Lore-Roman 187 - Helga Winter - E-Book

Lore-Roman 187 E-Book

Helga Winter

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Beschreibung

Die hübsche Uschi Schierenbeck hatte leider schon viel Pech mit den Männern. Die kecke und temperamentvolle junge Frau musste gerade mal wieder die Anstellung kündigen, weil ihr Chef zudringlich wurde. Frustriert und enttäuscht von der Männerwelt beschließt sie, bei ihrer Tante auf dem Land Urlaub zu machen. In dem verschlafenen Dorf Gerringhausen gibt es außer Weiden und Vieh nichts, was interessiert für sie wäre. Doch Uschi täuscht sich gewaltig, denn ausgerechnet da trifft sie auf Volker, Sohn eines Großbauern. Er will die Städterin vom Fleck weg heiraten, aber Uschi lehnt ab. Im Vergleich zu ihrem Leben als Sekretärin ist das, was auf einem Bauernhof auf sie wartet, in ihren Augen unerträglich. Doch zurück in der Stadt kann sie Volker nicht vergessen. Er hat eine Lücke in ihrem Leben hinterlassen, die sich nicht schließen will. Sie liebt ihn, sie will mit ihm zusammen sein. Aber als Stadtkind auf dem Lande?

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Inhalt

Cover

Als Stadtkind auf dem Lande

Vorschau

Impressum

Als Stadtkind auf dem Lande

Wird Uschi dort glücklich werden?

Von Helga Winter

Die hübsche Uschi Schierenbeck hatte leider schon viel Pech mit den Männern. Die kecke und temperamentvolle junge Frau musste gerade mal wieder die Anstellung kündigen, weil ihr Chef zudringlich wurde. Frustriert und enttäuscht von der Männerwelt beschließt sie, bei ihrer Tante auf dem Land Urlaub zu machen. In dem verschlafenen Dorf Gerringhausen gibt es außer Weiden und Vieh nichts, was interessiert für sie wäre. Doch Uschi täuscht sich gewaltig, denn ausgerechnet da trifft sie auf Volker, Sohn eines Großbauern. Er will die Städterin vom Fleck weg heiraten, aber Uschi lehnt ab. Im Vergleich zu ihrem Leben als Sekretärin ist das, was auf einem Bauernhof auf sie wartet, in ihren Augen unerträglich. Doch zurück in der Stadt kann sie Volker nicht vergessen. Er hat eine Lücke in ihrem Leben hinterlassen, die sich nicht schließen will. Sie liebt ihn, sie will mit ihm zusammen sein. Aber als Stadtkind auf dem Lande?

Karl Lehmann lächelte verkrampft, als er Fräulein Hildenheims besorgten Blick auffing.

»Es muss sein«, sagte er leise, bevor er die beiden Tabletten mit Wasser herunterspülte. »Sie wissen ja, mein Herz.«

Hela Hildenheim nickte. »Die Arbeit hier wird Ihnen zu viel«, äußerte sie.

»Ja, ich habe schon manchmal gedacht, einfach alles hinzuwerfen. Wofür arbeite ich denn überhaupt noch? Als meine Frau noch lebte ...«

Seine Frau war vor zwei Jahren gestorben, und von diesem Schlag hatte Karl Lehmann sich nie richtig erholt. Sicher, er kam jeden Tag pünktlich in sein Büro, aber Hela hatte den Eindruck, als wäre sein kleiner Betrieb ihm im Grunde genommen gleichgültig.

»Ich habe schon manchmal daran gedacht, den Kram zu verkaufen. Aber wer würde schon etwas dafür geben? So groß ist unser Kundenstamm nicht, und reich werden kann man dabei auch nicht. Ich werde wohl weitermachen müssen. Als meine Frau noch lebte, haben wir immer davon geträumt, was wir alles tun wollten, wenn ich mich zur Ruhe gesetzt habe. Was für Pläne hatten wir ...«

»Wovon haben Sie denn geträumt?«, fragte Hela mit echter Anteilnahme.

