Die MacGregors 1. Das Spiel beginnt - Nora Roberts - E-Book

Die MacGregors 1. Das Spiel beginnt E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Familie, Liebe, Leidenschaft: Der faszinierende MacGregor-Clan.

Serena MacGregor braucht Freiheit und Abenteuer wie die Luft zum Leben. Bei ihrem Job am Black-Jack-Spieltisch auf einem Kreuzfahrtschiff spürt sie, wie lebendig sie ist. Sie erzählt niemandem dort von ihrem wohlhabenden Elternhaus. Der mysteriöse Justin Blade weiß, dass die faszinierende blonde Frau anders ist. Und so entscheidet er sich, das größte Risiko seines Lebens einzugehen und etwas zu tun, das er noch nie getan hat: Mit höchstem Einsatz spielen, um sie für sich zu gewinnen. Für mehr als eine Nacht.

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Nora Roberts

Die MacGregors 1

Das Spiel beginnt

Roman

Aus dem Amerikanischen von Patrick Hansen

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

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Die Originalausgabe Playing The Oddsist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen.
Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.
Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH & Co. KG, HamburgUmschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Fotos von Thinkstock/comstockSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-12063-4V003
www.penguinrandomhouse.de/nora-roberts

1. KAPITEL

Es herrschte immer viel Verwirrung, noch mehr Lärm und eine Spur von Panik, wenn die neuen Passagiere eintrafen. Einige waren schon etwas erschöpft von der Anreise nach Miami, andere voller Vorfreude. Das riesige weiße Kreuzfahrtschiff, die »Celebration«, wartete im Hafen – das Ticket für Spaß, Entspannung, Romantik. Wenn sie die Gangway hinter sich hatten, waren sie keine Buchhalter oder Lehrer mehr, sondern umsorgte Passagiere, die zehn Tage lang ernährt, verwöhnt und unterhalten wurden, wie in den Prospekten versprochen.

Von der Reling des Aussichtsdecks aus beobachtete Serena den Menschenstrom. Aus sicherer Entfernung konnte sie die Farben und den Lärm genießen, ohne im Gewühl von fünfzehnhundert drängelnden Menschen unterzugehen. Die Köche, die Barkeeper, die Stewards hatten bereits mit der Orgie der Arbeit begonnen, die während der nächsten zehn Tage ununterbrochen anhalten würde. Aber Serena hatte noch Zeit.

Sie liebte diese erholsamen Momente, bevor das Schiff den Hafen verließ. Sie konnte sich noch an ihre erste Erfahrung auf einem Kreuzfahrtschiff erinnern. Sie war acht gewesen, das jüngste der drei Kinder von Daniel MacGregor, dem Finanzgenie, und Dr. Anna Whitfield MacGregor. Sie hatten Erste-Klasse-Kabinen gehabt, in denen die Stewards warme Brötchen und frische Säfte am Bett servierten. Serena hatte den Luxus so genossen, wie sie jetzt ihre winzige Kabine auf dem Mannschaftsdeck genoss. Beides war für sie ein Abenteuer.

Serena wusste noch, wie pikiert ihr Vater gewesen war, als sie sich um einen Job auf der »Celebration« beworben hatte. Ein Frau, die im zarten Alter von zwanzig ihr Examen auf dem Smith College gemacht und danach akademische Grade in Englisch, Geschichte und Soziologie erworben hatte, schrubbte keine Schiffsdecks. Serena hatte nur gelacht, und ihre Mutter hatte Daniel aufgefordert, dem Kind seinen Willen zu lassen.

Also hatte Serena ihren Job bekommen und die Dreizimmersuite in der Familienvilla in Hyannis Port gegen eine Besenkammer mit Pritsche in einem schwimmenden Hotel vertauscht. Keinen ihrer Kollegen interessierte, wie hoch ihr IQ war oder welche Universitätsabschlüsse sie erworben hatte. Sie wussten nicht, dass ihr Vater die komplette Kreuzfahrtreederei hätte kaufen können oder dass ihre Mutter eine Autorität auf dem Gebiet der Thorax-Chirurgie war. Sie wussten auch nicht, dass ihr ältester Bruder Senator und der jüngere Generalstaatsanwalt war. Wenn sie sie ansahen, sahen sie Serena. Das war alles, was sie wollte.

Sie hob den Kopf, hielt das Haar in den Wind. Es tanzte in der Brise, eine blonde Masse, ein sattes Gold, wie es sich auf alten Gemälden fand. Sie hatte hohe Wangenknochen und ein energisches Kinn. Ihre Haut weigerte sich, braun zu werden, blieb pfirsichfarben und ein Kontrast zu den violettblauen Augen, deren Einzigartigkeit die Männer anzog. Serena strahlte elegante Sinnlichkeit aus, war aber an den Männern nicht sonderlich interessiert. Seit sechsundzwanzig Jahren hörte sie sich nun schon Lobgesänge auf ihre Augen an und fand diese zunehmend langweilig.

