Die Magie der Schwarzweißfotografie - Torsten Andreas Hoffmann - E-Book

Die Magie der Schwarzweißfotografie E-Book

Torsten Andreas Hoffmann

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Beschreibung

Entdecken Sie die Ausdrucksformen der Schwarzweißfotografie! - Starke Bilder gestalten und eine eigene Handschrift entwickeln - Landschaft, Architektur, Street und Porträt gekonnt in Schwarzweiß umsetzen - Tipps für die Bildkomposition und Bildspannung in der monochromen Fotografie - 2. Auflage mit zum Teil neuen Fotografien und aktualisiertem Bildbearbeitungskapitel  Die Schwarzweißfotografie ist auch heute noch ein künstlerisches Medium mit hoher Ausdruckskraft. Am Beispiel von über 330 ausdrucksstarken Fotografien und deren Bildanalysen zeigt der Autor, wie Sie den Blick für Schwarzweißmotive schulen, Ihre eigene fotografische Handschrift entwickeln und beeindruckende Bilder machen.  Die verschiedenen Ausdrucksformen werden im ersten Teil des Buchs vorgestellt. Der zweite Teil beschäftigt sich mit Genres wie Landschafts-, Menschen- oder Streetfotografie und im dritten Teil werden Sie in klassischer Bildgestaltung geschult. Der Aufnahmetechnik, dem Umgang mit Filtern und einer stimmungsvollen Schwarzweißumwandlung ist der vierte Teil gewidmet. Lernen Sie, - Klischees zu vermeiden und die Welt mit der Kamera kritisch zu betrachten - warum das eine Bild kraftvoll, ein anderes dagegen eher kraftlos wirkt - Bildspannung und Bildrhythmik als Gestaltungsmittel einzusetzen - wie Sie Spiegelungen entdecken und kreativ nutzen - wie wichtig der Himmel für die Stimmung von Schwarzweißbildern ist - wie Ihnen ausdrucksstarke Fotos von Menschen und Straßenszenen gelingen - Architektur und Landschaft mit Licht und Schatten zu gestalten

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Seitenzahl: 266

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Torsten Andreas Hoffmann ist Fotograf, Buchautor und leitet Fotoworkshops. Er studierte Kunstpädagogik mit Schwerpunkt Fotografie an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig.

Fotoreisen führten ihn u. a. nach Indien, Indonesien, Mexiko, Nepal, in die Türkei, die USA, die Sahara und die Vereinigten Arabischen Emirate. In zahlreichen Ausstellungen renommierter Galerien (u. a. Leica Galerie Frankfurt, Leica Galerie Salzburg, imago-fotokunst Berlin, Jehangir Art Gallery Mumbai, STO Werkstatt London, Architekturbiennale Venedig) und Publikationen (über 20 Bildbände) waren seine Arbeiten zu sehen. Magazine wie Geo, Merian, Chrismon, Photographie, mare, u. a., aber auch internationale Magazine haben seine Arbeiten veröffentlicht. Seine konzeptionelle Arbeit über den 11. September 2001 wurde weltweit verbreitet.

Seit 2003 schreibt er regelmäßige Bildgestaltungsserien in bekannten Fotozeitschriften und international erfolgreiche Fotolehrbücher wie sein in sechs Sprachen erschienener Klassiker »Die Kunst der Schwarzweißfotografie«, »Fotografie als Meditation« und »Der abstrakte Blick«. Hat er sich jahrelang der Schwarzweißfotografie verschrieben, so widmet er sich mittlerweile auch der konzeptionellen Fotografie und arbeitet für große Projektentwicklungsgesellschaften. Seine Kalender, Bücher und Fotografien haben viele Auszeichnungen errungen. Zahlreiche Bilder hängen in verschiedenen Sammlungen und Vorstandsetagen von Banken und anderen Unternehmen. Er ist Mitglied der Münchner Bildagentur LOOK, des BBK Frankfurt und der Deutschen Gesellschaft für Photografie (DGPh).

Er lebt bei Frankfurt und in Goslar.

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Torsten Andreas Hoffmann

Die Magie derSchwarzweißfotografie

Schwarzweißmotive erkennen undstimmungsvolle Bilder gestalten

2., aktualisierte und erweiterte Auflage

Torsten Andreas Hoffmann

[email protected]

Lektorat: Rudolf Krahm

Lektoratsassistenz: Friederike Demmig

Copy-Editing: Friederike Daenecke, Zülpich, Rudolf Krahm

Satz: Sabine Müller, [email protected]

Herstellung: Stefanie Weidner, Frank Heidt

Umschlaggestaltung: Eva Hepper, Silke Braun (unter Verwendung von Fotos des Autors)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

 

Print

978-3-98889-020-7

PDF

978-3-98890-185-9

ePub

978-3-98890-186-6

2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2024

Copyright © 2024 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert.

