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Der Bestseller von Nagisa Tatsumi ist zum Auslöser einer weltweiten und extrem erfolgreichen Aufräum- und Ordnungsbewegung geworden. Erfahren Sie, • weshalb wir zwanghaft Berge nutzloser Gegenstände anhäufen • warum es uns schwer fällt, überflüssige Dinge wegzuwerfen • wie wir lernen, konsequent auszusortieren und unser Leben zu entschlacken Nagisa Tatsumi zeigt, dass man sich mit ein paar Tricks vom Ballast überflüssiger Sachen nachhaltig befreien kann. Zehn einfache Grundregeln führen in die Kunst des Entrümpelns ohne Reue ein. Praktische Tipps erleichtern das Aussortieren und ressourcenschonende Entsorgen. Ein unverzichtbarer Ratgeber für alle, die sich innerlich wie äußerlich mehr Leichtigkeit und Ordnung in ihrem Leben wünschen. Die Kunst des Wegwerfens wurzelt tief im japanischen Minimalismus und schärft den Blick für die Dinge, die wirklich glücklich machen.
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Seitenzahl: 165
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NAGISA TATSUMI
Die Kunst des
Wegwerfens
Wie man sich von unnötigem Ballast befreit und dadurch mehr Freude am Leben hat
Nagisa Tatsumi
Die Kunst des Wegwerfens
Wie man sich von unnötigem Ballast befreit und dadurch mehr Freude am Leben hat
1. deutsche Auflage 2019
ISBN: 978-3-96257-080-4
© 2019, Narayana Verlag GmbH
Titel der Originalausgabe:
Suteru! Gijutsu (The Art of Discarding)
Copyright © Nagisa Tatsumi 2005
Übersetzung aus dem Englischen: Irmela Erckenbrecht
Coverlayout © Nagisa Tatsumi
Autorenfoto © Nagisa Tatsumi
Herausgeber:
Unimedica im Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, 79400 Kandern
Tel.: +49 7626 974 970–0
E-Mail: [email protected]
www.unimedica.de
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VORWORT
Das eigene Chaos in den Griff bekommen
EINFÜHRUNG
Wovon können wir uns schlecht trennen – und warum?
TEIL 1
Wie auch Sie die Kunst des Ausrangierens meistern können: Zehn Grundsätze, die wirklich helfen, Ballast loszuwerden
1: Nichts „erst mal aufheben“
2: Nichts zwischenlagern – jetzt entscheiden!
3: „Eines Tages“ kommt nie
4: Praktische Helfer für den einen – lästiger Schrott für den anderen
5: Nichts ist heilig
6: Alles, was Sie haben, sollten Sie auch nutzen
7: Besser lagern und sortieren ist auch keine Lösung
8: „Vielleicht könnte das weg …?“
9: Keine Angst vor später Reue
10: Perfekt gibt`s nicht
TEIL 2
Zeit zum Ausmisten: Zehn Strategien, die es leichter machen, Dinge loszulassen
1: Nicht noch mal durchschauen – weg damit!
2: Am besten gleich entsorgen
3: Ausrangieren, wenn eine bestimmte Menge erreicht ist
4: Ausrangieren, wenn eine bestimmte Zeitspanne überschritten ist
5: Regelmäßig ausrangieren
6: Lösungen für das, was sich noch nutzen lässt
7: Verbindliche Regeln aufstellen
8: Mehrere Kanäle einrichten
9: Klein anfangen
10: Wer rangiert was aus? Zuständigkeiten festlegen
TEIL 3
Sich beim Loslassen besser fühlen: Alternativen zum Wegwerfen
Nachwort
Über die Autorin
Sachen ausrangieren – das scheint ein grundsätzliches Problem zu sein.
Heutzutage hat jeder zu viel „Kram“. Zwar werfen wir hin und wieder mal etwas weg, trotzdem sammelt sich immer mehr an. Bei der Arbeit haben wir es meist mit endlosen Papierbergen zu tun; zu Hause kann der Stauraum noch so groß sein, er reicht nie aus. Der Kram breitet sich aus und unser Lebensraum schrumpft zusammen. Wir sind von ungenutzten Dingen umzingelt. Wir wissen, wir müssen etwas tun. Wenn wir doch nur mit einem Schlag alles loswerden könnten, was wäre das für eine Erleichterung!
