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Ein Münchner Pfarrer, Mitglied einer Untergrundbewegung in seinem Heimatland Kongo, kommt auf spektakuläre Weise ums Leben. Ist der kongolesische Geheimdienst für seinen Tod verantwortlich oder stecken ganz andere, finstere Mächte dahinter? Die pensionierte Kriminalhauptkommissarin Luise Wengler ermittelt mit ihrem Team. In den Roman hinein spielen Probleme, mit denen die katholische Kirche seit langem kämpft.
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Seitenzahl: 92
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Bernhard Glocker
Die Mamba-Morde von St. Oskar
Zum Autor
Bernhard Glocker ist im November 1953 geboren, verheiratet, war als Jurist tätig und lebt heute als freier Autor in München. 2018 hat er einen Ratgeber für Reisefans unter dem Titel „Mit dem Auto durch die USA“ veröffentlicht. 2020 ist sein Mystery-Politthriller „Kampf um China“ erschienen. 2021 entstand der Kriminalroman „Mord in St. Oskar“ über ein Mordkomplott in einer Münchner Pfarrei. Der Roman „Die Mamba-Morde von St. Oskar“ ist die Fortsetzung von „Mord in St. Oskar“. Die geschilderten Geschehnisse sind natürlich wiederum fiktiv; Ähnlichkeiten der Protagonisten mit lebenden Personen sind rein zufällig. Und wie schon im Falle „Mord in St. Oskar“ gilt: Sollte trotzdem jemand glauben, sich als Akteur des Romans wiederzuerkennen, kann er oder sie hoffentlich ein wenig Spaß vertragen.
Bernhard Glocker
Die Mamba-Mordevon St. Oskar
Kriminalroman
© 2022 Bernhard Glocker
ISBN
Paperback:
978-3-347-65388-7
e-Book:
978-3-347-65391-7
Großschrift:
978-3-347-65392-4
Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Titelbild: Regenwald
© Bernhard Glocker München
Kapitel 1
„So kann es nicht weitergehen, Herr Pfarrer! Sie werden sich mehr Mühe geben müssen.“ Dr. Michaela Stamm, Mitglied des Pfarrgemeinderates der Münchener Pfarrei St. Oskar, stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch im Konferenzzimmer der Pfarrei. Herausfordernd sah sie Pfarrer Joseph Tschombé an, der am Kopfende des Tisches saß und forschend in die Runde blickte. „Ist das, was Frau Dr. Stamm gerade gesagt hat, die Meinung des Pfarrgemeinderates?“ Niemand antwortete zunächst auf diese Frage. Vereinzelt hörte man hinter vorgehaltener Hand aber bald Kommentare wie „Genauso ist es“ oder „Sie haben es erfasst“. Luise Wengler, pensionierte Kriminalhauptkommissarin, Freundin von Dr. Stamm und seit der Aufklärung der Voodoo-Morde von St. Oskar, wie die Zeitungen getitelt hatten, eine Meinungsführerin im Pfarrgemeinderat, nickte schließlich wortlos. Auch andere Versammlungsteilnehmer wie Lena Seckendorff, neben Dr. Stamm weiteres Mitglied des Ermittlungsteams von Luise Wengler im Falle der Voodoo-Morde, folgten diesem Beispiel. Lediglich die hauptamtlichen Mitstreiter von Pfarrer Tschombé, Pastoralreferent Dieter Putz sowie die neue Verwaltungsleiterin der Pfarrei, Simone Waldherr, bemühten sich, einen möglichst unbeteiligten Eindruck zu erwecken, gerade so, als hätten sie nicht verstanden, dass Dr. Stamm dem Pfarrer soeben vorgeworfen hatte, durch seine langweiligen Predigten, die sich auf bloße Nacherzählungen der jeweils zuvor vorgetragenen Bibeltexte beschränken würden, auch noch die letzten Gottesdienstbesucher aus der Kirche zu vertreiben. Der Pfarrer müsse sich, so die Forderung von Dr. Stamm, einfach mehr anstrengen, damit seine Zuhörer „etwas für das Leben“ mit nach Hause nehmen könnten.
