Die Liebe veränderte mein Leben - Helga Winter - E-Book

Die Liebe veränderte mein Leben E-Book

Helga Winter

0,0

Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »Wo steckt Elisabeth schon wieder?«, fragte Gräfin Moorland ihren Gatten. »Wo kann sie schon sein?«, murrte Graf Joseph. »Sie sitzt in ihrem Zimmer über ihren verdammten Büchern.« »Bei dem schönen Wetter?« »Ich kann es nicht ändern«, knirschte der Mann. »Ich müsste mal ein Machtwort mit ihr sprechen. Anstatt sich in den Semesterferien zu erholen und dafür zu sorgen, dass etwas frische Farbe auf ihre Wangen kommt, vergräbt sie sich in ihrem Zimmer und studiert weiter.« »Und wozu das alles?«, fragte Ulrike von Moorland bedrückt. »Wäre sie darauf angewiesen, ein gutes Examen zu machen …« »Wir haben Geld genug, und einen Mann bekommen wird sie auch. Du musst dich etwas um ihre Kleidung kümmern, Ulrike. Oder trägt man heutzutage diese Sachen, die sie sich gekauft hat?« Die Frau seufzte. »Sie hört nicht auf mich. Sie legt keinen Wert darauf, hübsch auszusehen.« »Alles Unsinn.«

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 159

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Fürstenkrone – 204 –

Die Liebe veränderte mein Leben

Wie Komtess Elisabeth ihr Herz verlor...

Helga Winter

»Wo steckt Elisabeth schon wieder?«, fragte Gräfin Moorland ihren Gatten.

»Wo kann sie schon sein?«, murrte Graf Joseph. »Sie sitzt in ihrem Zimmer über ihren verdammten Büchern.«

»Bei dem schönen Wetter?«

»Ich kann es nicht ändern«, knirschte der Mann. »Ich müsste mal ein Machtwort mit ihr sprechen. Anstatt sich in den Semesterferien zu erholen und dafür zu sorgen, dass etwas frische Farbe auf ihre Wangen kommt, vergräbt sie sich in ihrem Zimmer und studiert weiter.«

»Und wozu das alles?«, fragte Ulrike von Moorland bedrückt. »Wäre sie darauf angewiesen, ein gutes Examen zu machen …«

»Wir haben Geld genug, und einen Mann bekommen wird sie auch. Du musst dich etwas um ihre Kleidung kümmern, Ulrike. Oder trägt man heutzutage diese Sachen, die sie sich gekauft hat?«

Die Frau seufzte. »Sie hört nicht auf mich. Sie legt keinen Wert darauf, hübsch auszusehen.«

»Alles Unsinn.« Bekräftigend schlug Graf Moorland mit der Faust auf den Tisch. »Ich werde sie jetzt herunterholen und auf einen Ausritt mitnehmen, ob sie will oder nicht. Mir scheint, wir waren zu lange nachsichtig. Jetzt weht ein anderer Wind.«

Seine Gattin nickte. Schön wäre es dachte sie. Aber so zart und zierlich Elisabeth wirkte, sie besaß einen stahlharten Willen, den sie meistens durchsetzte.

Warum will sie nur wieder in die Universitätsstadt zurück, fragte sich Elisabeths Mutter. Sie schaute sich in dem geräumigen Wohnzimmer um. Es war ungemein gemütlich, man musste sich hier wirklich wohlfühlen. Sie hatte Elisabeth ein paarmal in ihrer Studentenbude besucht, auf die ihre Tochter unverständlicherweise so stolz war. Nach Gräfin Ulrikes Meinung handelte es sich um ein Loch.

Wann ist sie eigentlich so geworden?, überlegte die besorgte Mutter. Als Kind war sie ein aufgewecktes, fröhliches Mädchen gewesen, das genauso gern spielte wie andere Kinder.

Aber vor einigen Jahren hatte sie sich geändert. Ihr Interesse an der Landwirtschaft ließ nach, bis es schließlich überhaupt nicht mehr vorhanden war. Dafür interessierte sie sich für Mathematik. Gräfin Ulrike verstand überhaupt nicht, wie sich ein Mädchen für diese trockene Materie begeistern konnte.