Unter ihr ebbte der Strom der an Bord kommenden Passagiere langsam ab. Bald würde die Calypso-Band auf dem Lido-Deck spielen, während das Schiff sich aufs Auslaufen vorbereitete. Serena würde draußen bleiben, um die Musik und das Gelächter zu genießen. Es würde ein Büfett geben, mit mehr Köstlichkeiten, als die über tausend Gäste verzehren konnten, exotische Drinks und eine lebhafte Atmosphäre. Die Passagiere würden sich an die Reling drängen, um einen letzten Blick an Land zu werfen, bevor es nur noch die offene See gab.

Wehmütig sah sie den Nachzüglern entgegen. Es war die letzte Kreuzfahrt der Saison. Wenn sie nach Miami zurückkehrten, würde die »Celebration« für zwei Monate ins Trockendock gehen. Und wenn sie wieder auslief, würde Serena nicht mehr an Bord sein. Sie hatte beschlossen weiterzuziehen. In dem einen Jahr, in dem sie diesen Job gemacht hatte, hatte sie gefunden, was sie suchte. Freiheit von den Jahren des Studiums, von familiären Erwartungen, von ihrer eigenen Rastlosigkeit. Sie hatte die Unabhängigkeit gefunden, die sie immer angestrebt hatte. Und sie war der Nische entflohen, die so viele ihrer College-Freundinnen zielstrebig ansteuerten: eine gute Ehe.

Nur das Allerwichtigste hatte sie nicht gefunden: das Ziel. Was wollte Serena MacGregor mit dem Rest ihres Lebens anfangen? Sie wollte keine politische Karriere, wie ihre beiden Brüder sie gewählt hatten. Sie wollte nicht unterrichten. Sie wollte Herausforderungen. Und wie immer die aussehen mochten, sie würde sie nicht finden, indem sie endlos in der Karibik herumkreuzte.

Zeit von Bord zu gehen, Rena, dachte sie lächelnd. Das nächste Abenteuer wartet um die Ecke. Nicht zu wissen, wie es aussah, machte die Sache noch spannender.

Der erste lange Ton der Schiffssirene war ihr Zeichen. Serena ging in ihre Kabine, um sich umzuziehen.

Dreißig Minuten später betrat sie das Schiffscasino in dem leicht abgewandelten Smoking, den sie als Uniform trug. Ihr Haar lag in einem lockeren Knoten im Nacken, damit es ihr nicht ins Gesicht fiel. Ihre Hände würden bald viel zu beschäftigt sein, um sich auch noch damit abzugeben, es sich hinters Ohr zu stecken.

Die Kronleuchter ergossen ihr Licht auf den rot-gelben Artdéco-Teppich. Lange geschwungene Fenster gaben den Blick auf das Promenadendeck und die blaugrüne See frei. An den anderen Wänden standen Spielautomaten, stumm wie Soldaten vor dem Angriff. Serena zupfte an ihrer Fliege und ging zu ihrem Vorgesetzten. Das schwankende Deck unter ihren Füßen registrierte sie längst nicht mehr.

»Serena MacGregor meldet sich zum Dienst, Sir«, sagte sie.

Dale Zimmermann hatte die Figur eines Leichtgewichtboxers und galt an Bord als großartiger Liebhaber. »Rena, bekommst du das Ding denn nie richtig hin?« Er schob sich das Klemmbrett unter den Arm und rückte Serenas Fliege gerade.

»Ich muss dir doch was zu tun geben.«

»Weißt du, Darling, wenn du nach dieser Fahrt wirklich aussteigen willst, ist dies deine letzte Chance, das Paradies zu erleben.« Er hob den Blick und grinste.

Serena zog eine Augenbraue hoch. Was Dale vor einem Jahr als heißen, aber erfolglosen Verführungsversuch begonnen hatte, war zu einer überraschend harmonischen Freundschaft geworden. »Ich werde es mir nie verzeihen«, erwiderte sie seufzend. »Hast du die kleine Rothaarige aus Süd-Dakota glücklich gemacht?«

»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du zu viel siehst?«

»Dauernd. Welchen Tisch habe ich?«

»Zwei.« Dale sah ihr nach, als sie davonging. Wenn ihm vor einem Jahr jemand gesagt hätte, dass eine Klassefrau wie Serena brüderliche Gefühle in ihm wecken würde, hätte er ihn zum Psychiater geschickt.

Auch andere Männer und Frauen in Smokings bezogen ihre Posten. Neben Serena stand der junge Italiener, der gerade erst zum Croupier befördert worden war. »Es wird ein langer Abend, Tony«, sagte sie und sah zur Glastür hinüber. Dale gab das Signal, sie zu öffnen.

Die Passagiere strömten herein. Wenn das Dinner serviert wurde, würde die Zahl der Gäste abnehmen, um anschließend bis nach Mitternacht beständig zuzunehmen. Die Kleidung war lässig – Shorts und Jeans, das Outfit für einen Nachmittag im Spielsalon. Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Musik vom Promenadendeck im Lärm der Automaten unterging.

Es gab Gäste, die sich nur amüsieren wollten, ob sie nun gewannen oder nicht. Und Zuschauer, die eine Weile brauchten, bis sie sich an einen Tisch oder Automaten trauten. Und dann waren da die echten Spieler, die das Gewinnen und Verlieren zu einer Kunst entwickelt hatten. Oder zu einer Besessenheit.

Serena lächelte den fünf Gästen an ihrem Tisch zu und öffnete vier versiegelte Packungen neuer Spielkarten.

