Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 742 - Helga Winter - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 742 E-Book

Helga Winter

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Beschreibung

Anja und ihr Gatte Wolf Baron von Dinkesbühl sind sich in innigster Liebe zugetan. Leider ist ihr Glück nicht ungetrübt. Denn Baronin Katherina zeigt ihrer Schwiegertochter offen ihre Ablehnung, weil sie nichts mit in die Ehe einbrachte und es ihr nicht gelingt, ihrem Mann endlich einen Erben zu schenken.
Ihr Sohn bleibt von ihren Vorwürfen gänzlich unberührt. Doch eines Tages ändert sich das jäh. Auf Dinkesbühl hat ein Feuer die Ställe und Scheunen vernichtet, und der Baron steht vor dem Ruin. Zu allem Unglück findet er in einer Illustrierten Fotos seiner über alles geliebten Anja mit einem anderen Mann. Als Anja zu seinen Anklagen schweigt, verstößt er sie. Ihr Herz bricht.
Neun Monate später findet die alte Baronin Katherina einen wimmernden Säugling auf der Schwelle von Dinkesbühl ...


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Inhalt

Cover

Das unverzeihliche Schweigen

Vorschau

Impressum

Das unverzeihliche Schweigen

Warum ihre einzigartige Liebe ein so jähes Ende fand

Anja und ihr Gatte Wolf Baron von Dinkesbühl sind sich in innigster Liebe zugetan. Leider ist ihr Glück nicht ungetrübt. Denn Baronin Katherina zeigt ihrer Schwiegertochter offen ihre Ablehnung, weil sie nichts mit in die Ehe einbrachte und es ihr nicht gelingt, ihrem Mann endlich einen Erben zu schenken.

Ihr Sohn bleibt von ihren Vorwürfen gänzlich unberührt. Doch eines Tages ändert sich das jäh. Auf Dinkesbühl hat ein Feuer die Ställe und Scheunen vernichtet, und der Baron steht vor dem Ruin. Zu allem Unglück findet er in einer Illustrierten Fotos seiner über alles geliebten Anja mit einem anderen Mann. Als Anja zu seinen Anklagen schweigt, verstößt er sie. Ihr Herz bricht.

Neun Monate später findet die alte Baronin Katherina einen wimmernden Säugling auf der Schwelle von Dinkesbühl ...

»Was hast du denn durch diese Heirat erreicht?«

Die alte Dame sah ihren Sohn mit ihren noch immer von einem unbändigen Lebenswillen sprühenden Augen forschend an.

»Mutter ...« Wolf von Dinkesbühl machte einmal mehr einen schwachen Versuch, seiner Mutter zu erklären, dass er durch die Heirat nichts erreichen, sondern einfach glücklich werden wollte. Und das war ihm mit Anja gelungen. Aber seine Mutter wollte ihn nicht verstehen.

Für sie waren alte Namen, Tradition, Ehre, Ruhm und Reichtum alles. Und er, der einzige Sohn, hatte sie in der Beziehung mehr als enttäuscht. Gewiss, er war auf seine Vorfahren stolz, aber er überschätzte es keinesfalls, dass sein Urahn vor vielen hundert Jahren zum Ritter geschlagen worden war!

»Diese Frau schenkt dir noch nicht einmal einen Erben!«, schleuderte die alte Dame ihm nun böse entgegen.

In diesem Punkt musste Wolf seiner Mutter recht geben. Anja und er waren nun bereits seit einigen Jahren verheiratet, und noch immer hatte sich ihr Wunsch nach einem Kind nicht erfüllt. Seine Frau litt darunter mehr als er.

»Es gibt viele Ehen, die jahrelang kinderlos bleiben, und eines Tages stellt sich dann doch ein Kind ein, Mutter.«

»Glaubst du, ich bin blind?«, ereiferte die Baronin sich. »Meinst du, ich wüsste nicht, wie viele Ärzte deine Frau schon konsultiert hat? Und mit welchem Erfolg?«, höhnte sie.

Wolf zuckte zusammen.

»Wie lange duldest du noch, dass sie sinnlos dein Geld aus dem Fenster wirft?«, schob die alte Dame noch schnell hinterher.

»Das tut Anja niemals, und niemand weiß das besser als du, Mutter!«

»Wer bezahlt denn die Reisen zu den berühmten Ärzten?«

Wolf von Dinkesbühl biss sich auf die Lippen. Warum marterte ihn seine Mutter so sehr und hörte nicht auf, Anklagen gegen Anja zu erheben?