Sie hörte laute Stimmen von draußen und schüttelte den Kopf. Dass Joseph immer gleich schimpfen musste, wenn etwas nicht nach seiner Mütze war. Er öffnete die Tür sehr schwungvoll und stieß seine Tochter fast ins Wohnzimmer. Sein gutmütiges Gesicht war zornrot. »Die gnädige Frau hat keine Lust zu reiten«, warf er seiner Frau hin. »Sieh sie dir nur an, Ulrike! Ein Jammerbild. Ein Blaustrumpf, wie er im Buch steht. Und so etwas ist unsere Tochter! Ich muss mich für dich schämen!«

»Das tut mir leid, Vater«, erklärte Elisabeth von Moorland freundlich, aber völlig unberührt. Sie hatte ihr dunkelblondes Haar zu einem festen Knoten zusammengebunden. Ihre Stirn wirkte durch das glatt anliegende Haar höher, als sie sowieso war. Sie trug ein graues Kleid, hoch geschlossen und völlig schmucklos. Es gab nur eines, was man zugunsten dieses Kleides sagen konnte: Es war praktisch.

»Wie sind wir nur zu solch einer Tochter gekommen?«, fragte Joseph von Moorland aufgebracht. »Du sollst dein Haar anders tragen, wie oft habe ich dir das schon gesagt! So siehst du aus wie eine alte Jungfer! Wie eine Lehrerin kurz vor ihrer Pensionierung!«

»Es ist mir gleichgültig, wie ich aussehe, Vater«, belehrte Elisabeth ihn.

»Aber mir nicht!«, schrie der Vater sie an. »Ich will stolz sein auf dich!«

»Auf meine Frisur und auf hübsche Kleider, die andere entworfen haben?«, fragte Elisabeth und zog in unnachahmlicher Weise die Brauen in die Höhe. »Ich bin stolz auf das, was ich selber leiste.«

»Du fährst heute Nachmittag mit deiner Mutter in die Stadt und kaufst dir Kleider, in denen du wie ein junges Mädchen aussiehst. Und den verdammten Knoten lässt du dir abschneiden!«

»Nein, Vater.« Elisabeth von Moorland schüttelte den Kopf. »Er ist sehr praktisch. Ich brauche nicht zum Friseur zu gehen. Mit jeder anderen Frisur müsste ich alle paar Wochen einige Stunden beim Friseur sitzen, und dafür ist mir meine Zeit zu schade. Kleider habe ich genug. Völlig genug.«

»Aber was für Kleider! Keine Magd würde bei uns in solchen Sachen herumlaufen! Höchstens die Urgroßmütter der Mägde!«

»Joseph, reg dich doch bloß nicht so auf«, beschwor Gräfin Ulrike ihn, goss aber damit nur ungewollt Öl in die Flammen.

»Du solltest einmal so mit Elisabeth sprechen!«, wandte sich der Zorn des Mannes jetzt gegen sie. »Du bist schließlich Elisabeths Mutter. Aber dir scheint es egal zu sein, ob sie jemals einen Mann bekommt oder nicht. Wer will solch einen Blaustrumpf haben?«

»Ich will nicht heiraten, Vater.«

»Zum Donnerwetter noch mal, du wirst heiraten!«, schrie der Mann sie an.

»Du sollst nicht so viel fluchen, Joseph.« Gräfin Ulrike wagte nur noch zu flüstern. »Sie ist doch jung, dränge sie nicht.«

»Ein Mann wird ihr die Flausen schon austreiben. Was ihr fehlt ist nur ein Mann! Oder eine ordentliche Tracht Prügel«, setzte er hinzu.

»Warum regst du dich eigentlich so auf?«, fragte Elisabeth unverändert ruhig und freundlich. »Jeder muss so leben, wie er es für richtig hält. Ich fühle mich in meiner Haut vollkommen wohl.«

»Weil du nichts Besseres kennst. Oder weil dir die Trauben zu hoch hängen, meine liebe Elisabeth.«

»Ich halte Schönheit nicht für so wichtig. Man hat seinen Kopf nicht, um ihn sich anzumalen.«

»Wofür dann?«, fragte Graf Joseph verbittert.

»Um zu denken.«

Der Mann verdrehte die Augen. »Es war ein Fehler, dich auf die Universität zu schicken. Früher warst du ein so nettes Mädchen …«

Ein schattenhaftes Lächeln glitt über Elisabeths schmales, blasses Gesicht. »Früher«, wiederholte sie leise. Es lag eine Ewigkeit zurück, dieses ›Früher‹.