»Willkommen an Bord«, sagte sie und begann die Karten auszugeben.

Während ihrer ersten Schicht wechselte Serena alle dreißig Minuten den Tisch und arbeitete sich langsam durchs Casino. Weil die Karten und die Leute sich ständig änderten, wurde es ihr nie langweilig. Sie hatte den Job gewählt, um Menschen kennenzulernen. Im Moment hatte sie einen Texaner, zwei New Yorker, einen Koreaner und einen Mann aus Georgia am Tisch. Die Gäste an ihrem Akzent zu erkennen gehörte für sie zur Arbeit wie die Karten, die sie auf den Filz gleiten ließ.

Serena gab die zweite Karte aus, warf einen Blick auf ihre eigene und war mit der Achtzehn zufrieden. Der erste New Yorker zählte seine Karten und schnaubte, hielt aber mit. Der Koreaner stieg mit Zweiundzwanzig aus und verließ den Tisch. Die Frau aus New York, eine schlanke Blondine in einem schwarzen Abendkleid, hatte eine Neun und eine Dame und blieb im Spiel.

»Ich nehme noch eine«, sagte der Mann aus Georgia. Er zählte achtzehn, sah Serena nachdenklich an und hielt mit.

Der Typ aus Texas ließ sich Zeit. Er hatte vierzehn, und die Acht, die Serena aufgedeckt hatte, gefiel ihm nicht. Er rieb sich das Kinn, nahm einen Schluck Bourbon und nickte Serena auffordernd zu. Sie präsentierte ihm eine Neun.

»Sweetheart«, sagte er und beugte sich vor. »Sie sind einfach zu hübsch, um einem Mann auf diese Weise Geld abzunehmen.«

»Tut mir leid.« Lächelnd drehte sie die Karte um und sah erst jetzt die Hundertdollarnote auf dem Tisch.

Jemand hatte den Platz des Koreaners eingenommen. Sie sah hoch, direkt in ein Paar grüner Augen – kühl, ohne Tiefe, mit offenem Blick. Es war ein kaltes Grün, mit einem bernsteinfarbenen Rand um die Iris. Ein eisiges Gefühl lief ihr über den Rücken. Serena zwang sich, den Mann anzusehen.

Er hatte das schmale Gesicht eines Aristokraten, aber Serena ahnte sofort, dass er kein Fürst oder Prinz war. Ein Herrscher, aber kein König. Er war der Typ Mann, der rücksichtslose Coups plante und damit Erfolg hatte. Sein dichtes schwarzes Haar reichte ihm über die Ohren und den Kragen des weißen Seidenhemds. Die straffe Gesichtshaut war so gebräunt wie die von Dale, aber Serena bezweifelte, dass er auf seinen Teint achtete. Dieser Mann stellte sich den Elementen, ohne einen Gedanken an sein Aussehen zu verschwenden.

Er flegelte sich nicht an dem Tisch wie der Texaner oder saß mit hängenden Schultern da wie der Mann aus Georgia, sondern hatte die Haltung einer geduldigen Raubkatze, die jederzeit zuschlagen konnte. Erst als er eine Augenbraue leicht nach oben zucken ließ, ging Serena auf, dass sie ihn die ganze Zeit angestarrt hatte.

»Hundert«, sagte sie energisch und ärgerte sich über sich selbst. Sie schob den Schein in den Schlitz im Tisch und zählte ihm die Jetons hin. Als die Wetten platziert waren, gab sie die Karten aus.

Der Neuankömmling mit dem gefährlichen Gesicht steckte sich ein Zigarillo an und spielte schweigend. Serena wusste schon jetzt, dass er ein Spielertyp war.

Sein Name war Justin Blade. Seine Vorfahren hatten schnelle Pferde geritten und mit Pfeil und Bogen gejagt. Was die aristokratische Herkunft betraf, so hatte Serena richtiggelegen, obwohl er nicht von königlichem Geblüt war. Ein Teil davon stammte von französischen Einwanderern, ein Spritzer von walisischen Minenarbeitern, der Rest war reines Komantschenblut.

Trotz der indianischen Abstammung hatte er nie in einem Reservat gelebt, und obwohl er in der Jugend die Armut kennengelernt hatte, wusste er, wie sich Seide auf der Haut anfühlte. Seinen ersten Erfolg hatte er mit fünfzehn im Hinterzimmer eines Billardsalons gehabt. In den zwanzig Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte er elegantere Spiele gespielt. Er war, wie Serena ahnte, ein Spielertyp, ein Hasardeur. Und schon jetzt wog er seine Chancen ab.

Er hatte das Casino betreten, um sich die Zeit zu vertreiben. Kleine Einsätze waren entspannend, wenn man es sich leisten konnte, zu verlieren. Dann hatte er sie gesehen. Sein Blick war über andere Frauen in Abendkleidern, über den Glanz von Gold und das Funkeln von Juwelen gewandert, bis er auf die Blondine im Smoking fiel. Sie hatte einen schlanken Hals, den ihr Haarstil und das gerüschte Hemd noch unterstrichen. Ihre Haltung verriet Klasse. Aber was ihn am meisten faszinierte, war die unverhohlene Sexualität, die sie ohne jede Bewegung, ohne jedes Wort verströmte.