Sah sie denn nicht, wie liebenswert, wie selbstlos und großherzig sie war? Anja fuhr doch nur seinetwegen von einem Arzt zum anderen, dabei hatte er ihr noch niemals ihrer Kinderlosigkeit wegen Vorwürfe gemacht.

Leider hatte seine Mutter insofern recht, dass die letzten Ernten nicht gerade die besten gewesen waren. Geld hatte er im Moment bestimmt nicht übrig. Sie spielte immer wieder auf das leidige Geld an, weil seine Frau einst nichts besessen hatte.

Anja war der letzte Spross eines völlig verarmten Adelsgeschlechts und hatte sich als Gesellschafterin ihr Brot verdient, als er sie kennen und lieben gelernt und kurze Zeit später geheiratet hatte.

Seine Mutter vergaß ihm niemals, dass er seine langjährige Jugendfreundin Senta nicht zum Altar geführt hatte. Denn Senta besaß alle Vorzüge, die sie von seiner Frau erwartete! Sie war schön, ehrgeizig und reich – eine wunderbare Repräsentantin eines Hauses! Die alte Dame vergaß nur, dass er Senta zwar schätzte, aber keinesfalls liebte.

»Gestern sah ich Senta an mir vorbeifahren«, sagte Baronin Katherina da auch schon. »Sie steuerte schon wieder einen neuen großen Wagen.«

»Sie liebt elegante, schnelle, kostspielige Autos, und wie ich gehört habe, lässt ihr Mann ihr wohl in jeder Hinsicht jeden Willen.«

»Und wenn sie uns eines Tages besuchen würde?« Die hellen Frauenaugen waren voller Spannung.

»Ich könnte sie nicht daran hindern, Mutter.«

Senta hatte kurz nach ihm geheiratet, und Wolf wusste, dass sie den ersten besten Mann genommen hatte, der ihr einen Antrag gemacht hatte. Sie wollte Wolf zeigen, wie wenig ihr an ihm als Ehemann gelegen hatte.

Wolf hatte nicht gewusst, wie fest Senta daran geglaubt hatte, dass es zu einer Verbindung zwischen ihr und ihm kommen würde. Sie war ihrem betagten, aber steinreichen Gatten, einem Bankier, dann in die Großstadt gefolgt, und Wolf war froh darüber.

In letzter Zeit hielt sich Senta nun immer häufiger längere Zeit in der Heimat auf und machte mit ihren gewaltigen Straßenkreuzern die Gegend unsicher.

Natürlich war es im Laufe der Jahre unvermeidlich gewesen, dass man sich gelegentlich getroffen hatte, aber diese Begegnungen waren immer schnell und schmerzlos vorübergegangen. Und niemals hatte Senta bisher ihren Fuß über die Schwelle dieses Hauses gesetzt, in dem sie einst ein und aus gegangen war!

Nun wollte sie offenbar einmal kommen. Baron Wolf ahnte, dass sie nicht glücklich geworden war.

»Senta ist noch so schön wie einst«, schwärmte Baronin Katherina.

»Ich habe noch zu tun, Mutter, du erlaubst wohl, dass ich mich zurückziehe«, sagte der junge Baron, ohne darauf einzugehen.

Seine Mutter nickte.

♥♥♥

Schnellen Schrittes eilte Baron Wolf zu seiner Frau. Er musste Anja sehen und ihre weiche, klangvolle Stimme hören. Ähnliche Unterredungen mit seiner Mutter häuften sich in letzter Zeit.

»Anja«, sagte er, als er auf die zarte Frau zueilte und sie in die Arme schloss.

Frau Anja schmiegte sich an seine Brust. Sie wusste, dass er von seiner Mutter kam. Die junge Frau ahnte auch, warum ihr Mann dann immer so aufgewühlt war, obwohl er dieses Gefühl vor ihr zu verbergen suchte.

»Liebster«, flüsterte sie. »Ich liebe dich so sehr.«

Baron Wolf saß jetzt neben ihr auf dem Sofa. Ihre weichen, schönen Hände umschlossen sein Gesicht, und sie hoffte, er möge nicht die Angst in ihren Augen sehen, die Angst vor kommendem Unheil.