In den 1990ern erlebten wir einen Boom des ökologischen Denkens, der bis ins neue Jahrtausend anhält: Sei gut zur Umwelt … Recycle … Produziere keinen Müll … Und dies hat zu einem neuen Denken geführt: Was brauchen wir wirklich? Und warum wollen wir so oft mehr? Wir haben doch jetzt schon zu viel. Wieso? Wie kommt es, dass diese Flut niemals abzuebben scheint?
Wir ahnen, wie gut es sich anfühlen würde, wenn wir den ganzen Krempel einfach los wären. Warum behalten wir ihn dann? Und warum fühlen wir uns schuldig, wenn wir tatsächlich mal etwas ausrangieren? Lassen Sie uns diesen Fragen etwas genauer nachgehen.
Früher war alles wertvoll. Als es weder Massenproduktion noch Massenkonsum gab – was übrigens noch gar nicht so lang her ist –, wurden alle Dinge wertgeschätzt. Sie wurden gepflegt, erhalten und so lange genutzt wie irgend möglich. Waren sie irgendwann für den eigentlichen Zweck nicht mehr nutzbar, wurden andere Zwecke dafür gefunden. Und erst wenn alle denkbaren Verwendungsmöglichkeiten erschöpft waren, wurde weggeworfen.
Genauso war es mit Lebensmitteln. Die Leute wurden angehalten, ihre Teller bis zum allerletzten Reiskorn leerzuessen. Es ging immer darum, etwas bis zum Letzten auszuschöpfen – und es erst dann wegzutun und durch etwas Neues zu ersetzen. Das war der Kreislauf der Dinge, und vor diesem Hintergrund wurde das Bedauern über die Verschwendung (auf Japanisch mottainai) zu einer Tugend.
Aber heute ist das Leben anders.
In den 1960er- und 1970er-Jahren verkauften sich neue und aufregende elektrische Produkte allein schon deshalb, weil sie neu und aufregend waren. Es herrschte die Überzeugung, dass alles Neue auch gut war, und vieles Alte wurde nur aus diesem Grund ersetzt. Immer mehr Dinge – elektrische Geräte, Modeartikel und so weiter – überschwemmten unser Leben, und gegen Ende der 1980er-Jahre schließlich wurde schon der Akt des Kaufens zu einem Selbstzweck.
Wir haben uns an diese Art des Shoppings gewöhnt, doch weil wir Dinge nicht mehr aus Notwendigkeit kaufen, sammeln sie sich unweigerlich in viel größerer Geschwindigkeit an als früher und wir ertrinken förmlich in unserem Kram.
Der Wechsel von einer Ära, in der die Dinge kostbar waren, zu einer Ära der Überversorgung kam zu plötzlich. Wir sind hin- und hergerissen zwischen unserer traditionellen Ablehnung der Verschwendung (mottainai) und der neuen Welt, in der wir viel zu viele Dinge um uns herum anhäufen.
Diesen Zwiespalt müssen wir angehen. Wenn wir so weitermachen, werden wir nie frei sein von der Herrschaft, die diese Dinge über uns ausüben.
Kann ein ökologisch bewussterer oder sparsamerer Lebensstil uns dabei helfen, den Bann zu brechen? Wenn wir alles, was wir haben, gut pflegen und nur kaufen, was wirklich notwendig ist, werden wir dann frei sein? Nein, bei mir würde das nicht funktionieren. Ich würde nicht damit aufhören wollen, Dinge zu kaufen. Ballast loszuwerden fühlt sich gut an, aber man müsste schon sehr stoisch sein, um das Leben ohne neue Sachen genießen zu können.
Es ist ein Genuss, von Dingen umgeben zu sein, die man mag. Es macht uns glücklich, neue Kleider anziehen zu können. Ich habe einen Fernseher und Zeitungen, aber ich will auch noch Zeitschriften. Ich möchte mir ein paar neue Teller kaufen oder einen neuen Becher. Ich möchte nicht denken, dass es tugendhaft wäre, es mir zu verkneifen. Geld zu sparen bringt nichts, wenn man das Leben nicht genießen kann.