Justin betrachtete ihre Hände, als sie die Karten austeilte. Sie waren exquisit – schmal, mit langen Fingern und zartblauen Adern unter der cremigen Haut. Die Nägel waren oval und perfekt, farbloser Lack verlieh ihnen zusätzlichen Glanz. Es waren Hände für zerbrechliche Teetassen und feines französisches Gebäck. Die Art von Händen, die ein Mann auf seiner Haut spüren wollte.

Er hob den Blick und sah direkt in ihre Augen. Leicht irritiert erwiderte Serena den Blick. Warum machte dieser schweigende Mann sie zugleich nervös und neugierig? Er hatte noch kein einziges Wort gesagt, weder zu ihr noch zu den anderen am Tisch. Obwohl er mit geradezu professioneller Beständigkeit gewann, schien er sich nicht darüber zu freuen. Eigentlich schien er gar nicht auf das Spiel zu achten. Stattdessen starrte er sie ruhig und aufmerksam an.

»Fünfzehn«, sagte Serena kühl und zeigte auf die Karten vor ihm. Justin nickte und nahm eine Sechs, ohne den Gesichtsausdruck zu verändern.

»Verdammtes Glück, mein Junge«, erklärte der Texaner jovial und starrte auf sein eigenes mageres Häufchen Jetons. »Bin froh, dass wenigstens einer es hat.« Er stöhnte auf, als Serena ihm die Karte gab, die ihn mit zweiundzwanzig aus dem Spiel warf.

Als sie Justin zwei 25-Dollar-Jetons zuschob, berührten seine Fingerspitzen ihre. Die Berührung war leicht, aber wirkungsvoll genug, um sie hochsehen zu lassen. Er blickte sie an und ließ seine Hand, wo sie war. Es gab keinen Druck, kein flirtendes Drücken, aber es kostete Serena dennoch große Mühe, ihre Hand zurückzuziehen.

»Neuer Geber«, verkündete sie ruhig und stand auf. »Ich wünsche Ihnen noch einen netten Abend.« Sie wechselte an den nächsten Tisch und nahm sich fest vor, keinen Blick über die Schulter zu werfen. Natürlich tat sie es trotzdem, und ihr Blick sog sich an seinem fest.

Wütend schüttelte sie den Kopf. Ihre Miene wurde herausfordernd. Zum ersten Mal an diesem Abend sah sie, wie sein Mund sich zu einem Lächeln verzog – einem Lächeln, das die Züge und Flächen seines Gesichts kaum veränderte. Justin neigte den Kopf, als würde er die Herausforderung annehmen. Serena kehrte ihm demonstrativ den Rücken zu.

»Guten Abend«, begrüßte sie die neuen Spieler.

Der Mond stand hoch am Himmel, sein Licht schlug eine helle Schneise durchs schwarze Wasser. Von der Reling aus konnte Serena die weißen Kronen der Wellen sehen, die am Schiff vorbeiglitten. Es war nach zwei Uhr morgens, und außer ihr kein Mensch an Deck. Sie mochte diese Zeit. Die Passagiere schliefen, die Frühschicht hatte noch nicht begonnen. Sie war allein mit der See und dem Wind.

Sie atmete die salzige Nacht ein. Im Morgengrauen würden sie Nassau erreichen, und im Hafen blieb das Casino geschlossen. Sie hatte den Vormittag frei. Der Abend wäre ihr lieber gewesen.

»Die Nacht passt zu Ihnen.«

Serenas Hände legten sich fester um die Reling. Obwohl sie seine Stimme nicht kannte und seine Schritte nicht gehört hatte, wusste sie, wer hinter ihr stand. So langsam wie möglich drehte sie sich zu ihm um und bemühte sich, möglichst neutral zu wirken.

»Ist Ihnen das Glück treu geblieben?«, fragte sie.

Justin sah ihr ins Gesicht. »Offensichtlich.«

Sie versuchte von seinem Akzent auf seine Herkunft zu schließen. Es ging nicht. Seine Stimme war tief und melodisch und ohne jede Färbung. »Sie sind sehr gut«, sagte sie. »Einen Profi haben wir nur selten im Casino.« In seinen Augen schien Belustigung aufzublitzen, bevor er ein Zigarillo hervorholte und es ansteckte. »Genießen Sie die Reise?«

»Mehr, als ich erwartet habe.« Nachdenklich zog er am Zigarillo. »Und Sie?«

Serena lächelte. »Es ist mein Job.«

Justin lehnte sich neben ihr an die Reling und legte die Hand neben ihre. »Das ist keine Antwort, Serena.«

Da sie ein Namensschild trug, zog sie lediglich eine Augenbraue hoch, als er ihren Namen nannte. »Es macht mir Spaß, Mr. …?«

»Blade«, erwiderte er leise und strich mit der Fingerspitze an ihrem Kinn entlang. »Justin Blade. Merken Sie ihn sich.«

Serena zuckte nicht zurück, sondern musterte ihn ernst. »Ich habe ein gutes Gedächtnis.«

Er nickte. »Deshalb sind Sie auch eine gute Geberin. Seit wann machen Sie das?«

»Seit einem Jahr.« Obwohl er sie nicht mehr berührte, kühlte ihr Blut nicht ab.