„Und wenn wir schon einmal dabei sind“, ergriff plötzlich der Kirchenmusiker Hans Köferl, Gast in der Pfarrgemeinderatssitzung, das Wort, „ich weiß, Herr Pfarrer, dass vielen Gottesdienstbesuchern Ihr ‚Kongolesen-Trio‘, das mittlerweile die meisten unserer Messen musikalisch begleitet, gehörig auf die Nerven geht. Es ist ja recht und schön, wenn die drei Herren mit ihrem, nun ja, Gesang unseren Gottesdiensten ab und an, wenn es eben passt, einen etwas exotischen Touch geben. Ansonsten aber vermisst man, wie ich höre, den Gemeindegesang ebenso wie die früher an hohen Feiertagen üblichen Auftritte unseres Kirchenchores.“
Niemand widersprach. Pastoralreferent Putz und Verwaltungsleiterin Waldherr hüllten sich weiter in Schweigen. Auch die übrigen Gäste in der Pfarrgemeinderatssitzung, Kirchenpfleger Martin Mittermeier und Georg Weber, der Chef der Lektoren, die in den Gottesdiensten auftraten, gaben nicht zu erkennen, was sie von den erhobenen Vorwürfen hielten. Schließlich unterbrach die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, Natalie Weiß, die peinliche Stille, die sich breit zu machen begann. „Ich glaube, wir alle sollten das jetzt erst einmal sacken lassen. Die Tagesordnung haben wir ja schon abgearbeitet. Mit eurem Einverständnis erkläre ich die heutige Sitzung für beendet.“
Pfarrer Tschombé erhob sich. „Sehr gut, ich muss jetzt ohnehin noch zu meinem ‚Kongolesen-Trio‘, wie Sie, Herr Köferl, die Herren gerade zu bezeichnen beliebt haben, damit sie nachher in der Messe nicht wieder auf den Unwillen der Gottesdienstbesucher stoßen. Und wenn der eine oder die andere von Ihnen Zeit finden sollten, die Messe zu besuchen, dann können Sie sich ja noch einmal ein eigenes Bild davon machen, was ich in der Predigt zu sagen habe. Vielleicht ist ja doch einmal etwas Neues für Sie dabei. Auch wenn es dann Ihren intellektuellen Anforderungen nicht genügen sollte: Tragen Sie dem Umstand Rechnung, dass nicht nur Münchner Bildungsbürger die Messe besuchen, die ohnehin mit sich im Reinen sind und alles besser wissen.“
„Der war ganz schön sauer“, meinte Dr. Stamm auf dem Heimweg zu Luise Wengler. „Den Eindruck habe ich auch“, gab Wengler zurück, „Es war ja auch starker Tobak. Aber vielleicht nützt es ein bisschen. Außerdem hat er heute immerhin nicht die Rassismuskeule geschwungen, was er sonst so gerne tut. Ich habe schon die Luft angehalten, als Hans Köferl vom ‚Kongolesen-Trio‘ gesprochen hat. Auf seine Landsleute lässt unser Pfarrer ja sonst nichts kommen. “
Kapitel 2
Zusammen mit Ehemann Peter betrat Luise Wengler den Kirchenraum von St. Oskar. Der Gottesdienst hatte bereits begonnen; am Altar stand Pfarrer Tschombé als Zelebrant. Nur wenige Gottesdienstbesucher wohnten der samstäglichen Vorabendmesse bei. Immerhin entdeckte Wengler in einer Kirchenbank nahe dem Altar Dr. Stamm, die wie die anderen Gottesdienstbesucher ohne erkennbare Regung einer musikalischen Darbietung dreier Afrikaner folgten, die sich vor der Orgel links vorne im Kirchenraum aufgestellt hatten.
„Das ‚Kongolesen-Trio‘“, raunte Wengler ihrem Mann zu, bevor sich beide in der letzten Reihe der Kirchenbänke platzierten. Jetzt trat Georg Weber, der Cheflektor persönlich, an das Rednerpult und trug mit voller, wohltönender Stimme die Lesung des Tages vor, einen Auszug aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther über die Liebe, eine der bekanntesten Stellen aus dem Neuen Testament. Wengler fühlte sich ergriffen, aber auch beschwingt, ein Gefühl, das sich schnell legte, als Pfarrer Tschombé nun das Wort nahm und mit nahezu leiernder, nur durch seinen starken französischen Akzent modulierter Stimme das Evangelium verkündete, einen Bericht über einen wenig erfolgreichen Auftritt von Jesus in der heimischen Synagoge, endend mit der Feststellung, dass der Prophet im eigenen Lande nichts gilt. Pfarrer Tschombé griff dieses Thema dann auch sogleich in seiner Predigt auf, beginnend in bewährter Weise mit einer Nacherzählung des eben Gehörten in eigenen Worten. Ergeben, aber ohne erkennbares Interesse nahmen die Gottesdienstbesucher die Ausführungen des Pfarrers zur Kenntnis. Wengler suchte einen Blickkontakt zu Dr. Stamm, die gleichfalls zu ihr hinübersah. Beide Frauen nickten sich kaum bemerkbar für Dritte zu. Genau so eine Predigt war ja zu erwarten gewesen! Doch dann schwang sich Pfarrer Tschombé zu einem unerwarteten Exkurs auf. Es brauche eben, so meinte er, manchmal einen Anstoß von außen, um wegweisende Erkenntnisse zu gewinnen. Er, der Pfarrer aus Afrika, aus dem tiefsten Kongo, nehme das zum Anlass, seine bisweilen doch etwas träge Gemeinde einmal wieder an das Gebot der Liebe zu erinnern, die die Lesung des heutigen Abends so trefflich beschrieben habe. Liebe sei keine Frage der Lebensführung, sei auch nicht beschränkt auf Beziehungen zwischen Mann und Frau. Er, Pfarrer Tschombé, habe deshalb vor, im Sonntagsgottesdienst der nächsten Woche einige Paare aus der LGBT-Gemeinde zu segnen, denen die Amtskirche eine Trauung verwehre. Wer daran Anstoß nehme, dem empfehle er, dem Sonntagsgottesdienst nächste Woche fern zu bleiben.