Wir wollen also ein angenehmes Leben führen, aber wir wollen nicht, dass sich Dinge ansammeln. Und wir wollen auch nicht das Gefühl haben, mit den Dingen verschwenderisch umzugehen. Ist das möglich? Und falls ja, wie?
Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen. Ich schlage vor, eine positive Einstellung zum Aussortieren zu entwickeln. Um unser vollgekramtes Leben in den Griff zu bekommen, müssen wir beginnen, es zu entrümpeln. Anstatt uns über Verschwendung Sorgen zu machen, können wir die Aufgabe des Ausrangierens als Gelegenheit nutzen, um über den wirklichen Wert unserer Besitztümer nachzudenken. Schauen Sie sich die Dinge an, denen Sie erlauben, sich um Sie herum anzusammeln. Darüber nachzudenken, warum Sie sie haben, wird Ihnen helfen, ein Gefühl dafür zu gewinnen, warum sie solche Macht über Sie ausüben. Und während Sie überlegen, was Sie ausrangieren und was Sie behalten wollen, wird Ihnen immer klarer, was wirklich notwendig ist.
Als Erstes müssen Sie Ihre Beziehung zu den Dingen überdenken. Die zehn Einstellungen zum Ausrangieren aus Teil 1 dieses Buches werden Ihnen dabei helfen. Ich sage nicht, dass Sie Ihre Denkweise vollständig verändern sollen, aber wenn Sie sich wegen des Ausrangierens Sorgen machen, ist es an der Zeit, Ihr Denken ein wenig anzupassen. Versuchen Sie einfach, aus Teil 1 all die Aussagen zu übernehmen, die bei Ihnen etwas zum Klingen bringen. Dies könnte Ihnen helfen, den Griff zu lockern, in den die Dinge Sie genommen haben. Teil 2 stellt zehn praktische Wegwerfstrategien vor. Wie bei Teil 1 sollten Sie das probieren, was Ihnen einleuchtet. Wenn Ihnen auch nur eine der Strategien zur Gewohnheit wird, fühlt sich Ihr Leben sicher gleich viel besser an. In Teil 3 finden sich Hinweise darauf, wie Sie Sachen auf sinnvolle Weise loswerden können. Ich hoffe, Sie werden es nützlich finden, diese mit den Vorschlägen aus den anderen beiden Teilen zu kombinieren.
Sie werden in diesem Buch viele verschiedene Hinweise finden, doch letztlich ist die Kunst des Ausrangierens eine ganz einfache und direkte Sache. Es geht nur darum, sich ein zuvor unbewusstes Verhalten bewusst zu machen und Ihre Einstellung zu den Dingen in Ihrem Besitz als Teil der Kunst des Lebens zu sehen. Ich hoffe, mein Buch wird Ihnen helfen, dieses Ziel zu erreichen.
Es ist ganz einfach: Behalten Sie die Dinge, die Sie gebrauchen, und sortieren Sie alles aus, was bei Ihnen nicht in Benutzung ist. Sachen leben davon, benutzt zu werden. Etwas zu behalten, weil es Verschwendung wäre, es wegzutun, ist eine Art der Folter. Befreien Sie sich von dem Verschwendungsargument und Sie werden den wahren Wert der Dinge immer deutlicher erkennen.
Seit der ersten Fassung dieses im Jahr 2000 geschriebenen Buches ist das Umweltbewusstsein zu einem Schlüsselelement unseres gesellschaftlichen Denkens geworden.
Für das Recyceln gibt es inzwischen alle möglichen Regeln. Es gibt einen großen Markt für Gebrauchtes, im echten Leben ebenso wie im Internet. Umweltfreundliche Produkte – vom Toilettenpapier aus Recyclingpapier bis zu Hybridautos – sind preiswerter und qualitativ hochwertiger geworden. Wir können einen umweltfreundlichen Lebensstil pflegen, ohne ständig darüber nachgrübeln zu müssen.
