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Hunde sind Meister der Körpersprache. Nicht nur untereinander, sondern auch mit ihrem Menschen kommunizieren sie über feinste körpersprachliche Signale und versuchen so, ihr Gegenüber zu "lesen". Je klarer dabei der Mensch den Körperkontakt sowie Gestik und Mimik einsetzt, umso harmonischer verläuft die Beziehung. Dieses Buch hilft dabei, diese nonverbale Kommunikation im Alltag und Training zu verbessern, klärt häufige Missverständnisse zwischen Mensch und Hund auf und ebnet den Weg für ein verbessertes Zusammenleben.
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Hast du dich schon einmal gefragt, warum dein Hund nicht macht, was du gerne von ihm möchtest, obwohl du es ihm (mehrfach) gesagt bzw. gezeigt hast? Und welche Rückschlüsse hast du daraus gezogen? Zum Beispiel so was wie: „Der will jetzt nicht“? Oder „Der kann jetzt nicht“? Oder vielleicht „Der will mir zeigen, dass er der Chef ist“? „Der ist jetzt stur“? Ja, so was höre ich häufig von meinen Kundinnen und Kunden zu Beginn unseres gemeinsamen Trainingswegs.
© Anna Auerbach/Kosmos
Verstehst du mich? Nicht immer gelingt es unseren Hunden, unsere Signale richtig zu interpretieren.
Doch hast du vielleicht auch schon mal darüber nachgedacht, dass sein unkooperatives Verhalten etwas mit deiner Körpersprache zu tun haben könnte? Dass zum Beispiel deine „genuschelten“ Gesten eine Menge Interpretationen zulassen? Dass du ein Signal auf fünf unterschiedliche Arten und Weisen zeigst, sodass dein Hund jedes Mal überlegen muss, was du eigentlich von ihm willst? Dass du deine Signale möglicherweise bedrohlich einsetzt oder körpersprachlich so „schreist“ wie ein Mensch, der jeden geschriebenen Satz mit einem Ausrufezeichen beendet? Oder dass du zu unentschlossen agierst, weil du selbst gar nicht genau weißt, was du willst, sodass dein Hund einfach aufgibt und resigniert schnüffeln geht oder frustriert an dir hochspringt?
Schaue ich als Trainerin von außen auf die Körpersprache meiner Kundinnen und Kunden, sehe ich meist sofort, woran es hapert. Manchmal reicht nur eine Minikorrektur in Gestik, Mimik oder Haltung – und plötzlich macht der Hund genau das, was der Mensch sich von ihm wünscht. Weil er nun versteht und sich motiviert statt bedroht oder frustriert fühlt.
Unsere Körpersprache ist das wichtigste Element zur Kommunikation im Umgang mit dem Hund, viel wichtiger noch als jedes Wortsignal, denn Körpersprache ist immer da und sehr viel unmittelbarer.
In diesem Buch lernst du, deine Körpersprache zu reflektieren. Du wirst erkennen, wie menschliches Ausdrucksverhalten auf Hunde wirkt, wo wir ähnlich ticken und wo ganz und gar diametral. Du wirst wahrnehmen lernen, wo die Fallstricke lauern, welche typischen Fehler wir alle immer wieder machen, welche Auswirkungen sie haben und wie wir diese Fehler sehr einfach vermeiden können. Sobald du an ein paar kleinen oder großen Schrauben drehst, wirst du feststellen, dass dein Hund plötzlich völlig unstur und unchefmäßig kooperiert und genau das macht, was du vielleicht gar nicht willst, ihm aber kommuniziert hast.
Das Buch leitet dich an, deine bisher vielleicht eher unbewusst eingesetzte Körpersprache – falls nötig – anzupassen, um sie bewusst anzuwenden. Du lernst ein Handwerk kennen, das einfach zu verstehen, manchmal aber nicht ganz einfach umzusetzen ist, da wir jahrelang praktizierte Automatismen umprogrammieren und neue erlernen müssen. Du wirst mit Hilfe des Buches dein Ausdrucksverhalten sehr bewusst einsetzen, bis es irgendwann zum selbstverständlichen Instrument deiner präzisen, konsequenten und einladenden Kommunikation geworden ist.
