Die kleine Krimi-Tankstelle - Wer baggert, lebt gefährlich - Mina Giers - E-Book

Die kleine Krimi-Tankstelle - Wer baggert, lebt gefährlich E-Book

Mina Giers

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Beschreibung

Aufruhr in Bad Bekenborn! Die »Initiative Grünes Bad Bekenborn« blockiert die Baustelle von Taissas Lieblingskunden Antonius - und der ist stinkig! Schließlich ist die Autobahnzufahrt ins Dorf ein wichtiger Auftrag für ihn. Und Taissas beste Freundin Nora vertritt die Demonstranten auch noch bei Rechtsfragen. Da ist Streit vorprogrammiert. Dann wird die Leiche einer Umweltschützerin unter Antonius’ Bagger gefunden! Wollte sich da jemand für die Blockade rächen? Etwa Antonius? Taissa glaubt nicht, dass er etwas mit dem Tod der Frau zu tun hat und stellt ihre eigenen Ermittlungen an. Wäre doch gelacht, wenn sie ihren Freund da nicht raushauen kann.

»Wer baggert, lebt gefährlich« ist der sechste Roman der Provinzkrimi-Reihe »Die kleine Krimi-Tankstelle« von Mina Giers um die Tankstellen-Besitzerin Taissa. Gemeinsam mit ihrem blinden Golden Retriever Lolli stolpert Taissa im ostwestfälischen Bad Bekenborn über die ein oder andere Leiche. Und natürlich lässt sie es sich als erfahrene Krimi-Leserin nicht nehmen, selbst zu ermitteln!

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Eins – Erster Spatenstich

Zwei – Ausgleichsmaßnahme

Drei – Umfall

Vier – Schwerverkehr

Fünf – Teambesprechung

Sechs – Tangentialstraße

Sieben – Ausschachtung

Acht – Grundsteinlegung

Neun – Planfeststellungsverfahren

Zehn – Sicherheitsaudit

Elf – Standstreifen

Zwölf – Verkehrsberuhigung

Dreizehn – Vollsperrung

Vierzehn – Sondernutzung

Fünfzehn – Richtfest

Sechzehn – Einweihung

Danke!

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Aufruhr in Bad Bekenborn! Die »Initiative Grünes Bad Bekenborn« blockiert die Baustelle von Taissas Lieblingskunden Antonius – und der ist stinkig! Schließlich ist die Autobahnzufahrt ins Dorf ein wichtiger Auftrag für ihn. Und Taissas beste Freundin Nora vertritt die Demonstranten auch noch bei Rechtsfragen. Da ist Streit vorprogrammiert. Dann wird die Leiche einer Umweltschützerin unter Antonius’ Bagger gefunden! Wollte sich da jemand für die Blockade rächen? Etwa Antonius? Taissa glaubt nicht, dass er etwas mit dem Tod der Frau zu tun hat und stellt ihre eigenen Ermittlungen an. Wäre doch gelacht, wenn sie ihren Freund da nicht raushauen kann.

»Wer baggert, lebt gefährlich« ist der sechste Roman der Provinzkrimi-Reihe »Die kleine Krimi-Tankstelle« von Mina Giers um die Tankstellen-Besitzerin Taissa. Gemeinsam mit ihrem blinden Golden Retriever Lolli stolpert Taissa im ostwestfälischen Bad Bekenborn über die ein oder andere Leiche. Und natürlich lässt sie es sich als erfahrene Krimi-Leserin nicht nehmen, selbst zu ermitteln!

Wer baggert, lebt gefährlich

PROVINZKRIMI

 

Für meinen eigenen Antonius …Hab immer eine Handbreit Erde unter der Schaufel!

EINSErster Spatenstich

Taissa trat aus der Tür des von ihrer Tante geerbten alten Hauses und ließ den Blick über das tiefer liegende Bad Bekenborn schweifen, das ihr in den letzten eineinhalb Jahren zur Heimat geworden war.

Sie fühlte sich wohl hier. Sogar mit den typisch westfälischen Eigenheiten der Einwohner, wie einer gewissen Ruppigkeit, hatte sie sich inzwischen arrangiert. Eigentlich war sie sogar selbst ein bisschen westfälisch, immer schon gewesen. Vielleicht hatte sie es einfach im Blut.

Der Ort lag in sanftem Dunst, der von der Beke aufstieg. Die Frühlingssonne schien von einem wolkenlosen Himmel. Als ein Strahl seine Nase kitzelte, nieste ihr bester Freund Lolli neben ihr und schüttelte sich einmal kräftig. Dann wieselte er schwanzwedelnd ein paar Meter auf die Einfahrt zur Tankstelle und drehte sich ein paarmal im Kreis.

Hund müsste man sein. Dann konnte man so etwas veranstalten, ohne dass man doof angeschaut würde. Wobei, eigentlich konnte es Taissa doch egal sein, wenn man sie komisch ansah. Bei den meisten im Ort war sie ohnehin schon als verrückte Mörderjägerin verschrien, die in jeden Mordfall ihre eigene Schnüffelnase steckte. Und vielleicht sollte sich einfach jeder ein Beispiel an der Waldhexe nehmen. Die lebte auch in ihrer kleinen Hütte im Buchenwäldchen, tat, wonach ihr war, und kümmerte sich nicht darum, was andere von ihr hielten.