Überrascht nahm Justin einen letzten Zug und trat das Zigarillo aus. Er nahm ihre Hand von der Reling, drehte sie um und betrachtete die Handfläche. »Was haben Sie vorher gemacht?«

Obwohl ihr Verstand ihr sagte, dass ein Rückzug jetzt ein weiser Schritt wäre, ließ Serena ihre Hand in seiner. »Ich habe studiert.«

»Was?«

»Was immer mich interessiert hat. Was tun Sie?«

»Was immer mich interessiert.«

Sie lachte, ein leiser, verführerischer Laut, der an seiner Haut entlangwisperte. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie das völlig ernst meinen, Mr. Blade.« Sie wollte ihm ihre Hand entziehen, aber seine Finger schlossen sich darum.

»Das tue ich«, murmelte er. »Mein Name ist Justin, Serena.« Sein Blick wanderte über das verlassene Deck, dann auf die dunkle, endlose See hinaus. »Dies ist nicht der Ort für Förmlichkeit.«

»Für die Mannschaft gelten beim Umgang mit Passagieren bestimmte Regeln«, sagte sie scharf. »Ich brauche meine Hand.«

Er lächelte. »Ich auch.« Er hob sie an den Mund und presste die Lippen in die Mitte der Handfläche. Serena spürte die Nachwirkung des Kusses in jeder Pore. »Und ich nehme mir, was ich brauche«, murmelte er an ihrer Haut.

Sie atmete schneller, ohne dass es ihr bewusst wurde. Auf dem dunklen leeren Deck war er kaum mehr als ein Schatten mit einer Stimme, bei deren Klang es sie heiß überlief, und gefährlichen Augen. Serena registrierte ihr heftiges Verlangen, und ihr Unmut darüber schlug in Verärgerung um.

»Diesmal nicht. Ich gehe hinein. Es ist spät.«

Justin hielt ihre Hand fest und zog die Nadeln aus ihrem Haar, warf sie ins Meer. Das Haar fiel ihr auf die Schultern. Seine Kühnheit verblüffte Serena. Sie funkelte ihn an.

»Spät«, wiederholte er und strich mit den Fingern durch die blonde Mähne. »Aber Sie sind eine Frau für die dunklen Stunden. Das habe ich gleich gedacht, als ich Sie sah.« Er drehte sich, bis Serena zwischen seinem Körper und der Reling gefangen war. Ihr Haar flatterte über dem Wasser, vom Wind erfasst, und ihre Haut schimmerte im Mondlicht wie Marmor.

»Wissen Sie, was ich dachte?«, fragte Serena. »Ich fand Sie unhöflich und provozierend.«

Er lachte. »Wie’s aussieht, hatten wir beide recht. Sollte ich Ihnen sagen, dass ich mich kaum aufs Spiel konzentrieren konnte, weil ich mich immerzu gefragt habe, wie Ihre Lippen wohl schmecken?«

Serena stand reglos da. Nur die goldenen Strähnen tanzten um ihr Gesicht. Dann hob sich ihr Kinn. »Wirklich schade«, sagte sie leise und ballte eine Hand zur Faust. Sie würde ihm einen Aufwärtshaken verpassen, so wie sie es von ihren Brüdern gelernt hatte.

»Es kommt selten vor, dass ich mich ablenken lasse.« Er beugte sich vor. »Sie haben die Augen einer Hexe. Ich bin ein abergläubischer Mann.«

»Arrogant«, verbesserte Serena ruhig. »Abergläubisch wohl kaum.«

»Glauben Sie an das Glück, Serena?«

»Ja.« Und an eine gute Rechte. Sie spürte, wie seine Finger unter ihr Haar und in den Nacken glitten. Sein Mund näherte sich ihrem. Irgendwie brachte sein warmer Atem ihre Lippen dazu, sich zu öffnen. Ihre Konzentration ließ nach.

Während er ihre Handfläche mit einem Finger streichelte, holte Serena mit dem freien Arm aus und zielte auf seinen Bauch.

Nicht mehr als eine Handbreit vor dem Ziel wurde ihre Faust von einem festen Griff aufgehalten. Sie wollte sie losreißen, aber er lachte nur. »Ihre Augen verraten Sie«, sagte er. »Daran werden Sie arbeiten müssen.«

»Wenn Sie mich nicht loslassen, werde ich …« Die Drohung verklang, als seine Lippen ihre streiften. Es war kein Kuss, sondern eine Versuchung. Seine Zunge befeuchtete ihre Lippen.

»Was werden Sie?«, flüsterte er, den Mund an ihrem. Ihre Lippen dufteten leicht nach See und Sommer. Als sie nicht antwortete, zog er mit der Zungenspitze die Konturen ihres Mundes nach. Er prägte sie sich ein, kostete den Geschmack aus und wartete.