»Wir wollten uns einen Wohnwagen kaufen und damit herumfahren. Den Winter irgendwo im Süden verbringen, in Spanien oder Marokko ... völlig unabhängig sein. Ja, und dann ...«

»Woran ist Ihre Frau eigentlich gestorben?«

»Ich glaube, das wussten die Ärzte selbst nicht genau. Sie ist plötzlich umgefallen, wir haben sie mit einem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht, und einen Tag später war sie schon tot. Und dann fragt man sich natürlich, wozu das alles? Wir haben immer für unser Alter gespart. Meine Frau hat sich einen Pelzmantel gewünscht, ich weiß es, auch wenn sie es nicht zugeben wollte. Sie hat darauf verzichtet, damit wir uns einen schönen, großen Wohnwagen kaufen können. Aber jetzt, so allein ... Ich habe einfach keine Lust, irgendetwas zu unternehmen. Es ist schlimm, allein zu sein, Fräulein Hildenheim.«

»Aber Sie sind doch nicht zu alt, um einen neuen Lebensanfang zu machen.«

Herr Lehmann zuckte die Schultern.

»Das sagen Sie so leicht. In meinem Alter findet man nur schwer wieder Anschluss. Und wo sollte ich jemanden kennenlernen?«

Er wirkte wirklich Mitleid erregend, wie er da hinter seinem Schreibtisch saß und vor sich hin starrte.

»Und wenn Sie eine Anzeige aufgeben würden?«, schlug Hela vor.

»Daran gedacht habe ich auch schon einmal.« Aber ihm hatte immer der Schwung gefehlt, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen. »Warum musste nur alles so kommen?«, sprach er aus, was ihm durch den Kopf ging. »Da haben wir nun immer gedacht, es ginge uns gut. Wir waren mit dem zufrieden, was wir hatten.«

»Soll ich vielleicht eine Anzeige für Sie aufgeben, Herr Lehmann? Es gibt genug Frauen, die in der gleichen Lage sind wie Sie, sich auch einsam fühlen, die jemanden suchen, für den sie sorgen können.«

»Ich weiß nicht recht. Vielleicht später einmal. War heute etwas Wichtiges bei der Post?«

»Zwei Kündigungen, keine großen Objekte. Die Häuser sind verkauft worden, die neuen Besitzer wollen auf unsere Dienste verzichten.«

»Immer Kündigungen, kaum neue Aufträge. Mit der Firma geht es auch bergab, genau wie mit mir.« Er zog die Schreibtischschublade auf und suchte seine Tabletten. »Am besten wäre es, es ginge mir wie meiner Frau, ich würde einfach umfallen und weg sein«, meinte er.

»Bitte, nehmen Sie nicht schon wieder Tabletten. Das kann einfach nicht gut sein.«

»Ist es auch nicht, aber wenn ich ewig diese Schmerzen habe.«

Du hast zu viel Zeit, dich mit deinen Wehwehchen zu beschäftigen, dachte Hela. Manchmal hätte sie Lehmann am liebsten gepackt und ordentlich durchgeschüttelt, damit wieder etwas mehr Schwung in ihn hineinkam. Früher war hier alles anders gewesen, da hatte er sich bemüht, aber jetzt ... Ihm war alles gleichgültig geworden, die eigentliche Arbeit lag allein in Helas Händen. Sicher, es machte ihr Spaß, aber letztlich trug ihr Chef die Verantwortung, nicht sie, und dabei hätte man aus diesem Betrieb so viel machen können. Würde er mir gehören, dachte Hela ...

»Sie tragen sich ernsthaft mit dem Gedanken, Ihre Firma zu verkaufen?«, fragte sie gespannt.

»Wenn ich einen Dummen finden würde, der diesen Laden hier haben wollte, ja. Aber wer hat schon Lust, sich mit Angestellten herumzuärgern, wenn es unter dem Strich nicht viel einbringt?«

»An wie viel hatten Sie gedacht?«, wollte Hela wissen.

»Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht«, bekannte der Mann. »Viel bekomme ich bestimmt nicht geboten. Ich brauche ja auch nicht viel, ich bekomme bald meine Rente, und ... na ja ... ein alter Mann wie ich stellt keine Ansprüche mehr. Und dann haben wir ja ganz schön etwas gespart.«

Helas Zungenspitze schob sich zwischen ihre Lippen, als sie nachdachte.

»Also mir würde es schon Spaß machen, diesen Betrieb zu übernehmen. Leider habe ich nur kein Geld, jedenfalls nicht viel.«

»Sie?«, fragte Lehmann geradezu schockiert. »Eine Frau? Ich weiß nicht ... ich glaube nicht, dass das gutgehen würde. Sie kennen doch unsere Leute, die würden sich nicht gern etwas von einer Frau sagen lassen, und wo Sie noch so jung und hübsch sind.«

»Ich würde mich schon durchsetzen. Überlegen Sie sich doch einmal, was Sie für Ihre Firma haben wollen, wenn Sie wirklich verkaufen wollen.«

»Sie haben Mut. Man merkt, dass Sie jung sind. Früher war ich auch einmal so. Da glaubte ich, die Welt stände mir offen, und ich würde alles schaffen, was ich mir in den Kopf gesetzt habe. Aber dann merkt man irgendwann ...« Er hatte den Faden verloren und starrte wieder leer vor sich hin, ein alter, verbrauchter Mann, der zu nichts mehr Lust hatte, weil ihm sein Leben so sinnlos vorkam.

Dabei war er Helas Meinung nach nicht so alt, um schon resignieren zu müssen. Körperlich fehlte ihm weiter nichts, seine Herzschmerzen würden verschwinden, sobald er neuen Lebensmut hatte, aber von selbst würde er das nicht schaffen. Schrecklich, wenn man sich so fallenlässt wie er, dachte Hela.

»Ja, wenn Sie meinen. Es ist ja egal, was aus der Firma wird, ich werde sie sowieso nicht mehr lange halten können.«

»Vielleicht auf Leibrente?«

Ich würde ja mein Gehalt einsparen, dachte sie, denn sie war gern bereit, für zwei zu arbeiten, wenn der Betrieb ihr gehörte. Und sie würde schon dafür sorgen, dass es wieder aufwärts ging.

»Sie sehen richtig unternehmungslustig aus«, murmelte Karl Lehmann müde. »Aber auch Sie werden es nicht schaffen. Die Konkurrenz schläft nicht.«

»Dann dürfen wir eben auch nicht schlafen. Wir müssten sehr viel mehr werben.«

»Werbung kostet Geld.« Nachdenklich schaute Karl Lehmann seine junge temperamentvolle Mitarbeiterin an. »Warum heiraten Sie eigentlich nicht, schaffen sich ein paar Kinder an und führen ein beschauliches Leben?«, fragte er. »Es kann Ihnen doch unmöglich Spaß machen, jeden Tag im Büro zu sitzen. Alle Frauen wollen eine Familie haben.«

»Das ist nur ein Vorurteil. Ich jedenfalls habe keine Lust, zu Hause herumzusitzen und zu putzen. Ich arbeite lieber und bin mein eigener Herr. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste einen Mann um jede Mark anbetteln, die ich ausgeben will ...«

Bei dieser Vorstellung schüttelte sie sich förmlich, und das sah so komisch aus, dass selbst der griesgrämige Karl Lehmann lachen musste.

»Wenn Sie lachen, sehen Sie gleich zehn Jahre jünger aus«, versicherte ihm Hela. »Ihr Einverständnis vorausgesetzt, gebe ich eine Anzeige auf, und dann werden wir weitersehen.«

Ihr Chef schnitt eine Grimasse. »Lieber nicht. Es ist bestimmt keine passende Frau für mich dabei.«

»Das müssen wir abwarten. Der Versuch lohnt sich auf jeden Fall, Herr Lehmann. Das Telefon.«

»Nehmen Sie ab«, bat Karl Lehmann, und dann öffnete er das Röhrchen mit den Tabletten.

»Nichts Wichtiges«, warf ihm Fräulein Hildenheim hin.