»Sieh dir Olivia an. Alle jungen Männer reißen sich um sie. Sie könnte jeden Tag heiraten, wenn sie nur wollte.«

»Olivia ist kein Vorbild für mich.«

»Du bildest dir so viel auf deinen Verstand ein, aber in Wirklichkeit ist Olivia viel klüger als du. Sie wird heiraten, Kinder haben, sie wird wissen, wofür sie lebt. Kind, wir meinen es doch nur gut mit dir!« Er wechselte abrupt den Ton.

»Dann lasst mich so leben, wie ich es für richtig halte.«

Graf Moorland begriff, dass seine Ermahnungen an ihr abglitten wie Wasser auf einer Ölhaut. Sie hatte einen unsichtbaren Panzer um sich gelegt, den Worte nicht durchbrechen konnten. Aber was dann?

Er stand vor einem Rätsel. So wie jetzt konnte und durfte sie nicht weiterleben. Sie ging nie aus, besuchte keine Partys, hatte in der Universitätsstadt keine Freunde. Wenn sie von den Vorlesungen zurückkam, setzte sie sich über ihre Bücher und studierte weiter.

Und um sie herum fand das Leben statt. Nur sie hatte keinen Anteil daran.

»Du tust mir leid«, murmelte Joseph von Moorland. Er legte behutsam seinen rechten Arm um sie.

»Du verschwendest dein Mitleid, Vater.« Mit ihren hellen blauen Augen schaute Elisabeth ihn an.

Kann es wahr sein, dass sie mit ihrem Leben zufrieden ist, fragte sich der Vater. Er konnte nur von sich auf andere schließen, und deshalb musste er meinen, dass Elisabeth im Grunde ihres Herzens unbefriedigt war.

»Setz dich zu uns«, bat er versöhnlich.

Elisabeth zögerte einen Moment, bevor sie in dem Sessel Platz nahm, den er ihr herangerückt hatte. Es tat ihr leid um die Zeit, die sie hier verschwendete. Aber sie war eine gut erzogene Tochter und wusste, was sich gehörte. Sie brachte ihren Eltern ein Opfer, ein Opfer an Zeit.

*

»Sie wird sich nicht darüber freuen«, unkte Gräfin Ulrike über den Vorschlag ihres Gatten, Elisabeth zu Ehren ein Sommerfest zu geben.

»Das ist mir egal. Wir werden den Ball arrangieren, und als unsere Tochter steht sie im Mittelpunkt. Du wirst dafür sorgen, dass sie ein hübsches Kleid trägt. Und es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich nicht ein passabler Mann fände, der sich für sie interessiert.«

Gräfin Ulrike nickte zögernd. Ganz überzeugt war sie nicht, dass ihr Mann recht hatte. »Sie ist so ganz anders als die übrigen Mädchen in ihrem Alter«, murmelte sie. »Woran mag das mir liegen?«

»Weiß ich nicht. Wann wollen wir den Ball geben?«

»In drei Wochen.« Die Zeit würde reichen, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. »Wen wollen wir einladen?«

Graf Joseph hatte es sich schon überlegt.

»Wir müssen Elisabeth fragen, welche Freunde von der Universität wir noch einladen müssen«, meinte Gräfin Moorland zögernd.

»Das fehlt uns gerade noch … Studenten! Junge Leute, die weder Fisch noch Fleisch sind. Ich denke nicht daran.«

»Aber Elisabeth …«

»Also gut, frage sie, wer kommen soll. Aber nicht zu viele von der Sorte, nicht mehr als ein Dutzend. Und lass dich nicht weichmachen, wenn sie mehr einladen will. Zwölf und keinen mehr.«

Gräfin Ulrike war nicht schwerhörig, und fast hätte sie es dem Gatten wieder einmal gesagt. Dass er immer so aufbrausen musste! »Ich werde gleich mit ihr sprechen«, entschloss sie sich und erhob sich. »Ist sie …?«

»Wo soll sie sonst sein als in ihrem Zimmer«, fiel der Mann ihr ins Wort. »Sie merkt nicht einmal, was für ein Wetter ist. Ich wollte sie heute Morgen mitnehmen, aber sie hat keine Zeit.«

Gräfin Ulrike klopfte kurz darauf an Elisabeths Zimmer. Sie ist nicht da, dachte sie, als es drinnen still blieb. Behutsam drückte sie die Klinke nieder und trat ein. Ein wehmütiges Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie ihre Tochter am Schreibtisch sitzen sah.