Serena wurden die Lider schwer. Ihre Augen fielen zu, und die Muskeln entspannten sich. Die Faust in seiner Hand wurde kraftlos. Zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte, dachte sie an nichts mehr. Sie spürte den winzigen erregenden Schmerz, während er an ihrer vollen Unterlippe knabberte. Sein Mund war viel weicher, als sie es sich bei einem Mann hatte vorstellen können, wie Seide auf bloßer Haut. Sein Duft war würzig, exotisch und, abgesehen vom Tabak, nur sein eigener. Er flüsterte ihren Namen so, wie sie ihn noch nie gehört hatte. Serena gab den Widerstand auf, ließ zu, dass ihre Arme sich um seinen Hals schlangen, und legte den Kopf einladend in den Nacken.

Justin griff in ihr Haar. »Mach die Augen auf«, verlangte er. »Sieh mich an, wenn ich dich küsse.«

Dann fiel sein Mund über ihren her, rücksichtslos, plündernd. Er hörte seinen Herzschlag, als er weiter vordrang. Ihre Zunge kam seiner entgegen, reagierte so wild, wie seine es vorgab. Fasziniert beobachtete er, wie sich ihre Augen vor Leidenschaft verdunkelten. Sie stöhnte auf, ihre Augen schlossen sich, und sein Blick wurde verschwommen.

Serena fühlte, wie die Begierde sie wie mit Macht ergriff. Bedürfnisse, Sehnsüchte, Geheimnisse, sie alle wurden in einer einzigen Explosion der Gefühle enthüllt. Noch während sie danach hungerte, sie zu erfüllen, wurde ihr klar, dass dieser Mann ihr bis auf den Grund der Seele blicken konnte. Und sie wusste nichts über ihn. Sie wollte sich befreien, doch er hielt sie fest.

Als sie es dann doch geschafft hatte, sich aus seiner Umarmung zu winden, atmete sie tief durch. Wie immer schützte sie sich, indem sie Angst in Zorn verwandelte.

»Wenn Sie Ihren Prospekt lesen, werden Sie feststellen, dass der Reisepreis keine Selbstbedienung bei der Mannschaft einschließt.«

»Gewisse Dinge haben keinen Preis, Serena.«

Sie wich zurück. »Halten Sie sich von mir fern.«

Justin lehnte sich an die Reling. »Nein«, erwiderte er sanft. »Ich habe die Karten bereits ausgegeben, und das Glück ist immer aufseiten des Gebers.«

»Ich bin nicht interessiert«, zischte sie. »Also lassen Sie mich aus dem Spiel.« Sie drehte sich um und hastete den Niedergang zum nächsten Deck hinab.

Justin steckte die Hände in die Taschen und ließ sein Kleingeld klimpern. »Ganz bestimmt nicht«, sagte er lächelnd.

2. KAPITEL

Serena schlüpfte in Kakishorts und kroch unter ihre Koje, um nach den Sandaletten zu suchen. Die meisten Passagiere, die den Tag in Nassau verbringen wollten, waren schon von Bord gegangen, sodass sie sich weder durchs Gewühl noch an den wartenden Taxifahrern und Fremdenführern vorbeikämpfen musste. Da dies ihre letzte Reise hierher war, wollte Serena selbst einmal Touristin spielen und einige Souvenirs für ihre Familie einkaufen. Eine Sandalette hatte sich verklemmt, und Serena musste noch weiter unter die Koje kriechen.

»Man sollte meinen, nach einem Jahr in diesem Loch hätte ich gelernt, Ordnung zu halten«, murmelte sie und kam wieder hoch.

Wenn sie sich auf der Koje ausstreckte, konnte sie beide Wände der Kabine berühren. Eine winzige Spiegelkommode und eine Wandnische, die als Schrank diente, bildeten den Rest der Einrichtung. Serena war heilfroh, dass sie nicht unter Platzangst litt.

Wenig später wechselte sie vom schlichten Teppichboden der Mannschaftsquartiere auf das edle rot-goldene Design, das den Rest des Schiffes zierte. Als sie das Hauptdeck erreichte, wechselte sie einige Worte mit anderen Besatzungsmitgliedern, die noch an Bord waren.

Zwei Männer standen links und rechts der Gangway. Einer in der blütenweißen Uniform des Ersten Offiziers, der andere in lässigem Kreuzfahrt-Outfit. Wie immer stritten sie sich. Serena sah zunächst den Kreuzfahrtdirektor an, einen kleinen Engländer mit rötlich blondem Haar und grenzenloser Energie. Sie zwinkerte ihm zu und stellte sich zwischen die beiden.

»Welcher Diplomat hat euch beide zusammen zum Gangway-Dienst eingeteilt?«, fragte sie mit gespieltem Seufzer. »Schätze, ich muss mal wieder die Schiedsrichterin spielen. Was ist es diesmal?«

»Rob behauptet, dass Mrs. Dewalter eine reiche Witwe ist«, begann Jack, der Engländer. »Ich sage, sie ist geschieden.«

»Eine Witwe«, beharrte der Erste Offizier. »Eine hübsche reiche Witwe.«

»Okay«, sagte Serena. »Geschieden oder verwitwet? Was ist mit Ringen?«

»Genau.« Rob lächelte selbstgefällig. »Sie trägt Ringe. Witwen tragen Ringe.«

»Was für Ringe?«, fragte Serena geduldig. »Schlicht? Aus Gold? Oder mit Brillanten?«

»Ein Klunker, so groß wie ein Hühnerei«, erwiderte Rob und grinste triumphierend. »Reiche Witwe.«

»Geschieden«, verkündete Serena. »Tut mir leid, Rob, aber wenn wir nach der Statistik gehen, ist sie geschieden. Hühnereier werden nur selten aus Sentimentalität getragen.« Sie tätschelte ihm tröstend die Wange. »Bitte um Erlaubnis, von Bord gehen zu dürfen, Sir!«

»Verschwinde«, knurrte er. »Bring mir eine Strohmatte mit.«

»Genau das hatte ich vor.« Lachend joggte sie die schmalen Metallstufen zum Pier hinunter.