Taissa stellte sich neben ihren Liebling, schloss die Augen, damit es auch genauso war wie für ihn, und drehte sich ein paarmal, bis ihr schwindlig wurde.

Lolli blieb stehen und wuffte in ihre Richtung. Dann hob er die Nase in die Luft, schnupperte einmal kurz und watschelte gemütlich zum Shop hinüber, in dem ihr Mitarbeiter Vinzent sich lautstark mit einem Kunden zu unterhalten schien.

Taissa ließ den Blick schweifen, um herauszufinden, wer das sein könnte. Doch kein Fahrzeug an ihrer Zapfsäule oder auf einem der Parkplätze gab Aufschluss darüber. Sogar die große Parkbucht an der Straße war noch frei. Dabei holte sich ihr liebster Kaffeetrinker Antonius doch immer um ungefähr diese Tageszeit seine Vormittagsdosis. Jedenfalls, seit die Autobahnbaustelle so nah an den Ort herangekrochen war, dass er nicht die ganze Frühstückspause nur für den Weg aufbrauchte.

Vor der geschlossenen Tür blieb Lolli zielsicher stehen und wandte den Kopf. Seine Augenbrauen drückten eindeutig die Frage aus, wo sie denn so lang bliebe. Lolli hatte nämlich Augenbrauen-Codes für alle Begebenheiten. Die meisten davon hatte Taissa inzwischen entschlüsselt, aber noch lang nicht alle.

Schnell lief sie ihrem Hund hinterher. Sie konnte ihn ja unmöglich so lang warten lassen, bis jemand Fremdes sich bequemte, ihm die Tür zu öffnen. Dann wäre sie aber wirklich eine Raben-Hundemutter.

Du willst Kaffee, Taissa. Wäre deine Maschine nicht kaputt, würdest du jetzt noch in einem von Magnus’ alten Sweatshirts in deiner Küche hocken und lesen.

Na gut, das war nicht ganz falsch. Schon der Gedanke an den Duft von Kaffee ließ ihre Nerven vibrieren. Sie drückte die Tür auf, und sofort quetschte Lolli seinen Dickschädel in den entstandenen Spalt.

»Chut, daste kommst, Chefin!«, begrüßte ihr alter Mitarbeiter Vinzent sie.

Sie musste unwillkürlich lächeln. Vinzent gehörte schon so zum Inventar, dass man ihn sich hier gar nicht mehr wegdenken konnte. Sie hatte ihn sozusagen mit der Tankstelle gleich mitgeerbt. Und auch, wenn er jetzt viel weniger Stunden arbeitete als früher und größtenteils von einem erstaunlich eifrigen jungen Mann mit großer Ähnlichkeit zu einer gewissen Comicfigur aus den Neunzigern ersetzt wurde, ließ er es sich nicht nehmen, wenigstens ein paar Stunden in der Woche hier die Stellung zu halten. Wenn die Pension, die er mit Taissas Freund Magnus gegenüber eröffnet hatte, es zuließ, waren es auch mehr als ein paar Stunden.

Vermutlich traute er weder Taissa noch seinem jungen Kollegen Frederick zu, sich adäquat um den Laden zu kümmern. Oder gar die Sauberkeit der Bodenfliesen zu erhalten.

Tatsächlich hatte er auch jetzt wieder den Besen in der Hand. Mit dem Stiel schob er sich seine olle Cord-Kappe nach hinten, und mit der freien Hand kratzte er sich prompt an der dadurch freigelegten Stirn.

»Guten Morgen, Vinzent«, sagte Taissa und nickte dann auch dem älteren Mann zu, mit dem er sich unterhalten hatte. Es war Heinz Schultenmeyer, mit dem sie bereits zu tun gehabt hatte, als sie versehentlich zusammen mit einem Mord auch seine illegale private Cannabisplantage hatte auffliegen lassen. Zum Glück nahm er ihr das nicht übel. Vor allem nicht mehr, seit sie ihm und seinen Freunden vom Seniorenklub »Goldene Jahre« einen Arzt vermittelt hatte, der ihnen ohne großes Aufhebens ganz legal medizinisches Marihuana verschrieb. Und seine Sozialstunden hatte er bereits abgeleistet.

»Was sehen meine müden Augen!«, begrüßte sie der alte Herr. »Ihr beiden strahlt ja mit der Sonne um die Wette!«

Taissa sah verwirrt zu Lolli hinab, der neben ihr stehen geblieben war. Tatsächlich hatte sich ein Sonnenstrahl in seinem hellen Fell verfangen und ließ es golden aufleuchten. Wenn so ein Strahl auch ihren Kopf traf, konnte sie sich schon vorstellen, was der alte Schultenmeyer meinte. Sie und Lolli hatten ja beinahe die gleiche Haarfarbe. Sehr praktisch für ihn, weil er dann immer das Sofa vollhaaren konnte, ohne dass ein Vorwurf deswegen rechtlich standgehalten hätte. Denn mindestens eins von Taissas langen Haaren hing immer dazwischen.