© Anna Auerbach/Kosmos
Alles entscheidend: deine Körpersprache
© Anna Auerbach/Kosmos
Viel Spaß beim Lesen!
Ich wünsche dir ganz viel Spaß dabei!
Herzliche Grüße
Carolin
© Anna Auerbach/Kosmos
Körpersprache heißt nicht umsonst „Sprache“, denn sie dient der Kommunikation. Wer etwas mitteilen möchte, muss sich in irgendeiner Art ausdrücken, meist geschieht dies über Bewegung. Ob mit Händen und Füßen, mit dem Mund oder den Augen, durch Statik und Dynamik oder gleich mit allem zusammen: Die menschlichen Möglichkeiten sind vielfältig und komplex.
© Anna Auerbach/Kosmos
Ziemlich beste Freunde – mit freundlicher Körpersprache kein Problem.
Wenn wir kommunizieren, können wir sachlich und neutral Informationen an unser Gegenüber senden. Ebenso übermitteln wir über unsere Körpersprache auch unsere Emotionen. An der Haltung, Gestik und Mimik kann das geschulte, soziale Gegenüber erkennen, ob wir fröhlich oder traurig sind, ob wir uns entschlossen oder unsicher fühlen, ob wir friedlich oder streitlustig gestimmt sind.
Schriftliche Kommunikation ist nicht zuletzt deshalb so fehleranfällig und lädt zu Missverständnissen ein, weil unserem Gegenüber eine der wichtigsten Informationsquellen fehlt: unser Ausdrucksverhalten. Deshalb wurden Emoticons erfunden: Smileys können dem Empfänger helfen, die interpretationsfreudige Schriftsprache emotional besser einzuordnen.
Die Körpersprache ist ein sehr mächtiges Instrument, mit dem wir unser Gegenüber beeinflussen, sogar manipulieren und zu einer Reaktion motivieren können. Das kann positiv wie auch negativ sein. Ohne große Anstrengung kann ich mit meinem Ausdrucksverhalten einladend oder ausladend wirken. Ich kann sagen: „Ich mag dich“, oder: „Ich kann dich nicht leiden“. Über Gestik und Mimik kann ich Freude und Vertrauen erzeugen oder Furcht und Angst verbreiten. Manchmal reicht schon eine hochgezogene Augenbraue, um das Selbstbewusstsein des Gegenübers zusammenfallen zu lassen, oder ein zuckender Mundwinkel, um Hoffnung und gute Stimmung zu erzeugen.
Über Nähe und Distanz können wir Emotionen und Verhalten steuern. Halten wir Abstand zu jemandem, signalisieren wir damit vielleicht Respekt, vielleicht Misstrauen, Angst oder einfach nur Höflichkeit. Rücken wir jemandem auf die Pelle, dann drückt das vielleicht Sympathie und emotionale Nähe aus. Vielleicht möchten wir den anderen aber auch nur einschüchtern, indem wir seine Individualdistanz ignorieren. Unsere Körpersprache wirkt also häufig auf der emotionalen Ebene - natürlich auch bei Hunden!
© Anna Auerbach/Kosmos
Ein freundlicher Gesichtsausdruck wirkt deeskalierend und einladend.
© Anna Auerbach/Kosmos
Ein grimmiger Gesichtsausdruck signalisiert: Bleib auf Distanz.
© Anna Auerbach/Kosmos
Wer sich groß und breit macht, wirkt entschlossen oder sogar bedrohlich.
© Anna Auerbach/Kosmos
Sich klein machen ist eine freundliche Geste.
Wir haben die menschliche Körpersprache mit der Muttermilch aufgesogen. Wir hatten viele Jahre Zeit, die gesamte Palette an Körpersprachsignalen zu erlernen, um in unserer Gesellschaft gut durchzukommen. Es gibt natürlich auch angeborene Verhaltensweisen. So besitzen zum Beispiel alle Menschen auf der Welt die genetisch angelegte Fähigkeit, Fröhlichkeit oder Traurigkeit über Lachen oder Weinen auszudrücken. Wir beherrschen also die gesamte Klaviatur der menschlichen Körpersprache wie kein anderer. Na ja, meistens jedenfalls.