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» In der heutigen Zeit haben wir es mit einer großen Sinnesüberflutung zu tun. Die Schwarzweißfotografie ist geeignet, die Sinne wieder zu sensibilisieren, denn sie ist sparsamer mit Reizen, nicht so geschwätzig wie die Farbfotografie und so im positiven Sinne asketisch und damit auf das Wesentliche gerichtet. «

Inhaltsverzeichnis

TEIL 1

SCHWARZWEISSFOTOGRAFIE ALS AUSDRUCKSMITTEL

1.Befreien Sie sich von Klischeebildern und finden Sie Ihren eigenen Ausdruck

2.Das Wesen der Schwarzweißfotografie ist grafisch

3.Lernen Sie, Stimmungen zu empfinden und auszudrücken

4.Entdecken Sie die Schönheit der Melancholie

5.Erzeugen Sie Stimmungen durch die Gestaltung des Himmels

Den Himmel über der Stadt gestalten

Was ist ein mystischer Himmel?

Assoziation Jenseits

Wann ist ein neutraler Himmel sinnvoll?

6.Lernen Sie, surreale Szenen zu erzeugen

7.Entdecken Sie abstrakte Muster

8.Fotografieren Sie bei Nacht

Wann ist eine HDR-Belichtung sinnvoll?

9.Erschaffen Sie mit Spiegelungen neue Welten

TEIL 2

GRUNDGENRES DER SCHWARZWEISSFOTOGRAFIE

1.Landschaftsfotografie

Wilde Landschaften

Heimische Landschaften

Landschaft mit Brüchen

2.Architekturfotografie

Der Einsatz von Shift-Optik

Industriearchitektur

Sakralarchitektur

3.Streetfotografie

Einzelbild- oder Serienschaltung?

4.Menschen fotografieren

5.Mensch und Umgebung

6.Sozialkritische Fotografie

TEIL 3

KOMPOSITIONSLEHRE

1.Was ist eine Bildkomposition?

Ein Geschehen zu einer Komposition verdichten

Bildkomposition bei der Streetfotografie

Landschaft ist geduldig

Überall wachsam sein

Einfache und komplexe Komposition

2.Die Bildmitte kann eine Falle sein

Symmetrie und Fluchtperspektive

3.Bildspannung erzeugen

4.Bildrhythmik

5.Wohin soll der Horizont?

6.Der Goldene Schnitt

7.Statische und dynamische Komposition

8.Die optischen Grundformen

Der Punkt

Die Linie

Der Kreis

Das optische Dreieck

Das Rechteck

Das Quadrat

Flächig denken lernen

9.Reduktion von Bildelementen

Dürfen die Schattenpartien auf einem Schwarzweißfoto absaufen oder nicht?

10.Das »Bild im Bild«-Prinzip

11.Ungewohnte Perspektiven

12.Mit Bewegungsunschärfe gestalten

TEIL 4

TECHNISCHE VORAUSSETZUNGEN

1.Die Kamera ist nicht das Allerwichtigste

2.Unbedingt im RAW-Modus fotografieren

3.Der Einsatz von Filtern in der digitalen Fotografie

Der Polarisationsfilter

Der Verlaufsfilter

Der Neutraldichtefilter

Farbfilter und ihre digitalen Simulationen

4.Mit der Leica M Monochrom in Indien unterwegs

5.Das Entwickeln der Bilder mit Lightroom

Bilder importieren

Das sogenannte Entwickeln

Bildrauschen reduzieren

Schwarzweißumwandlung mit Lightroom

Teilbearbeitung einzelner Bildpartien mit Lightroom

Stürzende architektonische Linien mit Lightroom beseitigen

Staubentfernung mit Lightroom

Die linke Bedienfeldleiste bei Lightroom

Exportieren der Dateien mit Lightroom

6.Kreative Schwarzweißumwandlung mit Silver Efex

Silver Efex mit Lightroom öffnen

Voreinstellungen von Silver Efex

Feinjustierung von Voreinstellungen

Vergleich von Silver Efex mit Lightroom

Grauverlaufsfilter mit Silver Efex

»Heiligenscheine« bei Silver Efex

Teilbearbeitung mit Silver Efex

Arbeiten mit der Gradationskurve

Variationen und Interpretationen

Einleitung

Wie viele Milliarden Fotos werden wohl täglich auf die Sensoren von Kameras und Smartphones gebannt? Im Jahr 2023 wurde weltweit etwa 1,6-billionenmal (in Zahlen ausgedrückt 1.600.000.000.000) auf den Auslöser gedrückt, das entspricht in etwa 4,4 Milliarden Fotos täglich. Die Zahlen sind weiter steigend.

An den berühmten Höhlen der indischen Insel Elefanta zeigt sich das, was überall in der Welt abermillionenfach geschieht: ein Handyfoto vor der Berühmtheit, um dann den schwachen Abglanz der Wirklichkeit nach Hause zu tragen und sich dort womöglich zu wundern, dass man die Wirklichkeit gar nicht richtig erfahren hat.

18 mm (27 mm im Vollformat), Blende 3,5, 1/10 Sekunde, ISO 3200

Von diesen Unmengen von Bildern werden etwa 85 % der Bilder mit dem Smartphone geschossen, etwas über 4 % mit dem Tablet und nur noch etwas mehr als 10 % aller Aufnahmen mit der Digitalkamera.