»Hallo, Heinz«, sagte sie und steuerte auf den Kaffeeautomaten zu. Es wurde Zeit, dass die Maschine auch etwas tat für ihr Geld – oder das Geld, das sie gekostet hatte. Taissa stellte eins der hübschen Gläser unter und drückte die Taste für Latte macchiato. Sofort begann das Ding zu rattern, und verführerischer Duft stieg auf.

Lolli drückte sich an Heinz Schultenmeyers Beine und schnurrte wie ein Oldtimer ohne Katalysator.

»Hat der Schniedertöns noch nicht geliefert?«, fragte Taissa mit Blick auf die noch leere Gebäcktheke. Das war wirklich ungewöhnlich. Normalerweise kamen die Kuchen und Teilchen fürs Café ganz früh morgens, zusammen mit einem Tablett belegter Brötchenhälften für die Handwerker, die es morgens wieder nicht geschafft hatten, sich selbst eine Stulle zu schmieren. »Oder ist schon alles ausverkauft?«

Die Hoffnung ließ sich bekanntermaßen nur schlecht abmurksen.

»Dat wollt ich dir doch eben erzählen, Chefin.« Vinzent sah aus, als hätte er sich den grauen Bart gerauft, den er sich stehen ließ, seit sein Rasierapparat den Geist aufgegeben hatte. Dadurch wirkte seine gesamte Erscheinung noch staubiger als ohnehin schon. »Der kam nich durch. Unten im Dorf wird sich versammelt!«

Taissa nahm einen ersten Schluck und schloss genießerisch die Augen. »Versammelt?«, murmelte sie durch den Dampf, der von der Tasse aufstieg. Doch in Gedanken war sie längst in einem Meer aus Kaffee versunken.

»Wegen der Autobahn«, mischte sich der Schultenmeyer jetzt ein und kraulte Lolli hinter den Ohren.

Das Schnurren wurde lauter. Hielt der Golden Retriever sich neuerdings für eine Katze?

»Aber die wird doch weit weg auf der anderen Seite des Ortes gebaut, nicht da unten beim Schniedertöns.« Taissa nahm einen Schluck. Es tat richtig gut, als die heiße Flüssigkeit durch ihre Kehle rann.

»Hast du die Plakate nicht gesehen?«, fragte Heinz und ging ächzend in die Knie, weil Lolli sich auf den Rücken gewälzt hatte und fordernd mit den Pfoten nach seinen Händen schlug.

Kraul mir den Bauch, sollte das heißen.

»Das musst du wirklich nicht machen, Heinz!« Schnell war Taissa an seiner Seite und kraulte Lolli unter dem Kinn.

Das führte allerdings lediglich dazu, dass er nun von vier Händen verwöhnt wurde. Dabei sah er verdächtig so aus, als überlegte er, wie er Vinzent auch noch dazu bitten könnte.

Wo könnte Taissa irgendwelche Plakate gesehen haben, die diese ominöse Versammlung erklärte? Nachdem sie ein bisschen Lollis Fell durcheinandergebracht hatte, meinte sie: »Ich gucke mir doch nie Plakate an.«

Das stimmte. Sie achtete immer viel mehr auf hübsche Blumen am Wegesrand oder ein Bienchen, das vorbeiflog. Oder hielt Ausschau nach netten Leuten, mit denen sie einen kleinen Plausch führen konnte, jetzt, da sie Ehrenmitglied im Schützenfest-Hofstaat von Bad Bekenborn war. Adel verpflichtete schließlich. Das hatte ihr mehr Sympathiepunkte eingebracht, als sie jemals für möglich gehalten hätte, obwohl sie sich immer noch vehement weigerte, auf offiziellen Veranstaltungen eins dieser Tüll-Ungetüme anzuziehen. Genau genommen hatte sie jedes Treffen des Hofstaates bisher geschwänzt, bis auf den Fototermin für die neue Dorfzeitung vom Frauenverein. Den hatte Seine Majestät, der Schützenkönig Baumhöger, wohlweislich auf dem Hof der Tankstelle abhalten lassen. Flucht war unmöglich gewesen.

»Hier achtet auch nie wer auf Schilder«, murrte Vinzent und versuchte augenscheinlich, seine Fußspitze in die Fliesen zu bohren. Damit spielte er garantiert wieder auf seinen selbst gestalteten Hinweis an, dass die Kundschaft sich bitte die Füße abtreten sollte, bevor sie den Laden betrat, weil er nur noch dreimal die Woche zum Fegen kommen konnte.

Der Text auf dem schief zugeschnittenen Pappstück war mit Kugelschreiber verfasst, und selbst wenn man es hätte gut erkennen können, waren die Buchstaben so krakelig, dass niemand sie entziffern konnte. Außerdem hing es zu weit von der Fußmatte entfernt an der Eistruhe.