»Du bedeutest mir alles auf der Welt«, gab Wolf von Dinkesbühl innig zurück. Der Frauenkopf ruhte an seiner Brust. Anja fühlte sich glücklich und geborgen.

Kurze Zeit später musste Baron Wolf seine geliebte Frau allerdings allein lassen. Nach einem innigen Abschied wollte er zum Förster fahren, um mit ihm über das Schlagen der Tannenbäume zu Weihnachten zu sprechen.

»Komm bald wieder«, sagte Frau Anja. Wolf nahm den warmen Ausdruck ihres schönen Gesichtes, das Leuchten ihrer Augen mit. Sie schaute ihm nach, bis nichts mehr von seinem alten, klapprigen Wagen zu sehen war.

Es stand nicht gut um Dinkesbühl, das wusste sie. Doch Wolf tat alles, um ihr diesen Zustand zu verheimlichen. Stellte sie wirklich einmal eine diesbezügliche Frage, lachte er sie nur aus und nahm sie in die Arme.

»Närrchen«, raunte er ihr dann ins Ohr. »Du brauchst nicht zu fürchten, bei mir hungern zu müssen!«

Baronin Anja lächelte, als sie wieder einmal daran dachte, wie reich das Schicksal sie durch Wolfs innige Liebe beschenkt hatte.

Da klopfte es, und gleich darauf erschien auch schon ein altes Weiblein.

»Ich bringe nur ein Tässchen Tee«, sagte Resel.

Sie war bereits alt gewesen, als sie in dem Hause des völlig verarmten Freiherrn von Gulden als Mädchen für alles fungiert hatte. Aber die treue Seele war immer für die kleine Anja da gewesen.

Die gute Resel hatte das junge Mädchen getröstet, als es fassungslos am Grabe ihrer Mutter und kaum ein Jahr später an dem des Vaters bittere Tränen vergossen hatte. Plötzlich hatte Anja ganz allein auf der Welt gestanden und musste sich als Gesellschafterin einer nörgeligen alten Dame ihr Geld verdienen.

Nach einigen schweren Jahren hatte Anja Wolf von Dinkesbühl kennen und lieben gelernt und war innerhalb sehr kurzer Zeit seine Frau geworden.

Gleich nach der Hochzeit hatte die junge Frau ihren Gatten gebeten, die liebe alte Resel zu sich nehmen zu dürfen, was der ihr gern bewilligt hatte.

Seit einigen Tagen nun bestand Resel darauf, dass Frau Anja jeden Tag eine Tasse Tee trank, den sie ihr eigenhändig aus allerhand Kräutern zusammenbraute.

»Das wird der Frau Baronin guttun«, behauptete sie stets, wenn Anja nach dem Grund fragte.

Auch wenn die junge Baronin den nicht erfuhr, trank sie willigt den Tee, denn sie vertraute Resel vollkommen, und die würde schon wissen, warum sie ihr den Trank täglich braute.

♥♥♥

Einige Tage später fuhr ein schnittiger Wagen auf den Gutshof. Senta Müllerstedt, wie die einstige Baroness nach ihrer Verheiratung hieß, entstieg ihm. Frau Anja stand am Fenster und beobachtete den großen Auftritt der Nachbarstochter. Sie erkannte ohne Neid die Schönheit und die Eleganz dieser Frau an. Sicher war der Nerzmantel, den sie trug, sündhaft teuer gewesen.

Frau Anja hoffte, dass ihre Schwiegermutter sie nicht in den Salon bitten ließ.

Gottlob wurde ihr der Wunsch erfüllt. Eine gute Stunde später hörte Anja den schweren Wagen wieder davonbrausen.

Beim Mittagessen gab es für Baronin Katherina dann nur ein Thema, nämlich den Besuch der reichen Senta!

»Sie hat sich kein bisschen verändert und sprüht noch immer genauso vor Vitalität wie eh und je. Ich wette, dass sie in den Jahren ihrer Ehe die wilden Ritte nicht aufgegeben hat. Erinnerst du dich noch?«, wandte sich die alte Dame nur an ihren Sohn. »Wie oft jagtet ihr beide auf euren schnellen Pferden davon, dass ich oft um euer Leben fürchtete.«

»Ja, Mutter«, gab Wolf höflich zurück.

»Und euer erster gemeinsamer Ball! Ihr wart das schönste Paar im ganzen Saal und tanztet wundervoll zusammen!«, schwärmte die Baronin.