Als ich 2007 mein erstes Buch über digitale Schwarzweißfotografie schrieb, steckte die digitale Entwicklung noch in den Kinderschuhen: Smartphones, Facebook, Instagram gab es noch gar nicht, die Fotografie begann gerade, sich in ein Massenphänomen zu verwandeln. Auf Berliner Hauswänden war noch zu lesen: »Shopst Du noch oder fotografierst Du schon?«

Inzwischen finden wir eine Weltverdoppelung vor: die echte, analoge Welt existiert noch, wird aber zunehmend beschädigt – Klimawandel, Artensterben und Rodung der Urwälder bringen dies zum Ausdruck. Die künstliche, digitale Welt hingegen wächst immer weiter und schneller. Mit der Fotografie bewegen wir uns in beiden Welten, wir streunen mit unseren Kameras oder Smartphones durch die echte Welt und erzeugen ihren Nachhall in der digitalen Welt, stellen Fotos ebenfalls miliardenfach auf Instagram oder Facebook, um… ja, warum eigentlich? Hier sind wir bei einer sehr grundlegenden Frage, der Frage nach der Motivation.

Warum, um alles in der Welt wird heute so viel fotografiert? Hat das nicht schon etwas Pathologisches? Trifft nicht genau das zu, was der Religionsphilosoph Alan Watts in seinem Buch »Der Lauf des Wassers« geschrieben hat: Es ist so, als gingen wir zu einem Fluss, verweilten dort aber nicht, sondern füllten das fließende Wasser in einen Kunststoffkasten, trügen ihn nach Hause und wundern uns dann, dass das Wasser gar nicht mehr fließt (sinngemäße Wiedergabe).

Wenn ich auf der Brooklyn Bridge in New York, dem Eisernen Steg in Frankfurt, am Markusplatz in Venedig oder vor dem Heidelberger Schloss stehe, dann tun dort alle dasselbe: mit dem Smartphone Fotos machen. Und wenn ich die Menschen beobachte, fällt mir auf, dass sie gar nicht mehr genau hinschauen. Verpasst man nicht gerade so das echte Erleben des Moments? Selbst in Kirchen oder sakralen Räumen, auf Konzerten oder vor der Mona Lisa macht diese »Klickomanie« nicht halt. Walter Benjamin sprach schon lange vor Beginn der Digitalisierung davon, dass im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit Objekte ihre Aura verlieren. Heutzutage haben nicht nur die Mona Lisa und der Kölner Dom ihre Aura verloren, inzwischen erfahren die schönsten, verborgensten Küsten, Berggipfel oder weltberühmte Gebäude wie der Petersdom auf diese Weise ihre Entweihung. Entweihung deshalb, weil ihnen nicht mehr der genügende Respekt, die echte Bewunderung, das schweigende Staunen entgegengebracht werden, sondern weil sie Opfer einer Haltung werden, die in etwa nichts weiter besagt als: »Schaut mal, ich war dort, bin ich nicht toll?«

Diese Motivation – zu beweisen, an welch berühmten Orten man gewesen ist, und sich so selber aufzuwerten – liegt ganz gewiss zu einem großen Teil diesem Massenphänomen zugrunde.

Sie, liebe Leserin, lieber Leser, empfinden das, was ich soeben kurz geschildert habe, gewiss ähnlich, sonst hätten Sie dieses Buch nicht gekauft. Sie wollen genau wie ich etwas anderes. Sie wollen sich von dieser oberflächlichen Herangehensweise befreien, bei der die Fotografie das wirkliche Leben, das echte Erleben eines Moments ersetzt, ja, noch schlimmer, bei der man das wirkliche Erleben womöglich verpasst.

Ich habe vor über 30 Jahren, als es um meine Berufswahl ging, lange gezögert, bevor ich mich endgültig der Fotografie gewidmet habe, weil ich genau diese Befürchtung hatte, die Fotografie könne zu einer Art Ersatzleben werden.

An meinem 30. Geburtstag hatte ich die Gelegenheit, Karlfried Graf Dürckheim kennenzulernen, einen großartigen Philosophen, der die japanische Zen-Philosophie nach Europa gebracht hatte. Er war damals schon über 80, konnte kaum noch sehen, ergriff aber meine Hand, um mich zu fühlen und hörte mir bei meinen Abwägungen verschiedener möglicher Lebenswege intensiv und einfühlsam zu. Zum Schluss sagte er mir, ich solle mir keine Sorgen machen, denn das Stärkste werde sich von allein durchsetzen.

Und das wurde bei mir trotz mancher Zweifel die Fotografie. Und meine lebenslange Motivation war und ist es heute noch, einen Ausdruck zu finden, einen Ausdruck für meine inneren Empfindungen, vor allem aber einen Ausdruck für meine Empfindungen über diese Welt. Sie werden sich vielleicht wundern, dass ich in einem Lehrbuch über Fotografie mit dieser Welt und ihrer teilweise in meinen Augen dekadenten Erscheinung sehr kritisch ins Gericht gehe. Dies tue ich deshalb, weil ich der Meinung bin, dass wir als Fotografen Sehende sind, die die Aufgabe haben, sehr genau hinzuschauen und auch dort hinzuschauen, wo die meisten lieber wegschauen. Deshalb möchte ich Sie in diesem Buch auch zu einem kritischen Blick auf diese in höchstem Grade unvollkommene Welt anleiten. Ich möchte Sie aber vor allem dazu inspirieren, Ihre eigenen Empfindungen zu entdecken und auszudrücken – ja, sogar sehr emotional auszudrücken, denn Bilder haben per se eine starke emotionale Kraft. Wenn Sie dieses Buch aufmerksam lesen, werden Sie am Ende ein Stück weit gelernt haben, wie Sie Fotografien so gestalten, dass Ihre eigene Weltsicht und Schaffenskraft in diesen Bildern steckt und auf andere Menschen wirken kann.