© Anna Auerbach/Kosmos
Die Individualdistanz zu unterschreiten …
© Anna Auerbach/Kosmos
… kann Sympathie ausdrücken oder einschüchtern.
© Anna Auerbach/Kosmos
Distanz kann Respekt signalisieren, aber auch Misstrauen.
Kommen wir nun mit einem Hund zusammen, dem wir sagen wollen, was er tun soll, oder dem wir einfach zeigen wollen, dass wir ihn mögen (oder auch nicht), wenden wir automatisch die Sprache an, die wir so virtuos beherrschen. Und in vielerlei Hinsicht fahren wir gut damit. Denn erstaunlicherweise gibt es viele Übereinstimmungen in der Körpersprache der Menschen und der der Hunde. Zudem haben unsere klugen Hunde durch Tausende von Jahren der Domestikation und Anpassung an den Menschen gelernt, viele unserer Körpersprachsignale korrekt zu interpretieren und damit besser durchs Leben zu kommen. Ein wichtiger Selektionsvorteil für Haushunde.
© Anna Auerbach/Kosmos
Die Körpersprache von Mensch und Hund ist oft bedeutungsgleich. Oft aber auch nicht. Und das macht die Sache für uns nicht so einfach.
Doch gibt es eben auch gewaltige Unterschiede. Und da wir uns dieser Unterschiede meistens nicht bewusst sind, entstehen Kommunikationsfehler und Missverständnisse. Wir meinen es vielleicht nicht so, doch häufig senden wir verwirrende, uneindeutige und sogar offensive, unhöfliche Signale. Unsere Virtuosität hat in der Mensch-Hund-Kommunikation ihre Grenzen. So wie wir zum Beispiel in Asien auch nicht mit den körpersprachlichen Gepflogenheiten der sehr unterschiedlichen asiatischen Gesellschaften vertraut sind und diese erst erlernen müssen, wenn wir uns als höflich und respektvoll erweisen möchten, müssen wir uns ebenfalls mit der Mensch-Hund-Kommunikation vertraut machen, wenn wir uns erfolgreich und fair mitteilen wollen.
Unsere Hunde sind für Körpersprache sehr empfänglich, denn sie ist, anders als verbale Sprache, permanent, sie ist eine Art Dauersignal. Während ein gesprochenes Wort in dem Moment verhallt, in dem es ausgesprochen wird, und schneller in Vergessenheit gerät, sendet unser Körper pausenlos Signale, selbst dann, wenn wir denken, gerade nichts zu tun. Auch wenn wir schlafen, senden wir Informationen: „Ich interagiere nicht mit dir. Ich bin gerade nicht auf Empfang.“ Wir können also nicht nicht kommunizieren, denn wir können uns nicht unsichtbar machen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Der Mensch signalisiert: Ich bin nicht auf Empfang.
Auch wenn wir gerade vor dem PC sitzen und arbeiten, teilen wir uns mit: „Ich habe jetzt keine Zeit für dich. Stör mich nicht.“ Das ist der Grund, warum die meisten Hunde so brav schlafen, wenn wir konzentriert arbeiten. Sie haben gelernt, dass absolut keine Interaktion stattfinden wird. Das ändert sich dann zum Beispiel am Abend, wenn wir entspannt auf dem Sofa sitzen und ungestört die Nachrichten anschauen möchten, unser Hund aber bestimmte, scheinbar fest installierte Rituale abspult und alle Register zieht, um noch seine Nachspeise, ein Spiel oder eine Kuscheleinheit zu bekommen. Warum tut er das mit solch gleich bleibender Regelmäßigkeit, obwohl wir ihm doch so oft sagen, dass er endlich Ruhe geben soll? Weil wir, anders als vor dem PC, mit ihm interagieren. Er hat gelernt, dass er Erfolg hat mit seinem Verhalten, denn irgendwann werden wir ihm einen entnervten Augenkontakt schenken, eine gerunzelte Stirn oder einen schmunzelnden Mundwinkel. Vielleicht merkt er an der Art, wie wir sitzen oder mit dem Bein wippen, dass wir kurz davor sind, aufzustehen und ihm zu geben, was er möchte. Oder es ist die Hand, die ihn geistesabwesend streichelt, oder eine angehobene Augenbraue, die immer hochgezogen wird, kurz bevor wir aufstehen und auf seine Spielaufforderung eingehen oder ihn anmeckern.