Der alte Schultenmeyer ignorierte ihn. »Es geht um eine Demonstration gegen die geplante Auffahrt. Den Zubringer.«

»Den Autobahnzubringer?« Taissa überlegte. Warum sollte man dagegen demonstrieren? Der war doch enorm praktisch und verkürzte den Weg, den man in die nächstgrößere Stadt zurücklegen musste, erheblich.

Den meisten Bad Bekenbornern reichte vermutlich ein Besuch in Altenhorn-West, die legten keinen Wert darauf, schnell im Ruhrgebiet zu sein.

»Dat wär eine tolle Sache für uns. De Leute, die vorbeifahren, würden uns viel schneller finden.« Vinzent kratzte sich am Kinn und ließ offen, ob er mit »wir« die Tankstelle oder die Pension »Zur Berghütte« meinte.

Damit hatte er sicher recht. »Warum demonstrieren die denn dagegen? Die Autobahn ist doch schon im Bau, da kann man doch ohnehin nichts mehr machen.«

Heinz richtete sich stöhnend auf und drückte den Rücken durch. »Es geht nicht um die Autobahn selbst. Es geht nur um den Zubringer. Die Arbeiten daran sollen demnächst beginnen, und der führt wohl durch ein Gebiet, in dem ein ganz seltener Vogel brütet.« Er runzelte die Stirn und schien sehr besorgt wegen der Sache.

Taissa hielt mitten im Kraulen inne. »Was? Aber das ist ja schrecklich. Das geht doch auch nicht.«

Lolli hob den Kopf und machte eine vorwurfsvolle Miene. Dann jaulte er herzerweichend. Schnell nahm Taissa ihre Pflicht als seine Mitbewohnerin wieder auf und ließ ihre Finger durch sein Fell streifen.

»Na, de Genehmigung is doch schon erteilt«, warf Vinzent ein.

»Aber die könnte durchaus angefochten werden. Und bis das durch ist, sind ein paar Leute der ›Initiative Grünes Bad Bekenborn‹ wohl dazu bereit, sich notfalls an die Baggerschaufel zu ketten, wenn es nicht anders möglich ist, den Bau aufzuhalten.«

Taissa sah den alten Mann nachdenklich an. Ob Heinz wohl selbst auch mit dem Gedanken spielte?

Vinzent schüttelte jedenfalls nur den Kopf über so viel Fortschrittsfeindlichkeit. Heinz hingegen klang schon ein bisschen so, als sei er sich gar nicht so sicher, ob er sich den Demonstrationen nicht noch anschließen sollte. Im Herzen war er wohl wirklich ein Hippie.

»Die ›Initiative Grünes Bad Bekenborn‹? Von denen habe ich noch nie etwas gehört. Ist die neu?« Taissa wäre liebend gern zu ihrem Kaffee zurückgekehrt. Sehnsuchtsvoll warf sie einen Blick auf den Stehtisch vor dem Automaten.

»Hm, ich weiß es gar nicht. Kann sein, dass die sich erst wegen der Autobahn zusammengefunden haben.« Heinz humpelte zum Tisch und holte Taissas Glas. Mit jedem Schritt wurden seine Bewegungen geschmeidiger. Dann drückte er es ihr in die Hand.

Sie lächelte ihm zu und nahm einen großen Schluck. Das tat gut. »Na ja, ich bin immer voll für Naturschutz. Aber irgendwie müssen wir wenigstens unser Gebäck hierher bekommen.« Jetzt stand sie doch auf und stupste Lolli an. »Na los, du Troll. Gehen wir zum Schniedertöns. Zu Fuß werden wir ja wohl durchkommen.« Dann konnte sie sich auch gleich eins von den Mohnteilchen mitnehmen, die sie so liebte.

Sie leerte ihren Kaffee und stellte das Glas in die Schüssel für das dreckige Geschirr. Sie enthielt keine Teller, nur ein paar Tassen. Das war aber wirklich furchtbar für das Geschäft, wenn sie kein Gebäck in ihrem kleinen Café anbot. Dabei lief es doch gerade so gut!

Widerwillig verabschiedete Lolli sich von Heinz, indem er ihm auf die Hose nieste, dann trottete er hinter Taissa her. Draußen drückte er seinen Kopf gegen ihr Bein. So wusste er, dass er nirgendwo gegen laufen konnte. Das war echtes Vertrauen.

Sie hörte die Parolen, bevor sie die ersten Menschen sah, die sie riefen.

»Rettet die grüne Lunge Bad Bekenborns!«

»Nieder mit der Autobahn!«

»Menschen und Umwelt sind kein Kapital, Umweltschutz ist meine Wahl!«

»Eins, zwei, drei, vier, alle Vögel bleiben hier!«

»Es gibt kein Recht auf Autobahnen!«

Alles klang sehr sinnvoll. Leider schrien alle unkontrolliert durcheinander, sodass Taissa sich echt konzentrieren musste, es zu verstehen. Lächelnd und nickend lief sie schließlich an den friedlich herumstehenden und Plakate schwenkenden Menschen vorbei. Manche kamen ihr bekannt vor, sicher als Kundschaft in der Tankstelle. So ganz ohne Auto waren hier vermutlich die wenigsten unterwegs.