Ich möchte Sie also zu einer anspruchsvollen Herangehensweise an die Fotografie heranführen, selbst wenn Sie dies nur mit einem Smartphone tun.

Im Übrigen wurde ich, während ich die erste Auflage dieses Buches schrieb, von der Coronakrise überrascht und war sehr gespannt, ob und wie sich die Welt danach verändern würde. Vieles, was ich in diesem Buch z. B. über das Massenverhalten an Touristenorten geschrieben habe, wurde zu dieser Zeit für zwei Jahre ins Gegenteil verkehrt. Ich hatte die Hoffnung, dass doch so etwas wie Demut vor der Schöpfung in die Gemüter vieler Menschen einkehren würde. Ich hatte mich geirrt. Heute ist wieder alles beim Alten, die Erde wird weiter zerstört und die Zahl der Flüge ist wieder in die Höhe geschnellt. Der CO2-Ausstoß ist auch im Jahr 2023 weiter gestiegen anstatt gesunken und befindet sich auf Rekordniveau.

Warum schwarzweiß fotografieren?

Auch hier haben wir es mit einem Zeitphänomen zu tun. Der weitaus größte Teil der Bilderflut findet in Farbe statt, und selbst bei Zeitschriften wie Merian oder Geo beobachte ich, dass die Regler für Kontrast und Farbsättigung meist zu weit nach rechts geschoben werden, sodass die Farben häufig zu grell und unnatürlich wirken. Mancher Kollege hat dies schon »optische Umweltverschmutzung« genannt. Ist das ein Zeichen von Desensibilisierung? Sind die Sinne vieler Menschen heutzutage abgestumpft? Muss man deshalb immer dicker auftragen?

Eine Redakteurin sagte mir einmal, die Farbfotografie sei so geschwätzig. Nun, da ist etwas Wahres daran. Die Schwarzweißfotografie aber ist das Gegenteil, sie ist im positiven Sinne asketisch, sparsamer mit Sinnesreizen. Sie ist also geeignet, wieder zu sensibilisieren. Und sie ist per se schon eine Abstraktion, denn Farben werden in Tonwerte von Tiefschwarz bis Weiß übersetzt. Und diese Abstraktion macht die Schwarzweißfotografie in meinen Augen künstlerischer und damit interessanter als die Farbfotografie.

Leider hat die Schwarzweißfotografie Marktanteile verloren. Eine Geo-Redakteurin erklärte mir das damit, dass die Leser glauben, bei Schwarzweißbildern bekämen sie weniger für ihr Geld. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Bei Schwarzweißbildern bekommt man mehr für sein Geld, denn auch digital fotografierte Schwarzweißbilder müssen sorgfältig am Computer erarbeitet werden, und dafür ist mehr Zeit aufzuwenden als für die Erarbeitung eines Farbfotos. Wie man das am besten macht, schildere ich im letzten Kapitel dieses Buchs.

Schwarzweißfotografie entfaltet oft eine stärkere Magie als die Farbfotografie, besonders beim Himmel. Diese besondere Magie in Ihre Bilder zu bringen ist die Kunst, die ich Sie lehren möchte.

Hauptsächlich möchte ich Sie mit meinen Texten und Bildern in diesem Buch anregen, Ihren eigenen Weg, Ihre eigenen Sujets und Ihre eigene Ausdrucksform zu finden, um Ihre Empfindungen über diese Welt zu entdecken und in eine Bildsprache zu kleiden, die auch anderen Menschen etwas »rüberbringt«. Natürlich können Sie Ihre Bilder auch auf Facebook oder Instagram teilen, doch Ihre Motivation ist tiefer: Sie werden die Fotografie dazu nutzen, hinter die Oberfläche zu schauen, hinter Ihre eigene, hinter die Ihrer Mitmenschen und hinter die der Welt, in der Sie sich bewegen. Dabei wünsche ich Ihnen viel Freude und neue Erkenntnisse!

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SCHWARZWEISSFOTOGRAFIE ALS AUSDRUCKSMITTEL

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Befreien Sie sich von Klischeebildern und finden Sie Ihren eigenen Ausdruck

Dass die Welt von Klischeebildern überschwemmt wird, wissen wir. Es ist deshalb so, weil die meisten Menschen gar nicht über das reflektieren, was sie fotografieren. Ein Klischee ist ja schließlich eine Vorstellung von der Welt, die von anderen vorgegeben wird. Ein Klischee ist vielleicht so etwas wie eine grobe Schablone, die über die unglaublich vielfältige Wirklichkeit gelegt wird. Doch wer gibt diese Schablone eigentlich vor? Wer sagt uns, was fotografierenswert ist und was nicht? Sie sehen schon jetzt, wie wichtig es ist, sich von dem zu befreien, was andere denken und vorgeben.