»Mutter, meinst du nicht auch, du solltest mit Rücksicht auf Anja diese Dinge ruhen lassen?«, fragte Wolf jetzt höflich, aber kühl. Es war das erste Mal, dass er seiner Mutter in diesem Ton entgegentrat.

»Deine Frau wäre eine Närrin, wenn sie auf deine schönen Jugenderinnerungen eifersüchtig wäre«, entgegnete die alte Baronin und blickte ihre Schwiegertochter voller Hass an.

Anja war von Herzen froh, als die Mahlzeit endlich beendet war.

»Nimm es Mutter nicht übel, Liebes, sie ist eine eigensinnige alte Frau, die sich in etwas verbohrt hat.« Wolf zog Anja in ihrem Wohnzimmer in die Arme und hielt sie ganz fest.

Sie nickte nur und versuchte zu verbergen, wie aufgewühlt sie war. So deutlich wie heute, hatte ihre Schwiegermutter ihre Vorliebe für die andere selten zum Ausdruck gebracht.

»Ich bin so glücklich mit dir«, hauchte Anja. Und Wolf von Dinkesbühl nahm seine junge Frau noch fester in die Arme. Ihre Welt um sie herum versank in einem langen, nicht endenden Kuss.

Doch erst, als nach einigen Tagen Resel ihrer geliebten Frau Baronin ganz »nebenbei« berichtete, dass die schöne Senta Müllerstedt plötzlich an das Bett ihres schwer erkrankten Gatten gerufen worden war, atmete Frau Anja auf.

Das Weihnachtsfest ging für die Gatten ruhig, still und harmonisch vorüber. Baronin Anja war hochmusikalisch und spielte vorzüglich Klavier. So setzte sie sich auch in diesem Jahr an den Flügel, spielte für die einfachen Gutsleute und sang mit ihnen die schönen alten Weihnachtslieder.

»Unsere Frau Baronin singt wie ein Engel«, sagte der Großknecht Jan. Und alle waren gerührt.

Gleich nach Weihnachten setzte klirrende Kälte ein. Die Dorfjugend zog bald mit ihren Schlittschuhen zu dem großen Weiher, der fest zugefroren war. Auch Frau Anja und ihr Gatte glitten so manches Mal über das spiegelblanke Eis und kamen beide mit roten Wangen, aber glücklich wieder heim.

»Du bist wunderschön, Anja«, versicherte Baron Wolf seiner jungen Frau immer wieder.

Es war bereits Ende Januar und noch immer bitterkalt, als Anja und Baron Wolf wieder zum Schlittschuhlaufen gingen.

Die junge Baronin, eine wirklich gute Läuferin, drehte eine Spirale, übersah dabei allerdings ein kleines Stöckchen, und im nächsten Moment war das Unglück auch schon geschehen.

Als ihr Gatte schnell hinzusprang, lag sie bereits stöhnend und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Eis.

»Anja, Liebes.« Mit unendlicher Vorsicht zog Wolf seine junge Frau empor. Ein größerer Junge sprang schnell hinzu, und mit seiner Hilfe gelang es Wolf, Anja zum Ufer zu bringen.

Gottlob war man heute mit dem Auto gekommen! Und so trug er die Leidende zu dem alten Wagen und hob sie vorsichtig hinein.

Dann raste Wolf zum Dorfarzt.

Dr. Meinhard brauchte nicht lange, um festzustellen, dass sich Anja den Knöchel gebrochen hatte.

»Das wird eine langwierige Geschichte, Frau Baronin«, meinte er bedauernd. Dann verarztete er sie.

Dr. Meinhard hatte Wolf von Dinkesbühl schon als junger Arzt bei allen möglichen Kinderkrankheiten behandelt. Er stand mit ihm auf sehr vertrautem Fuß.

»Und nun gebe ich Ihrer Gattin eine Spritze, danach schläft sie wunderbar!«

»Ich fühle mich schon wieder besser, Wolf, ganz gewiss.« Die junge Frau brachte sogar ein Lächeln zustande, das dem Arzt größte Hochachtung abnötigte.

Dann brachte man Frau Anja zum Wagen. Der Arzt fuhr mit nach Dinkesbühl, um den Transport zu überwachen.

Die gute Resel jammerte, als man Anja ins Haus trug. Doch dann eilte sie geschäftig hin und her, füllte eine Wärmflasche, braute Tee. Als sie ihn der jungen Frau reichen wollte, schlief diese bereits unter der Wirkung der Spritze.