Wir senden im Alltag also unbewusst einen Haufen Signale, die unseren Hund zu bestimmten erlernten Verhaltensweisen verleiten werden.
In dem kurzen Zeitraum am Tag hingegen, den wir als „Trainingszeit“ verstehen, setzen wir unsere Körpersprache dann im besten Fall sehr bewusst und sehr präzise ein, denn wir wollen ja, dass unser Hund nun „Wichtiges“ lernt. Uns ist hierbei meistens nicht so richtig klar, dass er beim Lernen allerdings keinen Unterschied macht zwischen Alltagssituationen und Training. Hunde lernen immer, nicht nur, wenn wir auf dem Hundeplatz stehen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Auf dem Hundeplatz ist immer alles gut.
© Anna Auerbach/Kosmos
Die Kunst der zwischenartlichen Kommunikation kann erlernt werden.
Der Grund für den sogenannten „Platzdubbel“ – also den Hund, der auf dem Hundeplatz so toll mitarbeitet, konzentriert ist und alles perfekt macht, aber kaum hat er den Platz verlassen, alles vergessen zu haben scheint – liegt darin begründet, dass sein Mensch sich dort sicher fühlt, voll auf den Hund konzentriert ist, nicht abgelenkt wird und dort konsequent mit ihm übt. Nur auf dem Hundeplatz, unter Anleitung der Trainerin/des Trainers und bewaffnet mit Klicker, Leckerlibeutel und anderen tollen Sachen, achtet er besonders auf seine Körpersprache und setzt motivierende Belohnungen ein, damit der Hund das gewünschte Verhalten erlernt. Außerhalb des Platzes wird schon mal Klicker, Futter & Co. zu Hause vergessen, der Mensch ist weniger aufmerksam, er fühlt sich draußen vielleicht unsicherer oder hat bestimmte Abläufe nicht mehr präsent, sodass natürlich auch der Hund nun anders agiert. Würde der Mensch aber „die Welt“ als Trainingsort betrachten und sich dort ebenso konsequent verhalten wie auf dem eingezäunten Übungsplatz, könnte der Hund die erlernten Tricks viel schneller generalisieren und an vielen Orten zuverlässig zeigen. Aber so lernt der Hund außerhalb des Hundeplatzes eben andere, für ihn lohnenswertere Verhaltensweisen zu perfektionieren.
Über Sichtsignale mit Hilfe von Händen, Fingern, Füßen, der Position und Höhe unserer Extremitäten sowie unserer Mimik, Statik und Dynamik in allen möglichen und unmöglichen Kombinationen versuchen wir im Training also, unseren Hunden mitzuteilen, was sie für uns tun sollen: Sitz, Platz, Fuß und noch vieles mehr.
Die besondere Schwierigkeit, auf die wir hier stoßen, ist natürlich die zwischenartliche Kommunikation. Es ist erstaunlich, zu welcher Transferleistung Hunde fähig sind, uns tatsächlich zu verstehen, obwohl wir selbst im Training mal wieder mehr als nachlässig herumgestikuliert haben. Sie sind so viel besser darin, uns zu interpretieren, als umgekehrt. Wir Menschen beobachten unsere Hunde häufig nicht sehr genau, und viele wichtige Signale entgehen unserem unaufmerksamen Auge, weil wir ihm gar keine Bedeutung beimessen. Was soll schon ein Zwinkern, Schütteln, Wegschauen oder Züngeln bedeuten, nur weil wir uns gerade stöhnend über den Hund beugen, während wir ihn anleinen?
Nun, es bedeutet alles: Seine Körpersprache wahrzunehmen und unsere anzupassen kann für unser beider Wohlbefinden, für Sicherheit, für gute Laune und damit auch für unsere gemeinsame, auf Vertrauen basierende Beziehung sorgen.