Ich muss selbst auch immer wieder Klischeebilder produzieren, da ich auch für Kalender fotografiere, und auf Kalender gehören nun mal die Klischeebilder, die jeder erwartet, sonst verkaufen sie sich nicht. In der Wüste sind das vor allem Sanddünen mit Kamelen im frühen Morgenlicht – auch wenn die Sahara nur zu einem relativ geringen Prozentsatz aus Sanddünen besteht. In New York sind es die Freiheitsstatue und die Brooklyn Bridge, Orte, zu denen ich kaum noch gehe, weil sie durch das Massenverhalten, das ich in der Einleitung geschildert habe, entweiht worden sind. Wie also soll man sich von Klischees befreien? Zunächst einmal ist es wichtig, grundsätzlich zu reflektieren und in sich zu gehen. Welche Orte ziehen Sie wirklich an? Wo möchten Sie unbedingt hin? Welche Orte und Sujets üben in Ihrer Vorstellung eine wirkliche Magie aus?

Nehmen Sie sich bitte einmal richtig Zeit, entspannen Sie sich und reflektieren Sie darüber. Was taucht vor Ihrem geistigen Auge auf, was sind die Orte Ihrer Sehnsucht? Diese Orte müssen nicht, dürfen aber weit entfernt liegen.

Welche Qualität hat Ihre Sehnsucht? Was tragen diese Orte zu dem bei, das Ihnen in Ihrem Alltag womöglich fehlt?

Mich zieht es z. B. zum Entspannen an ganz andere Orte als zum Fotografieren. Zum Entspannen liebe ich das Meer. Ich sehne mich nach stillen, einsamen Stränden und harmonischen Orten mit südlichem Flair. Aber auch diese Orte müssen gar nicht sensationell sein, es kann auch ein Strand am Rhein sein, in dem man heute wieder baden kann. Für die Fotografie zieht es mich dagegen immer wieder an Orte, an denen alles so entgegengesetzt zu meinem Alltag ist wie nur denkbar. Schon als ich ganz jung war, zog es mich nach Indien. Noch heute ist Mumbai für mich die interessanteste Stadt, die ich kenne. Ich liebe Orte, an denen die Spuren der Zeit noch sichtbar sind, an denen authentisches Leben stattfindet und von denen ich überrascht werde, weil oft jede Planung durch Unvorhergesehenes durchkreuzt wird. Und ich liebe Orte, an denen ich Abgründiges finde.

Ich schaue gern in Abgründe, denn Abgründe enthüllen mir etwas Verborgenes, das unter einer Oberfläche lauert oder hinter einer Fassade zutage tritt.

In Deutschland finde ich das sehr schwierig. Alle Fassaden sind glatt und gestrichen. Wo ist die Verbindung in die Vergangenheit? Ist die Geschichte noch wirklich spürbar?

Auch hinter die Fassaden von Menschen gelangt man hierzulande schwieriger als beispielsweise in Italien oder in Indien, wo viele Menschen einem schon bei einer kurzen Begegnung das erzählen, was wirklich ihre Seele bewegt.

Denken wir über Klischees nach, sollten wir uns noch etwas anderes vergegenwärtigen. Das, was wir über die Welt in unserem Kopf tragen, unser Weltbild, ist nicht ansatzweise deckungsgleich mit der Wirklichkeit. Unser Weltbild entsteht aus erlerntem Wissen und im besseren Fall aus Erfahrungen oder aus der Summe von beidem. Auch das, was wir über einen Ort zu wissen glauben, denken wir in Begriffen, in Sprache, und dieses vermeintliche Wissen stellt sich oft einer unmittelbaren Erfahrung beim Sehen oder Fotografieren in den Weg. In dem Moment, wo wir über einen Ort schon etwas zu wissen glauben und dieses Wissen reflektieren, steigen wir mit unserem Geist aus dem unmittelbaren Betrachten aus. Der beste Weg aber, um sich von allen Klischees zu befreien, ist das unmittelbare, unvoreingenommene Betrachten der Wirklichkeit. Und genau hier bekommt die Fotografie wieder Tiefe und wird zum echten Erleben: Wenn es uns gelingt, uns zumindest für eine Weile vom begrifflichen Denken über das, was wir sehen, zu lösen und den Geist leer und unvoreingenommen werden lassen, dann sehen wir unmittelbar und geraten in eine neue Qualität des Erlebens.

Bei dieser Qualität des unmittelbaren Erlebens stört auch die Kamera nicht. Sie ist im Gegenteil geeignet, den Geist auf den gegenwärtigen Moment zu richten und somit kreativ zu sein und dabei eine hohe Erlebnisqualität zu behalten. Um sich von Klischees zu befreien, empfehle ich Ihnen also zweierlei:

– Suchen Sie Orte auf, zu denen es Sie wirklich hinzieht, die Ihre Orte sind. Befreien Sie Ihren Geist von Klischeevorstellungen über den Ort.

– Steigen Sie aus der Begrifflichkeit aus, die mit diesem Ort verbunden ist, und tauchen Sie ohne störende Gedanken mit Ihrer Kamera in den unmittelbaren Moment ein.

Ich bin sicher, Sie werden sich selbst überraschen und Ergebnisse mit nach Hause bringen, mit denen Sie nicht gerechnet haben.

Venedig gilt als die schönste Stadt der Welt. Aber auch bei solchen Vorgaben ist es wichtig, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Ich liebe Venedig vor allem deshalb, weil die Spuren der Zeit an den meisten der wunderschönen Häuser noch abzulesen sind. Ist man in Venedig, so kann man natürlich auch einmal ein paar Klischeebilder schießen. Hier handelt es sich um den Blick auf St. Giorgio Maggiore – und dies bei Vollmond. Abends sind die Touristenfluten aus der Stadt verbannt und so gewinnt Venedig seinen ursprünglichen Zauber wenigstens ein Stück weit wieder zurück.