All dies sind erfreuliche Entwicklungen. Doch hat sich auch die Menge des Gerümpels verringert? Sammelt sich bei uns zu Hause nicht mehr so viel Kram an wie früher?
Soweit ich sehen kann, leider nicht. Es häuft sich so viel an wie immer. Die Gebrauchtwarenläden und -märkte quellen über. Und ständig bringen Fernsehprogramme und Zeitungen neue Beiträge darüber, wie man seinen vorhandenen Stauraum noch besser nutzen kann.
Würde das neue Umweltbewusstsein zu einer allgemeinen Entrümpelung von Häusern und Leben führen, wäre die Situation eine andere. Die Tatsache, dass es nicht so gekommen ist, bedeutet meiner Ansicht nach, dass zwischen unserer Beziehung zu den Dingen und unserem Bewusstsein für die Umwelt keine wirkliche Verbindung besteht.
Dass Umweltprobleme auf nationaler und globaler Ebene durchdacht werden müssen, liegt auf der Hand. Insgesamt zeichnen sie sich durch eine große Distanz zu unserem Alltag aus; es ist schwierig, sowohl das Detail als auch das große Ganze zu sehen. Selbst die auf dem Gebiet forschenden Wissenschaftler können sich, was zum Beispiel das Ende der fossilen Brennstoffe oder die Löcher in der Ozonschicht betrifft, nie wirklich sicher sein. Wie sollen dann wir all diese Dinge in unserem Alltag berücksichtigen können?
Auf individueller Ebene kann Umweltbewusstsein nicht groß darüber hinausgehen, nichts achtlos wegzuwerfen, keine Lebensmittel in den Ausguss zu kippen, die Dinge des täglichen Gebrauchs zu pflegen und sorgsam zu behandeln, keine Lichter anzulassen, Einkaufstüten mehrfach zu benutzen und umweltfreundliche Produkte zu kaufen.
Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Ich stelle die Bedeutung von Umweltthemen nicht infrage. Unsere Gesellschaft muss die Belange der Umwelt berücksichtigen. Und natürlich ist es besser, die Leute darüber gut informiert statt ahnungslos oder gar desinteressiert zu wissen. Was ich aber sagen will: Die Probleme unserer Umwelt sind erstens zu groß, um von einzelnen Individuen gelöst zu werden, und zweitens wird auch ein umweltfreundlicher Lebensstil allein nicht alles lösen können, was mit der Vermüllung und dem herrschenden Überfluss an Dingen in unserer Welt und eben auch in unserem eigenen, häuslichen Umfeld zusammenhängt.
Umweltbewusstsein ist eine gültige Richtschnur für das Leben im Allgemeinen. Doch wenn es um das konkrete Problem geht, dass wir einfach zu viel Kram haben, müssen wir bei unserem Denken ansetzen.
Viele von uns folgen dem Impuls, immer mehr Dinge anzuhäufen und diese dann alle zu behalten, da es verschwenderisch wäre, sie einfach wieder wegzuwerfen. Wir ziehen Befriedigung daraus, Dinge zu besitzen, und dieses Grundgefühl spornt uns an, zu viel anzuschaffen.
Doch etwas zu besitzen ist kein Wert an sich. Wir müssen uns die Frage gefallen lassen, ob die fraglichen Dinge wirklich nötig sind und tatsächlich benutzt werden. Wenn sich dann herausstellt, dass etwas gar nicht benutzt wird, sollten wir es abstoßen. Darin besteht die Kunst des Ausrangierens. Haben Sie erst einmal verinnerlicht, dass Sie unnütze Dinge nicht behalten müssen, werden Sie das Nötige besser wertschätzen und sorgfältiger bewahren können.
Sie brauchen gar nicht viel darüber nachzudenken. Sie brauchen nicht gleich am Anfang zu geloben, sich mit nur wenigen Dingen zu begnügen. Sie brauchen sich auch nicht zu sagen, dass der sorgsame Umgang mit allen Dingen gut für die Umwelt ist. Nehmen Sie sich einfach einen Gegenstand nach dem andern vor und fragen Sie sich: Ist er notwendig und wird er benutzt? Oder kann er ausrangiert werden? Allein durch diesen Auswahlprozess wird es Ihnen gelingen, nach und nach alles Überschüssige abzubauen, bis Sie das optimale Maß an Dingen um sich herum erreicht haben. Und dadurch wird auch Ihr Lebensstil ganz automatisch schon umweltverträglicher sein.