Nach vier Wochen lag Frau Anja noch immer im Bett. Der komplizierte Bruch heilte nur sehr langsam. Der Arzt schaute alle paar Tage herein und sprach der Patientin Mut zu.

♥♥♥

Es ging schon bald auf den Frühling zu, die Arbeit häufte sich, und die junge Baronin lag tatenlos herum und musste sich auch noch bedienen lassen.

Anja wurde immer nervöser. Resel tat alles, was in ihrer Macht stand, um ihr über diese schwere Zeit hinwegzuhelfen.

»Sie müssen Geduld haben«, bat sie immer.

Frau Katherina kam jeden Tag pflichtgemäß zu ihrer Schwiegertochter und schwärmte ihr von der schönen Nachbarstochter vor. Und dass ihr so etwas natürlich nicht passiert wäre, erklärte die alte Baronin ziemlich unverblümt.

Sentas Gatte war kurz nach Weihnachten gestorben, hatte sie reicher und unabhängiger denn je zurückgelassen. Aber zu aller Erstaunen nutzte die junge Frau ihre Freiheit nicht dazu aus, sich in irgendwelchen Winterkurorten zu zerstreuen, sondern war in ihr Elternhaus zurückgekehrt. Dort lebte sie nun zurückgezogen, wie es sich für eine trauernde Witwe gehörte.

Da Frau Katherina in jüngster Zeit mitunter Besuche auf dem Nachbargut unternahm, traf sie immer wieder mit ihr zusammen.

Einmal kam Dr. Meinhard kurz nach dem Fortgehen der alten Dame zu Frau Anja. Sie lag blass, müde und erregt in den Kissen. Heute hatte ihr Baronin Katherina Vorhaltungen wegen ihrer Kinderlosigkeit gemacht.

»Meinst du wirklich, du kannst auf die Dauer einen Mann wie Wolf halten?«, hatte sie gesagt. »Ein Mann will wissen, für wen er arbeitet, er braucht Kinder, in denen er weiterlebt. Ich prophezeie dir, dass er dich eines Tages hassen wird!«

Anjas schlanke, sensible Hände hatten sich nervös auf der Bettdecke hin und her bewegt. Sie konnte ihrer Schwiegermutter nicht einmal widersprechen. Noch liebte Wolf sie, aber vielleicht würde er sie aufgrund ihrer Kinderlosigkeit eines Tages wirklich hassen.

Frau Anja war völlig aufgewühlt, als Dr. Meinhard an ihr Bett trat. Er sah auf den ersten Blick, wie unglücklich die junge Frau war. Ohne lange Fragen zu stellen, wusste er, was sie bewegte.

Der Arzt drückte ihre Hand und merkte, dass sie bebte. Frau Anja nahm sich eisern zusammen, aber am liebsten hätte sie wie ein hilfloses kleines Kind geweint.

»Sie können durchaus Mutter werden, Frau Baronin«, sagte er ganz ohne Einleitung. »Ich wüsste nicht, was sich da hindernd in den Weg stellen sollte!«

Ach, wie gern hätte ihm Anja geglaubt, aber im Laufe der Zeit war ihre Hoffnung zerbrochen.

Als Dr. Meinhard ging, drückte er ihr noch einmal herzlich die Hand und seufzte dabei leise. Er wusste, wie sehr die junge Baronin sich ein Kind wünschte und wie schwer es für sie war, mit der Mutter ihres Gatten zusammenleben zu müssen.

Zufällig lief ihm der Gutsherr über den Weg.

»Wie geht es meiner Frau?«, lautete wie immer Wolfs erste Frage.

»Tja ...«, murmelte Dr. Meinhard und krauste die Stirn.

»Doch nicht etwa schlechter?« Angst, Besorgnis und Liebe lagen in der Stimme und im Blick des Gutsherrn.

»Ihr Knöchel heilt langsam, wie ich es vorausgesehen habe, aber ...«

»Was aber, Doktor? Heraus mit der Sprache! Kommen Sie, bei einem Gläschen plaudert es sich besser.« So forderte Baron Wolf den Arzt zum Platznehmen auf, holte eine gute Flasche Kognak und stellte zwei Schwenkgläser auf den Tisch.

Nach dem ersten Glas verlangte er eine klare Antwort.