40 mm, Blende 9, 15 Sekunden, ISO 100

Das kleine Bild zeigt die Skyline von New York mit der Brooklyn Bridge, so wie man sie kennt: das Klischeebild von New York. Das große Bild zeigt, dass es auch anders, und zwar deutlich besser geht: Regen ist die einzige Situation, in der die Brooklyn Bridge nicht überlaufen ist. Und wenn sich dann noch eine Szene wie diese ergibt, hat man sich von der Klischeeansicht befreit. Die Ausleuchtung ist perfekt, und so wird diese Szene – obwohl der Mann das tut, was alle tun, nämlich ein Foto mit dem Handy knipsen – zu einer ganz besonderen Szene. Hier kam ich bei der offenen Blende 4 des Canon 16–35-mm-Zoom bei einem ISO-Wert von 1600 nur auf eine Verschlusszeit von 1/13 Sekunde. Der Bildstabilisator und eine ruhige Hand haben es möglich gemacht, dass das Bild nicht verwackelt ist. Ein Stativ ist auf der Brooklyn Bridge wegen der starken Schwingungen der Brücke nicht einsetzbar.

30 mm, Blende 4, 1/13 Sekunde, ISO 1600

Zurück nach Venedig: Dieses Bild von der Rialtobrücke am Canal Grande entfernt sich vom Klischee, weil es mit einem Neutraldichtefilter (siehe Seite 350) fotografiert worden ist und somit eine Langzeitbelichtung auch am Tag möglich war. Bei der Belichtungszeit von 10 Sekunden sind die vielen Touristen in Bewegungsunschärfe getaucht und verleihen dem Bild einen unkonventionellen Charakter. Die Figuren wirken beinahe geisterhaft und arbeiten so der Klischeeansicht von der Rialtobrücke entgegen.

23 mm, Blende 8, 10 Sekunden, ISO 100

Ist nicht ganz Venedig wie eine Konkubine, die zur Sinneslust verführt? Etwas entfernt vom Markusplatz gibt es noch Viertel, die ein wenig vom Massentourismus verschont sind. Hier fand ich diese Spiegelung eines Gemäldes mit den Häusern der Stadt. Mit Spiegelungen weben wir zwei Welten ineinander. Um Schärfentiefe zwischen dem nahegelegenen Bild und dem Hintergrund zu erlangen, war hier bei 35 mm Brennweite Blende 18 nötig.

35 mm, Blende 18, 1/40 Sekunde, ISO 400

Eine ganz andere Möglichkeit, um den Klischeeansichten eines Ortes zu entrinnen, besteht darin, in Viertel zu gehen, die kaum bekannt sind, in denen sich aber authentisches Leben abspielt, wie z. B. im New Yorker Viertel Bushwick. Künstler wurden in New York aufgrund immer höherer Mieten zunehmend weiter an den Stadtrand gedrängt: von Greenwich Village über Soho auf die andere Seite des East Rivers nach Williamsburgh und jetzt ins noch weiter entfernte, ehemals heruntergekommene Viertel Bushwick. Die New Yorker Hochbahn liefert einen grafisch interessanten Hintergrund.

28 mm, Blende 7,1, 1/1000 Sekunde, ISO 800

Im Istanbuler Viertel Balat scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Aber oft sind gerade solche Viertel vom Abriss bedroht: Erdoğan plante, ganze Straßenzüge abreißen zu lassen und durch Neubebauung zu ersetzen. Dabei sind solche Viertel doch häufig die schönsten, in denen nicht jede Fassade aussieht, als könne man sie ablecken wie die Kruste eines Himbeereises. Versuchen auch Sie bei einer Reise in unbekannte, vom Reiseführer verschwiegene, Viertel zu gehen. Sie werden entdecken, wie viel Freude es macht, sich überraschen zu lassen, einmal nicht auf das vorbereitet zu sein, was kommt.

16 mm, Blende 13, 1/500 Sekunde, ISO 400

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Das Wesen der Schwarzweißfotografie ist grafisch

Schwarzweißfotografie ist Abstraktion und Reduktion der manchmal vor Farben schreienden Wirklichkeit. Sie ist Reduktion auf Formen und Tonwerte im Bereich eines umfangreichen Spektrums zwischen Weiß und Schwarz.

Schwarzweißfotografie kann aber auch eine Reduktion sein, bei der Bilder nur aus Schwarz- und Weißtönen bestehen, bei denen die Tonwerte im mittleren Grauspektrum also kaum vorhanden sind. Die meisten klassischen Maler hatten auch ein grafisches Werk: Radierungen, Linolschnitte oder Holzschnitte. Denken Sie an die unglaublich ausdrucksstarken Holzschnitte von Emil Nolde. Das ist Grafik par excellence. In diesem Sinne kann auch die Schwarzweißfotografie eine besonders starke grafische Ausdruckskraft entwickeln.