Die Sonne war strahlend, die Luft feucht und mild. Serena freute sich auf die Stunden an einem der schönsten Touristenorte auf den Bahamas.

»Drei Dollar«, rief ein schwarzer Junge und streckte ihr eine Muschelhalskette entgegen.

»Du Pirat«, erwiderte sie gutmütig. »Einen Dollar.«

Der Junge grinste. »Oh, hübsche Lady«, begann er mit melodischer Stimme. »Wenn ich könnte, würde ich Ihnen die Kette für Ihr Lächeln geben, aber dann würde mein Vater mich verprügeln.«

Serena zog eine Augenbraue hoch. »Einen Dollar und fünfundzwanzig Cents.«

»Zweifünfzig. Ich habe die Muscheln selbst gesammelt und bei Kerzenschein aufgezogen.«

Lachend schüttelte sie den Kopf. »Vermutlich hast du auch noch einen Schwarm Haie abwehren müssen.«

»Keine Haie um unsere Insel, Lady«, verkündete er stolz. »Zwei amerikanische Dollar.«

»Eineinhalb amerikanische Dollar, weil ich deine Fantasie bewundere.« Sie holte ihre Brieftasche heraus.

»Für Sie, hübsche Lady, riskiere ich es, verprügelt zu werden.«

Serena suchte sich eine Halskette aus und gab ihm noch einen Vierteldollar zusätzlich. »Pirat«, wiederholte sie mit gespielter Empörung, bevor sie sich die Umhängetasche wieder über die Schulter streifte und weiterschlenderte.

In diesem Moment sah sie ihn. Serena war nicht so überrascht, wie sie erwartet hätte. Irgendwie musste sie es geahnt haben. Er trug ein beigefarbenes T-Shirt, das seine Haut fast wie Kupfer aussehen ließ, und ausgebleichte abgeschnittene Jeans, die seine muskulösen Oberschenkel betonte. Trotz der grellen Sonne trug er keine dunkle Brille. Während sie noch überlegte, ob sie einfach an ihm vorbeigehen sollte, kam er auf sie zu.

»Guten Morgen.« Justin nahm ihre Hand, als wären sie miteinander verabredet.

»Guten Morgen«, erwiderte sie frostig. »Nehmen Sie denn an keinem Ausflug teil?«

»Nein. Ich lasse mich ungern führen.« Er setzte sich in Bewegung und zog Serena einfach hinter sich her, ohne sich nach ihr umzublicken.

Sie beherrschte sich. »Wir bleiben nur kurz im Hafen, und da ist ein organisierter Ausflug die beste Art, die Insel kennenzulernen.«

»Sie waren doch schon einmal hier«, sagte er unbeschwert. »Warum zeigen Sie sie mir nicht?«

»Ich bin nicht im Dienst. Und ich möchte einkaufen gehen.«

»Schön. Wie ich sehe, haben Sie schon damit angefangen.« Er warf einen Blick auf die Halskette in ihrer Hand. »Wohin wollen Sie als Nächstes?«

Sie beschloss, nicht mehr diplomatisch zu sein. »Warum lassen Sie mich nicht in Ruhe? Ich habe vor, den Tag zu genießen.«

»Ich auch.«

»Allein«, sagte sie spitz.

Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Schon mal was davon gehört, dass wir Amerikaner in der Fremde zusammenhalten?«, fragte er, bevor er nach der Halskette griff und sie ihr über den Kopf streifte.

»Nein«, antwortete sie.

»Ich erkläre es Ihnen während der Kutschfahrt.«

»Ich will einkaufen«, wiederholte sie, als sie wieder in Richtung Stadt gingen.

»Nach der Fahrt wissen Sie, wo Sie kaufen müssen.«

»Justin.« Serena passte sich seinem Schritt an, weil es immer noch besser war, als geschleift zu werden. »Ich habe mich doch klar genug ausgedrück. Akzeptieren Sie denn niemals ein Nein?«

Er tat, als müsse er nachdenken. »Nicht, dass ich mich erinnere.«

»Habe ich mir gedacht«, murmelte sie und musterte ihn mit eisigem Blick.

»Na gut, versuchen wir es so. Kopf, wir machen die Kutschfahrt. Zahl, Sie gehen einkaufen.« Er holte eine Münze aus der Tasche.

»Vermutlich hat sie zwei gleiche Seiten.«

»Ich betrüge nie«, erklärte Justin feierlich und hielt ihr die Münze hin.

Serena hätte einfach davongehen können, aber sie nickte. Er ließ die Münze durch die Luft segeln, fing sie auf und legte sie auf den Handrücken. Kopf. Irgendwie überraschte es sie nicht.