Ich glaube, das japanische Wort mottainai (ein Gefühl von Scham und Bedauern angesichts der Verschwendung einer Sache) kann auch gefährlich sein. Seine grundlegende Bedeutung legt nahe, dass dem Wesen der fraglichen Sache Schaden angetan wird, und Zeuge eines solchen Vorgangs zu werden, verursacht uns Schmerz. Dass Japaner so denken und das Wort auch häufig in ihrem Alltag benutzen, ist an sich ausgesprochen positiv. (Ich selbst verwende es, wenn ich meine Kinder dazu anhalte, ihren Reis restlos aufzuessen.) Aber es kann auch der Frage im Wege stehen: „Werde ich diese Sache wirklich noch benutzen?“ Und so zu der Täuschung führen, dass man etwas Gutes tut, nur weil man etwas behält und nicht ausrangiert.
Meiner Meinung nach liegt die beste Möglichkeit der Wertschätzung von Gegenständen darin, sie zu benutzen. Denken Sie an all die unerwünschten Geschenke, die Sie irgendwo verstaut haben, weil sie typische Beispiele für mottainai sind. An die Lebensmittel, die in Ihrem Kühlschrank vor sich hingammeln, weil Sie sich nicht entschließen können, sie wegzutun. An die vielen Plastiktüten aus dem Supermarkt, die sich bei Ihnen angesammelt haben. An all die Sachen, die Sie irgendwann einmal zum Verkauf anbieten wollten, es dann aber doch nicht geschafft haben. Auf all dies würde der Begriff mottainai zutreffen – und doch wäre es sehr schade, wenn er für nicht mehr stehen würde als den irrigen Glauben, dass etwas nicht wegzuwerfen damit gleichzusetzen wäre, etwas gut zu behandeln und zu erhalten.
Heben Sie nichts nur um des Aufhebens willen auf. Wenn Sie sich mit der Idee des mottainai anfreunden möchten, überlegen Sie, ob eine bestimmte Sache nötig ist oder nicht. Lässt sie sich noch gebrauchen, tun Sie dies auch. Wird sie alt und abgenutzt, verwenden Sie sie für einen anderen Zweck. Ist sie nicht mehr zu gebrauchen, entsorgen Sie sie zügig und vollständig. So macht mottainai für mich Sinn – und erlaubt uns, ein souveränes und von unnötigem Ballast befreites Leben zu führen.
Haben die Menschen in Japan tatsächlich alle ihre Sachen immer so lange erhalten und gepflegt, wie sie konnten? Vielleicht haben Sie auch schon einmal von einem alten Kobold namens Mottainai gehört, den es in Japan geben soll. Tatsächlich klingt dies wie eine Figur aus einer alten japanischen Sage, doch war dieser Kobold eine Erfindung der Fernsehwerbung im Jahr 1982. Teil einer echten Überlieferung dagegen sind die Geister Tsukumo-gami. Von ihnen heißt es, sie nisteten sich in alte, nicht mehr beachtete Gerätschaften ein und stachelten diese zu allerlei Unfug an. Ihre Mahnung: „Lass nichts unbenutzt herumstehen!“
Mein Gefühl sagt mir, dass die Menschen in der Vergangenheit viel bewusster mit Dingen umgegangen sind als wir es heute tun. Sie hatten ein Gespür für die Seele und das Wesen (mottai) der Dinge und sahen es daher als Verschwendung (mottai-nai) an, sie nicht ausreichend zu nutzen, solange sie nutzbar waren. Waren diese Dinge dann irgendwann wirklich zu nichts mehr nutze, entsorgten sie sie entschieden in Bausch und Bogen. Dies zeigt sich zum Beispiel in der in einigen Tempeln Japans bis heute regelmäßig abgehaltenen Hari-kuyo-Zeremonie – einer Art Trauerandacht für die im Laufe eines zurückliegenden Jahres zerbrochenen alten Nähnadeln.