Einer ihrer Kunden hatte sich beschwert, aber sie dachte nicht daran, das an Herrn Lehmann weiterzugeben. Wozu sollte er sich unnötig aufregen? Sie würde die Sache schon in Ordnung bringen.

»Was halten Sie von einer Tasse Kaffee?«, fragte sie eine halbe Stunde später.

»Wenn Sie meinen ...«

***

»Fein, dass du pünktlich kommst«, freute sich Frau Hildenheim und lächelte ihrer Tochter zu.

»Bin ich denn nicht immer pünktlich?«, fragte Hela schmunzelnd zurück.

»Ja, du gehst überhaupt nie aus.«

»Und meine Mutter fragt sich besorgt, wie ich jemals einen passenden Mann finden soll«, ergänzte Hela übermütig. »Denn eine Frau braucht einen Mann, um zufrieden leben zu können. Basta.«

»Aber so ist es wirklich. Erzähl mir nicht, es würde einer Frau genügen, ein ganzes Leben lang zu arbeiten.«

»Demnach ist Hausarbeit keine Arbeit?«, fragte Hela schmunzelnd.

»Dreh mir nicht jedes Wort im Munde herum, du weißt schon, wie ich es gemeint habe. Wie war es heute im Büro?«

»Sehr interessant. Herr Lehmann trägt sich mit der Absicht, seine Firma zu verkaufen. Und deine Tochter spielt mit dem Gedanken, besagte Firma zu erwerben.«

»Was für einen Unsinn redest du da?« Anneliese Hildenheim konnte nur den Kopf schütteln. »Herr Lehmann würde dir den Betrieb nie überlassen.«

»Und warum nicht? Weil ich eine Frau bin? Eine Frau kann auch ihren Mann stehen, Mutter. Ich traue mir jedenfalls ohne Weiteres zu, den Betrieb besser zu leiten als Lehmann, viel besser sogar.«

»Du bist eben jung ...«

Hela holte tief Luft. Sie schluckte alles hinunter, was ihr auf der Zunge lag, denn gegen Vorurteile kommt man nicht mit Argumenten an.

»Ich suche übrigens eine passende Frau für Herrn Lehmann. Kennst du nicht eine, die einen friedlichen Witwer heiraten möchte?«

»Was sagst du da?«, fragte Helas Mutter irritiert.

»Doch. Ich habe Lehmann vorgeschlagen, durch eine Heiratsanzeige eine Frau zu suchen. Er kann nicht so weiterleben wie bisher, dabei geht der arme Mann buchstäblich zugrunde.«

»Aber es ist doch nicht deine Sache, sich darum zu kümmern. Lass die Finger davon, Hela, es ist nie gut, sich in die Privatangelegenheiten anderer Menschen einzumischen. Wenn es mit der neuen Firma nun nicht gutgeht ...«

»Das Risiko ist natürlich gegeben, aber damit muss Herr Lehmann rechnen. Und ich passe schon auf, dass Herr Lehmann nicht zu arg danebengreift. Ich werde die Bewerberinnen um seine Hand auf Herz und Nieren prüfen, bevor ich sie auf ihn loslasse. Vielleicht ist er bereit, mir die Firma auf Rentenbasis zu überlassen. Ob mir eine Bank wohl einen Kredit gewähren würde?«

»Du willst doch nicht etwa Schulden machen?«, fragte die Mutter entsetzt. »Also, daran darfst du überhaupt nicht denken! Solange ich lebe, habe ich nie einen Pfenning Schulden gemacht, immer alles bar bezahlt, was wir uns angeschafft haben.«

Voller Stolz schaute sie sich im Wohnzimmer um. Ja, sie hatte hart sparen müssen, um sich das alles kaufen zu können, aber von Anfang an hatte es dafür auch ihnen gehört, nicht irgendeiner Bank.