Als das Pferd sich mit klappernden Hufen in Bewegung setzte, beschloss Serena, würdevoll zu schweigen. Sie schaffte es immerhin dreißig Sekunden lang.

»Was tun Sie hier?«, fragte sie.

Er legte einen Arm auf den Sitz. Seine Finger streiften ihr Haar. »Ich genieße die Fahrt.«

»Keine frechen Antworten, Justin.«

Er musterte sie, erst neugierig, dann bewundernd. »Was wollen Sie wissen?«

»Was tun Sie auf der ›Celebration‹?«, fragte sie und rutschte nach vorn, als seine Finger in ihren Nacken glitten. »Irgendwie kommen Sie mir nicht vor wie ein Mann, der sich auf Kreuzfahrten in die Tropen erholt.«

»Ein Freund hat es mir empfohlen. Ich war rastlos, er überzeugend.« Seine Finger berührten ihren Hals. »Und was tun Sie auf der ›Celebration‹?«

»Ich gebe beim Blackjack die Karten aus.«

»Warum?«

»Ich war rastlos.« Gegen ihren Willen musste Serena lächeln.

Der Kutscher begann mit seinem Monolog über die Attraktionen der Insel, merkte jedoch schnell, dass seine Gäste nur aneinander interessiert waren. Er schnalzte mit der Zunge und verstummte.

»Na schön, woher kommen Sie?«, erkundigte Serena sich, um irgendwo anzufangen. »Ich habe mir angewöhnt, die Herkunft der Leute zu erraten, aber Sie kann ich nicht unterbringen.«

Justin lächelte geheimnisvoll. »Ich reise.«

»Ursprünglich.«

»Nevada.«

»Vegas.« Sie nickte. »Und damit verdienen Sie Ihr Geld? Mit Glücksspiel?«

Justin drehte den Kopf und sah sie an. »Ja. Warum?«

»Ich habe Sie gestern Abend beobachtet. Sie verfügen über die Konzentration, die den Profi vom Gelegenheitsspieler unterscheidet.«

»Interessante Theorie.« Mit der Fingerspitze schob er ihre Sonnenbrille nach unten, um ihr in die Augen sehen zu können. »Spielen Sie, Serena?«

»Das kommt auf das Spiel und die Gewinnchancen an«, erwiderte sie und schob die Brille wieder hinauf. »Ich verliere nicht gern.« Sein Blick ließ erkennen, dass er nicht von Karten, sondern von einem weit gefährlicheren Spiel gesprochen hatte.

Lächelnd zeigte er nach rechts. »Es gibt hier wunderschöne Strände.«

»Hmm.«

Wie auf Stichwort begann der Kutscher wieder mit seinem Text und hörte erst auf, als sie wieder am Ausgangspunkt der Fahrt waren.

Inzwischen waren die Straßen voller Menschen, die Mehrzahl davon Touristen mit Einkaufstüten und Fotoapparaten. »Danke für die Fahrt.« Serena wollte aus der Kutsche klettern, doch Justin umfasste ihre Taille mit den Händen und hob sie mühelos hinaus.

Einen Moment lang schwebte sie über dem Boden und musste sich an seinen Schultern festhalten. Es überraschte ihn, wie leicht sie war. Ihr erotische Ausstrahlung und ihr Stil hatten ihn übersehen lassen, wie klein sie war. Sein Griff wurde zärtlich, als er sie auf den Boden stellte.

»Danke«, brachte Serena nach einem Räuspern heraus. »Genießen Sie Ihren Tag.«

»Das habe ich vor.« Er nahm ihre Hand.

»Justin …« Sie atmete tief durch. »Ich habe mich von Ihnen zu einer Kutschfahrt einladen lassen. Jetzt gehe ich einkaufen.«

»Schön. Ich begleite Sie.«

»Ich suche nach Souvenirs, Justin. Sie wissen schon, T-Shirts, Sachen aus Stroh. Sie werden sich langweilen.«

»Ich langweile mich nie«, beteuerte er.

»Diesmal ja«, versicherte sie ihm, während er seine Finger zwischen ihre schob und sich in Bewegung setzte. »Das verspreche ich Ihnen.«

»Wie wäre es mit einem Aschenbecher, auf dem ›Willkommen in Nassau‹ steht?« schlug er vor.

Tapfer schluckte sie ein Schmunzeln herunter. »Ich gehe jetzt hier hinein.« Sie blieb vor dem ersten Geschäft stehen. Notfalls würde sie sämtliche Geschäfte in der Bay Street abklappern, bis er es nicht mehr aushielt.

Als ihre Umhängetasche schließlich Schlüsselringe mit kleinen Spieluhren, eine Kollektion T-Shirts und mit Muscheln verzierte Kästchen enthielt, hatte Serena längst vergessen, dass sie ihn hatte loswerden wollen. Für einen Mann, den sie instinktiv als Einzelgänger eingeschätzt hatte, war er ein erstaunlich angenehmer Begleiter.

»Oh, sehen Sie mal!« Sie griff nach einem grinsenden Kopf, der aus einer Kokosnuss geschnitzt worden war.

»Elegant«, meinte Justin.

»Er ist kitschig, Sie Dummkopf.« Lachend holte sie die Brieftasche heraus. »Und perfekt für meinen Bruder Caine.«