Einer fuhr auf jeden Fall Auto. Bobby, der Dorfpolizist von Bad Bekenborn, lehnte sich an die Motorhaube seines Streifenwagens und hatte die Daumen in die Gürtelschlaufen geklemmt wie ein Sheriff in einem Western. Er würde später sicher die Vorhut der Demonstration bilden. Oder die Nachhut. Eigentlich egal. Sie waren hier in Bad Bekenborn, da würden keine Steineschmeißer auf die Umweltschützer warten, die er im Alleingang mit Wasserwerfern hätte abwehren müssen.

Jedenfalls sah er bewusst in eine andere Richtung, als sie ankam. Er war vermutlich immer noch ungehalten, weil sie ihm bei der Aufklärung von Morden in der Vergangenheit oft eine Nasenlänge voraus gewesen war. Oder eine Schnauzenlänge, denn ohne ihren pelzigen Helfer hätte sie das niemals geschafft. Natürlich waren sie beide bestens geschult durch die Krimis, die sie immer lasen.

Ein junger Mann hob die Hand und winkte. »Frau Lausen! Machen Sie auch bei uns mit?«

Es war der Apfelprinz Grobleben, der beim letzten Vogelschießen den Apfel abgeschossen hatte und den sie letzten Herbst noch verdächtigt hatte, ihren neuen Nachbarn umgebracht zu haben, um sich dessen Haus unter den Nagel zu reißen. Zum Glück hatte sie damit falschgelegen.

»Oh.« Sie blieb stehen. »Ach so. Ja, vielleicht später. Erst einmal muss ich hier etwas für den Laden abholen.«

Grobleben nickte freundlich. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch eine junge Frau in verblichenen grünen Leinenhosen und mit sehr kurzen Haaren zog ihn zu sich. Sie raunte ihm etwas zu, und Taissa meinte, das Wort »Tankstelle« von den Lippen abzulesen. Dann traf sie ein böser Blick aus kajalumrandeten Augen. Und wenn sie sich hier so umsah, war Groblebens Begleiterin nicht die Einzige, die sie misstrauisch beäugte. Etwa, weil sie die Tankstelle führte?

Da der Apfelprinz sich nicht noch einmal zu ihr umwandte, ging sie einfach weiter. Mitten im Pulk entdeckte sie eine Frau mit langem Rock und einem Dreieckstuch um die Schultern. Sie zeigte gerade drei weiteren Frauen, wie sie die bemalte Pappe an ihrem Besenstiel befestigt hatte. Die Waldhexe! Dass sie hier mitmischte, hätte Taissa sich ja denken können. Eine der Frauen schüttelte den Kopf und drehte sich weg. Dabei blitzte ein großer goldener Anhänger auf, der um ihren Hals hing. Er hatte die Form eines Lebensbaums.

Taissas Kopf schüttelte sich gleich mit, als wäre das ansteckend. Wie hatte diese Aktion nur so dermaßen an ihr vorbeigehen können?

Mit dem festen Vorsatz, ab jetzt jedes Plakat zu studieren, das an einem Laternenpfahl, Baumstamm oder Schaufenster aufgehängt war, betrat sie den Laden vom Schniedertöns.

Der Chef persönlich stand hinter dem Tresen der Fleischtheke, seine zierliche Frau hatte den Platz hinter der Brötchentheke inne. Getrennt wurden sie von einem langen Regal, das sich wie ein Grenzwall durch den Laden zog und in dem allerlei Waren preisgeboten wurden.

Vielleicht war dieser Limes die einzige Möglichkeit für das Paar, miteinander zu arbeiten, ohne sich an die Gurgel zu gehen. Jedenfalls war es sicher nicht einfach, sich Tag für Tag – den ganzen Tag – zu sehen.

Der junge, eher breit als hochgewachsene Mann hob die Hand und winkte zu seiner Frau hinüber, sobald er Taissa erkannte. »Die Sachen für die Tanke, Greta!«, rief er. Dann lächelte er Taissa und Lolli zu. »Eigentlich dürfen Hunde hier nicht rein, aber da du ja sein Assistenz-Mensch bist, machen wir mal eine Ausnahme.« Er zwinkerte, und Taissa zwinkerte zurück.

Lolli schnaufte nur einmal kräftig durch und schüttelte sich, als wollte er absichtlich ein paar Haare dalassen. Den Spruch konnte er bestimmt nicht mehr hören. Der Schniedertöns sagte das nämlich jedes Mal, wenn sie hier waren, um eine Kleinigkeit einzukaufen oder etwas abzuholen.

Der Mann drehte sich um und bückte sich, um etwas aus einer blauen Plastikbox zu nehmen. Dabei zeigte er erst das Logo auf dem Rücken seines Poloshirts – das Trio aus einer Kuh, einem Schwein und einem Huhn, die sich unheimlich zu freuen schienen – und danach mehr von seinem verlängerten Rücken, als Taissa jemals hatte sehen wollen. Sie wollte sich schon beschämt wegdrehen, als der Fleischer wieder auftauchte.