Hier geht es ganz besonders um das grafische Spiel von Licht und Schatten. Solch ein Spiel kann sowohl gegenständlichen als auch abstrakten Kompositionen zugrunde liegen. Denken Sie an die ausdrucksstarken Fotografien des großen Meisters Henri Cartier-Bresson. Viele seiner Bilder zeigen, abstrakt betrachtet, ein grafisches Spiel von Licht und Schatten, das dann zusätzlich noch inhaltliche Bedeutung bekommt, denn Cartier-Bresson ging es weniger um Abstraktion als um Fotografien mit einer starken Aussage. Aber allen gegenständlichen Fotografien liegt eine abstrakte Kompositionsstruktur zugrunde, und die muss stimmig und spannungsvoll sein, damit ein Bild kraftvoll rüberkommt. Was es genau bedeutet, ein gutes Bild zu komponieren, erfahren Sie im dritten Teil dieses Buches.

Hier lautet der Auftrag für Sie aber erst einmal, besonders grafische Fotos zu komponieren. Wählen Sie also bitte einen Sonnentag, gehen Sie in die nächste Stadt, und gestalten Sie mit Licht und Schatten. Beobachten Sie besonders das Schattenspiel aller Gegenstände, der Architektur, aber auch der Menschen. Begeben Sie sich z. B. auf einen belebten Bürgersteig und wählen Sie Ihre Position so, dass Ihnen die Passanten entweder bei Gegenlicht entgegenkommen oder dass ihre Schatten seitlich fallen. Nun richten Sie Ihren Blick nach unten und fotografieren Sie die Schattenspiele, die die Ihnen entgegenkommenden Menschen auf den Boden werfen. Nachdem Sie hier viele Fotos geschossen haben, gehen Sie weiter bei Gegenlicht spazieren und lassen sich treiben. Achten Sie besonders darauf, wie das Gegenlicht fast alle Gegenstände verfremdet und neue grafische Welten erschafft, die Sie mit Ihrer Kamera in Schwarzweiß umdenken und gestalten können. Lernen Sie, von Anfang an in Schwarzweiß zu sehen, und lassen Sie sich nicht von den vielen Farben ablenken. Wenn Sie lernen, grafisch zu denken und zu gestalten, sind Sie dem Wesen der Schwarzweißfotografie am nächsten.

Dieses Bild ist Ausdruck meiner Empfehlung, bei Gegenlicht durch die Stadt zu laufen und auf die Schatten der Passanten zu achten. Hier kommt zum Schatten noch eine interessante Struktur im Pflaster hinzu, die das Bild zu einem grafischen Ganzen macht.

28 mm, Blende 11, 1/250 Sekunde

Dieses Bild, das eine Straßenszene im indischen Jodhpur zeigt, veranschaulicht noch einmal, was ich meine: Eine ganz banale Licht- und Schattensituation zu entdecken und mit der Kamera so zu gestalten, dass ein Bild entsteht, welches das Wesen der Schwarzweißfotografie veranschaulicht, nämlich hochgradig grafisch zu sein. Die indische Kuh ist angeschnitten, aber ihr Schatten zeigt den Umriss des heiligen Tiers in voller Größe. Der Schatten beschreibt in etwa die sogenannte positive Diagonale von links unten nach rechts oben.

18 mm (27 mm im Vollformat), Blende 7,1, 1/500 Sekunde, ISO 200

Bei diesem Bild herrscht dasselbe Lichtprinzip, aber das Sujet ist viel schwieriger, denn es handelt sich um zwei Kinder in einem kleinen Dorf in Indien, die rasend schnell ein so einfaches Spielzeug wie einen Gummireifen an mir vorbeijonglieren. Um dieses perfekt komponierte Bild zu erhalten, bedurfte es mehrerer Versuche. Die Kinder hatten so viel Freude, dass sie bereit waren, mehrfach mit ihren Gummireifen an mir vorüberzuziehen. Auch mir hat diese Situation in einem kleinen Dorf, in das sich wohl nie ein Tourist verirrte, viel Freude bereitet.

20 mm (30 mm im Vollformat), Blende 6,3, 1/1250 Sekunde, ISO 400

Das Bild rechts zeigt ein interessant ineinandergeflochtenes grafisches Muster, Ergebnis eines Licht- und Schattenspiels in New York. Analysiert man die Form, so greifen hier viele große und kleine optische Dreiecke ineinander. Das i-Tüpfelchen des Bildes ist natürlich der Mensch, der in diese grafische Konstruktion eingebettet ist. Es handelt sich um das Eisengerüst, das eine der großen Brücken in New York, die Queensboro Bridge, trägt.

28 mm, Blende 11, 1/250 Sekunde

Ebenfalls sehr grafisch ist diese Komposition von den Säulen der Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main. Hier ist die grafische Komposition viel strenger und einfacher zu erfassen. Dominant sind auf dem Bild die vertikalen Säulen und ihre Schatten, zu denen rechts oben die horizontalen Linien der Treppe korrespondieren. Ohne den Menschen würde der Komposition das gewisse Etwas fehlen. Auf den richtigen Menschen musste ich lange warten, aber so fügt er sich perfekt in die grafische Komposition ein.