»Wetten, dass ich es einmal zu einem eigenen Haus bringe, wenn ich selbstständig bin?« Hela krauste einen Moment die Stirn. »Ob du es glaubst oder nicht, Mutsch, ich bin ziemlich ehrgeizig.«

»Unzufrieden bist du«, behauptete ihre Mutter gekränkt. »Hast du es bei uns nicht gut? Du hast ein eigenes Zimmer und deine Bequemlichkeit.«

»Und mehr kann ein Mensch nicht verlangen, wolltest du sagen«, fiel ihr Hela temperamentvoll ins Wort. »Mir genügt es eben nicht. Und Lehmanns Firma wäre eine Chance für mich. Wir haben einen soliden Kundenstamm, auf dem man aufbauen kann.«

»So etwas geht nie gut. Eine Frau als Chefin ...«

»Es gibt genug Frauen, die Betriebe leiten.«

»Ausnahmen. Und ob gerade du ...?«

»Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande«, meinte Hela nachsichtig. »Noch ist es ja auch nicht so weit. Ich denke, sie sollte so um die fünfundfünfzig Jahre alt sein, möglichst auch Witwe oder geschieden. Eine alte Jungfer hat wahrscheinlich mehr Mucken.«

»Wovon redest du eigentlich?«, fragte Anneliese Hildenheim irritiert.

»Von Herrn Lehmanns künftiger Frau. Sie brauchen ja nicht gleich zu heiraten, sollen sie ruhig eine Zeit lang so zusammenleben, bis sie wissen, ob sie zueinander passen.«

»Ideen hast du.«

»Ja, über die jungen Leute heutzutage kann man sich nur wundern«, bestätigte Hela mit freundlicher Ironie. »Was hast du eigentlich gegen meine Idee?«

»Ein Mann in seinem Alter ...«

»Sollte sich nur noch für seinen Sarg interessieren«, nahm Hela ihr das Wort aus dem Munde. »Davon halte ich gar nichts. Sie muss natürlich ein bisschen Schwung haben, darf kein wehleidiger Typ sein, und möglichst soll sie Freude am Campen haben. Das werde ich in der Anzeige unbedingt erwähnen.«

»Du solltest lieber selbst zusehen, einen Mann zu finden, das halte ich für viel vernünftiger. Schließlich wirst du auch nicht jünger. Als ich so alt war wie du, war ich schon zwei Jahre verheiratet.«

Hela lächelte nur. Es war gut, dass ihre Mutter mit ihrem Leben zufrieden war, aber falsch, dass sie glaubte, ihre Tochter müsste genauso denken und fühlen wie sie. Sie bewohnten eine preiswerte Drei-Zimmer-Altbauwohnung, günstig gelegen, aber sie lebten eben mit vielen anderen Parteien unter einem Dach.

Helas Traum war ein Haus im Grünen, ein Haus für sich ganz allein, ein Haus, um das man herumgehen konnte, ein Haus, in dem man die Nachbarn nicht sah und hörte.

Solch ein Haus kostete viel Geld, und als kleine Sekretärin würde sie es nie schaffen, sich solch ein Haus kaufen zu können. Es war bezeichnend für Hela, dass ihr niemals der Gedanke gekommen war, sich ihr Traumhaus zu erheiraten. Sie wollte es aus eigener Kraft schaffen, und sie war überzeugt, eines Tages würde es auch so weit sein. Hela Hildenheim war bereit, hart zu arbeiten.

»Hoffentlich überlegt er es sich nicht noch mal. Also, Mutsch, wenn ich die Firma übernehmen könnte ...«

»Deinem Vater wird es auch nicht gefallen. Jetzt weißt du jeden Monat, was du an Geld bekommst, aber wenn du selbstständig bist ... Und wenn du krank wirst, was ist dann? Und wer bezahlt dir deinen Urlaub? Nein, Kind, glaub' mir, Selbstständigkeit ist nichts.«

»So sieht es eine Beamtenfrau«, stellte Hela fest.

Ihr Vater war Oberinspektor bei der Post, ein Mann, der sich nie mehr gewünscht hatte und auch keinen Ehrgeiz entwickelte. Er erfüllte treu und brav seine Plicht, tat das, was von ihm verlangt wurde, aber seine Arbeit interessierte ihn im Grunde genommen überhaupt nicht.