Elisabeth drehte ihr den Rücken zu, hatte den Kopf in die linke Hand gestützt, mit der rechten blätterte sie gerade eine Seite eines dicken Wälzers um.

Sie hat mein Anklopfen überhört, dachte ihre Mutter. Sie hätte wenigstens das Fenster aufmachen sollen, damit ein bisschen frische Luft hereinkommt. Sie räusperte sich, aber ihre Tochter nahm davon keine Notiz.

»Lissy«, murmelte Gräfin Ulrike zärtlich. Sie hatte ihre merkwürdige Tochter tief ins Herz geschlossen, auch wenn sie Elisabeths Wesen manchmal nicht verstand.

Die junge Dame am Schreibtisch wandte nicht den Kopf. Ihre Rechte tastete über den Tisch, bis sie einen Bleistift fand. Sie machte sich ein paar Notizen.

»Elisabeth!« Diesmal sprach Gräfin Moorland laut und deutlich.

Widerwillig drehte die junge Dame den Kopf. Ihr Blick kam von weit her, und einen Moment hatte Gräfin Ulrike tatsächlich den Eindruck, als müsse ihre Tochter erst nachdenken, wer da eingetreten war.

»Ich bin es, deine Mutter«, sagte sie mit einer bei ihr seltenen Ironie. »Tut mir leid, dass ich dich stören muss.«

»Mir auch«, gestand Elisabeth ehrlich. »Ich habe hier gerade ein ungeheuer interessantes Problem. Es gibt da vielleicht noch eine Lösungsmöglichkeit, auf die bisher noch keiner gekommen ist. Es handelt sich um …«

Gräfin Ulrike hob entsetzt die Hände. Elisabeth lächelte nachsichtig. »Entschuldige. Aber es ist faszinierend, immer wieder vor solche Aufgaben gestellt zu werden. Ein Jammer, dass du nicht studiert hast, Mutter. Eigentlich tust du mir leid. Du hast viel zu früh geheiratet. Stell dir nur vor, du hättest ein abgeschlossenes Studium und einen Beruf.«

»Ich habe einen Mann und eine Tochter, das reicht mir. Über Langeweile kann ich mich wahrlich nicht beklagen.«

»Ich versteh dich nicht. Wärst du eine dumme Frau. Aber du hast doch Verstand. Bist du mit deinem Leben wirklich zufrieden, Mutter?«

Gräfin Ulrike war nicht gekommen, um mit ihrer Tochter zu philosophieren. »Ja«, sagte sie knapp und entschieden. »Wir wollen ein Sommerfest geben, bevor du an die Universität zurückkehrst. Du möchtest doch sicherlich Freunde einladen. Ich brauche ihre Namen und Adressen.«

Elisabeth runzelte die Stirn. Automatisch nahm sie die Hornbrille ab und hielt sie eine Armlänge weit von sich. »Ein Sommerfest? Wann?«

»Sonnabend in drei Wochen.«

»Ich werde vorher zurückfahren. Ich wollte sowieso noch in die Universitätsbibliothek, um dort einiges nachzuschlagen. Auf mich braucht ihr keine Rücksicht zu nehmen.«

»Nun hör mal, für dich geben wir den Ball!«, entrüstete sich ihre Mutter.

»Vielen Dank, aber darauf lege ich gar keinen Wert. Was soll ich auf solch einem Fest? Ich werde mich zu Tode langweilen. Ich mache mir nichts aus solchen Geselligkeiten.«

»Aber wir. Und es wird Zeit, dass du mehr unter Menschen kommst. Unter Menschen unserer Art«, wurde sie noch deutlicher. Unter Heiratskandidaten, hätte sie ebenso gut sagen können, denn das meinte sie. »Also, wen soll ich einladen?«

»Niemanden.«

Nicht mehr als ein Dutzend, hatte Joseph von Moorland grollend geboten, und nun wollte sie überhaupt niemanden von ihren Freunden sehen. Aber ein paar unter ihnen mussten doch so viel Erziehung besitzen, dass Elisabeth sie auf Moorland präsentieren konnte.