Die folgende Grafik macht die Bedeutung deiner Körpersprache im Gesamtkontext „Kommunikation und Lernverhalten“ nochmal zusammenfassend deutlich. Sie ist die Basis all dessen, was das Verhältnis, die Motivation und die Bindung zwischen dir und deinem Hund maßgeblich bestimmen wird. Deine Kommunikationsfähigkeit wird das Lernverhalten deines Hundes stark beeinflussen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Beim Geschirr-Anziehen fühlen sich viele Hunde unwohl.
© Frieder Krohmer/Altelier Krohmer
Die Bedeutung deiner Körpersprache im Gesamtkontext „Kommunikation und Lernverhalten“
© Anna Auerbach/Kosmos
In der Hund-Hund-Kommunikation, aber auch in der Mensch-Mensch-Kommunikation gibt es bestimmte Regeln, die Auskunft darüber erteilen, ob Verhalten offensiv, ausladend und unhöflich oder defensiv, einladend und freundlich gemeint ist. Wir drücken mit Anwendung dieser Regeln nicht nur unsere Stimmung und unsere Emotionen aus, sondern erzeugen damit natürlich auch beim Gegenüber Stimmungen und Reaktionen.
Egal ob Hund oder Mensch: Unsere Kommunikation ist in vielen Fällen völlig übereinstimmend, es gelten die gleichen Regeln. Und da das so ist, scheinen diese Regeln auch in der zwischenartlichen Mensch-Hund-Kommunikation, zumindest tendenziell, zu funktionieren.
Sind die kommunizierenden Körperteile und Bewegungen nach oben (↑) und nach vorne (→) ausgerichtet, wirkt das Individuum aufmerksamer, selbstbewusster, unangreifbarer, offensiver, ausladender, abgrenzender oder auch unhöflicher, als wenn sie nach unten (↓) und nach hinten oder seitlich (←) gewandt sind, was eher Schüchternheit, Unsicherheit, Ängstlichkeit, Rückzug/Deeskalation bzw. einladende Freundlichkeit vermitteln kann.
Im ersten Fall versucht das Individuum sich größer zu machen, im zweiten Fall kleiner. Wir müssen bei der Regel auch die Oberflächenvergrößerung bzw. -verkleinerung berücksichtigen, wie zum Beispiel bei hochgezogenen Schultern. Zwar geht die Bewegung scheinbar nach oben, was laut Geometrie der Körpersprache ausladend und offensiv (↑/→) bedeuten müsste, in Wahrheit aber zieht sich das Individuum bei dieser Bewegung, meist in Kombination mit einem gerundeten Rücken (also), zusammen und macht sich kleiner, „unsichtbarer“. Es gilt also hier eher die „unten/hinten“-Regel (↓/←).
© Frieder Krohmer/Altelier Krohmer
Übereinstimmende Geometrie der Körpersprache
© Anna Auerbach/Kosmos
Nach oben/vorne oder nach hinten/unten? …
© Anna Auerbach/Kosmos
© Anna Auerbach/Kosmos
… Die Bedeutung von Körpersprache folgt bestimmten Grundtendenzen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Natürlich gibt es auch Mischformen, wenn unterschiedliche Körperteile unterschiedlichen Ausrichtungen folgen, was zum Beispiel Unentschlossenheit und Übersprung ausdrückt oder für eine Art der Kommunikation steht, die nur uns Menschen zu eigen ist: die Lüge oder die Ironie, die das Gegenteil dessen ausdrückt, was wir fühlen oder meinen. Ziehe ich eine Augenbraue nach oben, bedeutet dies nicht automatisch, dass ich mich gerade über etwas ärgere, sauer bin oder drohen möchte, sondern vielleicht sogar im Gegenteil, dass ich gerade amüsiert bin und ironisch schaue, weil mein Hund durch unauffällig auffälliges Herumschleichen versucht, Wurst vom Tisch „wegzufinden“.
Für den Hund ist die Augenbraue in solchen Fällen natürlich schwer zu interpretieren, denn sie geht nach oben, ohne die Bedeutung nach oben/vorne gerichteter Körperteile zu haben. Doch ziemlich sicher wird er nicht nur die Augenbraue in seine Abwägungen einbeziehen, sondern das Gesamtkörper-Display. Das Gleiche tut er auch in Hund-Hund-Begegnungen: Hunde untereinander zeigen häufig sehr gegensätzliche und schnell wechselnde Körpersprach-Displays aufgrund wechselnder Emotionen innerhalb einer Situation, die das Gegenüber im Idealfall alle wahrnehmen und bewerten sollte, um angemessen handeln zu können. Eine anspruchsvolle Lernaufgabe, die nur mit entsprechenden Erfahrungen und durch Kontakte zu unterschiedlichen Hunderassen bewältigt werden kann.