Er hielt einen Knochen in der Hand und wedelte damit. »Hier hab ich etwas für den Kleinen.«

Lollis Nase zuckte wild auf und ab. Er schnüffelte. Der Geruch ließ ihn offensichtlich sogar über den »Kleinen« hinwegsehen. Jedenfalls entwickelte er schlagartig einen enormen Vorwärtsdrang, der Taissa einfach mitzog.

Schniedertöns hielt den Knochen auf Höhe seiner Schnauze, und Lolli nahm ihn ganz vorsichtig, mehr mit den Lippen als den Zähnen, entgegen. Taissa begutachtete das Stück, doch es schien ihr als Kauspielzeug geeignet zu sein. Der Fleischer hatte Erfahrung.

Schon kam seine Frau mit einer großen Klappkiste ums Regal herum. Ein Tuch lag darauf, um den Inhalt zu schützen. »So, hier habe ich die Bestellung. Und wegen der Unannehmlichkeiten habe ich noch eine Mohnschnecke dazugelegt.«

»Oh, wie nett!« Taissas Magen knurrte und entlockte den beiden ein Lachen.

»Ich weiß doch, wie gern du die magst. Und immerhin hätte mein Mann ja auch früher Bescheid geben können, dass er heute nicht mit dem Bulli rauskommt.«

Sie deutete nach draußen, wo der Pulk der Demonstrierenden, der wirklich die gesamte Breite der Straße einnahm, sich langsam in Bewegung gesetzt hatte.

Der Schniedertöns schnaubte. »Pah! Ich sehe gar nicht ein, warum ich mich nach denen richten soll. Ich werde dagegen vorgehen, dass die hier die Straße sperren und mir mein Geschäft versauen! Die bekommen eine fette Klage!«

Sollte sie ihm sagen, dass es nun mal der Sinn und Zweck von Demonstrationen war, auf diese Weise auf ein Problem aufmerksam zu machen? Dann wurde ihr klar, was Frau Schniedertöns gerade gesagt hatte. »Ihr wusstet, dass die sich hier vor eurer Tür versammeln?«

Die Verkäuferin zeigte auf das Schaufenster. »Na klar. Wir haben ja sogar deren Aufruf ausgehängt.«

Taissas Kopf fuhr herum. Tatsächlich, da hing es, das Plakat. Die Sonne schien durch das Fenster und ließ die Vorderseite durchblicken. Sie erkannte das Logo, das sie auch auf vielen Schildern bei den Demonstrierenden gesehen hatte: Einen stilisierten Baum mit einem Vogelnest und ein durchgestrichenes Autobahnlogo.

Sie war genau in dem Moment daran vorbeigelatscht, als sie sich vorgenommen hatte, ab jetzt mehr auf Plakate zu achten.

Das hat ja hervorragend geklappt.

»Schadenersatz werde ich verlangen«, schnaubte der Fleischer noch, bevor er sich hinter seinen Tresen zurückzog. Wieder an seinem Arbeitsplatz nahm er das kleine Beil und ließ es mit Wucht auf eine Keule hinabsausen. Knochen splitterten, und Taissa erzitterte.

Auch Lolli zuckte zusammen und hätte beinahe seine Beute fallen gelassen. Doch so weit kam es natürlich nicht. Dann hätte er ja nicht mehr ganze Seen aus Sabber dort hinterlassen können, wo er gerade stand.

Frau Schniedertöns hielt Taissa die Tür auf, damit sie mit der Kiste hindurchkam. »Mein Mann hat sich den ganzen Vormittag mit den Verantwortlichen auseinandergesetzt«, raunte sie ihr zu, als Taissa sie passierte.

»Und, konnte er etwas erreichen?«

Das Beil sauste schon wieder hinab, und der Laden schien unter dem Schlag zu erzittern. In der Haut dieser Verantwortlichen wollte Taissa lieber nicht stecken, wenn sie sich den Fleischer mit seinen kräftigen Unterarmen und dem Arsenal an Zerlegewerkzeug so vorstellte.

»Natürlich nicht. Die Demonstration ist angemeldet, und auch sein Anwalt hat ihm schon gesagt, dass er nichts tun kann.« Die zierliche Frau verdrehte die Augen.

Im Laden brach der Knochen endgültig. Hoffentlich hatte das die Wut des Fleischers verrauchen lassen.

Zum ersten Mal in ihrem Leben war Taissa froh, dass Bobby vor Ort war.

ZWEI Ausgleichsmaßnahme

Taissa und Lolli holten die Demonstration trotz ihrer Last noch ein, bevor sie die Tankstelle erreichte. Die letzten paar Meter marschierte sie einfach mit. Sie wurde wohlwollend aufgenommen und mit Lächeln und »Wir-sitzen-in-einem-Boot-Nicken« begrüßt. Ein ziemlich gut gebauter Mann, der sicher ein paar Jahre jünger war als sie, zwinkerte ihr sogar zu. Zum Glück bemerkte seine Begleiterin es nicht, die seinen Arm umklammerte, als wollte sie ihre Besitzansprüche verdeutlichen. Vermutlich meinte er es ohnehin nur nett und kein bisschen zweideutig.