Einige der Gottesdienstbesucher blickten bei dieser Ankündigung auf, doch irgendwie geartete Kommentare gab es nicht. Auch eine „Abstimmung mit den Füßen“ war nicht festzustellen; niemand verließ den Kirchenraum. Der Pfarrer setzte die Messe fort und schon bald versetzte der Vortrag schon tausendfach gehörter, altvertrauter Texte die Gemeinde wieder in den gewohnten Zustand dumpfer Lethargie.
Nach der Kommunionverteilung gab Pfarrer Tschombé dann seinen kongolesischen Landsleuten einen Wink. Diese verstanden das Kommando und begannen mit einer exotischen Darbietung eigener Art. Fast eine Viertelstunde lang tobte das Trio unter tatkräftigem Einsatz von Pfeifen und Trommeln. Die Gottesdienstbesucher begannen, Blicke um sich zu werfen, um zu sehen, wie die anderen Gläubigen auf diese Darbietung reagierten. Gelegentlich wurden ein Zischen oder andere Äußerungen des Unmuts laut. Vereinzelt hallten aber auch Bravorufe durch den hohen Raum. Peter Wengler begann zu klatschen, beendete diese Kundgebung aber abrupt, als er einen warnenden Blick seiner Ehefrau registrierte. Da endete der Auftritt des Trios ebenso plötzlich, wie er begonnen hatte. Wie üblich sprach der Pfarrer jetzt die abschließenden Gebete und erteilte den Segen, gefolgt vom Entlassungsruf des „ite missa est“. Zum Erstaunen nicht nur Luise Wenglers tat sich Pfarrer Tschombé aber schwer, die Aussendung seiner Gemeinde mit den Worten „Gehet hin in Frieden“ zu formulieren. Er schien plötzlich Wortfindungsschwierigkeiten zu haben, wischte sich über den Mund und trat auf die Treppenstufen zu, die vom Altar in den Kirchenraum hinunterführten. Er hielt kurz inne, geriet ins Taumeln und stürzte schließlich die Stufen hinunter. Am Fuß des Altares blieb er regungslos liegen.
Alle Gottesdienstbesucher sprangen auf. Sofort eilte Dr. Stamm, Ärztin, wenn auch seit kurzem im Ruhestand, auf den Pfarrer zu, untersuchte ihn kurz und schüttelte dann den Kopf. „Er ist tot. Es sieht nach einem Herzinfarkt aus.“ Zum Mesner Vladi Stepanovic gewandt, der aus der Sakristei ebenfalls herbeigeeilt war, sagte sie: „Verständigen Sie bitte sofort den Notarzt. Sagen Sie, es handele sich wahrscheinlich um einen Herzinfarkt. Nach dem Ergebnis meiner ersten Untersuchung hat der Pfarrer nicht überlebt.“
Wenige Minuten später traf der Notarzt ein. Er konnte aber nur den Befund bestätigen, zu dem Dr. Stamm bereits gelangt war. Der leblose Körper von Pfarrer Tschombé wurde abtransportiert.
Nur langsam machten sich jetzt die Kirchenbesucher auf den Heimweg. Das schier unglaubliche Geschehen gab immer wieder Anlass zu intensiven Diskussionen. Auch Wengler und Dr. Stamm blieben noch einen Moment zusammen auf dem Kirchenvorplatz stehen. „Da geht er einmal in seinem Leben von seinem Predigtschema ab und verkündet eine kirchenpolitische Sensation – und dann fällt er tot um! Er hätte Besseres verdient gehabt“, meinte Dr. Stamm, um dann in bekümmertem Ton fortzufahren: „Und ich bin schuld. Wenn ich ihn nicht zuvor wegen seiner langweiligen Predigten angegriffen hätte, hätte er heute niemals die Gelegenheit genutzt, um diese Segnung anzukündigen. Wahrscheinlich hat er sich dabei so aufgeregt, dass sein Herz nicht mehr mitgespielt hat.“
„Steigere dich da bloß nicht hinein“, versuchte Wengler die Freundin zu beruhigen. „Du kannst nichts dafür. Deine Vorwürfe waren doch berechtigt. Er hätte damit einfach professioneller umgehen müssen. Aber dann ist es eben so gekommen, wie es gekommen ist. Gehen wir nach Hause. Hier können wir nichts mehr tun.“
Kapitel 3
Eine Woche später wurde Pfarrer Joseph Tschombé unter großer Anteilnahme seiner ganzen Pfarrgemeinde auf dem Münchner Waldfriedhof beigesetzt. Der für die Seelsorgregion München zuständige Weihbischof hatte das Requiem zelebriert und in seiner Predigt hervorgehoben, wie dankbar das Erzbistum Pfarrer Tschombé gewesen sei, dass er seine Pfarrstelle in seinem Heimatland aufgegeben habe, um in St. Oskar als Pfarrer zu wirken. Sein Dienst sei nun zu Ende.