»Also, ein Dutzend darfst du dir ruhig einladen.«

»Ich kenne niemanden, den ich hier gern sehen möchte. Nein, niemanden. Ich habe zwar ein paar ganz gute Kollegen … Aber die würden sich schön bedanken, ein Sommerfest bei uns mitmachen zu müssen.«

»Also hör mal, es ist immerhin eine Ehre, zu uns eingeladen zu werden.« Ulrike von Moorlands Empörung war nicht gespielt.

»Ich weiß, so hatte ich es nicht gemeint. Aber meine Bekannten sind ernsthafte Leute.«

»Also gut. Wenn dir noch jemand einfällt, kannst du es mir ja sagen. Wir müssen noch ein Kleid für dich besorgen. Du wirst die Ballkönigin sein, Elisabeth.«

Ihre Tochter drehte den Kopf zur Seite und schaute aus dem Fenster. »Ihr meint es gut, Mutter, aber es wäre besser, ihr würdet mich leben lassen, wie ich es für richtig halte.«

»Wir wissen, dass du nicht richtig lebst. Eines Tages wirst du deine Versäumnisse bereuen. Aber dann ist es zu spät, Lissy, unwiderruflich zu spät.«

»Nenn mich nicht Lissy, bitte.«

»Lenk jetzt nicht ab. Wir möchten deine Kinder aufwachsen sehen, Elisabeth. Vater träumt davon, dem Sohn das Reiten beibringen zu können und einen guten Landwirt aus ihm zu machen. Du trägst eine gewisse Verantwortung auch uns gegenüber. Du bist die letzte Moorland, Li…, Elisabeth.«

Die junge Dame krauste die Stirn. So hatte sie die Dinge noch nicht gesehen, das wurde ihrer Mutter klar.

»Vielleicht lernst du auf unserem Ball einen netten jungen Mann kennen, dann heiratet ihr und …«

»Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ich und heiraten!« Elisabeth schüttelte den Kopf, weil diese beiden Begriffe ihr völlig unvereinbar erschienen.

»Es ist natürlich, dass ein Mädchen heiraten will. Die Aufgabe der Männer ist es, uns zu beschützen und für uns zu sorgen. Nur in einer Ehe kann eine Frau sich geborgen fühlen!«

»Dann bin ich wohl keine Frau. Nimm es mir nicht übel, Mutter, aber …« Elisabeth warf einen bezeichnenden Blick auf den Wälzer, der vor ihr lag. »Wolltest du sonst noch etwas?«

»Ich geh schon. Aber vorher mache ich wenigstens das Fenster auf, damit du ein bisschen frische Luft bekommst. Oder stört das eine künftige Frau Professor?«

»Nein, nein. Wenn ich arbeite, stört mich nichts. Ich kann völlig abschalten.«

Das hatte ihre Mutter bereits bemerkt, genau wie ihr nicht entging, dass Elisabeths Gedanken schon wieder bei dem mathematischen Problem waren, das sie vorher beschäftigt hatte.

An der Tür blieb Ulrike von Moorland noch einmal stehen und schaute auf ihre Tochter. Elisabeth saß da wie vorher, den Kopf in die Linke gestützt, mit der Rechten beschrieb sie ein Blatt Papier.

*

»Habt ihr ein hübsches Kleid für Elisabeth gefunden?«, fragte Graf Joseph zwei Wochen später, als seine Damen aus der Stadt zurückgekehrt waren.

»Ja.« Gräfin Ulrike nickte nachdrücklich. »Und freust du dich auch ein bisschen darüber?«, wollte der Graf von seiner Tochter wissen.

Elisabeth war ein höfliches Mädchen. Sie schaute ihn voll an, lächelte ein wenig, fast ein wenig nachsichtig, und dann sagte sie gleichfalls ja.

Am liebsten hätte ihr Vater sie bei den Schultern gepackt und ordentlich durchgeschüttelt. »Du solltest noch zum Friseur gehen.«

»Es tut mir leid, aber ich lasse mir mein Haar nicht abschneiden. Entschuldigt mich jetzt bitte …« Elisabeth hatte es sehr eilig, in ihr Zimmer zu kommen. Einen ganzen Nachmittag hatte sie mit dem Einkaufsbummel vertrödeln müssen.

Sie wusste übrigens nicht einmal mehr, wie das Kleid aussah, für das ihre Mutter sich entschieden hatte. Elisabeth von Moorland wollte im Grunde genommen keine Frau sein, weil sie sich in einer Männergesellschaft durchsetzen musste, und deshalb tat sie alles, um möglichst unauffällig zu wirken.