Hela konnte sich solch ein Leben für sich selbst nicht vorstellen. Sie brauchte eine Arbeit, die ihr Spaß machte, sie interessierte, sie forderte. Und beim Gedanken an Selbstständigkeit wurde ihr richtig heiß.

Ihr Vater, ein stiller, zurückhaltender Mann, schüttelte nur den Kopf, als er hörte, was Hela vorhatte.

»Nun sag doch etwas dazu. Sie will sogar einen Kredit aufnehmen. Und wenn es schiefgeht, dann muss sie wer weiß wie lange für ihre Schulden arbeiten. Ich glaube einfach nicht, dass es gutgeht.«

»Hela ist alt genug, um zu wissen, was sie sich zutrauen darf«, meinte Rudolf Hildenheim schließlich in seiner bedächtigen Art.

»Ich habe solche Angst. Ich glaube nicht, dass sie es schaffen wird. Männer lassen sich nicht gern etwas von einer Frau sagen.«

Anneliese Hildenheim seufzte von ganzem Herzen. Da stand sie nun wieder einmal allein, und dabei wusste sie genau, dass sie recht hatte. Hela würde sich unglücklich machen, kläglich scheitern, am Schluss nicht nur mit leeren Händen dastehen, nein, sogar mit einem Haufen Schulden. Gab es denn nichts, was dieses Unglück verhindern konnte?

Immer wieder versuchte sie an diesem Abend, auf ihre Tochter einzuwirken, und immer vergeblich. Hela ließ sich einfach nichts sagen. Viel fehlte nicht, dann wäre ihre Mutter in Tränen ausgebrochen. Dass sie an ihrem Rudolf so gar keine Stütze hatte, wenn es um so etwas Wichtiges ging. Sie wurde richtig wütend, als der Mann später sofort einschlief, während sie beim besten Willen keinen Schlaf fand.

Aber vielleicht überlegte Herr Lehmann seinen Entschluss noch und behielt die Firma, das war die Hoffnung, an die Anneliese Hildenheim sich klammerte. Und schließlich war er ja nicht alt, der Herr Lehmann, und die Selbstständigen dachten ja sowieso nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen, solange sie noch arbeiten konnten, auch wenn sie eine Rente bezogen. Hoch würde sie schon nicht sein, Herr Lehmann war schon lange selbstständig. Was er früher einmal gemacht hatte, wusste Helas Mutter nicht. Es war ja auch egal.

Auch Hela schlief in dieser Nacht unruhig. Im Geiste hatte sie den Text der Heiratsanzeige formuliert und würde ihn gleich morgen früh telefonisch durchgeben, aber viel mehr noch kreisten ihre Gedanken um die Möglichkeit, die sich ihr durch eine Übernahme der Gehwegreinigung bot. Wenn es doch nur klappen würde ...

***

Am nächsten Tag kam Herr Lehmann mit keinem Wort auf seine Absicht zurück, sich von seiner Firma zu trennen, und von sich aus mochte Hela das Thema nicht anschneiden. Die Anzeige hatte sie frühmorgens aufgegeben, zwei Tage später sollte sie in der Tageszeitung erscheinen. Hela war auf das Echo gespannt. Vielleicht erwarte ich zu viel, überlegte sie, und vielleicht schneide ich mir ins eigene Fleisch, wenn ich Herrn Lehmann eine Frau besorge, war ihr zweiter Gedanke. Vielleicht bekam er dann ja wieder mehr Lust zum Arbeiten? Aber diese Überlegungen waren für Hela kein Grund, ihren Plan etwa aufzugeben.

Sie machte pünktlich Feierabend, weil sie sich noch eine Bluse kaufen wollte. Zeit genug hatte sie, mehr als anderthalb Stunden, und sie war überzeugt, schon bald das Richtige zu finden.

»Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen«, verabschiedete sie sich von Herrn Lehmann, der es allerdings nicht fertigbrachte, ihr Lächeln zu erwidern.

»Danke, Ihnen auch«, gab der Mann mürrisch zurück.