Ich glaube heute genauso wie damals, als ich die erste Version dieses Buches verfasste: Eine vollständige und entschiedene Entsorgung aller nicht mehr benutzter Dinge ist enorm wichtig. Uns stehen heute unendlich viele Informationen zur Verfügung und wir neigen dazu, sie alle abzuwägen, ehe wir zu Lösungen zu kommen. Ich glaube dagegen: Heute ebenso wie in der Vergangenheit ist es das Beste zu überlegen, was praktisch und machbar ist.
Von uns als Individuen kann nur erwartet werden, dass wir so leben, wie es unsere Umstände erlauben. Und es gibt keinen Grund dafür, nicht zu versuchen, uns die Dinge möglichst angenehm und leicht zu machen. Sie brauchen nicht an die Umwelt zu denken, um energiesparende Produkte zu kaufen, Sie können sich einfach die Einsparungen bei der Stromrechnung vor Augen führen. Und wenn Sie Ihre eigene Tasche mit zum Einkaufen nehmen, könnte Ihr Beweggrund einfach darin bestehen, dass Sie den großen, hässlichen Haufen aus Plastiktüten in Ihrer Wohnung nicht leiden können.
Mein Drang, andere Leute dazu aufzufordern, ihr altes Gerümpel auszusortieren, geht auf einen Abend zurück, an dem ich mit Freunden aus der Verlagsbranche zusammensaß. Eine Freundin erzählte von ihren Schwierigkeiten beim Büroputz zum Jahresende. Sie sagte, sie habe einfach nicht genug Stauraum für alle ihre mit der Arbeit zusammenhängenden Bücher und Dokumente. Am liebsten hätte sie alles behalten, um in Zukunft noch darauf zurückgreifen zu können, ihre Regale seien aber proppenvoll. Das Thema sprach offenbar auch die anderen an, die alle zugaben, ganz ähnliche Probleme zu haben. Dabei hatte jeder seine eigene Strategie: „Ich verstaue die Sachen in einem Pappkarton“, sagte die eine. „Ich schneide die von mir geschriebenen Artikel aus und hefte sie in einen Aktenordner“, erzählte ein anderer. „Ich habe eine Lagerfläche gemietet“, gestand ein Dritter ein. Sie lachten, aber das Problem schien ziemlich ernst zu sein und rasch wurde deutlich, dass niemand wusste, wie es wohl am besten sei. Während ich plaudernd unter ihnen saß, begann ich mich zu fragen: Wenn alle ihre Sachen als eine so große Belastung empfinden, warum stoßen sie sie dann nicht einfach ab? Alle ihre Lösungen drehten sich um das Wie und Wo der Lagerung. Sie überlegten, wie sie ihren Kram möglichst platzsparend aufbewahren könnten, aber keiner ging so weit, ein umfassendes Ausmisten in Erwägung zu ziehen.
Bald wurde mir klar, dass dies nicht nur für meine Freunde mit ihren Büchern und Dokumenten gilt. Vielmehr handelt es sich um ein Phänomen, das die gesamte japanische Gesellschaft betrifft. Wirtschaftliches Wachstum hat dazu geführt, dass wir uns an ein System der Massenproduktion und des Massenkonsums gewöhnt haben. Wir sind gut darin geworden, Dinge auszuwählen und zu kaufen. Wir sind es gewohnt, sorgfältig darüber nachzudenken, was wir wollen.
Dann aber muss in dieser Welt des niemals endenden Nachschubs irgendwann etwas gründlich schiefgegangen sein.
Nehmen wir zum Beispiel das Thema Essen. Freilebende Tiere sind immer auf Nahrungssuche: Pflanzenfresser streifen den ganzen Tag umher und sind eigentlich immer am Futtern, weil Grünfutter nicht so viele Nährstoffen auf engem Raum zu bieten hat. Fleischfresser jagen ihre Beute, schlagen sich im Erfolgsfall den Magen voll und schlafen, bis sie wieder hungrig sind. In der Natur ist Hunger ganz normal und Tiere verfügen über ein natürliches System, um angemessen darauf reagieren zu können.