Und am Tag des Festes musste ihre Mutter sie tatsächlich daran erinnern, sich rechtzeitig umzuziehen. Sie saß noch am späten Nachmittag an ihrem Schreibtisch. Gräfin Ulrike trug schon das Festkleid, ihr Mann hatte sich in seinen Frack gezwängt, nur die Lackschuhe noch nicht angezogen. Er behauptete, die Dinger würden ihn drücken.

»Elisabeth!«

»Was ist?« Die Komtess wandte unmutig den Kopf. »Du bist schon umgezogen?«

»Jeden Augenblick können die ersten Gäste kommen, und du sitzt noch hier! Kind, was denkst du dir eigentlich! Da machen wir uns Arbeit und Mühe deinetwegen, und du …«

»Ich bin in zwei Minuten fertig«, versicherte Elisabeth. Sie zog sich ihr Kleid über den Kopf, holte das neue aus dem Schrank und streifte es über. Dann war sie fertig.

Gräfin Ulrike schloss gequält die Augen. »So geht es doch nicht, Kind. Verzichte heute auf deinen Knoten. Lass dein Haar herunterhängen.«

»Das passt nicht zu mir.«

»Es steht dir besser. In diesem Aufzug siehst du so streng aus. Aber die Brille setzt du nicht auf.«

»Warum nicht? Ich trage sie doch sonst auch immer.«

»Du brauchst keine Brille. Jedenfalls nicht unbedingt. Gib sie her.« Gräfin Ulrike nahm sie ihr aus der Hand.

»Herr von Fender freut sich darauf, oft mit dir tanzen zu dürfen.«

»Pech für ihn. Ich tanze nicht gut. Hast du ihm das nicht gesagt?«

»Unsinn. Du tanzt ganz ausgezeichnet, wenn du nur willst. Du musst dir ein bisschen Mühe geben, daran liegt es. Sei nett zu Fender. Er ist …, also, wir mögen ihn sehr gern. Wir finden ihn richtig nett.«

Eine halbe Stunde später – Gräfin Ulrike hatte darauf bestanden, dass Ulrike sich neu frisierte – gingen die Damen nach unten.

Graf Moorland erwartete sie am Fuße der breiten Treppe. Im Frack machte er eine blendende Figur. Gräfin Ulrike war wieder einmal ungeheuer stolz auf ihn. Es war damals gar nicht so leicht gewesen, ihn zu erobern. Sie hatte viele Konkurrentinnen gehabt. Aber der Kampf hatte sich gelohnt, fand sie.

»Hübsch siehst du aus«, rang sich Graf Joseph ab. Man konnte die beiden Damen eher für Schwestern halten als für Mutter und Tochter. Und dann ist noch die Frage, dachte der Vater, wen man für die ältere Schwester halten wird.

Ulrike von Moorland hatte sich dezent zurechtgemacht. Sie brauchte jetzt sehr viel mehr Zeit dafür als früher, aber der Aufwand lohnte sich. Außerdem war die Beleuchtung so gedämpft, dass sie allen Damen schmeichelte.

Joseph von Moorland zog die Rechte seiner Gattin an die Lippen. »Wäre ich nicht in dich verliebt, ich würde mich auf der Stelle in dich verlieben«, raunte er ihr zu.

Die Augen seiner Gattin wurden feucht. Seit ewigen Zeiten hatte er ihr keine Komplimente mehr gemacht. Sie schob liebevoll ihren Arm unter seinen, eine zierliche Frau, die einen Kopf kleiner war als der breitschultrige Mann.

Sie betet Vater an, dachte Elisabeth amüsiert. Ihr würde es niemals möglich sein, so etwas zu verstehen. Sie liebte ihren Vater auch, selbstverständlich, aber sie war absolut nicht blind für seine Schwächen. Sie war niemals blind für Schwächen anderer Menschen, allerdings auch nicht für ihre Vorzüge.

Komtess Moorland konnte mit Recht stolz sein auf ihr unbestechliches Urteil. Und deshalb würde sie auch niemals heiraten. Sie konnte sich nicht unterwerfen, und einen Mann, der eine Frau als gleichberechtigte Partnerin angesehen hätte, den gab es nicht.