach zu viel“, stellte die zweite Möwe nüchtern fest. „Die haben zu hohe Ansprüche. Es ist doch alles eine Frage der inneren Einstellung.“ Da sie inzwischen satt war, hatte sie kein großes Interesse mehr an Konversation.
„Wie können sich die Menschen bloß selber aushalten?“, sinnierte die erste Möwe, während sie noch dem Nachgeschmack der erfolgreichen Mahlzeit in ihrem Schnabel nachspürte.
„Durch Geschichten. Sie erzählen sich Geschichten“, krächzte die zweite. „Geschichten über sich selbst. Das beruhigt sie irgendwie.“
„Na, jedem das seine“, erwiderte die erste Möwe und entfaltete ihre Flügel. Mit einem kurzen Blick des gegenseitigen Einverständnisses hoben die beiden Möwen ab und schwangen sich hinauf in die Lüfte. Das Land war nicht zu weit entfernt, und so sollten sie es sicher erreichen. Sie hatten ja ihre kräftigen gesunden Flügel, es trug sie ein beständiger, frischer Seewind durch diese Nacht und sie hatten einen gut gefüllten Bauch.
(EINE GESCHICHTE, DIE ERKLÄRT, WIESO DER MOND STÄNDIG HINTER DER SONNE HERRENNT UND UMGEKEHRT)
Vor vielen Milliarden Jahren, als es die Erde noch nicht gab, da trafen sich die Sonne und der Mond auf einer silbernen Sternenwiese. Sie hatten einander bisher nicht bemerkt, aber als sie plötzlich voreinander standen, da erkannten sie, dass sie zusammengehörten. Ihre Liebe war so unendlich wie das Universum, und sie versprachen sich, einander nie mehr zu verlassen. Sie waren glücklich. Die Sonne schien viel heller als sie es vorher getan hatte, und der Mond strahlte stärker und leuchtender sein milchweißes Licht aus als jemals zuvor.
Eines Tages entstand die Erde. Die Erde war ein schöner Planet, es gab Wasser und Berge und fruchtbares Land. Doch die Erde war noch dunkel. Und als die Sonne und der Mond die Erde betrachteten, da sagten sie wie aus einem Munde:
„Sieh nur, dieser Planet ist etwas Besonderes. Aus ihm sollte man etwas machen!“
Die Sonne und der Mond waren schon sehr alt und weise, daher wussten sie auch, dass ein Planet nicht nur Wasser und Berge und Land braucht, wenn Leben auf ihm entstehen soll, sondern auch Licht und Wärme, Tag und Nacht.
„Wir lieben uns“, sagte die Sonne, „aber wir haben auch Aufgaben in diesem Universum. Lass uns diesem Planeten helfen, damit er lebendig wird. Ich will zu diesem Planeten gehen und ihm am Tag Licht und Wärme geben.“
„Ja, du hast Recht“, sagte der Mond, „wir alle haben eine Bestimmung in unserem Dasein. In der Nacht, in der Dunkelheit, will ich den Menschen und Tieren, die bald auf dieser Erde leben werden, ein Licht und ein Wegweiser sein, damit sie sich nicht fürchten.“
Und so machten sich die Sonne und der Mond auf den Weg zur Erde und taten, was sie beschlossen hatten.
Bald tummelte sich auf der Erde reges Leben. Erst entstanden die Pflanzen im Wasser und auf dem Land, dann die Tiere, und schließlich gab es auch die Menschen, die das Land bewohnten und den Boden urbar machten. Der Planet blühte und gedieh.