Ob Taissa ebenfalls ein paar der Sprüche zum Besten geben oder lieber versuchen sollte, mit ihrem Gebäck neue Kundschaft in den Shop zu locken?

Lolli hechelte neben ihr, so gut es mit dem Knochen in den Fängen funktionierte. Er schien nicht ihrer Meinung zu sein, dass das sinnvoll wäre. Stimmt, die Leute hatten sich ja beim Schniedertöns versammelt und waren auch da nicht der Versuchung erlegen, bei ihm Leckereien zu kaufen. Doch vielleicht konnte Kaffeeduft etwas ausrichten.

Genau in dem Moment, als sie sich aus dem Pulk löste und die Einfahrt zur Tankstelle hochlief, bog der gelbe Transporter ihres besten und liebsten Kaffeekunden auf den Parkplatz, der immer für ihn reserviert zu sein schien, ohne dass darüber eine offizielle Vereinbarung existierte. Er schaffte es buchstäblich im letzten Moment, bevor die Demonstrierenden, angeführt von Bobby in seinem Polizeiauto, die Straße in Richtung Autobahn dicht machten und er nicht mehr bis zur Tankstelle gekommen wäre. Dann hätte er einen riesigen Umweg in Kauf nehmen müssen.

Die Tür des Transporters knallte zu, und laute Schritte erklangen. Taissa drehte sich um. Antonius stapfte hinter ihr her. Er hatte seinen Blick auf den Boden gerichtet und brummelte etwas vor sich hin. Seine Miene wirkte düster wie nie zuvor. Erst, als er sie beinahe erreicht hatte, erkannte Taissa, woran das lag. Er lächelte nicht. Sonst tat der freundliche Bauarbeiter das immer irgendwie, wenigstens mit den Augen.

Sicher würde ein ordentlicher Kaffee seine schlechte Laune vertreiben. Koffein hatte bei Antonius noch immer gewirkt.

»Diese Schweinebande, die halten alles auf«, motzte er los, als er bemerkte, dass Taissa auf ihn wartete.

Lolli wuffte dumpf, ohne seinen Knochen dabei fallen zu lassen. Vielleicht wollte er zeigen, was er mit Schweinen so anstellen würde. Zumindest präsentierte er seine Beute so stolz, als hätte er sie selbst erlegt.

Dabei lief es bei ihm ohnehin immer aufs Spielen hinaus, wenn er mit anderen Tieren zusammentraf.

Zum Glück konnte er nicht sehen, dass Antonius gar nicht hinschaute. Er kraulte Lolli nur beiläufig und wie in Trance unter dem Kinn. Ob ihr Liebling am Kraulen die Stimmung seines Kraulpartners feststellen konnte? Zumindest nahm er sich ein wenig zurück und drückte stattdessen tröstend seinen Schädel gegen den Oberschenkel.

»Du meinst die ›Initiative Grünes Bad Bekenborn‹?«, fragte Taissa, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Immerhin trat Antonius mit jedem Schritt nach hinten aus wie ein wilder Stier, als hoffte er, eins der Plakate umzukicken, obwohl sie viel zu weit weg waren.

»Pff. Initiative. Die wollen uns doch nur das Leben schwer machen«, grummelte er, doch sein Groll schien in dem Maß abzunehmen, wie er sich dem Kaffeeautomaten näherte.

Er hielt Taissa die Tür auf, doch es war Lolli, der als Erstes durchhuschte. War ja klar.

Heinz war inzwischen gegangen. Vinzent fegte. Auch das war klar. Er hielt inne, als sie eintraten, und nahm Taissa dann das Gebäck ab. »Chut, daste kommst.«

Lolli nickte und schlurfte zu seiner Decke neben dem Büchertauschregal, wo er sich ächzend niedersinken ließ.

Taissa nickte. Das schien heute Vinzents Standardbegrüßung zu sein. »Ja, gern. Warum diesmal?«

»Ich muss ma rüber zu de Pension. Magnus hat angerufen, er braucht so eine Nummer für den Steuerberater.« Er sprach das Wort Pengsion, mit einem deutlichen G in der Mitte. Peng, wie ein Schuss. Na, hoffentlich nicht.

»Klar, mach ruhig Feierabend, ich bin ja hier.« Und sie hatte eine Mohnschnecke und war willens, sie zu verzehren. Bis Magnus von dem Termin aus Altenhorn-West zurückkam, hatte Taissa ohnehin nichts zu tun außer zu lesen. Und das konnte sie auch hier im Laden.

»Frederick kommt ne Stunde früher. Hab nen angerufen.«

»Supi.« Sie wusste zwar gerade nicht aus dem Gedächtnis, wann er sie sonst abgelöst hätte, doch je früher war ja umso besser.

Antonius war inzwischen an den Automaten gestapft. Das Gerät ratterte, und Flüssigkeit plätscherte in eine Tasse. »Du auch?«, fragte er ungewohnt wortkarg in den Raum.

»Nä, ich mach doch Feierabend«, sagte Vinzent, bevor Taissa »Ja, sehr gern« antworten konnte.