© Anna Auerbach/Kosmos
Hunde beobachten uns den ganzen Tag und interpretieren unser Verhalten.
Der Hund wird also auf die Ausrichtungen der Körperteile im Einzelnen und in Summe (siehe auch Kapitel „Kombisignale“), je nachdem reagieren und uns damit zeigen, wie er uns interpretiert und verstanden hat: Er wird mehr oder weniger Distanz einnehmen, er wird sich abgeschreckt abwenden oder erfreut zuwenden. Er wird sich provoziert fühlen und angreifen oder beschwichtigt und befriedet weggehen oder sich sogar unterwürfig auf den Rücken legen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Verschiedene Menschen, verschiedene Kombisignale. Für einen Hund nicht immer einfach zu interpretieren.
Schau dir die folgende Tabelle an. Sie beschreibt die oben beschriebenen Regeln der Geometrie am Beispiel einzelner menschlicher Körperteile, angefangen vom Kopf bis hinunter zu den Füßen. Da es sich, wie bereits erwähnt, nur um Tendenzen handelt, gibt es natürlich immer auch Ausnahmen oder mehrdeutiges Ausdrucksverhalten, das unterschiedliche Interpretationen zulassen kann.
Stell dich vor den Spiegel oder suche dir eine Partnerin/einen Partner und probiere verschiedene Ausdrucksverhalten ganz bewusst aus. Welche Emotionen erzeugst du damit bei deinem Gegenüber?
KOMMUNIKATION VON KOPF BIS FUSS
Ausrichtung nach vorne/oben (→/↑):
WIRKUNG:
ausladend / offensiv / aufmerksam / selbstbewusst / angespannt / unhöflich
Ausrichtung nach hinten/unten (←/↓):
WIRKUNG:
einladend / defensiv / unsicher / ängstlich / schüchtern / unterwürfig / freundlich
Stirn
nach oben gezogen, gerunzelt, „konzentriert“
entspannt, glatt
Augenbrauen
hoch- bzw. zusammengezogen
glatt, neutral
Augenlider
hochgezogen
hängend, gesenkt, neutral
Augen
starr, hart, fixierend, weit offen
weich, blinzelnd, leicht geschlossen
Blick
gerade, direkt
vermeidend, nach unten, zur Seite gerichtet
Nasenlöcher
geweitet
normal geöffnet
Mundwinkel
Lippen kurz, nach vorne gezogen, gespitzt, zusammengepresst, angespannt
nach hinten gezogen, weich, leicht geöffnet, Zähne zeigend; nach unten gezogen
Kinn
nach vorne gedrückt, entschlossen
nach unten fallend, weich, versonnen
Hals
gestreckt, steif
zusammengezogen, eingesunken
Schultern
gerade, durchgedrückt, heruntergedrückt (Oberflächenvergrößerung)
hoch- bzw. zusammen- oder nach vorne gezogen (Oberflächenverkleinerung), schlaff nach unten hängend
Brust
nach vorne, herausgedrückt
zusammengesunken, eingefallen
Arme
nach vorne ausgestreckt, steif, gerade, verschlossen vor der Brust verschränkt
locker hängend, zur Seite ausgebreitet, hinter dem Rücken verschränkt
Hände/Finger
weit geöffnet, Handinnenfläche nach vorne gerichtet, ausgestreckte Finger, Faust nach vorne ausgestreckt
locker, weich, Hand hängt herunter; Faust nach unten zeigend („die Faust in der Tasche“)
Rücken
gerade durchgedrückt, gestreckt
krumm, rund, „rückgratlos“, lasch, „wie ein Schluck Wasser in der Kurve“
Po
angespannt, hochgezogen
schlaff, locker
Beine/Knie
durchgedrückt, steif
stehend angewinkelt, lockerer Stand, hockend
Füße