Die Sonne und der Mond aber konnten nun nicht mehr beieinander sein und sie sehnten sich nach ihrer Sternenwiese. Sie kreisten beide um die Erde, und so war es Tag, und so war es Nacht. Aber sie konnten einander nicht mehr berühren. Voller Sehnsucht folgte der Mond der Bahn der Sonne und voller Sehnsucht folgte die Sonne der Bahn des Mondes. Doch wenn die Sonne aufgegangen war, war der Mond schon untergegangen, und wenn der Mond aufging, war die Sonne schon am Untergehen. Manchmal, in der Morgendämmerung oder in der Abenddämmerung, konnte es geschehen, dass Sonne und Mond für einen kurzen Moment zur gleichen Zeit am Himmel standen; da lächelten sich Sonne und Mond glückselig zu. Dann schien die Sonne in besonderer Pracht und ihre tanzenden, tiefgoldenen Strahlen verschmolzen flüsternd mit dem silbrigen Schimmern des Mondes. Noch seltener geschah es, dass es eine Sonnenfinsternis gab. Das war etwas Außergewöhnliches. Dann kreuzten sich die etwas kleinere Bahn des Mondes und die etwas größere Bahn der Sonne, so dass der Mond für die Dauer eines Wimpernschlags vor seiner geliebten Sonne stand, ohne dass sich die Erde zwischen ihnen befand. In diesen Momenten waren sich Sonne und Mond wieder nah und konnten sich in ihre Augen sehen und sich für einen flüchtigen Augenblick berühren. Aber diese Momente waren nur kurz. Sonne und Mond konnten kein Paar mehr sein wie vordem, als sie noch auf ihrer Sternenwiese beisammen waren.
So tun die beiden nun bis heute, was sie tun müssen, obwohl sie sich lieben und sich nacheinander sehnen. Und sie werden, so hoffen wir, ihre Aufgabe erfüllen, bis sie endet. Denn alles ist zeitlich. So, wie die Erde entstanden ist, wird sie auch eines Tages, nach vielen Jahrmilliarden, wieder vergehen. Und dann werden die Sonne und der Mond sich auf ihrer Sternenwiese treffen und wieder eins sein wie zuvor.
(EINE GESCHICHTE, IN DER MAN SIEHT, WAS PASSIEREN KANN, WENN MAN SICH DAS FALSCHE VORNIMMT)
Es war einmal eine zarte kleine Zauberfee, die im Wald unweit eines schönen Schlosses wohnte. Wenn sie Zeit und Muße hatte, fand sie Gefallen daran, die Leute zu beobachten, die im Schloss ein und aus fuhren. Oft kamen die Besucher mit goldenen Kutschen und vielen Pferden, denn am Hofe empfing man meistens nur Edelleute aus fernen Ländern.
Als eines Tages der junge Prinz im Wald spazieren ging, legte er sich ins Moos, weil er müde wurde, und schlief ein. Da erblickte ihn die kleine Zauberfee. Sie betrachtete den Schlafenden und verliebte sich unsterblich in ihn. Sie beugte sich nieder, um ihn zu küssen. Durch den Kuss erwachte der Prinz, und als er das verschreckte Gesicht der Zauberfee über sich sah, da musste er lächeln.
Die Fee sprang davon, doch der Prinz rief: „Halt, schönes Fräulein, darf ich nicht Euren Namen erfahren?“
Die Fee blickte sich aus einigen Schritten Entfernung um, und als sein Blick ihre Augen traf, da erschien es ihr, als ob auch aus des Prinzen Augen die Liebe leuchtete.
Einen Monat später gab es ein großes Fest im Schloss. Die Fee entschied sich, dort hinzugehen, um den Prinzen wiederzusehen, in den sie sich so unsterblich verliebt hatte. Sie zauberte sich ein in vieltausend Farben schillerndes Ballkleid, eine kleine, silberne Krone und Geschmeide aus funkelndem Bergkristall, damit sie bei Hofe unter all den fein gekleideten Edelleuten nicht auffallen würde.
So kam sie ungehindert durch den großen Eingang, durch den alle Gäste strömten. Im Ballsaal wurde bald zum Tanz aufgerufen, und da sah sie den Prinzen mit einer wunderschönen jungen Frau tanzen, die eine kleine goldene Krone trug.