200 mm, Blende 11, 1/500 Sekunde

Die beiden Bilder auf dieser Doppelseite sind wieder bei Gegenlicht fotografiert, so wie ich es Ihnen empfohlen habe. An einem banalen Ort in Lanzarote entdeckte ich dieses Hausdach, auf das ein Künstler Skulpturen gesetzt hatte, die sich bei Gegenlicht mit Agaven und Stromleitungen vermischten und eine interessante Bildkomposition ergaben. Mit Lightroom habe ich so gut wie alle Zwischentöne herausgenommen, sodass nur zwei Tonwerte das Bild beherrschen: ein Weißton und ein satter Schwarzton. Einen leichten Grauverlauf habe ich noch in den oberen Teil des Himmels gelegt, damit er sich besser vom Hintergrund abhebt.

135 mm, Blende 10, 1/640 Sekunde, ISO 125

Ein Strommast und ein springender Affe im indischen Jaipur entwerfen ein ähnliches Licht-Schatten-Spiel. Hier bilden Linien und Kreis (siehe auch das Kapitel über die optischen Grundformen, Seite 276) die Bildkomposition. Der springende Affe ist das i-Tüpfelchen. Um ihn ohne Bewegungsunschärfe abzubilden, war die extrem kurze Verschlusszeit von 1/3200 Sekunde angebracht. Auch auf diesen Moment musste ich eine ganze Weile warten.

55 mm (83 mm im Vollformat), Blende 6,3, 1/3200 Sekunde

Bei diesem Bild in der Nähe der Istanbuler Galatabrücke ist vor allem die Spiegelung das Interessante am Bild. Die Menschen im Vordergrund sind Silhouetten und die Menschen im Spiegel oben sind ebenfalls Silhouetten. Auch wenn das Bild inhaltlich nichts weiter als Alltäglichkeit zeigt, lebt es von seinem starken grafischen Charakter – und das ist das Wesen der Schwarzweißfotografie!

93 mm, Blende 9, 1/200 Sekunde, ISO 250

Ein wunderschönes grafisches Spiel zeigen die New Yorker Feuertreppen im Viertel SoHo bei Gegenlicht. Die sich klar abzeichnende Feuertreppe im rechten Bildteil schafft eine formale Spannung zu den hinteren Feuertreppen im linken Bildteil. Zwischen die beiden Bildteile sind die Silhouetten von zwei Menschen eingebettet, auch wieder zwei kleine Rädchen im großen Getriebe von New York. Versuchen auch Sie, Menschen bei Gegenlicht in grafische Kompositionen zu betten.

155 mm, Blende 10, 1/800 Sekunde, ISO 250

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Lernen Sie, Stimmungen zu empfinden und auszudrücken

Mit Emotionen gehen wir in Deutschland eher zurückhaltend um. Vielleicht liegt das daran, dass wir im Dritten Reich erfahren haben, wie stark Emotionen missbraucht werden können. Und genau das beginnt ja auch heute schon wieder, wenn der Fremdenhass geschürt wird. Welche Massenemotionen sich entwickeln können, spürt man schon im Fußballstadion. Hierbei handelt es sich allerdings um ein harmloses, in der Regel friedliches Spiel. Bei Naziaufmärschen hingegen wurden die Emotionen geradezu mystisch aufgeladen, und so Vernunft und geistige Differenzierungskraft sehr vieler Menschen schnell ausgeschaltet. Es ist also wirklich sinnvoll, sich vorrangig von seiner Vernunft und von Fakten leiten zu lassen.

Aber dennoch, Emotionen wohnen uns inne. Was sollen wir mit ihnen machen, wenn sie zu stark werden? Freude können wir natürlich nach außen bringen. Was aber ist mit den weniger positiven Emotionen?

Frustration ist eine nicht zu unterschätzende Gefühlslage, aus der heraus sich schnell Wut und Hass schüren lässt. Genau da setzt meines Erachtens der Missbrauch von Emotionen heute wieder an. Wer frustriert ist und wem es an Differenzierungskraft fehlt, der ist offen dafür, ein Feindbild aufzubauen. Und da fängt es an, gefährlich zu werden.

Die Tatsache, dass Emotionen gefährlich sein können und Menschen sich mithilfe von Emotionen manipulieren lassen, ist vielleicht mit ein Grund dafür, dass sich in der westlichen Fotowelt eine völlig unemotionale Bildsprache durchgesetzt hat: die Bildsprache von Bernd und Hilla Becher und deren Schülern. Sie fanden, dass der Fotograf mit seinen Emotionen sich so weit wie möglich zurücknehmen solle. So wurde die Gegenwartsfotografie stark von dem Gedanken geprägt, möglichst unemotional zu sein.

Bilder sind aber nun einmal per se emotional. Wenn man aus Bildern die Emotionen herausnimmt, so wäre das in etwa so, als habe man eine Kuh gezüchtet, die Wasser anstatt Milch produziert, und wäre auch noch stolz darauf. Unemotionale Bilder sind kühl und distanziert.

Ich möchte daher den entgegengesetzten Weg propagieren und dafür plädieren, wieder bewusst Emotionen ins Bild zu bringen. Daher ermutige ich Sie, Ihre Stimmungen, Grundgefühle und Emotionen zu entdecken und bewusst in Bilder zu übersetzen. So sind Sie auf dem Weg zu einer eigenen Bildsprache und zu einem befriedigenden Selbstausdruck.

Nehmen Sie sich also bitte etwas Zeit und Muße, und stellen Sie sich die Frage: Wie sind Ihre Grundgefühle? Seien Sie dabei ehrlich zu sich selbst, auch wenn