Sie nickte bloß, und endlich zuckte der Mundwinkel des großen, bauchigen Mannes ein wenig in Richtung Lächeln. Er nahm eins der hohen Kaffeegläser in die Hand und wartete, bis seine Tasse voll war.

Taissa sah ihrem alten Kollegen hinterher. Als Vinzent sich schon beinahe durch die Menschenmenge gequetscht hatte, die sich immer noch auf der Straße zwischen der Tankstelle und der Pension tummelte, wandte sie sich endlich von ihrem Aussichtspunkt ab. Sie begann, das Gebäck in die Theke zu legen. Ein Schokoladenkuchen war auch dabei, das würde ihre Freundin Nora freuen. Die quirlige Notarin hatte nämlich ein kleines Schokoproblem.

Antonius griff nach dem Süßstoff. Dann zögerte er, und seine Hand wanderte weiter zum Zuckerstreuer. Er ließ eine ordentliche Portion rieseln und rührte schweigend in seiner Tasse. Oha.

Das war die reinste Qual. Normalerweise erzählte er immer von seiner Baustelle, von den Bemühungen seiner Herzallerliebsten, ihn zu einer Diät zu bewegen, oder schwärmte wenigstens davon, wie gut ihr Kaffee ihm schmeckte. Der beste weit und breit.

Doch normalerweise nahm er auch immer Süßstoff. Zu echtem Zucker griff er nur in Notfällen.

Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus. Sie schnitt ihm ein Stück Schokoladenkuchen ab und stellte den Teller vor ihn. »Iss. Ich erkläre das der Herzallerliebsten.«

Er nickte, dann zog er seine dicke Arbeitsjacke aus und hängte sie über einen Stuhl im Caféanbau. Zurück am Stehtisch räusperte er sich. »Für heute mach ich Feierabend. Da läuft ohnehin nichts mehr. Diese Bagage versaut mir die Baustelle.«

»Verursachen die wirklich einen Baustopp?« Den Geräuschen nach zu urteilen, stand ein Großteil der Demonstrierenden immer noch auf der Straße herum und hinderte eher die autofahrende Kundschaft daran, zu ihr zu kommen. Wenn sich jemand über diese »Bagage« ärgern konnte, dann sie selbst. Die Anschlussstelle der Autobahn, von der aus ein Zubringer bis nach Bad Bekenborn führen sollte, lag jedenfalls in weiter Ferne. Und dazwischen erstreckte sich ein schützenswertes Biotop, wie sie jetzt wusste.

Besser, wenn sie Antonius ihre Sympathie zu der Umweltschutzbewegung nicht mitteilte.

Lolli auf seiner Decke biss zu und ließ den Knochen, den er vom Schniedertöns bekommen hatte, krachen. Er schien sich über gar nichts zu ärgern, jedenfalls im Moment. Aber außer über die Notwendigkeit, ein Bad zu nehmen, ärgerte er sich ohnehin nicht über vieles im Leben.

Antonius strich sich sein T-Shirt glatt. Erst jetzt fiel Taissa die Aufschrift auf. »Leg dich niemals mit einem Baggerfahrer an! Wir baggern in Tiefen, in denen dich niemand findet.«

Sie musste schmunzeln. Gut, dass niemand von den Demonstrierenden vermisst wurde, sonst könnte man ihn glatt verdächtigen.

»Ach, die da draußen sind nicht das Problem. Aber zwei von denen haben sich an meinen Bagger gekettet! Und wenn wir denen erklären, dass wir schon dabei sind, ein neues Biotop anzulegen, das diese komischen Viecher, die die plötzlich schützen wollen, als Nistplatz nutzen können, hören die gar nicht zu!« Der Bauarbeiter, der sonst immer die Freundlichkeit in Person war, schien am liebsten ein Stück aus seiner Tasse herausbeißen zu wollen.

»Aber das klingt doch super. Den Piepmätzen ist es doch schnuppe, ob sie ein paar Hundert Meter weiter östlich oder westlich brüten.« Oder war das nicht so? Hatte mal jemand bei denen nachgefragt?

Lolli ließ kurz von seinem Knochen ab, hob den Kopf und lauschte. Vielleicht konnte er das übernehmen. Er verstand sich gut mit anderen Tieren.

»Denen geht es doch nur ums Prinzip. Die wollen Stunk machen. Aus Langeweile, weil sonst nichts passiert!« Antonius schaufelte eine Gabel voller Kuchen in den Mund. Vermutlich war er einfach gerade in Bagger- und Schaufellaune.

Taissa sah nach draußen. »Seltsam, was manche Leute so unterhaltsam finden.« Aber in Bad Bekenborn war es auch wirklich sehr beschaulich. Außer, wenn gerade wieder jemand ermordet wurde, dann ging es richtig ab.

Sie besah sich die Leute, die dort demonstrierten, genauer. Die meisten wirkten wirklich ganz normal. Einfach nur besorgte Bürger, die Angst vor einer Veränderung hatten oder gern in dem Biotop spazieren gingen. Das war ja auch völlig nachvollziehbar. Doch einige wirkten schon leicht fanatisch. Sie fuchtelten mit den Fäusten in der Luft und schrien lauter als alle anderen.